:: 3/2022

Landtagswahlen in Baden-Württemberg seit 1952

Ein Rückblick auf die Ergebnisse der bisherigen Landtagswahlen

Seit der ersten Landtagswahl im Jahr 1952 hat sich die politische Landschaft in Baden-Württemberg spürbar gewandelt. War über viele Jahrzehnte das Amt des Regierungschefs fest in der Hand der CDU, stehen nun seit 2011 in wechselnden Koalitionen die GRÜNEN mit Winfried Kretschmann als Ministerpräsident an der Spitze der Regierung. Auch die Anzahl der im Landtag vertretenen Parteien hat mit dem Einzug der AfD im Jahr 2016 nach vielen Jahren wieder zugenommen. Ein weiterer Wandel wurde im Jahr 1964 mit der Einführung der Briefwahl angestoßen. Seitdem hat die Zahl der Wahlberechtigten, die diese Art der Stimmabgabe nutzen, deutlich zugenommen. Befeuert durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie entschied sich im Jahr 2021 sogar mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten für die Briefwahl. Demgegenüber entwickelt sich der Anteil weiblicher Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag eher schleppend nach oben. In den vergangenen 70 Jahren stieg der Frauenanteil im Landesparlament lediglich auf knapp 30 %.

Im Jahr 1952 fand in Baden-Württemberg die Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung statt. Damals waren gut 4,3 Millionen (Mill.) Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt. Von den Parteien, die auch heute noch im Landtag vertreten sind und bereits 1952 zur Wahl angetreten waren, errang die CDU mit 36 % den höchsten Stimmenanteil, gefolgt von der SPD mit 28 % und der FDP/DVP mit 18 %. Insgesamt umfasste der erste Landtag 121 Abgeordnete von sechs Parteien. Die CDU stellte mit 50 Sitzen die stärkste Fraktion. Auf die SPD entfielen 39 Sitze und die FDP/DVP zog mit 23 Abgeordneten in den Landtag ein. Des Weiteren waren die Parteien BHE mit sechs und die KPD mit vier Mandaten vertreten. In den beiden darauffolgenden Legislaturperioden gehörte neben CDU, SPD und FDP/DVP die Partei GB/BHE dem baden-württembergischen Landtag an. Im Jahr 1968 zog die NPD mit insgesamt zwölf Abgeordneten neu in den Landtag ein und in den Jahren 1992 und 1996 war die REP mit 15 bzw. 14 Sitzen im Landesparlament vertreten. Von den »kleineren Parteien« gelang einzig den GRÜNEN der dauerhafte Einzug in den Landtag. Seit 1980 ist die Partei fester Bestandteil des Landtags und stellt zudem seit 2011 den Ministerpräsidenten. Mit der Landtagswahl 2016 haben die GRÜNEN darüber hinaus die CDU als stärkste Kraft im Landtag von Baden-Württemberg abgelöst. Zuletzt gelang im Jahr 2016 mit der AfD einer neue Partei der Einzug in das Landesparlament. Aktuell gehören dem Landtag fünf Parteien an: GRÜNEN (58 Sitze), CDU (42 Sitze), SPD (19 Sitze), FDP (18 Sitze) und AfD (17 Sitze) (Schaubild 1, Tabelle 1).

Erst gut die Hälfte geschafft – weniger als ein Drittel der Abgeordneten ist weiblich

Seit der ersten Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg im Jahr 1952 hat der Anteil weiblicher Abgeordneter zwar deutlich zugenommen, lag aber bisher in keinem Jahr bei mehr als 30 %. Auch im Bundesvergleich erreicht Baden-Württemberg seit Jahrzehnten nur einen unterdurchschnittlichen Wert.1 Damit ist der Landtag weiterhin deutlich von einer paritätischen Verteilung der Mandate zwischen Männern und Frauen entfernt.

Der 17. Landtag von Baden-Württemberg umfasst insgesamt 154 Abgeordnete. Entsprechend der Wahlergebnisse vom 14. März 2021 wurden insgesamt 45 Frauen in das Parlament gewählt. Dies entspricht einem Frauenanteil von 29,2 % – dem bisher höchsten Anteil weiblicher Abgeordneter im baden-württembergischen Landesparlament. Seit Bestehen des Landes Baden-Württemberg, also in den letzten 70 Jahren, war damit stets weniger als ein Drittel der Abgeordneten weiblich.

Nach der ersten Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg im Jahr 1952 betrug der Frauenanteil nur 5 %. Bereits bei den beiden darauffolgenden Landtagswahlen im Jahr 1956 bzw. 1960 sank der Anteil weiblicher Abgeordneter zudem um 0,8 bzw. 0,9 Prozentpunkte (Frauenanteil 1956: 4,2 %; 1960: 3,3 %). Nach einem kurzen Anstieg im Jahr 1964 (4,2 %) sank der Frauenanteil nach der Landtagswahl 1968 sogar auf weniger als 1 %. Lediglich eine Frau schaffte damals den Einzug in das Landesparlament, was einem Frauenanteil von 0,8 % entspricht. Im Vergleich dazu wirkt der heutige Anteil von 29,2 % geradezu enorm (Schaubild 2).

Letztendlich hängt der Anteil weiblicher Abgeordneter maßgeblich davon ab, wie viele Frauen von den zur jeweiligen Wahl antretenden Parteien überhaupt aufgestellt werden. Des Weiteren hat auch das zugrundeliegende Wahlsystem einen großen Einfluss auf den Wahlerfolg von Frauen. Wird beispielsweise ein Teil der Sitze durch Landeslisten besetzt und findet auf diesen Listen eine abwechselnde Verteilung der Kandidaturen zwischen Männer und Frauen Anwendung, wird der Frauenanteil automatisch positiv beeinflusst.2

In Baden-Württemberg zeigt sich der Einfluss der Nominierungspraxis der Parteien auf den Frauenanteil im Landtag sehr deutlich am Beispiel der GRÜNEN. Im Vergleich zu den anderen im Landtag vertretenen Parteien hatten die GRÜNEN fast durchgängig den höchsten Frauenanteil unter ihren Abgeordneten.3 Mit zunehmender Stärke der Partei hat damit auch der Frauenanteil im Landtag tendenziell zugenommen.4 Insbesondere in den letzten beiden Legislaturperioden hat sich der positive Einfluss der Stimmengewinne der GRÜNEN auf den Frauenanteil im Landtag sichtbar niedergeschlagen. Mit jeweils deutlich über 40 % Frauen unter den gewählten Abgeordneten erzielten die GRÜNEN einen weitaus höheren Frauenanteil als die anderen im Landtag vertretenen Parteien. Dem gegenüber hat der geringe Frauenanteil unter den Abgeordneten der AfD eine dämpfende Wirkung auf die Entwicklung des Frauenanteils im Landtag. Inwiefern sich die geplante Wahlrechtänderung mit einem Zwei-Stimmen-Wahlrecht auf die Präsenz von Frauen im baden-württembergischen Landtag auswirken wird, bleibt abzuwarten (Schaubild 3).

Zahl der Wahlberechtigten deutlich gestiegen – Wahlbeteiligung schwankt

In den vergangenen 70 Jahren hat sich neben der Zusammensetzung des Landtags auch die Zahl der Wahlberechtigten deutlich verändert. Waren bei der ersten Landtagswahl im Jahr 1952 lediglich gut 4,3 Mill. Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt, stieg ihre Zahl bei der Landtagswahl 2021 auf knapp 7,7 Mill. Personen. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die baden-württembergische Bevölkerung in den vergangenen 70 Jahren deutlich zugenommen hat. Zudem war man im Jahr 1952 erst mit Vollendung des 21. Lebensjahrs wahlberechtigt.5

Die Wahlbeteiligung war im gleichen Zeitraum deutlichen Schwankungen unterworfen. Der Höhepunkt der Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen in Baden-Württemberg wurde im Jahr 1972 erreicht. Damals entschieden sich 80 % der Wahlberechtigten für die Stimmabgabe. In den darauffolgenden Jahren sank die Beteiligungsquote tendenziell. Der bisher niedrigste Wert wurde bei der Landtagswahl im Jahr 2006 festgestellt: Mit 53,4 % entschied sich lediglich gut die Hälfte der wahlberechtigten Bevölkerung für die Teilnahme an der Wahl. Seit diesem Tiefpunkt hatte die Beteiligungsquote zunächst wieder zugenommen (2011: 66,3 %; 2016: 70,4 %). Im Jahr 2021 war die Wahlbeteiligung mit 63,8 % jedoch wieder rückläufig. Dies könnte allerdings auch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zusammenhängen, da der Wahltermin in eine Phase steigender Infektionszahlen und damit einhergehender Einschränkungen des öffentlichen Lebens zusammengefallen war (Schaubild 4).

Immer mehr wählen per Brief – 1964 nur gut 2 %, 2021 über 50 %

In Baden-Württemberg wurde die Möglichkeit der Briefwahl bei Landtagswahlen im Jahr 1964 eingeführt. Über viele Jahre blieb der Anteil der Briefwählerinnen und -wähler in Baden-Württemberg deutlich unter 10 %. Im 1. Jahr, als die Stimmabgabe per Brief bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg möglich war, nutzen 2,2 % diese Option. Mit 10,2 % lag ihr Anteil erstmals im Jahr 1988 über einem Zehntel. Aber auch in den darauffolgenden Jahren stieg der Briefwahlanteil nur langsam. Ein Trend hin zu deutlich mehr Briefwahl kann ab der Landtagswahl 2016 festgestellt werden. Im Vergleich zur Landtagswahl im Jahr 2011 (Briefwahlanteil 16,5 %) hatte der Anteil der per Brief abgegebenen Stimmen um 4,5 Prozentpunkte zugenommen und war damit um gut ein Viertel gestiegen. Der aktuelle Sprung bei der Nutzung der Briefwahl um 30,3 Prozentpunkte auf insgesamt 51,3 % kann zu einem großen Teil mit den besonderen Umständen der Corona-Pandemie erklärt werden. Aber auch ohne diese Sondersituation ist davon auszugehen, dass der Anteil der per Brief abgegebenen Stimmen bei der Landtagswahl 2021 eher zugenommen als abgenommen hätte. Dieser allgemeine Trend hin zu mehr Briefwahl zeigt sich beispielsweise daran, dass auch bei der Bundestagswahl 2017 und der Europawahl 2019 bereits mehr Menschen als bei der jeweils vorangegangenen Wahl von dieser Option Gebrauch gemacht haben6 (Schaubild 5).

Parteien schneiden je nach Art der Stimmabgabe teilweise unterschiedlich ab

Betrachtet man die Stimmenanteile der Parteien getrennt nach Urnen- und Briefwahl wird deutlich, dass sich je nach Stimmabgabe stellenweise sichtbare Unterschiede zum Gesamtergebnis der jeweiligen Partei feststellen lassen. Beispielsweise erhielt die CDU bei der Landtagswahl 2021 unter den per Brief abgegebenen Stimmen einen Anteil von 26,5 %, gegenüber 21,5 % bei den im Wahllokal ausgefüllten Stimmzetteln. Auch die GRÜNEN erreichten unter den Briefwahlstimmen einen höheren Stimmenanteil (2021 Urne: 28,9 %; Brief: 36,2 %). Bei der AfD traten diese Unterschiede noch deutlicher zutage: Von den Urnenwählerinnen und -wählern gaben 13,8 % ihre Stimme der AfD, bei den Briefwahlstimmen betrug ihr Anteil gegen lediglich 5,9 %. Das unterschiedliche Abschneiden der Parteien je nach Art der Stimmabgabe kann mehrere Gründe haben. Beispielsweise zeigen die Ergebnisse der repräsentativen Wahlstatistik vorangegangener Parlamentswahlen, dass die CDU einen Großteil ihrer Stimmen häufig von älteren Wählerinnen und Wählern erhält. Aufgrund der Corona-Pandemie ist es denkbar, dass sich insbesondere Personen aus stärker gefährdeteren Gruppen häufiger für die Abgabe ihrer Stimme per Brief entschieden haben. Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass die unterschiedliche Präferenz für Briefwahl oder den Gang ins Wahllokal innerhalb der verschiedenen Parteiwählerschaften mit zunehmendem Briefwahlanteil sichtbarer werden. Betrachtet man zum Vergleich die Ergebnisse früherer Landtagswahlen getrennt nach Stimmabgabe, fallen die Unterschiede mitunter deutlich geringer aus und teilweise lässt sich sogar eine umgekehrte Tendenz erkennen. Beispielsweise erhielt die FDP bei der Landtagswahl 2021 von den Urnenwählerinnen und -wählern einen höheren Stimmenanteil als von den per Brief abgegeben Stimmen. Demgegenüber schnitten die Liberalen bei vorangegangenen Landtagswahlen tendenziell bei den Briefwählerinnen und -wählern besser ab (Tabelle 2).

Fazit

Baden-Württemberg hat sich in den vergangenen 70 Jahren politisch in vielerlei Hinsicht verändert. Auch wenn die Mehrheitsverhältnisse im Landtag über einen längeren Zeitraum relativ konstant waren, zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass es dennoch immer wieder größere Veränderungen in der Zusammensetzung des Landesparlaments gab. So gelang mehrfach kleineren Parteien der Sprung über die Fünfprozenthürde. Allerdings konnten sich bisher nur die GRÜNEN dauerhaft etablieren. Aufgrund des noch relativ kurzen Bestehens der AfD bleibt abzuwarten, ob die Partei fester Bestandteil des Parlaments werden wird. Inwiefern die angekündigte Wahlrechtsreform einen weiteren Einfluss auf die Zusammensetzung des Landtags und dabei speziell auf den Anteil weiblicher Abgeordneter haben wird, kann ebenfalls nicht vorhergesagt werden.

1 Quelle: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, https://www.lpb-bw.de/frauenanteil-laenderparlamenten (Abruf: 01.03.2022).

2 Siehe hierzu Glück, Elisabeth: »100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2018«, S. 3 ff.

3 Lediglich im Jahr 1984 was der Frauenanteil unter den Abgeordneten der SPD mit 12,2 % etwas höher als der unter den GRÜNEN-Abgeordneten (11,1 %).

4 Eine Ausnahme bildet hierbei der 15. Landtag von Baden-Württemberg, in dem der Frauenanteil im Vergleich zur vorangegangenen Wahl deutlich abgenommen (– 5,6 Prozentpunkte) und daher nur 18,1 % betragen hatte.

5 Erst ab der Landtagswahl 1972 galt das Wahlrecht ab 18 Jahren.

6 Briefwahlanteile: Bundestagswahl 2013: 22,3 %; Bundestagswahl 2017: 27,2 %; Europawahl 2014: 23,5 %; Europawahl 2019: 27,7 %.