:: 4/2022

Legehennenhaltung – ein landwirtschaftlicher Betriebszweig erfindet sich neu

Entwicklung zwischen 1990 bis heute in Baden-Württemberg

Die Legehennenhaltung vollzog innerhalb der letzten 30 Jahre einen enormen Wandel. Am Ende des 20. Jahrhunderts galt die Käfighaltung noch als Standard, die jedoch aufgrund des zu geringen Platzangebots für die Tiere stark in der Kritik stand. 1999 wurde diese Kritik durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, konventionelle Käfige verstoßen gegen das Tierschutzgesetz, bestätigt. Daraufhin trat die Bodenhaltung ihren Siegeszug an und wurde, schon vor dem Verbot der Käfighaltung in Deutschland im Jahr 2010, zur dominierenden Haltungsform. Einen Freilandzugang für Hühner war in den 1990er-Jahren nur in einer Nische gegeben. Auch dies änderte sich und mittlerweile hat mehr als ein Drittel der Legehennen Zugang zu einer Freifläche.

Während des Transformationsprozesses der Haltungsformen um die Jahrtausendwende kam es zum Rückgang der Eiererzeugung in Baden-Württemberg. Das Jahr 2010 kann jedoch als Wendepunkt angesehen werden. Ab diesem Zeitpunkt stieg die Eierproduktion jährlich an und erreichte vorerst ein Maximum mit 692 Millionen (Mill.) Eiern im Jahr 2021. Eine Zunahme um 40 % seit 1990.

Käfighaltung war Standard

Ein Blick zurück ins Jahr 1990: Die professionelle Legehennenhaltung in Baden-Württemberg setzte zum überwiegenden Teil auf die Käfighaltung. Von den insgesamt 2,38 Mill. Haltungsplätzen waren 96 % diesem Haltungsverfahren zugeordnet. Zu diesem Zeitpunkt bezog sich die Käfighaltung noch auf eine Form, die im Sprachgebrauch als Legebatterie bezeichnet wird. Im gleichen Jahr zog die damalige Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gegen diese Form der Legehennenhaltung vor das Bundesverfassungsgericht. 9 Jahre später fiel dann das Urteil, demzufolge dieses Haltungsverfahren gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Regelungen in der damaligen Hennenhaltungsverordnung ermöglichen keine artgemäße Unterbringung der Tiere, so die Begründung des Gerichts. Kritisiert wurde vor allem das zu geringe Platzangebot in den Käfigen, dass ein gleichzeitiges Schlafen und Essen der Hennen nicht zulässt.1 Die Haltung in einfacher Käfighaltung wurde ab 2010 in Deutschland und ab 2012 in der kompletten EU gesetzlich verboten. Abgeleitete Formen, wie die ausgestalteten Käfige konnten noch bis einschließlich 2020 genutzt werden und Kleingruppenkäfige werden ab 2026 verboten sein (i-Punkt zur Legehennenhaltung und Schaubild 1).

Umbau von Käfig- zur Bodenhaltung

Schon zwischen 1990 und 2000 ging die Zahl der Käfighaltungsplätze von 2,29 Mill auf 1,86 Mill. (– 19 %) zurück. In den darauffolgenden 10 Jahren kam es zu einem noch radikaleren Abbau der Käfige auf nur noch knapp 60 000 Haltungsplätze (– 97 %). Im Januar 2010 wurde die Haltung in konventionellen Käfigen in Deutschland dann komplett verboten. Das Jahr 2010 stellt für die professionelle Legehennenhaltung in Baden-Württemberg mit insgesamt noch 1,77 Mill. Haltungsplätzen den Tiefpunkt in dem betrachteten Zeitraum dar. Von den 232 Betrieben im Jahr 1990 waren nur noch 123 übriggeblieben. Die verbliebenen Betriebe haben jedoch reagiert und passten ihr Haltungsverfahren an. Ende der 1990er-Jahre war schon ein Anstieg der Kapazitäten in Ställen mit Bodenhaltung zu verzeichnen. Das setzte sich zu Beginn der 2000er-Jahre fort und erreichte 2014 mit 1,71 Mill. Plätzen vorerst einen Höhepunkt. Die Bodenhaltung wurde zur dominierenden Haltungsform mit einem Anteil von zweitweise mehr als drei Vierteln. Im Jahr 2021 kam die Bodenhaltung auf 1,74 Mill. Plätze, also mehr als 2014, aber da die ökologische Haltung und die Freilandhaltung ein noch stärkeres Wachstum vorwiesen, sank der Anteil der Bodenhaltung auf 62 %.

Freilandhaltung kommt aus der Nische

Dass Legehennen einen Zugang zu einem Freilandauslauf bekommen, war bei größer skalierten Betrieben lange Zeit nur in einer Nische gegeben. Zu Beginn der 1990er-Jahre traf dies auf weniger als 1 % der gehaltenen Legehennen zu. Bis zur Jahrtausendwende vervierfachte sich die Kapazität in der Freilandhaltung auf mehr als 78 000 Haltungsplätze (4 %), um sich dann in den darauffolgenden 10 Jahren noch mal zu vervierfachen. Ställe mit angrenzendem Auslauf gab es im Jahr 2010 für rund 323 000 Hennen (18 %), darunter 57 000 Stallplätze in ökologischer Haltung (3 %). Bis zum Jahr 2021 wurden diese beiden Haltungsformen um mehr als das Dreifache ausgebaut, wodurch in Baden-Württemberg für 1,05 Mill. Haltungsplätze (37 %) ein täglicher Auslauf zur Verfügung stand. Auf die ökologische Haltung, bei der Legehennen immer Auslauf haben, entfiel 2021 ein Anteil von mehr als 9 % (i-Punkt zur ökologischen Haltung).

Eiererzeugung im Aufwind

Der Transformationsprozess von der Käfighaltung zur Boden- bzw. Freilandhaltung im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert führte zu einem Rückgang des Legehennenbestands und folglich auch zu einer sinkenden Eiererzeugung. Dabei ging die durchschnittliche Jahresproduktion von 481 Mill. Eiern in den 1990er-Jahren auf 424 Mill. Eiern (– 12 %) in den 2000er-Jahren zurück. Dieses niedrige Produktionsniveau war jedoch nicht von Dauer und die Erzeugung stieg ab 2010 jährlich an, um ihr Maximum im Jahr 2021 mit 692 Mill. Eiern zu erreichen (Schaubild 2). Zwischen 2010 und 2021 wuchs der Bestand um fast 1 Mill. Hennen und zusätzlich konnte eine Steigerung der jährlichen Legeleistung von 274,0 auf 284,5 Eier je Henne erreicht werden. Die Landwirtschaft reagiert damit auf eine gesteigerte Nachfrage nach Konsumeiern. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Eiern in Deutschland stieg zwischen 2010 und 2020 von 218 auf 239 Eier. Da die Eiererzeugung bundesweit ausgebaut wurde, ist auch der Selbstversorgungsgrad im gleichen Zeitraum von 55 % auf 72 % angestiegen.2 In Deutschland wurden insgesamt 13 Milliarden Eier im Jahr 2021 erzeugt. Der Anteil Baden-Württembergs betrug also lediglich 5 %. Das mit Abstand am bedeutendste Bundesland bleibt Niedersachsen mit einem Anteil von knapp 40 % (5 175 Mill. Eier). Weitere wichtige Erzeugerländer sind Nordrhein-Westfalen (11 %) und Bayern (8 %).

Weniger Rinder und Schweine, aber mehr Legehennen

Mit den Angaben aus den Agrarstrukturerhebungen (ASE) bzw. Landwirtschaftszählungen (LZ) kann die Struktur und die Entwicklung der Legehennenhaltung differenzierter aufgezeigt werden, denn daraus lassen sich auch Informationen zu Betrieben mit weniger als 3 000 Haltungsplätzen entnehmen. In der LZ 2020 konnten 7 343 Betriebe mit insgesamt über 3,54 Mill. Legehennen-Haltungsplätze in Baden-Württemberg festgestellt werden. Zum Stichtag 1. März 2020 waren 3,24 Mill. Legehennen aufgestallt, dies entspricht einer Auslastung von 91 %. Während die Bestände an Rindern (– 8 %) oder Schweinen (– 22 %) in den letzten 10 Jahren zurückgingen, war die Entwicklung des Legehennenbestands positiv. Er konnte seit 2010 um 44 % und seit 2016 um 19 % zulegen.

Die Anzahl der Legehennenbetriebe ist zwischen 2010 und 2016 von 9 576 auf 6 940 um über ein Viertel (– 28 %) gesunken. Zwischen 2016 und 2020 konnte jedoch wieder ein Anstieg um 6 % verzeichnet werden. Das ist vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass die Zahl an viehhaltenden Betrieben in diesem Zeitraum um 8 % zurückgegangen ist. Darunter haben fast 1 800 Betriebe zwischen 2016 und 2020 ihre Bestände an Rindern und Schweinen reduziert oder ganz aufgegeben, aber gleichzeitig die Haltungsplätze für Legehennen ausgebaut (+ 255 000). Unter den in die Hennenhaltung neueingestiegenen Betrieben konnten auch betriebliche Neugründungen festgestellt werden. Durch Neugründungen kamen insgesamt 289 Betriebe und knapp 74 000 Haltungsplätze hinzu.

Zuwächse über alle Größenklassen hinweg

In der Betrachtung der Bestandsgrößenklassen zeigt sich am unteren Rand, dass 82 % der Betriebe im Jahr 2020 weniger als 100 Hennen hielten (Tabelle). In diesen Betrieben dient die Legehennenhaltung eher der Selbst- bzw. Nahversorgung. Der Anteil dieser kleinen Betriebe betrug daher nur 3 % vom Gesamtbestand. Am oberen Rand zeigt sich dagegen ein gegensätzliches Bild. Wenige große Betriebe (419), ab einem Bestand von 1 000 Hennen, stallten 89 % der Legehennen im Südwesten ein. Wird nur die Gruppe mit 10 000 und mehr Tieren betrachtet, decken diese deutlich über die Hälfte (58 %) des Gesamtbestands ab. Im Vergleich zu 2016 sind in allen Größenklassen Zuwächse festzustellen. Absolut gesehen wuchs der Bestand (+ 210 000) in der Größenklasse zwischen 10 000 und 50 000 Legehennen am stärksten. Prozentual war der Anstieg mit über 40 % in der Klasse zwischen 100 und 1 000 Legehennen am höchsten. Die positive Entwicklung über alle Größenklassen hinweg, lässt sich unter anderem auch am Trend zur Nutzung von Mobilställen ableiten. Zwischen 2010 und 2020 wurden 119 Projekte für die Anschaffung von Mobilställen und 56 zum Bau von ortsfesten Ställen über das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) in Baden-Württemberg gefördert.3 Mobilställe sind deswegen so attraktiv, da die absoluten Investitionskosten im Vergleich zu ortsfesten Ställen deutlich niedriger sind.4 Dadurch ergibt sich vor allem für kapitalschwächere Betriebe die Möglichkeit ein zusätzliches Standbein aufzubauen. Aber auch Höfe mit Direktvermarktung können ihr Angebot mit eigenen erzeugten Eiern in kurzer Zeit erweitern.

Regionale Verteilung

Der Schwerpunkt der Legehennenhaltung ist eher im Osten von Baden-Württemberg angesiedelt (Schaubild 3). Zwei Kreise stechen dabei besonders hervor. Im Nordosten ist es der Hohenlohekreis, der im Jahr 2020 mit einem Bestand von fast 400 000 Legehennen den Größten im ganzen Land aufwies. Der Landkreis zählte insgesamt 185 Betriebe, wobei Betriebe mit mehr als 10 000 Tieren einen Anteil von 93 % am Bestand einnahmen. Der Durchschnittsbestand aller Betriebe lag bei 2 150 Tieren je Betrieb. Auf dem zweiten Platz folgte der Landkreis Biberach mit fast doppelt so vielen Betrieben (354), aber einem geringeren Bestand von etwa 250 000 Hennen. Die Legehennenhaltung ist also im Vergleich zum Hohenlohekreis deutlich kleiner strukturiert. Betriebe mit mehr als 10 000 Tieren umfassten einen Anteil von knapp zwei Dritteln und der Durchschnittsbestand (700 Tiere je Betrieb) ist nur ein Drittel so groß. Der Kreis mit dem drittgrößten Legehennenbestand ist mit dem Ortenaukreis im Westen des Landes zu finden. Knapp über 200 000 Hennen wurden von 571 Betrieben im Kreis gehalten. In den Ställen der Ortenauer Betriebe waren im Durchschnitt etwa 360 Tiere eingestallt. Er ist also nochmal kleinstrukturierter als der Landkreis Biberach.

Fazit und Ausblick

Die Legehennenhaltung in Baden-Württemberg hat in den letzten 30 Jahren einen vielseitigen Wandel vollzogen, der sich zum einen in den Haltungsformen und zum anderen im Umfang der Eiererzeugung widerspiegelt. Die Käfighaltung war 1990 noch die dominierende Haltungsform, wurde jedoch gesellschaftlich als nicht artgemäße Unterbringung zunehmend weniger akzeptiert. Ställe mit Legebatterien wurden nach ihrem gesetzlichen Verbot größtenteils zu Bodenhaltungsställen umgewidmet. Die Haltung im Freiland sowie die ökologische Erzeugung gewinnt bis heute an Bedeutung.

Neben dem Wandel der Haltungsformen ist auch eine Steigerung der Produktion in den letzten 10 Jahren festzustellen. Dass übergreifend kleine bis sehr große Betriebe ihre Kapazitäten in der Legehennenhaltung ausgebaut haben, hat mehrere Gründe. Der Hauptbeweggrund ist der Anstieg der Nachfrage nach Eiern in Deutschland. Zudem scheint der Einstieg in die Legehennenhaltung attraktiver, als in die Schweine- oder Rinderhaltung, zu sein. Die Haltung von Schweinen oder Rinder ist derzeit stark von Tierwohl-Diskussionen geprägt und die Einführung einer Haltungsformkennzeichnung wird gefordert. Eine derartige Kennzeichnung gibt es für die Eiervermarktung schon seit 2004 für die ganze Europäische Union. Es gibt also gesetzlich definierte Haltungsformen und Verbraucher können sich diesbezüglich am sogenannten Eier-Code orientieren. Zudem steigt die Attraktivität durch die Möglichkeit des schnellen Ausbaus an Kapazitäten durch Nutzung von Mobilställen. Mobilställe sind in der Anschaffung deutlich günstiger als ortsfeste Ställe und deswegen auch für kapitalschwächere Betriebe erschwinglich. Die genannten Gründe könnten noch mehr landwirtschaftliche Betriebe zum Einstieg in die Legehennenhaltung führen.

1 BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 06. Juli 1999.

2 BMEL, Eier-Bilanz, Stand 09.03.2021.

3 Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz; Drucksache 16/8950, 2020.

4 Thünen Institut, Isermeyer und Thobe, 2018.