:: 12/2021

Agrarstrukturwandel einmal näher betrachtet

Demografie – Personengesellschaften – Öko-Boom

Mit den Ergebnissen der Landwirtschafts­zählung 2020 liegen jetzt aktuelle Ergebnisse einer umfassenden Erhebung vor. Durch einzelbetriebliche Zusammenführung mit den Angaben aus den Großzählungen 1999 und 2010 lassen sich vertiefte Erkenntnisse zum Agrarstrukturwandel gewinnen. In diesem Beitrag geht es nun darum, einzelne Facetten des Agrarstrukturwandels näher zu beleuchten, um ein besseres Verständnis des strukturellen Wandels zu gewinnen, denn nicht immer zeigt das Offenkundige die ganze Wahrheit. Aus der Fülle möglicher Themen werden drei Aspekte näher untersucht: Wie wirkt die Demografie auf den Strukturwandel? Sind die kontinuierlich an Bedeutung gewinnenden Personengesellschaften eine stabile und verlässliche Größe? Wie verhält es sich mit den Öko-Betrieben, ist einmal Öko gleich immer Öko?

Der Strukturwandel verlangsamt sich: ? oder !

In den vergangenen Jahren ging die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe auf der einen Seite kontinuierlich zurück, auf der anderen Seite hat sich aber die Abnahmerate jedoch fortlaufend verringert. Das Tempo des agrarstrukturellen Wandels – gemessen an der Zahl der Betriebe – hat sich stetig verlangsamt, zuletzt waren jährliche Abnahmeraten von weniger als 1 % zu verzeichnen. Bei lokaler Betrachtung war für einzelne Gemeinden sogar eine Zunahme bei der Zahl landwirtschaftlicher Betriebe festzustellen. Für die Verlangsamung des strukturellen Wandels sind verschiedene Gründe denkbar. Zum einen verbleiben im Strukturwandel Betriebe mit größeren Produktionspotenzialen, haben also ein solideres wirtschaftliches Fundament und sind damit besser gerüstet. Zum anderen treten vermehrt neue und kooperative Betriebsformen in Erscheinung. Ein ganz wichtiger Faktor für die Verlangsamung des Strukturwandels dürfte aber in der Altersdemografie der Inhaber und Inhaberinnen landwirtschaftlicher Betriebe zu finden sein (im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit auf eine geschlechtsspezifische Bezeichnung verzichtet; der Anteil der Betriebsinhaberinnen belief sich im Jahr 2020 auf 10 %).

Inhaber werden immer älter

Betrachtet man die Altersstruktur der landwirtschaftlichen Betriebsinhaber in den Jahren 1999, 2010 und 2020 treten markante Unterschiede zutage, die aber eigentlich nur eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung widerspiegeln. Im Jahr 1999 war gut die Hälfte aller Betriebsinhaber jünger als 45 Jahre, die am stärksten besetzte Alterskohorte war die mit weniger als 35 Jahren (Schaubild). Der Anteil der älteren Betriebsinhaber (65 Jahre und mehr) belief sich auf weniger als 5 %. Das durchschnittliche Alter der Betriebsinhaber betrug 46 Jahre.

Bis in das Jahr 2010 sind die Betriebsinhaber bereits deutlich gereift. Die am stärksten besetzte Alterskohorte ist nun die Altersklasse zwischen 40 und 45 Jahren. Das mittlere Alter der Betriebsinhaber beträgt nun schon 49 Jahre. Der Anteil der älteren Betriebsinhaber (65 Jahre und mehr) belief sich immer noch auf weniger als 5 %.

Bis zum Jahr 2020 sind die stark besetzten Babyboomer-Jahrgänge weiter gealtert. Die am stärksten besetzte Alterskohorte ist nun die Altersklasse zwischen 55 und 59 Jahren. Fast die Hälfte (47 %) der Betriebsinhaber ist mittlerweile 55 Jahre und älter. Allein der Anteil der älteren Betriebsinhaber (65 Jahre und mehr) hat sich zwischenzeitlich mehr als verdoppelt (11 %). Das durchschnittliche Alter eines Betriebsinhabers beläuft sich auf mehr als 52 Jahre.

Klippe Generationswechsel

Der Generationswechsel ist häufig eine Zäsur in der Entwicklung eines landwirtschaftlichen Betriebs, weil mit ihm weitreichende Weichenstellungen verbunden sind. Soll der Betrieb auch eine künftige Generation tragen, sind meist umfangreiche Investitionen erforderlich, vor denen mancher Inhaber angesichts der unsicheren Erwartungen zurückschreckt. Der Generationswechsel ist daher häufig Anlass (nicht Grund, der liegt in der Regel woanders) einen landwirtschaftlichen Betrieb aufzulösen. Die Aufgabewahrscheinlichkeit steigt daher mit dem Alter der Betriebsinhaber signifikant an (Tabelle). Von den Betrieben, deren Inhaber im Jahr 2010 65 Jahre und älter waren, haben bis 2020 mehr als die Hälfte (58 %) aufgegeben, von der Altersgruppe 60 bis 64 Jahre fehlt bis 2020 mehr als jeder Dritte (37 %). Im Jahrzehnt zuvor (1999 bis 2010) war der Wandel noch schärfer, die vergleichbaren Aufgaberaten lagen bei 71 % bzw. 49 %.

Die Demografie zeigt Wirkung – Strukturwandel nimmt zu

Allein aufgrund der demografischen Entwicklung – unabhängig von allen anderen Entwicklungen – wird sich der agrarstrukturelle Wandel im kommenden Jahrzehnt voraussichtlich wieder deutlich beschleunigen. Das Potenzial der Betriebe, die vor der wichtigen Klippe Generationswechsel stehen, ist viel größer als in der Vergangenheit und war niemals so groß wie jetzt. Fast 23 000 Betriebe, das ist deutlich mehr als die Hälfte (59 %) aller Betriebe hat einen Inhaber mit 50 Jahren und mehr und wird sich daher im kommenden Jahrzehnt ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie es weitergeht. Je nachdem, welches Szenario man zugrunde legt, ergeben sich demografisch bedingte jährliche Abnahmeraten von – 1,9 % bis – 3,8 %. Der niedrigere Wert ergibt sich, wenn man die altersabhängigen Aufgaberaten von 2010 bis 2020 zugrunde legt, der höhere Wert errechnet sich auf Basis des Zeitraums 1999 bis 2010. In beiden Fällen ergibt sich eine deutliche Beschleunigung des Strukturwandels, wobei der niedrigere Wert angesichts der vielfältigen Forderungen, die an die Landwirtschaft herangetragen werden, eher die Untergrenze markieren dürfte. Zumindest dann, wenn nicht durch klare und verlässliche Rahmenbedingungen die Quote der positiven Entscheidungen zur Weiterführung eines Betriebs erhöht werden kann.

Die von der Alterung der Betriebsinhaber ausgehende Wirkung auf den Strukturwandel wird in den ersten Jahren des kommenden Jahrzehnts wahrscheinlich noch abgemildert, weil neue Regelungen zulassen, dass auch ältere Betriebsinhaber (65 Jahre und mehr) landwirtschaftliche Betriebe ohne finanzielle Einbußen führen können. Dieser Effekt bringt aber nur einen vorübergehenden Aufschub, denn statt mit 65 Jahren müssen die Betriebsinhaber nun mit 68 oder 70 Jahren die gleichen grundsätzlichen Entscheidungen zur Weiterführung des Betriebs treffen.

Die GbR – Übergangsphänomen oder Dauererscheinung?

Landwirtschaftliche Unternehmen, die nicht an eine einzelne natürliche Person gebunden sind, könnten eine Antwort sein, um den Strukturwandel zu stabilisieren. In den Blick geraten hier vor allem die Personengesellschaften, namentlich die Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und sich neben den Einzelunternehmen zu einer relevanten Größe entwickelt haben. Im Jahr 2020 wird über ein Zehntel (12%) der Betriebe als Personengesellschaft bewirtschaftet, in der großen Mehrheit (88%) als GbR.

In einer GbR gibt es mindestens zwei Gesellschafter, die Existenz des Betriebs ist also nicht mehr an eine einzelne Person gekoppelt. Von daher sind Betriebe in der Form einer GbR dauerhafter angelegt.

Die Agrarstatistik unterscheidet insgesamt 17 mögliche Rechtsformen. Der Übersichtlichkeit halber werden jedoch nur die drei Gruppen

  • Einzelunternehmen
  • Personengesellschaften
  • Juristische Personen (öffentlich und privat)

unterschieden, wobei im Folgenden die Begriffe Personengesellschaften und GbR bedeutungsgleich verwendet werden.

Eine nähere Analyse der Demografie von landwirtschaftlichen Betrieben nach ihrer Rechtsform wird durch einzelbetriebliche Verknüpfung möglich. Für insgesamt fast 33 000 Betriebe stehen dabei sogar Datensätze über 2 Jahrzehnte (1999–2010–2020) hinweg zur Verfügung, sodass diese über diesen Zeitraum hinweg im Verlauf analysiert werden können. Aus der Perspektive des Jahres 2020 (39 085 Betriebe) bedeutet dies, mehr als vier Fünftel (84 %) der Betriebe gab es schon im Jahr 1999.

Unter den untersuchten Datensätzen dominiert die Einzelunternehmung, verliert aber kontinuierlich an Bedeutung (95 %–91 %–88 %). Im Gegenzug nehmen die Personengesellschaften (GbR) zu (5 %– 9 %–11 %). Die übrigen Rechtsformen sind über den gesamten Zeitraum nahezu bedeutungslos (1 %– 1 %– 1 %).

Hinter der absoluten Zunahme der GbR verbirgt sich jedoch ein viel größeres Kommen und Gehen. Aus der Perspektive des Jahres 2020 setzt sich die Gesamtzahl der Personengesellschaften nur zum kleinsten Teil (15 %) aus Betrieben zusammen, die bereits im Jahr 1999 als GbR geführt wurde. Ein Drittel (33 %) wurde im Zeitraum zwischen 1999 und 2010 zur GbR und die Hälfte (49 %) der Betriebe firmierte erst im vergangenen Jahrzehnt zur Personengesellschaft um. Im Gesamtzeitraum 1999–2010–2020 können dagegen fast 800 Betriebe identifiziert werden, die den Weg vom Einzelunternehmen zur GbR und wieder zurück zum Einzelunternehmen genommen haben.

2010 – Blick voraus und zurück

Für das Jahr 2010 ist eine erweiterte beidseitige Analyse des Wanderungsverhaltens unter Einschluss von Neugründungen und Betriebsaufgaben möglich. Das heißt, der Bestand an Personengesellschaften im Jahr 2010 kann daraufhin untersucht werden, aus welchen Rechtsformen des Jahres 1999 er sich entwickelt hat. Er kann aber auch dahingehend untersucht werden, was aus den Personengesellschaften des Jahres 2010 bis zum Jahr 2020 geworden ist. Die Ergebnisse sind in Übersicht 1 dargestellt und veranschaulichen die große Dynamik, die sich hinter der saldenmäßigen Betrachtung verbirgt.

Von gut 3 700 Personengesellschaften im Jahr 2010 kann man nur jedem siebten Betrieb (15 %) eine durchgängige und langfristige Existenz (1999–2020) als GbR attestieren. Die größte Gruppe (66 %) stellen Betriebe, die anfänglich (1999) ein Einzelunternehmen waren und bis 2010 zur GbR wurden. Das sind gleichzeitig jene Betriebe, die ursächlich für die absolute Zunahme der GbR sein dürften, obwohl einige davon sich im Folgejahrzehnt erneut verändert haben. Jede zehnte Personengesellschaft im Jahr 2010 war eine Neugründung, hatte also keinen unmittelbaren Vorgängerbetrieb.

Blickt man von 2010 nach 2020, stellt also die Frage, was wurde aus den 3 700 Personengesellschaften des Jahres 2010, dann ist festzustellen: die Mehrheit – allerdings nur knapp die Mehrheit (54 %) – existiert weiterhin als GbR. Bei mehr als einem guten Viertel der Betriebe (28 %) ist zwischen 2010 und 2020 dagegen ein Wechsel zum Einzelunternehmen zu verzeichnen. Bei den Betrieben mit Wechsel zum Einzelunternehmen handelt es sich zudem in der Mehrheit um Betriebe, die in ihre ursprüngliche Rechtsform zurückfallen. Für mehr als ein Fünftel der GbR (21 %) des Jahres 2010 ist das nur eine Übergangsform: sie waren zuvor (1999) ein Einzelunternehmen und sie sind es danach (2020) wieder. Die GbR ist also in der Tat vielfach eine Rechtsform des Übergangs und damit nur bedingt geeignet den Strukturwandel zu verlangsamen. Das wird durch die Tatsache unterstrichen, dass ein gutes Sechstel der Personengesellschaften (18 %) des Jahres 2010 bis 2020 vollständig aufgelöst wurde.

Diese Annahme einer vielfach nur temporären Anlage einer GbR wird auch von einer explorativen Analyse der Adressierungen von GbR gestützt. In der großen Mehrzahl der Fälle (80 % bis 90 %) kann aufgrund der Bezeichnung von einer familiären Beziehung der Gesellschafter ausgegangen werden, wobei allerdings keine näheren Rückschlüsse zur Natur der Beziehung möglich sind. Es kann sich um Mann/Frau, Elternteil/Kind oder eine sonstige familiäre Beziehung handeln. Lediglich bei einem kleineren Teil der Personengesellschaften kann aufgrund einer neutralen Firmierung (zum Beispiel Gemüsebau GbR) von einer zweckgebundenen (Betriebszweig-)Gemeinschaft ausgegangen werden.

Öko-Landbau – Erfolgsstory mit Schwachstellen

Im Großen und Ganzen betrachtet verzeichnet der ökologische Landbau in Baden-Württemberg eine glänzende Wachstumsgeschichte. Binnen eines Jahrzehnts hat sich die Zahl der Betriebe wie die ökologisch bewirtschaftete Fläche deutlich erhöht. Man könnte daher geneigt sein, die Zunahme des ökologischen Landbaus als eine geradezu zwangsläufige Entwicklung zu betrachten, an dessen Ende möglicherweise eine rein ökologische Bewirtschaftung des gesamten Landes steht. Der gesellschaftliche Wille und die staatliche Förderung sprechen dafür.

Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Hinwendung zum ökologischen Landbau keine Einbahnstraße ist. Nicht jeder Betrieb, der sich einmal für die ökologische Wirtschaftsweise entschieden hat, bleibt dauerhaft dabei. Das belegen die Zahlen der Landwirtschaftszählungen 2010 und 2020, wenn man sie auf einzelbetrieblicher Ebene vergleicht.

So gab es im Jahr 2010 gut 3 000 Öko-Betriebe im Land (Übersicht 2). Von diesen Betrieben hat gut jeder Achte (12 %) bis 2020 aufgegeben. Die Aufgaberate ökologisch wirtschaftender Betriebe unterscheidet sich damit nur unwesentlich von der Aufgaberate konventioneller Betriebe. Oder anders formuliert: Die ökologische Wirtschaftsweise schützt nicht vor Betriebsaufgabe.

Öko bleibt nicht immer öko

Die große Mehrheit der Öko-Betriebe des Jahres 2010 (88 %) ist auch im Jahr 2020 noch existent, allerdings nicht unbedingt noch als Öko-Betrieb. Nicht wenige haben sich im zurückliegenden Jahrzehnt wieder von der ökologischen Wirtschaftsweise verabschiedet. Fast jeder sechste (18 %) Öko-Betrieb des Jahres 2010 hat sich bis 2020 für ein Zurück zur konventionellen Art und Weise des Wirtschaftens entschieden. Die Gründe, warum sich Öko-Betriebe auch wieder gegen diese Wirtschaftsweise entscheiden, sind vermutlich im jeweiligen Einzelbetrieb zu suchen. Zumindest geben die objektiven Werte auf den ersten Blick keinen Hinweis: Betriebe, die die ökologische Wirtschaftsweise wieder aufgeben unterscheiden sich weder in der Flächenausstattung, noch in der wirtschaftlichen Größe nennenswert von den Betrieben, die die ökologische Wirtschaftsweise beibehalten.

Wechselt man die Perspektive und betrachtet die Öko-Betriebe aus der Gegenwart (2020), dann ist nur jeder zweite Öko-Betrieb ein Veteran, also ein Betrieb, der schon 10 Jahre zuvor als Öko-Betrieb vorhanden war. Mehr als ein Drittel der Betriebe sind Umstellungsbetriebe, hat also in den vergangenen 10 Jahren auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Der Boom der Öko-Betriebe insgesamt beruht also darauf, dass deutlich mehr Betriebe in die ökologische Landwirtschaft ein- als ausgestiegen sind. Die Wachstumsgeschichte im Ökolandbau wäre damit noch größer, würden weniger Betriebe wieder aussteigen. Vielleicht sollte der Beibehaltung der Wirtschaftsweise mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Etwa ein Siebtel der Öko-Betriebe im Jahr 2020 sind neue Betriebe, also Betriebe die 2010 noch nicht vorhanden waren. Darunter sind sicher echte Neugründungen, aber meist entwickeln sich in der Landwirtschaft neue Betriebe aus etwas Vorhandenem heraus. Als neue Betriebe gelten sie für die Statistik dann, wenn sie neu im Erfassungsbereich der Agrarstatistik erscheinen oder dies mit einem substantiellen strukturellen Bruch, zum Beispiel mit einem neuen Inhaber in einer kooperativen Rechtsform, verbunden ist. Der Anteil »neuer« Betriebe ist unter den Öko-Betrieben deutlich höher als unter den übrigen Betrieben, das heißt, Quer- und Neueinsteiger in die Landwirtschaft neigen eher der ökologischen Wirtschaftsweise zu.

Resümee

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird im kommenden Jahrzehnt allein aus demografischen Gründen deutlich an Fahrt aufnehmen.

Die Personengesellschaften werden immer mehr, sie sind aber doch vielfach ein Element des Übergangs und damit zwar eine Facette des Agrarstrukturwandels, aber ohne ihn dauerhaft aufzuhalten.

Öko boomt, der Boom wäre nachhaltiger, gäbe es nicht auch Öko-Aussteiger.