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Überschuldung privater Haushalte in Baden-Württemberg und den anderen Ländern Deutschlands 2017 bis 2021

Ein privater Haushalt gilt – vereinfacht ausgedrückt – als überschuldet, wenn die von ihm zu leistenden Gesamtausgaben über einen längeren Zeitraum hinweg höher sind als seine Einnahmen und auch kein ausreichendes Vermögen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen vorhanden ist. In diesem Sinne waren 2021 in Deutschland etwa 6,16 Millionen (Mill.) Menschen überschuldet, das entspricht knapp 9 % aller über 18-jährigen Einwohner oder Einwohnerinnen. Dies geht aus Erhebungen der Unternehmensgruppe Creditreform Neuss hervor, die durch Auswertung von Gerichtsdaten sowie Meldungen durch Gläubiger gewonnen werden und jährlich in einem SchuldnerAtlas veröffentlicht werden.1

Die Daten von Creditreform ermöglichen kleinräumige Analysen, sie erlauben jedoch keine tiefergehenden sozioökonomischen Untersuchungen. Dies wiederum wird durch Daten des Statistischen Bundesamts geleistet, die auf online-basierten Befragungen bei Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen beruhen, die in der Trägerschaft von Wohlfahrts- und Verbraucherverbänden oder kommunalen Verbänden stehen oder als gemeinnützig anerkannt sind.2 Allerdings gibt es keine entsprechenden amtlichen Statistiken für alle Länder oder gar Kreise. Eine vergleichbare, 2008 auf freiwilliger Basis durchgeführte Erhebung des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg wurde nicht fortgesetzt.3

Im vorliegenden Beitrag wird auf die Erhebungen von Creditreform und die Überschuldungsdaten des Statistischen Bundesamts Bezug genommen. Nähere Erläuterungen zu Definition und Methodik finden sich im i-Punkt.

Überschuldung in Zeiten der Corona-Pandemie

Nach den Ergebnissen von Creditreform waren in den letzten knapp 2 Jahrzehnten in Deutschland etwa 10 % aller über 18-jährigen Einwohner oder Einwohnerinnen überschuldet – die Spanne dieser Überschuldungsquote reichte bisher von 9,1 % im Jahr 2009 bis 10,9 % im Jahr 2007. In den Jahren 2017 bis 2019 hat sich die Überschuldungsquote bei 10 % eingependelt, aber danach kontinuierlich verringert: Über 9,9 % im Jahr 2020 auf 8,9 % im Jahr 2021 und damit die inzwischen geringste Quote seit 2004 (Tabelle). Ausgerechnet in den beiden Jahren der Corona-Pandemie wurden also besonders niedrige Überschuldungswerte erreicht. Vergleichbares hat sich im Zuge der Finanzmarktkrise ereignet – wie ausgeführt lagen die Überschuldungsquoten im Vorkrisenjahr 2007 mit 10,9 % auf dem bisher höchsten und im Krisenjahr 2009 mit 9,1 % auf dem bis 2021 niedrigsten Level.

Eigentlich wäre zu erwarten, dass krisenbedingte Arbeitsplatzverluste und Einkommenseinbußen die Überschuldung privater Haushalte tendenziell ansteigen lassen. Schon während der Finanzmarktkrise haben jedoch umfangreiche staatliche Unterstützungsmaßnahmen die negativen ökonomischen Auswirkungen abgefedert. Noch mehr haben in der aktuellen Corona-Krise massive staatliche Hilfen wie Sonderregelungen für Kurzarbeiter, Überbrückungs-, Neustart- und Härtefallhilfen für Unternehmen und Selbstständige, KfW-Programme, Bürgschaften und Garantien, Stabilisierungs- und Sonderfonds sowie steuerliche Unterstützungen und ein erleichterter Zugang zur Grundsicherung den wirtschaftlichen Abschwung deutlich abgebremst und die Einkommenssituation vieler privater Haushalte in Deutschland stabilisiert.

In der Folge sind zwischen 2019 und 2020 – trotz eines erheblichen Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts um real 4,6 % beziehungsweise nominal 3,0 % – die Verfügbaren Einkommen in Deutschland um nominal 0,8 % angewachsen. Gleichwohl haben die privaten Haushalte zwischen 2019 und 2020 ihre Konsumausgaben erheblich zurückgeführt, nämlich um nominal 5,3 % beziehungsweise real 5,9 %. Die Sparquote hat sich demzufolge von 10,8 % auf 16,1 % massiv erhöht – zum einen wegen pandemiebedingt unumgänglichen Einschränkungen der Konsummöglichkeiten vor allem bei Reisen, Übernachtungen und Gaststättenbesuchen, zum anderen wegen allgemeiner Vorsicht beim Ausgabeverhalten, insbesondere in Bezug auf Waren und Dienstleistungen, die nicht zum täglichen Bedarf zählen.

Diese gesamtwirtschaftlichen Hintergründe für den (leichten) Rückgang der Überschuldung zwischen 2019 und 2020 um 0,1 Prozentpunkte lassen sich durch Umfrageergebnisse zum Konsumverhalten weiter vertiefen.4 Danach gaben im Durchschnitt des Jahres 2020 etwa 37 % der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher an, eine Verringerung ihres Haushaltsnettoeinkommens erfahren zu haben, und zwar ganz überwiegend (rund 88 %) aus arbeitsplatzrelevanten Gründen (Kurzarbeit, Verlust des Arbeitsplatzes oder einer selbstständigen Tätigkeit, Mangel an Nebenjobs). Knapp zwei Drittel der Verbraucherinnen und Verbraucher hatten also keine Schwächung ihres verfügbaren Haushaltseinkommens zu beklagen.

Im Jahr 2021 hat sich die Überschuldung noch stärker verringert, nämlich um weitere 1,0 Prozentpunkte. Diese merkliche Entspannung der privaten Verschuldung erfolgte parallel zu einer Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingen: Nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamts ist das Bruttoinlandsprodukt um real 2,7 % beziehungsweise nominal 5,8 % gewachsen. Damit ist die wirtschaftliche Verbesserung zwar, nicht zuletzt wegen der anhaltenden Pandemie und weltweiter Lieferschwierigkeiten, geringer ausgefallen als erhofft und hat den Rückgang des Jahres 2020 nicht vollständig ausgleichen können, immerhin haben sich aber die Verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte mit + 1,8 % nochmals erhöht. Die privaten Konsumausgaben haben preisbereinigt stagniert, aber nominal um 3,1 % zugenommen. Dadurch hat sich auch die Sparquote von 16,1 % im Vorjahr 2020 auf 15,0 % leicht verringert, blieb aber deutlich über dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019 (10,8 %) und früherer Jahrzehnte.5 Die 2021 merklich gesunkene Überschuldung dürfte also auch auf das in der Corona-Krise zurückhaltende Konsumverhalten zurückzuführen sein, das schon 2020 eingesetzt hat und weiter anhält.

Situation in den Ländern im Jahr 2021

In der Tabelle sind die Überschuldungsquoten in den Jahren 2017 bis 2021 für die 16 Länder zusammengestellt. Über die Jahre hinweg konnten nur drei süddeutsche Länder (Bayern, Baden-Württemberg und Hessen) sowie zwei ostdeutsche Länder (Thüringen und Brandenburg) Überschuldungsquoten im oder unter dem Bundesdurchschnitt aufweisen. Insoweit gibt es kein ausgeprägtes Ost-West-Gefälle, obwohl die Pro-Kopf-Überschuldung in Ostdeutschland (selbst ohne Berlin) in den letzten Jahren um 0,4 bis 0,5 Prozentpunkte höher ausgefallen ist als in Westdeutschland einschließlich Berlin. Die Tabelle weist außerdem darauf hin, dass Stadtkreise (kreisfreie Städte und Städteregionen) im Durchschnitt um über 3 Prozentpunkte stärker belastet waren als Landkreise.

Bei näherer Betrachtung der Ergebnisse von Creditreform fällt auf, dass beispielsweise im aktuellen Jahr 2021 unter allen deutschen Landkreisen allein 20 bayerische Kreise die geringsten Überschuldungsquoten zu beklagen hatten, und unter den 15 größten deutschen Städten mit mehr als 400 000 Einwohner/-innen München am besten abgeschnitten hat. In der Rangfolge deutscher Stadt- und Landkreise lagen weitere 30 bayerische Kreise vorn, lediglich Kreise aus Baden-Württemberg und Thüringen konnten sich dazwischenschieben; es sind dies die durch Hochschulen geprägten kreisfreien Städte Jena und Heidelberg sowie der Landkreis Tübingen beziehungsweise die eher ländlich strukturierten und dennoch wirtschaftlich gut aufgestellten Landkreise Eichsfeld in Thüringen sowie Main-Tauber, Hohenlohe, Alb-Donau, Biberach und Böblingen in Baden-Württemberg mit Überschuldungsquoten unter 6 %. Für den herausragenden zweiten Platz Baden-Württembergs zeichnet außerdem verantwortlich, dass sich im letzten Drittel des Rankings nur drei Kreise des Landes befinden, nämlich die Stadtkreise Pforzheim, Mannheim und Heilbronn mit Überschuldungsquoten zwischen 10 % und 14 %.

Am unteren Ende der Rangskala finden sich vor allem kreisfreie Städte mit strukturellen Problemen, insbesondere industriellen Altlasten, oder besonderen sozialen Brennpunkten. Neben nordrhein-westfälischen Städten an Rhein und Ruhr wie Gelsenkirchen, Herne, Duisburg, Wuppertal, Hagen und Mönchengladbach gehören hierzu Bremerhaven (Land Bremen), Pirmasens (Rheinland-Pfalz), Neumünster (Schleswig-Holstein), Wilhelmshaven (Niedersachsen) und Halle (Sachsen-Anhalt) mit Überschuldungsquoten zwischen 15 % und 20 %.

Entwicklung in den Ländern seit 2004

Bezüglich der mittelfristigen Entwicklung ist zunächst hervorzuheben, dass Baden-Württemberg im gesamten Beobachtungszeitraum seit 2004 immer die zweitniedrigsten Überschuldungsquoten hinter Bayern aufweisen konnte. Thüringen hat in dieser Hinsicht Hessen im Jahr 2007 und zusätzlich Sachsen im Jahr 2013 hinter sich gelassen. Den größten Sprung nach oben hat Brandenburg vollzogen, das 2004 noch an zwölfter und damit fünftletzter Stelle lag und danach ziemlich stetig auf Platz 4 aufgestiegen ist; Hessen wurde 2018 und Sachsen 2020 überholt. Wie eine Analyse der Kreise Brandenburgs zeigt, dürfte für die Rangverbesserung vor allem der Umzug gut situierter Berlinerinnen und Berliner ins Umland eine Rolle gespielt haben. Umgekehrt musste Nordrhein-Westfalen einen Absturz vom achten Rang im Jahr 2004 auf den 13. Platz ab 2013 hinnehmen. Die höchsten Überschuldungsquoten hat zunächst, nämlich 2004 und 2005, Berlin aufgewiesen, danach blieb das Land Bremen am unteren Ende der Skala; ab 2017 hat Berlin überdies besser abgeschnitten als Sachsen-Anhalt.

Auch in den letzten Jahren verlief die Entwicklung zum Teil recht differenziert, wie aus der Tabelle hervorgeht. Zwischen 2017 und 2019, also in den Jahren vor der Corona-Pandemie, haben bei gesamtdeutscher Stagnation in den Ländern sowohl Zunahmen als auch Abnahmen der Überschuldungsquoten stattgefunden, und zwar in einer Bandbreite zwischen + 0,3 Prozentpunkten im Saarland und – 0,3 Prozentpunkten in Berlin.

Zwischen 2019 und 2020 haben die Überschuldungsquoten, bei einem bundesweiten Rückgang um 0,1 Prozentpunkte, in fast allen Ländern abgenommen, zum Teil sogar kräftig und wieder besonders stark in Berlin (– 0,3 Prozentpunkte); lediglich im Saarland hat sich erneut eine Zunahme (+ 0,1 Prozentpunkte) eingestellt.

Von 2020 auf 2021 haben sich die Überschuldungsquoten in allen Ländern verringert, besonders stark in Hamburg (– 1,4 Prozentpunkte) beziehungsweise in Schleswig-Holstein, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen sowie im Saarland (– 1,2 Prozentpunkte). Kräftiger als im Bundesdurchschnitt haben die Überschuldungsquoten auch in Hessen und in Sachsen-Anhalt (– 1,1 Prozentpunkte) abgenommen, im Bundesdurchschnitt (– 1,0 Prozentpunkte) blieben die Rückführungen im Brandenburg und in Rheinland-Pfalz. Unterproportional fielen die Verbesserungen in den drei Ländern mit den geringsten Überschuldungsquoten aus, nämlich in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen, ebenso in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern als weiteren ostdeutschen Ländern (– 0,7 bis – 0,9 Prozentpunkte). Im Zeitraum 2017 bis 2021 haben alle Länder ihre Überschuldungsquoten reduziert, und zwar in einer Bandbreite zwischen – 0,8 Prozentpunkten im Saarland und – 1,8 Prozentpunkten in Berlin.

Überschuldung und Arbeitslosigkeit

Die bereits erwähnte Bedeutung der Arbeitslosigkeit für die Überschuldung privater Haushalte lässt sich durch Zahlen des Statistischen Bundesamts erhärten. Im Jahr 2020 waren danach 43,4 % aller Personen, die von den befragten Stellen beraten wurden, arbeitslos und weitere 20,3 % anderweitig nicht erwerbstätig; nur 36,4 % aller beratenen Personen waren erwerbstätig, davon 35,3 % in abhängiger Beschäftigung und 1,1 % als Selbstständige. Tatsächlich war Arbeitslosigkeit 2020 der wichtigste Hauptauslöser für Überschuldung (19,7 %), vor Erkrankung, Sucht und Unfall (16,5 %), Trennung, Scheidung oder Tod des Partners/der Partnerin (12 %) sowie langfristigem Niedrigeinkommen (9,6 %).6

In Schaubild 1 sind die Arbeitslosenquoten, definiert als Zahl der registrierten Arbeitslosen bezogen auf die Zahl der zivilen Erwerbspersonen, den Überschuldungsquoten der 16 Länder im Jahr 2021 gegenübergestellt. Die entsprechenden Punkte streuen um eine Trendgerade, die so berechnet ist, dass sie sich diesen Punkten optimal anpasst – die vertikalen Differenzen zwischen den Punkten und der Geraden sind dem Betrage nach möglichst klein. Aus dem Verlauf der Trendgeraden wird klar ersichtlich, dass mit zunehmender Arbeitslosigkeit auch das Risiko der Überschuldung steigt. Dabei ist die Streuung der Punkte um die Gerade relativ gering, was durch einen mit 0,773 recht hohen Wert des Bestimmtheitsmaßes ausgedrückt wird.7 Es gibt also durchaus einen ansehnlichen Zusammenhang zwischen beiden Größen in dem Sinne, dass in Ländern mit hoher (niedriger) Arbeitslosigkeit in der Tendenz auch die Überschuldung groß (gering) ist.

Schaubild 1 weist aber auch Länder nach, die von diesem Trend mehr oder weniger stark abweichen. Auf der einen Seite sind dies vor allem die Länder Sachsen-Anhalt, Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen, deren Überschuldungsquoten um mindestens 0,5 Prozentpunkte höher liegen als nach dem Trendverlauf zu erwarten wäre, in Sachsen-Anhalt sind es sogar 1,5 Prozentpunkte. Auf der anderen Seite betrifft dies insbesondere die Länder Hamburg, Berlin, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, deren tatsächliche Überschuldungsquoten im Vergleich zum Trendverlauf um mehr als 0,5 Prozentpunkte geringer ausgefallen sind, im Falle der Stadtstaaten Hamburg und Berlin sogar um 1,1 Prozentpunkte; auch Baden-Württemberg gehört mit einer um 0,3 Prozentpunkte geringeren Überschuldungsquote in diese Kategorie.

Die genannten Trendabweichungen betreffen in beiden Richtungen sowohl Länder mit niedriger als auch mit hoher Arbeitslosigkeit. Auch unter anderen Kriterien können aus dieser Konstellation keine regionstypischen Muster abgeleitet werden. Beispielsweise liegen die tatsächlichen Überschuldungsquoten in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin deutlich unter den Trenderwartungen, im Stadtstaat Bremen aber darüber, vermutlich wegen der besonderen sozialen Brennpunkte in Bremerhaven. In Ostdeutschland weisen vor allem Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, aber auch Brandenburg und Sachsen insoweit besonders niedrige Überschuldungsquoten auf, während die Überschuldung in Sachsen-Anhalt deutlich höher ausgefallen ist als es der Trend erwarten lässt; hierfür dürften vor allem Städte und Regionen mit industriellen Altlasten und sozialen beziehungsweise demografiebedingten Problemen verantwortlich zeichnen, was gleichermaßen für Gebiete im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen gelten mag. Und ein Nord­Süd-Gefälle liegt nur insoweit vor, als unter den westdeutschen Flächenländern Bayern und Baden-Württemberg, bei niedrigen Arbeitslosenquoten (3,5 % und 3,9 %), mit einer Überschuldung unter dem Trend aufwarten, dagegen Schleswig-Holstein und Niedersachsen, mit Arbeitslosenquoten von 5,6 % und 5,5 %, bei der Überschuldung insoweit über dem Trend liegen.

Überschuldung und Einkommenssituation

Die Einkommenslage ist wie ausgeführt der viertwichtigste Hauptauslöser der Überschuldung privater Haushalte. Nach den Befragungen des Statistischen Bundesamts betrug 2020 das monatliche individuelle Nettoeinkommen bei 40,6 % aller beratenen Personen weniger als 900 Euro, bezogen auf das monatliche Haushaltsnettoeinkommen waren es 32,8 % aller beratenen Personen. In die Kategorie 900 bis unter 1 300 Euro fielen 26,4 % beziehungsweise 23,6 %, in die Kategorie 1 300 bis unter 2 000 Euro weitere 24,9 % beziehungsweise 26,7 % aller beratenen Menschen. Nur 8,1 % beziehungsweise 16,1 % der beratenen Personen konnten über ein individuelles oder haushaltsbezogenes Einkommen von 2 000 Euro oder mehr verfügen.8

Schaubild 2 illustriert für die Länder die Zusammenhänge zwischen den Überschuldungsquoten und den Verfügbaren Einkommen je Einwohnerin oder Einwohner, also denjenigen Einkommen, die von den Haushalten für privaten Verbrauch, Ersparnisbildung oder eben auch Schuldenabbau verwendet werden können. Die Definition dieses Einkommensbegriffs findet sich im i-Punkt. Aktuelle Daten zu diesen gesamtwirtschaftlichen Einkommen liegen für 2019 vor, sodass sich die Regressionsanalyse auf dieses Jahr bezieht.9

Wie Schaubild 2 zeigt, fällt die Überschuldung in einem Land naturgemäß umso geringer aus, je höher die dort zur Verfügung stehenden Einkommen sind. Eine Gegenüberstellung zu Schaubild 1 verdeutlicht außerdem, dass die Abhängigkeit der Überschuldung von der Einkommenssituation – insgesamt gesehen – weniger ausgeprägt ist als von Arbeitslosigkeit: In Schaubild 2 streuen die Punkte stärker um die Trendgerade, das Bestimmtheitsmaß ist mit 0,264 erheblich geringer. Dabei wird diese größere Streuung vor allem durch zehn Länder bewirkt, deren Trendabweichung 1,0 Prozentpunkte oder mehr beträgt. Deutlich höhere Überschuldungsquoten als der – nach der Einkommenslage zu erwartende – Trend haben demnach die Länder Bremen (3,1 Prozentpunkte), Hamburg und Nordrhein-Westfalen (1,3 Prozentpunkte) sowie Sachsen-Anhalt und Berlin (1,1 Prozentpunkte) aufgewiesen, besonders niedrige Überschuldungsquoten dagegen die Länder Thüringen (Abweichung 2,3 Prozentpunkte), Bayern (1,8 Prozentpunkte), Sachsen (1,5 Prozentpunkte), Brandenburg (1,3 Prozentpunkte) und Baden-Württemberg (1,1 Prozentpunkte).

Damit sind die Überschuldungsquoten vor allem in den drei Stadtstaaten höher als nach ihrer Einkommenssituation zu erwarten wäre, ebenso in Nordrhein-Westfalen mit seinen zahlreichen größeren Städten und strukturbedingt beträchtlichen sozialen Problemen, außerdem in Sachsen-Anhalt mit ebenfalls noch erheblichen industriellen Altlasten sowie großen demografischen Herausforderungen vor allem im ländlichen Raum. Sachsen-Anhalt hebt sich damit von den anderen ostdeutschen Flächenländern ab, insbesondere von Thüringen, Sachsen und Brandenburg, aber auch Mecklenburg-Vorpommern mit deutlich niedrigeren Überschuldungsquoten bei nur leicht höheren Pro-Kopf-Einkommen. Unter den westdeutschen Flächenländern fällt die Überschuldung bei den beiden einkommensstärksten Ländern Bayern und Baden-Württemberg besonders gering aus.

Daraus ergibt sich eine bemerkenswerte Besonderheit: Die Überschuldung liegt zum einen in den beiden westdeutschen Flächenländern mit den höchsten verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen unter dem einkommensbestimmten Trend, zum anderen in der Mehrzahl der ostdeutschen Länder mit den geringsten Pro-Kopf-Einkommen. Hierbei dürfte das in Ostdeutschland generell niedrigere Lohn- und Gehaltsniveau durchschlagen, das heißt das dortige Verfügbare Einkommen ist, im Vergleich zum westdeutschen Level, relativ höher einzuschätzen, die Überschuldungsgefahr bei gleichem Einkommen ent­sprechend geringer.

Zusammenfassung und abschließende Bewertung

Obwohl die Corona-Krise dank umfangreicher staatlicher Unterstützungsmaßnahmen die Überschuldung privater Haushalte nicht verschärft hat, waren nach den Auswertungen von Creditreform 2021 in Deutschland immer noch 6,16 Mill. Menschen in dem Sinne überschuldet, dass die von ihnen zu leistenden Gesamtausgaben ihre laufenden Einnahmen übersteigen. Sowohl in den von Creditreform initiierten Verbraucherumfragen als auch in Erhebungen des Statistischen Bundesamts werden Arbeitslosigkeit und Einkommenssituation als wesentliche Auslöser auf Bundesebene genannt; entsprechende Gegenüberstellungen beider Indikatoren zu den Überschuldungsquoten bestätigen diese Zusammenhänge für die 16 Länder Deutschlands. Die deutlich engere Korrelation der Überschuldung zur Arbeitslosigkeit und deren stärkeres Gewicht als Verursacher von Überschuldung mögen damit zusammenhängen, dass plötzlich einsetzende Veränderungen der Lebensverhältnisse (wie eben Arbeitslosigkeit) stärker für finanzielle Schwierigkeiten verantwortlich zeichnen als ein (über die Jahre hinweg) niedriges Einkommensniveau.

Baden-Württemberg hat seit den ersten Erhebungen durch Creditreform im Jahr 2004 stets die zweitniedrigste Überschuldungsquote hinter Bayern erreicht. Die beiden süddeutschen Länder zeichnen sich denn auch durch die geringsten Arbeitslosenquoten und die höchsten Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen aus.

1 Zuletzt Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2021 – Überschuldung von Verbrauchern. Neuss, November 2021, S. 13. Die hier und im Folgenden wiedergegebenen Jahresergebnisse umfassen, strenggenommen, jeweils das 4. Quartal des Vorjahres und die ersten 3 Quartale des laufenden Jahres.

2 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020. Wiesbaden, Mai 2021.

3 Loidl-Stuppi, Jutta: Überschuldung privater Haushalte: Kein Thema in Baden-Württemberg? in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2008, S. 3–6.

4 Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2021 – Überschuldung von Verbrauchern, a. a. O., Tabelle 10, S. 38. Die Umfragen wurden durch die innofact AG Düsseldorf im Auftrag von Creditreform mithilfe eines Online-Panels durchgeführt.

5 Statistisches Bundesamt: Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 um 2,7 % gestiegen – Deutsche Wirtschaft erholt sich trotz andauernder Pandemie und Lieferengpässen. Pressemitteilung Nr. 020 vom 14.01.2022. Auch nach den in Fußnote 4 zitierten Umfrageergebnissen hat der Anteil der Verbraucherinnen und Verbraucher, die keine Minderung ihres Haushaltsnettoeinkommens verkraften mussten, im Laufe des Jahres 2021 leicht zugenommen. Ebenso dominierten bei der Einkommensentwicklung weiterhin und eindeutig arbeitsmarkt-relevante Faktoren.

6 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020, a. a. O., S. 6 und 8.

7 Das Bestimmtheitsmaß R2 bringt die Intensität der Streuung zum Ausdruck. Wenn die Punkte direkt auf der Geraden liegen, also keinerlei Streuung vorliegt, nimmt das Maß den Wert 1 an. Je diffuser die Streuung dagegen ist, umso mehr nähert es sich dem Wert 0.

8 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020, a. a. O., S. 8, 15 und 16.

9 Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 2 Kreisergebnisse, Band 3: Einkommen der privaten Haushalte in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1995 bis 2019, Berechnungsstand August 2020. Stuttgart, Oktober 2021.