:: 4/2022

Überschuldung privater Haushalte in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs – Aktuelle Situation und Entwicklung

Obwohl die Corona-Krise dank umfangreicher staatlicher Unterstützungsmaßnahmen die Überschuldung privater Haushalte nicht verschärft hat, waren 2021 in Deutschland rund 6,16 Millionen Menschen oder etwa 8,9 % aller über 18-jährigen Einwohner und Einwohnerinnen überschuldet. Dies geht aus dem SchuldnerAtlas 2021 hervor, der von der Unternehmensgruppe Creditreform erstellt wurde. Vereinfacht ausgedrückt gilt ein privater Haushalt als überschuldet, wenn die von ihm zu leistenden Gesamtausgaben über einen längeren Zeitraum hinweg höher sind als seine Einnahmen und auch kein ausreichendes Vermögen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen zur Verfügung steht.

In Baden-Württemberg hat die Überschuldung 2021 rund 670 000 Menschen oder 7,3 % aller über 18-jährigen Einwohner und Einwohnerinnen betroffen, nur in Bayern war die Überschuldungsquote mit 6,4 % niedriger. Dabei gibt es deutschlandweit erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen und Gebietstypen. Im vorliegenden Beitrag wird für den Zeitraum 2017 bis 2021 dargelegt, wie unterschiedlich die Überschuldung in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs ausgefallen ist und welche Ursachen hierfür verantwortlich zeichnen.

Baden-Württemberg mit konstant zweitniedrigster Überschuldung unter den Ländern

Daten zur Überschuldung privater Haushalte werden von der Unternehmensgruppe Creditreform (Neuss) seit 2004 in einem jährlich erscheinenden SchuldnerAtlas veröffentlicht.1 Die Ergebnisse beruhen auf Auswertungen von Gerichtsdaten sowie Meldungen durch Gläubiger und erlauben vielfältige kleinräumige Analysen. Nähere Erläuterungen zur Definition von Überschuldung sowie zur Methode der Erhebungen finden sich im i-Punkt.

Über die Jahre hinweg hat Baden-Württemberg stets die zweitniedrigsten Überschuldungsquoten hinter Bayern aufgewiesen, dabei war die Entwicklung in Bayern zuletzt etwas günstiger. 2004 betrug der Abstand zwischen beiden Ländern nur 0,3 Prozentpunkte (Baden-Württemberg 7,5 %, Bayern 7,2 %) und auch 2010 lediglich 0,4 Prozentpunkte (Baden-Württemberg 7,5 %, Bayern 7,1 %); danach ist die Differenz bis 2015 kontinuierlich auf 1,0 Prozentpunkte angestiegen (Baden-Württemberg 8,1 %, Bayern 7,1 %) und hat sich in den Folgejahren in etwa auf diesem Niveau gehalten; 2021 waren es 0,9 Prozentpunkte (Baden-Württemberg 7,3 %, Bayern 6,4 %).2

Die Entwicklung der beiden süddeutschen Länder erfolgte weitgehend parallel zu derjenigen in Deutschland insgesamt. Konkret erreichte Baden-Württemberg zwischen 2004 und 2015 eine um rund 2 Prozentpunkte niedrigere Überschuldungsquote als im nationalen Durchschnitt; zwischen 2016 und 2021 hat sich der Abstand reduziert und bei 1,6 bis 1,8 Prozentpunkten eingependelt.

Überschuldung in Zeiten der Corona-Pandemie

In der Tabelle sind die Überschuldungsquoten der baden-württembergischen Stadt- und Landkreise in den Jahren 2017 bis 2021 aufgelistet und den entsprechenden Quoten für Baden-Württemberg und Deutschland gegenübergestellt. Betrachtet man zunächst das Land Baden-Württemberg im Vergleich zu Deutschland insgesamt, so fällt auf: In den Jahren 2017 bis 2019 betrugen die Überschuldungsquoten in Baden-Württemberg 8,3 % beziehungsweise 8,2 % und in Deutschland 10,0 %; sie haben sich im Jahr 2020 auf 8,1 % beziehungsweise 9,9 % leicht verringert und im Jahr 2021 mit 7,3 % beziehungsweise 8,9 % die niedrigsten Werte seit 2004 erreicht.

Ausgerechnet in den beiden Jahren der Corona-Pandemie wurde also eine besonders geringe Überschuldung erzielt. Ursächlich für diese erfreuliche Entwicklung sind zum einen umfangreiche staatliche Hilfen, die den pandemiebedingten wirtschaftlichen Abschwung deutlich abgebremst und die Einkommenssituation zahlreicher privater Haushalte in Deutschland stabilisiert haben.3 Zum anderen wurden – trotz gestiegener Nettoeinkommen4 – die Konsumausgaben 2020 nominal um beachtliche 5,3 % sowie real um 5,9 % zurückgefahren und haben 2021 nominal nur moderat um 3,1 % zugenommen beziehungsweise real stagniert. Verantwortlich hierfür waren pandemiebedingt unumgängliche Einschränkungen der Konsummöglichkeiten, vor allem bei Reisen, Übernachtungen und Gaststättenbesuchen; hinzu kam ein aus Vorsichtsgründen zurückhaltendes Ausgabeverhalten, insbesondere in Bezug auf Waren und Dienstleistungen, die nicht zum täglichen Bedarf zählen. Dadurch hat sich die Sparquote 2020 gegenüber 2019 von 10,8 % auf 16,1 % deutlich erhöht und 2021 nur moderat auf 15,0 % verringert, das sind die höchsten Werte für Sparquoten seit Mitte der 1970er-Jahre,5 und dies trotz anhaltend niedriger Zinsen. In der Folge hat sich die Verschuldungslage allgemein entspannt bis hin zu verbesserten Möglichkeiten der Entschuldung privater Haushalte.

Situation in den Kreisen des Landes 2021

Die Entwicklung der Überschuldung auf Lan­des- und Bundesebene spiegelt sich weitgehend auch in den baden-württembergischen Stadt- und Landkreisen wider. Auffallend ist ein sehr ausgeprägtes Gefälle zwischen den Kreisen – beispielsweise war 2021 die Überschuldungsquote im Stadtkreis Pforzheim 2,7-mal so hoch wie im Landkreis Tübingen.

In der Tabelle sind die Überschuldungsquoten der Kreise des Landes für die Jahre 2017 bis 2021 zusammengestellt, und zwar geordnet nach den Werten im Jahr 2021. Die 2021 niedrigsten Überschuldungsquoten konnten zwei durch Universitäten geprägte Kreise aufweisen, nämlich der Landkreis Tübingen mit 5,2 % und die Stadt Heidelberg mit 5,4 %. Unter der 6-%-Marke blieben außerdem noch fünf Landkreise, die zum Teil durchaus noch ländlich strukturiert, aber gleichermaßen durch namhafte Unternehmen wirtschaftlich gut aufgestellt sind; im Einzelnen handelt sich um die Kreise Main-Tauber, Hohenlohe, Alb-Donau, Biberach und Böblingen. Auch bei den nächsten 16 Kreisen mit Überschuldungsquoten unter 7 % handelt es sich um Landkreise, die in diese Kategorie fallen, nämlich die Kreise Emmendingen, Ravensburg, Ostalb, Breisgau-Hochschwarzwald, Schwäbisch Hall, Bodensee, Enz, Esslingen, Ludwigsburg, Heilbronn, Karlsruhe, Neckar-Odenwald, Rhein-Neckar, Rastatt, Rems-Murr und Rottweil. Erst dann folgt der zweite Stadtkreis, nämlich Freiburg und damit ebenfalls eine Universitätsstadt. Wie die Stadt Freiburg, so können noch zwei Landkreise mit Überschuldungsquoten unterhalb des Landesdurchschnitts von 7,3 % aufwarten, und zwar die Kreise Freudenstadt und Reutlingen. Schon über dem Landesdurchschnitt, aber noch unter 8 % liegen die (Universitäts-)Stadt Ulm und die sieben Landkreise Göppingen, Heidenheim, Ortenau, Zollernalb, Calw, Sigmaringen und Tuttlingen. Dahinter folgen mit Überschuldungsquoten zwischen 8 % und 9 % die vier Landkreise Lörrach, Schwarzwald-Baar, Waldshut und Konstanz sowie die beiden Stadtkreise Karlsruhe und Stuttgart. Am unteren Ende rangieren ausschließlich Stadtkreise, nämlich die vier Städte Baden-Baden, Heilbronn, Mannheim und Pforzheim. Unter den sieben Kreisen mit den höchsten Überschuldungsquoten befinden sich also sechs kreisfreie Städte und damit zwei Drittel aller Stadtkreise Baden-Württembergs.

Auch bundesweit sind die privaten Haushalte kreisfreier Städte überproportional stark überschuldet, 2020 haben die Überschuldungsquoten in den Stadtkreisen (11,9 %) diejenigen in den Landkreisen (8,8 %) um stattliche 3,1 Prozentpunkte übertroffen. Wesentliche Ursachen hierfür sind in den Hauptgründen für Überschuldung zu finden, die jährlich vom Statistischen Bundesamt aufgrund von Befragungen festgestellt werden.6 Danach war im Jahr 2020 die Arbeitslosigkeit der wichtigste Hauptauslöser für Überschuldung (19,7 %) vor Erkrankung, Sucht und Unfall (16,5 %), Trennung, Scheidung, Tod des Partners oder der Partnerin (12,0 %) und langfristigem Niedrigeinkommen (9,6 %). Tatsächlich zeichnen sich kreisfreie Städte in der Tendenz durch höhere Arbeitslosigkeit aus als Landkreise, was sich auch in längerfristig geringeren Einkommen niederschlägt; hinzu kommt, dass in vielen Regionen, auch in Baden-Württemberg, zahlreiche gutverdienende Haushalte oft in umliegenden Landkreisen wohnhaft sind. Bezüglich Sucht und Erkrankung gibt es verschiedene Studien, die auf ein erhebliches Stadt-Land-Gefälle hinweisen.7 Und mit Blick auf Trennung und Scheidung konnte zwar zuletzt eine deutliche Angleichung zwischen den baden-württembergischen Stadt- und Landkreisen festgestellt werden, aber ein gewisses Stadt-Land-Gefälle existiert wohl weiterhin.8

Entwicklung in den Kreisen seit 2017

Über die Jahre hinweg hat sich die Rangfolge der 44 baden-württembergischen Stadt- und Landkreise kaum verändert. Im Vergleich zu 2021 waren nur die beiden Landkreise Freudenstadt und Reutlingen 2017 um mehr als sechs Ränge besser platziert. Sie haben in diesem Zeitraum ihre Überschuldungsquoten – wie auch der Main-Taunus-Kreis und der Alb-Donau-Kreis sowie die Stadt Pforzheim – um nur 0,6 Prozentpunkte abbauen können, das ist gerade halb so viel wie im Bundesdurchschnitt (– 1,2 Prozentpunkte) oder auch im Landesdurchschnitt (– 1,0 Prozentpunkte). Umgekehrt konnten sich die Stadtkreise Mannheim und Stuttgart sowie die Landkreise Konstanz, Tuttlingen, Sigmaringen und Rhein-Neckar-Kreis besonders stark verbessern, nämlich in einer Bandbreite zwischen 1,8 und 1,3 Prozentpunkten; abgesehen vom Rhein-Neckar-Kreis handelt es sich hierbei um Kreise mit durchgehend höheren Überschuldungsquoten als in Baden-Württemberg insgesamt. Insoweit liegt eine gewisse Angleichung der Überschuldungsquoten zwischen den Kreisen vor, was auch bundesweit zu beobachten ist.9

Betrachtet man die einzelnen Zeitabschnitte, dann ergibt sich folgendes Bild:

Zwischen 2017 und 2019 haben die Überschuldungsquoten in Baden-Württemberg nur leicht um knapp 0,1 Prozentpunkte abgenommen, in den einzelnen Kreisen war die Entwicklung recht uneinheitlich. Die umfangreichste Entlastung hat die Stadt Stuttgart mit – 0,4 Prozentpunkten erfahren, in den Kreisen Rhein-Neckar und Rems-Murr waren es immerhin noch – 0,3 Prozentpunkte. Umgekehrt hat sich die Verschuldungssituation in den Städten Heilbronn (+ 0,5 Prozentpunkte) und Pforzheim (+ 0,4 Prozentpunkte) besonders stark verschlechtert, in den Landkreisen Reutlingen, Zollernalb, Heilbronn und Waldshut waren es + 0,2 Prozentpunkte. Die meisten Kreise haben ihre Überschuldung in diesen 2 Jahren also nur moderat aus- oder abgebaut, und bezüglich »Stadt- oder Landkreis« ist keine systematische Entwicklung festzustellen.

Zwischen 2019 und 2020 konnten, bei einer landesdurchschnittlichen Verringerung um gut 0,1 Prozentpunkte, die meisten Stadt- und Landkreise ihre Überschuldungsquoten reduzieren, am kräftigsten der Landkreis Sigmaringen (– 0,4 Prozentpunkte), die Stadtkreise Baden-Baden, Stuttgart und Karlsruhe (– 0,3 Prozentpunkte) sowie der Stadtkreis Mannheim und die Landkreise Rems-Murr, Rottweil, Ludwigsburg, Göppingen und Tuttlingen (– 0,2 Prozentpunkte); bemerkenswerterweise zeichnen sich die meisten dieser überdurchschnittlich entlasteten Kreise durch relativ hohe Überschuldungsquoten aus und finden sich deshalb in der unteren Hälfte der Tabelle wieder. Allerdings trifft dies auch auf die Kreise zu, deren Überschuldung zwischen 2019 und 2020 nicht abgebaut werden konnte, allenfalls stagniert hat, nämlich die Landkreise Freudenstadt, Waldshut, Reutlingen und Lörrach sowie den Stadtkreis Pforzheim.

Im Jahr 2021 lag dann die Überschuldung in allen Kreisen Baden-Württembergs unter den Werten des Vorjahres 2020. Bei einem Landesdurchschnitt von – 0,8 Prozentpunkten ist die Entlastung in der Stadt Mannheim und im Kreis Konstanz mit – 1,4 beziehungsweise – 1,3 Prozentpunkten besonders hoch ausgefallen, und auch in den Stadtkreisen Stuttgart, Heilbronn, Pforzheim und Ulm sowie in den Landkreisen Tuttlingen und Waldshut hat die Verbesserung 1,0 bis 1,1 Prozentpunkte betragen. Alle diese Kreise zeichnen sich durch eine grundsätzlich überdurchschnittlich hohe Überschuldung aus, die sie nunmehr überproportional stark verringert haben. Auf der anderen Seite stehen die Landkreise Freudenstadt, Enz, Hohenlohe, Rastatt und Tübingen sowie die Stadt Baden-Baden mit einem Abbau ihrer Überschuldungsquoten um nur 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte, unter denen lediglich der Stadtkreis Baden-Baden recht hoch überschuldet ist.

Insgesamt betrachtet hat also die erwähnte tendenzielle Angleichung der Überschuldungsquoten zwischen 2017 und 2021 überwiegend in den Pandemiejahren 2020 und 2021 stattgefunden.

Überschuldung und Arbeitslosigkeit

Wie ausgeführt ist die Arbeitslosigkeit der bundesweit gewichtigste Auslöser für Überschuldung. Die Bedeutung der Erwerbslosigkeit wird durch weitere Ergebnisse aus Erhebungen des Statistischen Bundesamts zur Überschuldung privater Personen bestätigt. Danach waren im Jahr 2020 knapp 44 % aller Personen, die von den statistisch befragten Stellen zu Problemen der Überschuldung beraten wurden, arbeitslos und weitere gut 20 % anderweitig nicht erwerbstätig, beispielsweise als Rentner oder Rentnerin; nur etwa 36 % aller beratenen Personen waren erwerbstätig, davon 35 % in abhängiger Beschäftigung und 1 % als Selbstständige.10 Setzt man aus Vereinfachungsgründen die Zahl der beratenen Menschen in Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit mit der Zahl der insgesamt beratenen Erwerbspersonen gleich, was 80 % aller beratenen Personen entspricht, ergibt sich für den Kreis der wegen Überschuldung beratenen Menschen eine Arbeitslosenquote von rund 55 %. Insgesamt betrug die Arbeitslosenquote, definiert als Zahl der registrierten Arbeitslosen bezogen auf die Zahl der zivilen Erwerbspersonen, 2020 bundesweit 5,9 %.

Schaubild 1 beschreibt die Zusammenhänge zwischen Überschuldung und Arbeitslosigkeit in den 44 Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs im Jahr 2021. Die Kreise sind nach der Höhe ihrer Überschuldungsquoten angeordnet, die in der linken Schaubildhälfte beziffert sind, in der rechten Schaubildhälfte sind die zugehörigen Arbeitslosenquoten aufgezeichnet. Aus dieser Gegenüberstellung ergeben sich folgende Erkenntnisse:

In allen Stadtkreisen lagen die Arbeitslosenquoten über dem Landesdurchschnitt von 3,9 %, in den Städten Mannheim und Pforzheim sogar über dem Bundesdurchschnitt von 5,7 %. Außerdem wurde nur in einem Stadtkreis, nämlich in Ulm, mit 4,0 % eine Arbeitslosenquote erzielt, die auch von einigen Landkreisen übertroffen wurde, genauer gesagt von sechs Landkreisen. Auffallend ist weiterhin, dass sechs kreisfreie Städte zu den sieben Kreisen mit den höchsten Überschuldungsquoten zählen. Besser schneiden neben Ulm nur die weiteren Universitätsstädte Freiburg und vor allem Heidelberg ab, deren Arbeitslosenquoten zwar über dem Landesdurchschnitt liegen, aber im Reigen der Stadtkreise relativ gering ausgefallen sind. Unter den Landkreisen ragt Tübingen, ebenfalls Sitz einer bedeutenden Universität, mit der geringsten Überschuldungsquote bei moderater Arbeitslosigkeit heraus. Es ist also offensichtlich so, dass unter den Städten solche mit einem hohen Anteil an Studierenden oder Beschäftigten in Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen nicht nur verhältnismäßig geringe Überschuldungsquoten, sondern im Städtevergleich auch relativ niedrige Arbeitslosenquoten aufweisen.

In sieben baden-württembergischen Landkreisen betrug die Arbeitslosenquote 2021 maximal 3 %, und alle dieser Kreise blieben auch bei der Überschuldungsquote unter dem Landesdurchschnitt von 7,3 %. Die Kreise Hohenlohe, Alb-Donau, Biberach, Emmendingen, Ravensburg und Bodensee haben sich sogar im oberen Drittel der Überschuldungs-Rangskala (Schaubild 1) platziert, Rottweil immerhin in der Mitte. Ebenso bemerkenswert ist, dass die 17 Landkreise mit Überschuldungsquoten unter 6,9 % auch bei den Arbeitslosenquoten gut abgeschnitten und die 4-%-Marke unterboten haben.

Auf der anderen Seite haben die acht Landkreise mit Arbeitslosenquoten von 4 % oder mehr auch bei den Überschuldungsquoten 2021 hohe Werte erreicht – die Kreise Göppingen, Heidenheim, Lörrach, Schwarzwald-Baar und Konstanz blieben sogar über dem Landesdurchschnitt von 7,3 %, der Landkreis Reutlingen (7,2 %) nur knapp darunter. Der Rhein-Neckar- und der Rems-Murr-Kreis (Überschuldungsquote jeweils 6,9 %) befinden sich im Mittelfeld von Schaubild 1. Umgekehrt konnten sechs Landkreise mit Überschuldungsquoten von über 7,5 % bei den Arbeitslosenquoten auf weniger als 4 % zurückblicken, nämlich die Kreise Ortenau, Zollernalb, Calw, Sigmaringen, Tuttlingen und Waldshut.

Insgesamt betrachtet gibt es bei den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs also durchaus Zusammenhänge zwischen Überschuldung und Arbeitslosigkeit. Dies wird durch die Darstellung in Schaubild 2 bestätigt. Dort sind in einem Diagramm die Arbeitslosenquoten den Überschuldungsquoten der 44 baden-württembergischen Stadt- und Landkreise im Jahr 2021 in Punkteform gegenübergestellt.11 Die entsprechenden Punkte streuen um eine Trendgerade, die so berechnet ist, dass sie sich diesen Punkten optimal anpasst – die vertikalen Differenzen zwischen den Punkten und der Geraden sind dem Betrage nach möglichst klein. Aus dem Verlauf der Trendgeraden wird klar ersichtlich, dass mit zunehmender Arbeitslosigkeit auch das Risiko der Überschuldung steigt. Dabei ist die Streuung der Punkte um die Gerade relativ gering, was durch einen mit 0,686 recht hohen Wert des Bestimmtheitsmaßes ausgedrückt wird.12 Kreisen mit hoher (niedriger) Arbeitslosigkeit zeichnen sich also in der Tendenz auch durch große (geringe) Überschuldung aus.

Auffallend ist zunächst, dass sich im rechten Teil der Grafik ausschließlich Stadtkreise wiederfinden, genauer gesagt acht der neun kreisfreien Städte des Landes; dies hängt natürlich mit dem schon erwähnten Umstand zusammen, dass außer Ulm alle Stadtkreise 2021 Arbeitslosenquoten von mehr als 4 % aufgewiesen haben. Außerdem weichen bei einigen dieser kreisfreien Städte die tatsächlichen Werte deutlich vom durch die Gerade bestimmten Trend ab. Auf der einen Seite sind dies die Städte Pforzheim, Heilbronn und Mannheim, deren Überschuldungsquoten um mehr als 0,5 Prozentpunkte höher liegen als nach dem Trendverlauf zu erwarten wäre, in Pforzheim sogar um 2,5 Prozentpunkte. Auf der anderen Seite betrifft dies die Universitätsstädte Freiburg und Heidelberg, deren tatsächliche Überschuldungsquoten gegenüber dem Trendverlauf um 2,3 beziehungsweise 3,4 Prozentpunkte niedriger ausgefallen sind.

Insbesondere aufgrund der sehr beachtlichen Trendabweichungen dieser fünf Städte – und damit immerhin über der Hälfte aller Stadtkreise des Landes – könnte vermutet werden, dass für die Landkreise allein ein noch engerer Zusammenhang besteht; dies ist jedoch nicht der Fall. Bei einer entsprechenden Regressionsrechnung fällt das Bestimmtheitsmaß mit 0,454 geringer aus als bei der Berechnung für alle Kreise, denn es gibt auch einige Landkreise mit besonders hohen Trendabweichungen.

Nach den in Schaubild 2 dargestellten Be­rechnungen für alle Kreise lagen die tatsächlichen Überschuldungsquoten 2021 in sieben Landkreisen besonders stark über den durch den Trend bestimmten Werten, so in den Kreisen Sigmaringen und Konstanz um 1,5 beziehungsweise 1,3 Prozentpunkte und in den Kreisen Rottweil, Tuttlingen, Waldshut, Ortenau und Schwarzwald-Baar um 0,8 bis 1,0 Prozentpunkte. Umgekehrt blieb die Überschuldung in sechs Landkreisen merklich unterhalb ihrer Trendwerte, vor allem in den Kreisen Tübingen und Böblingen um 1,0 Prozentpunkte sowie in den Kreisen Esslingen, Main-Tauber, Rhein-Neckar und Rems-Murr um 0,7 bis 0,8 Prozentpunkte. Interessanterweise befinden sich alle Landkreise mit Überschuldungsquoten, die deutlich über den Trendwerten liegen, im Süden Baden-Württembergs, umgekehrt die meisten Kreise mit entsprechend niedriger Überschuldung im Norden des Landes. Ansonsten lassen sich aus dieser Konstellation keine weiteren regionstypischen Muster ableiten.

Abschließend sei erwähnt, dass für die Haushaltsnettoeinkommen privater Haushalte, einem ebenfalls wichtigen Auslöser für Verschuldung, auf Ebene der Kreise Baden-Württembergs keine signifikanten Zusammenhänge mit den Überschuldungsquoten vorliegen. Insofern ist die Situation anders als auf Länderebene; so konnte in einer früheren Analyse für die 16 Länder eine noch nennenswerte (negative) Korrelation zwischen Überschuldung und Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen ermittelt werden, die aber ebenfalls geringer ausgefallen ist als die für Überschuldung und Arbeitslosigkeit.13

Zusammenfassung

Nach Ermittlungen der Unternehmensgruppe Creditreform waren im Jahr 2021 in Baden-Württemberg rund 670 000 Menschen in dem Sinne überschuldet, dass die von ihnen zu leistenden Gesamtausgaben ihre laufenden Einnahmen übersteigen, das entspricht 7,3 % aller über 18-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner des Landes; in Deutschland insgesamt betrug diese Überschuldungsquote 8,9 %. Im Vergleich zu den Vorjahren war die Überschuldung bundes- und landesweit rückläufig, vor allem aufgrund umfangreicher staatlicher Unterstützungsmaßnahmen und einem (gezwungenermaßen) geänderten Verbraucherverhalten im Zuge der Corona-Pandemie.

Innerhalb des Landes Baden-Württemberg ist das Gefälle zwischen den Kreisen sehr ausgeprägt – beispielsweise war 2021 die Überschuldungsquote im Stadtkreis Pforzheim 2,7-mal so groß wie im Landkreis Tübingen. Wie auf Bundesebene, so zeichnen sich auch im Land die kreisfreien Städte durch höhere Überschuldung aus, wobei typische Universitätsstädte besser abschneiden. Unter den Landkreisen weisen Kreise mit einer gesunden Mischung aus ländlichem Charakter und guter wirtschaftlicher Aufstellung die niedrigste Überschuldung auf.

Zwischen 2017 und 2021 hat sich die Rangfolge der 44 baden-württembergischen Stadt- und Landkreise kaum verändert, allerdings kann eine gewisse Angleichung der Überschuldungsquoten konstatiert werden. Sie beruht zum Teil auf starken Verbesserungen bei einigen kreisfreien Städten und hat überwiegend in den Pandemiejahren 2020 und 2021 stattgefunden.

Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts ist die Arbeitslosigkeit der bundesweit bedeutendste Auslöser für Überschuldung privater Personen. Auch für die baden-württembergischen Stadt- und Landkreise konnte festgestellt werden, dass in Kreisen mit hoher (niedriger) Arbeitslosigkeit tendenziell auch die Überschuldung groß (gering) ausfällt; Abweichungen von diesem Trend liegen, in beiden Richtungen, vor allem für Stadtkreise vor. Landkreise mit Überschuldungsquoten, die deutlich über den entsprechenden Trendwerten liegen, befinden sich auffallender Weise im Süden Baden-Württembergs, umgekehrt die meisten Kreise mit entsprechend niedriger Überschuldung im Norden des Landes.

1 Zuletzt Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2021 – Überschuldung von Verbrauchern. Neuss, November 2021, S. 13. Die hier und im Folgenden wiedergegebenen Jahresergebnisse umfassen, strenggenommen, jeweils das 4. Quartal des Vorjahres und die ersten 3 Quartale des laufenden Jahres.

2 Münzenmaier, Werner: »Überschuldung privater Haushalte in Baden-Württemberg und den anderen Ländern Deutschlands 2017 bis 2021«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2022«, S. 28–34.

3 Diese staatlichen Hilfen umfassen vor allem Sonderregelungen für Kurzarbeiter, Überbrückungs-, Neustart- und Härtefallhilfen für Unternehmen und Selbstständige, KfW-Programme, Bürgschaften und Garantien, Stabilisierungs- und Sonderfonds sowie steuerliche Unterstützungen und ein erleichterter Zugang zur Grundsicherung.

4 Die Verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte haben, jeweils in nominaler Rechnung, 2020 um 0,8 % und 2021 nochmals um 1,8 % zugenommen.

5 Zu den gesamtwirtschaftlichen Hintergründen vergleiche ausführlich Münzenmaier, Werner: Überschuldung privater Haushalte in Baden-Württemberg und den anderen Ländern Deutschlands 2017 bis 2021, a. a. O., S. 28–30.

6 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020. Wiesbaden, Mai 2021, S. 8. Die Befragungen werden bei Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen durchgeführt, die in der Trägerschaft von Wohlfahrts- und Verbraucherverbänden sowie von Gemeindeverbänden oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehen beziehungsweise als gemeinnützig anerkannt oder als Verein eingetragen sind. Die Erhebung erfolgt auf freiwilliger Basis, 2020 gingen Daten von 593 der insgesamt etwa 1 430 Beratungsstellen Deutschlands in die Auswertung ein.

7 Zum Beispiel Mazda, Adli/Schöndorf, Jonas: Macht uns die Stadt krank? Wirkung von Stadtstress auf Emotionen, Verhalten und psychische Gesundheit, in: Bundesgesundheitsblatt 63/2020, S. 979–986.

8 Brachat-Schwarz, Werner: »Die Ehen im Land sind wieder etwas stabiler«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2017«, S. 6–9.

9 Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2021 – Überschuldung von Verbrauchern, a. a. O., S. 24.

10 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020, a. a. O., S. 6.

11 Alle Stadtkreise und ausgewählte Landkreise sind in Schaubild 2 entsprechend ihren (überwiegenden) Kraftfahrzeugkennzeichen benannt. Abweichende Bezeichnungen wurden nur für den Alb-Donau-Kreis (ADK statt UL) und für den Rhein-Neckar-Kreis (RNK statt HD) gewählt, um eine Verwechslung mit den Städten Ulm beziehungsweise Heidelberg zu vermeiden.

12 Das Bestimmtheitsmaß R2 bringt die Intensität der Streuung zum Ausdruck. Wenn die Punkte direkt auf der Geraden liegen, also keinerlei Streuung vorliegt, nimmt das Maß den Wert 1 an. Je diffuser die Streuung dagegen ist, umso mehr nähert es sich dem Wert 0.

13 Münzenmaier, Werner: Überschuldung privater Haushalte in Baden-Württemberg und den anderen Ländern Deutschlands 2017 bis 2021, a. a. O., S. 33/34.