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Das Stimmverhalten in Baden-Württemberg im Wahljahr 2021

Die Ergebnisse der Landtagswahl 2021 und der Bundestagswahl 2021 in Baden-Württemberg im Vergleich

Im Jahr 2021 fanden sowohl im Bund als auch in Baden-Württemberg Parlamentswahlen statt. Aufgrund des kurzen zeitlichen Abstands zwischen den beiden Wahlen – die Wahl zum 17. Landtag von Baden-Württemberg fand am 14. März 2021 statt, die zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021 – bietet sich ein direkter Vergleich der Ergebnisse an. Auf diese Weise kann zum Beispiel betrachtet werden, ob sich das Wahlverhalten der baden-württembergischen Wählerinnen und Wähler zwischen diesen beiden Wahlen deutlich unterscheidet oder kein großer Unterschied zwischen Landes- und Bundespolitik gemacht wird.1

Tendenziell ist das Interesse der Wahlberechtigten und somit die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen etwas höher als bei Landtagswahlen. So verhielt es sich auch 2021 in Baden-Württemberg. Während bei der Landtagswahl 63,8 % der rund 7,7 Millionen (Mill.) Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben, waren es mit 77,8 % in Baden-Württemberg bei der Bundestagswahl deutlich mehr. Die Wahlbeteiligung sank zwar bei beiden Wahlen im Vergleich zu der jeweils vorherigen Wahl, der Unterschied war zwischen den Landtagswahlen jedoch mit – 6,6 Prozentpunkten im Vergleich zu den Bundestagswahlen mit nur – 0,5 Prozentpunkten Differenz deutlich ausgeprägter.

Die CDU erreichte bei der Bundestagswahl, bei der sie mit 24,8 % der gültigen Zweitstimmen in Baden-Württemberg die stärkste Partei wurde, ein leicht besseres Ergebnis als bei der Landtagswahl (24,1 %). Das Ergebnis der SPD bei der Bundestagswahl war mit 21,6 % der Zweitstimmen in Baden-Württemberg sogar fast doppelt so hoch wie bei der Landtagswahl, bei der die Partei einen Stimmenanteil von 11,0 % erreichte. Auch die FDP verzeichnete mit 15,3 % der baden-württembergischen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl ein besseres Ergebnis als bei der Landtagswahl (10,5 %).

GRÜNE und LINKE hingegen schnitten bei der Landtagswahl besser ab. Dabei verzeichneten die GRÜNEN die größte Differenz zwischen der Landtags- und Bundestagswahl. Mit 15,4 Prozentpunkten Unterschied war ihr Ergebnis bei der Landtagswahl (32,6 %) deutlich besser als bei der Bundestagswahl (17,2 %). Auch DIE LINKE erhielt bei der Landtagswahl mit 3,6 % der Stimmen ein leicht besseres Ergebnis als bei der Bundestagswahl mit 3,3 % der baden-württembergischen Zweitstimmen. Für die AfD kann nur ein minimaler Unterschied von 0,1 Prozentpunkten zwischen ihrem Stimmenanteil bei der Landtagswahl (9,7 %) bzw. ihrem Zweitstimmenanteil bei der Bundestagswahl (9,6 %) festgestellt werden (Schaubild 1, Tabelle 1).

Über die Hälfte aller Stimmen kamen per Brief

Auffallend war sowohl bei der Landtagswahl als auch bei der Bundestagswahl die sehr hohe Briefwahlquote. Bei der Landtagswahl betrug der Anteil der per Brief abgegebenen Stimmen 51,3 %, bei der Bundestagswahl 50,3 %. Bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2016 lag der Anteil noch bei 21,0 % (+ 30,3 Prozentpunkte), bei der vorangegangenen Bundestagswahl im Jahr 2017 bei 27,2 % (+ 23,1 Prozentpunkte). Sowohl bei der Landtags- als auch bei der Bundestagswahl wurde in einem Großteil der Wahlkreise die Mehrheit der Stimmen per Brief abgegeben (Landtagswahl: in 40 von 70 Wahlkreisen; Bundestagswahl: in 21 von 38 Wahlkreisen). Zudem lag in keinem einzigen Wahlkreis der Anteil der Briefwahl unter 40 %. Einer der Gründe für diesen außergewöhnlich hohen Briefwahlanteil dürfte die aktuelle Pandemie-Situation sein. Es bleibt abzuwarten, ob es auch bei zukünftigen Wahlen bei diesem hohen Briefwahlanteil bleibt oder ob dieser wieder auf die Werte von vor dem Ausbruch der Pandemie sinken wird.

Betrachtet man die Stimmenanteile der Parteien getrennt nach Art der Stimmabgabe, ergibt sich für die Landtags- und die Bundestagswahl jeweils ein ähnliches Muster. So schnitten GRÜNE und CDU in beiden Wahlen bei den Briefwahlstimmen deutlich besser ab als bei den direkt im Wahllokal abgegebenen Stimmen. Dagegen lagen die Ergebnisse der per Brief eingegangenen Stimmen von FDP, AfD und LINKEN sowohl bei der Landtags- als auch der Bundestagswahl durchgängig unter ihren Stimmenanteilen der Urnenwahlstimmen. Einzig für die SPD kann hier keine eindeutige Tendenz festgestellt werden. Während die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl bei den Urnenwahlstimmen ein geringfügig besseres Ergebnis als bei den Briefwahlstimmen erreichten, schnitten sie bei der Bundestagswahl an der Urne etwas schlechter ab als bei der Briefwahl (siehe hierzu Tabelle 2).

Für diese Unterschiede nach Art der Stimmabgabe kann es mehrere Gründe geben. Beispielsweise zeigt die Repräsentative Wahlstatistik2, dass ein großer Teil der CDU-Wählerschaft den älteren Altersgruppen angehört. Möglicherweise hat sich diese Gruppe aufgrund der gegenwärtigen Pandemie und ihrer stärkeren Gefährdung häufiger für die Stimmabgabe per Brief entschieden. Dagegen besteht zum Beispiel die Wählerschaft der FDP eher aus jüngeren Menschen.

Die Wahlkreiskarten werden bunter

Im 17. Landtag von Baden-Württemberg sind GRÜNE, CDU, SPD, FDP und AfD vertreten. DIE LINKE scheiterte an der Fünfprozenthürde und konnte daher nicht in den Landtag einziehen. Auch bei der Bundestagswahl blieb DIE LINKE unter der Fünfprozenthürde, wurde aber dank drei gewonnener Direktmandate in anderen Bundesländern bei der Berechnung der Sitzverteilung berücksichtigt.3 Aus diesem Grund konnten auch Abgeordnete aus Baden-Württemberg für die Partei in den Bundestag einziehen. Somit sind im 20. Deutschen Bundestag baden-württembergische Abgeordnete aus den Parteien CDU, SPD, GRÜNE, FDP, AfD und der LINKEN vertreten.

Bei der Landtagswahl 2021 gewannen sowohl die CDU als auch die GRÜNEN Direktmandate. Die GRÜNEN kamen in 58 der insgesamt 70 Landtagswahlkreise auf die Mehrheit der gültigen Stimmen, währen die CDU zwölf Wahlkreise für sich entscheiden konnte. Bei der Bundestagswahl 2021 gewann zum ersten Mal seit 2009 die CDU nicht alle Wahlkreise Baden-Württembergs. Sie erreichte in 33, die GRÜNEN in vier und die SPD in einem der 38 Wahlkreise die Erststimmenmehrheit.

Frauenanteil unter den gewählten Abgeordneten unterscheidet sich stark

Während der Frauenanteil unter den Abgeordneten im Landtag (29,2 %) und unter den baden-württembergischen Abgeordneten im Bundestag (35,3 %) schon einen klaren Unterschied aufweist (6,1 Prozentpunkte), variiert der Frauenanteil innerhalb der einzelnen Parteien deutlich stärker. Mit 34,2 Prozentpunkten ist der Unterschied bei der SPD am größten. Ihr Frauenanteil im Landtag liegt mit 15,8 % deutlich unter dem Landesdurchschnitt, unter den baden-württembergischen SPD-Abgeordneten im Bundestag hingegen mit 50,0 % klar darüber. Die GRÜNEN sind die einzige Partei die in beiden Parlamenten einen Frauenanteil über dem Landesdurchschnitt aufweist. Im Landtag sind 48,3 % der grünen Abgeordneten weiblich, unter den baden-württembergischen Abgeordneten im Bundestag sind es 61,1 %. Auch bei der AfD besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Landtag und Bundestag. Während im Landtag nur 5,9 % der AfD-Abgeordneten weiblich sind, ist ihr Anteil unter den baden-württembergischen Abgeordneten im Bundestag mit 20,0 % mehr als dreimal so hoch. Bei der FDP ist ebenfalls der Frauenanteil unter den Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg mit 18,8 % höher als unter den Landtagsabgeordneten (11,1 %). Die CDU weist als einzige Partei einen höheren Frauenanteil im Landtag (26,2 %) auf als unter ihren Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg (21,2 %). Im Fall der LINKEN ist ein Vergleich nicht möglich, da sie nicht im Landtag vertreten ist. Sie hat jedoch unter den im Bundestag vertretenen Parteien aus Baden-Württemberg mit 66,7 % den höchsten Frauenanteil, wenn auch bei sehr geringer Anzahl an Abgeordneten (Schaubild 2).

In größeren Gemeinden werden eher GRÜNE und LINKE gewählt

Bei Betrachtung der Ergebnisse der Bundestags- und der Landtagswahl getrennt nach Gemeindegrößenklassen wird deutlich, dass sich die Stimmenanteile der Parteien je nach Kategorie mitunter deutlich unterscheiden. Mit 27,3 % der Stimmen bei der Landtagswahl und 27,7 % der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl erreichte die CDU ihre besten Ergebnisse in den Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohner/-innen. In den Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohner/-innen lagen ihre Ergebnisse bei beiden Wahlen unter ihrem Landesdurchschnitt. Die FDP schnitt in kleineren Gemeinden ebenfalls überdurchschnittlich gut ab. Ihre besten Ergebnisse erzielte sie bei der Landtagswahl in den Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohner/-innen sowie in den Gemeinden mit 10 000 bis unter 50 000 Einwohner/innen (je 10,8 %). Bei der Bundestagswahl schnitt sie in den Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohner/-innen mit 15,8 % am besten ab. Auch die Werte der AfD lagen bei beiden Wahlen in den Gemeinden mit weniger als 50 000 Einwohner/-innen über ihrem Landesdurchschnitt. Ihre besten Ergebnisse erhielt die Partei in den Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohner/-innen: Bei der Landtagswahl erreichte sie dort 10,7 % der gültigen Stimmen, bei der Bundestagswahl 10,6 % der gültigen Zweitstimmen.

Im Gegensatz dazu erreichten die GRÜNEN bei beiden Wahlen ihre besten Ergebnisse in den Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohner/-innen. Bei der Landtagswahl erzielte die Partei dort ein Ergebnis von 37,4 %, bei der Bundestagswahl kam sie auf 25,4 %. Das gleiche Muster findet sich auch in den Ergebnissen der LINKEN wieder: Sie erreichte bei beiden Wahlen in Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohner/-innen (Landtagswahl: 6,7 %; Bundestagswahl: 5,4 %) einen mehr als doppelt so hohen (Zweit-)Stimmenanteil als in Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohner/-innen (Landtagswahl: 2,4 %; Bundestagswahl: 2,5 %).

Die SPD ist die einzige der betrachteten Parteien, bei der sich die Tendenz der Ergebnisse zwischen den beiden Wahlen unterscheidet. Bei der Landtagswahl konnte die Partei mit zunehmender Gemeindegröße auch höhere Stimmenanteile erzielen. Ihre höchsten Werte erreichte sie mit 12,7 % in den Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohner/-innen. Bei der Bundestagswahl hingegen verlief die Tendenz eher in die entgegengesetzte Richtung. Mit abnehmender Gemeindegröße nahmen ihre Zweitstimmenanteile – mit Ausnahme der Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohner/-innen – zu. Ihr bestes Ergebnis erlangte die Partei bei der Bundestagswahl in Baden-Württemberg in den Gemeinden mit 10 000 bis 50 000 Einwohner/-innen (22,2 %), ihr schwächstes Ergebnis in den Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohner/-innen (20,8 %).

Die Wahlbeteiligung nahm bei beiden Wahlen mit abnehmender Gemeindegröße tendenziell zu. Sowohl bei der Landtags- als auch bei der Bundestagswahl wurde die höchste Wahlbeteiligung in den Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohner/-innen erreicht (Landtagswahl: 66,7 %; Bundestagswahl: 79,8 %) und die niedrigste Wahlbeteiligung in Gemeinden mit einer Einwohnerzahl zwischen 50 000 und 100 000 (Landtagswahl: 61,2 %; Bundestagswahl: 75,8 %) (Tabelle 3).

Fazit – viele ähnliche Tendenzen, aber auch Unterschiede

Auch wenn sich gewisse Grundtendenzen im Wahlverhalten der baden-württembergischen Bevölkerung beim Vergleich der Wahl zum 17. Landtag von Baden-Württemberg mit der 20. Deutschen Bundestagswahl zeigen, können gleichzeitig deutliche Unterschiede festgestellt werden. Besonders auffällig ist hierbei die unterschiedliche Verteilung der Wahlkreismandate. Obwohl die in Baden-Württemberg über viele Jahrzehnte sichere Position der CDU auch bei Bundestagswahlen langsam abnimmt, konnte die Partei bei der Bundestagswahl weiterhin einen Großteil der Erstmandate für sich gewinnen. Demgegenüber konnten bei der Landtagswahl die GRÜNEN eine deutliche Mehrheit der Wahlreise für sich entscheiden. Ein Grund für diese Unterschiede liegt sicher auch in den unterschiedlichen Wahlsystemen. Dennoch kann aus den Ergebnissen geschlossen werden, dass die baden-württembergischen Wählerinnen und Wähler einen Unterschied zwischen den GRÜNEN auf Landesebene und der Partei auf Bundesebene machen.

Vergleichbare Muster bezüglich des Wahlverhaltens in Baden-Württemberg können bei der Betrachtung der Ergebnisse sowohl nach Art der Stimmabgabe als auch nach Gemeindegrößenklassen festgestellt werden. GRÜNE und CDU schnitten bei den per Brief abgegebenen Stimmen deutlich besser ab als bei den Urnenwahlstimmen. Das Gegenteil traf auf FDP, AfD und DIE LINKE zu. Nur bei der SPD unterschied sich die Tendenz der Ergebnisse zwischen den beiden Wahlen. Bei der Betrachtung nach Gemeindegröße ließ sich feststellen, dass die (Zweit-)Stimmenanteile der CDU, FDP und AfD mit zunehmender Gemeindegröße abnahmen, während sie bei den GRÜNEN und der LINKEN zunahmen. Auch hier gab es nur bei der SPD einen Unterschied in der Tendenz zwischen der Landtagswahl und der Bundestagswahl in Baden-Württemberg. Bei der Landtagswahl nahmen die Stimmenanteile der SPD mit zunehmender Anzahl an Einwohner/-innen zu, bei der Bundestagswahl hingegen nahmen sie mit zunehmender Gemeindegröße tendenziell ab.

Insgesamt wird anhand des Vergleichs deutlich, dass die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger zwar einen Unterschied zwischen der Landtags- und der Bundestagswahl machen, was auch mit dem – wenn auch kurzen – zeitlichen Abstand zwischen den beiden Wahlen begründet werden kann. Allerdings wird auch deutlich, dass sich die Tendenzen innerhalb der Ergebnisse der Parteien zwischen der Landtags- und der Bundestagswahl im Großen und Ganzen ähneln.

1 Betrachtet wird das Abschneiden der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien in Baden-Württemberg.

2 Die Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik für die Landtagswahl 2021 und die Bundestagswahl 2021 sind auf der Internetseite des Statistischen Landesamtes einsehbar. Die Statistik gibt Auskunft über die Wahlbeteiligung und Stimmabgabe nach Altersgruppen und Geschlecht.

3 § 6 Abs. 3 Satz 1 BWG.