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Überschuldung privater Haushalte in den 39 größten Städten Deutschlands 2017 bis 2021 – Ursachen und Unterschiede

Die Unternehmensgruppe Creditreform in Neuss gibt seit 2004 einen umfangreichen »SchuldnerAtlas« heraus, in dem Daten zur Überschuldung privater Haushalte veröffentlicht werden.1 Vereinfacht ausgedrückt liegt Überschuldung vor, wenn die zu leistenden Gesamtausgaben eines privaten Haushalts über einen längeren Zeitraum hinweg höher sind als dessen Einnahmen und nicht genügend Vermögen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen vorhanden ist. Dementsprechend waren 2021 in Deutschland rund 6,16 Millionen Menschen überschuldet, das sind 8,9 % aller über 18-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner. Bemerkenswerter­weise hat die Überschuldung im Corona-Krisen-Jahr 2021 den niedrigsten Stand seit 2004 erreicht, weil umfangreiche staatliche Hilfsmaßnahmen die Nettoeinkommen der privaten Haushalte stabilisiert haben und die Haushalte aufgrund deutlich eingeschränkter Konsummöglichkeiten zu erhöhter Ersparnisbildung geradezu gezwungen wurden.

In zwei Beiträgen dieser Schriftenreihe konnten weitere interessante Ergebnisse und Tendenzen dargelegt werden: So hat Baden-Württemberg 2021 hinter Bayern (6,4 %) mit 7,3 % die zweitniedrigste Überschuldungsquote unter den Ländern Deutschlands aufgewiesen, sind bundesweit und in Baden-Württemberg private Haushalte in kreisfreien Städten überwiegend stärker überschuldet als in Landkreisen und stellt die Arbeitslosigkeit einen ganz wesentlichen Auslöser für Überschuldung dar. Im folgenden Beitrag wird untersucht, wie sich die Situation in den größten Städten Deutschlands darstellt und wie hierbei die baden-württembergischen Städte abschneiden.2

Situation in den größten Städten 2021

Die von der Unternehmensgruppe Creditreform erhobenen Daten zur Überschuldung privater Haushalte beruhen auf Auswertungen von Gerichtsdaten sowie Meldungen durch Gläubiger und erlauben vielfältige kleinräumige Analysen. Nähere Erläuterungen zur Definition von Überschuldung sowie zur Erhebungsmethode finden sich im i-Punkt.

Eine für interregionale Untersuchungen besonders interessante Größe ist die Überschuldungsquote, das ist der Anteil von Menschen in Überschuldung bezogen auf die Zahl aller über 18-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner eines bestimmten Gebiets. In der Tabelle sind die Überschuldungsquoten für die Jahre 2017 bis 2021 in den 39 deutschen Städten mit mehr als 200 000 Einwohnerinnen und Einwohner aufgeführt, aufsteigend geordnet nach der Höhe dieser Quoten im Jahr 2021. In dieser Städtegruppe konnte die Stadt Aachen nicht berücksichtigt werden, da hierfür nur Daten der gesamten Städteregion Aachen vorliegen.

Für das Jahr 2021 ergeben sich zunächst folgende allgemeine Erkenntnisse:

  • Zehn der 39 Städte lagen mit ihren Überschuldungsquoten unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 8,9 %, die deutliche Mehrheit (rund drei Viertel) darüber. Unter den vier baden-württembergischen Großstädten zählten Freiburg im Breisgau (7,1 %), Karlsruhe (8,3 %) und Stuttgart (8,8 %) zur ersten Gruppe und nur Mannheim (12,4 %) zur zweiten.
  • Die Unterschiede zwischen diesen Städten sind erheblich; so betrug die Überschuldungsquote in der Stadt Gelsenkirchen mit 16,9 % das 2,4-fache derjenigen in Freiburg mit 7,1 %.

Die geringsten Überschuldungsquoten haben mit Freiburg (7,1 %), Mainz (7,2 %), Münster (7,5 %) und Bonn (7,7 %) traditionsreiche Universitätsstädte aufgewiesen, und auch die weiteren Städte mit unterdurchschnittlichen Überschuldungsquoten wie München (7,9 %), Braunschweig (8,0 %), Dresden und Karlsruhe (je 8,3 %), Augsburg (8,6 %) und Stuttgart (8,8 %) zeichnen sich durch bedeutende Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen aus, ebenso durch herausragende Wirtschaftsunternehmen oder wichtige staatliche Institutionen. Die niedrige Überschuldung in Stadt- und Landkreisen, die durch Universitäten geprägt sind, wurde bereits im Rahmen einer Analyse baden-württembergischer Kreise festgestellt.3

Unter den nachfolgenden elf Städten mit Überschuldungsquoten zwischen 9 % und 11 % (Hamburg, Rostock, Frankfurt am Main, Erfurt, Bielefeld, Köln, Düsseldorf, Kiel, Hannover, Nürnberg und Berlin) finden sich ebenfalls Universitätsstädte, Verwaltungshauptstädte, Dienstleistungszentren oder wirtschaftlich gut aufgestellte Städte, die ihren Bürgern ein gutes Auskommen garantieren können. Demgegenüber gehören zu den danach folgenden neun Großstädten mit Überschuldungsquoten von 11 % bis 13 % (Chemnitz, Leipzig, Bremen, Bochum, Mannheim, Lübeck, Dortmund, Magdeburg und Essen) auch solche, die trotz unbestreitbarer wirtschaftlicher Erfolge und durchaus günstigen Entwicklungspotenzialen noch merklich unter industriellen Altlasten und Strukturanpassungsproblemen zu leiden haben.

Mit solchen Schwierigkeiten sind schließlich die meisten der neun Städte mit Überschuldungsquoten von über 13 % besonders konfrontiert, das sind vor allem Städte an Rhein und Ruhr wie Gelsenkirchen, Duisburg, Wuppertal, Mönchengladbach, Krefeld und Oberhausen, aber auch Halle an der Saale und Kassel. Überraschenderweise gehört zu dieser Städtegruppe auch die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden mit einer Überschuldungsquote von 14,7 % – das ist mehr als doppelt so viel wie in der benachbarten rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz mit 7,2 %. Die Stadtverwaltung Wiesbadens führt die hohe Überschuldung dieser wirtschaftlich und gesellschaftlich eigentlich gut dastehenden Stadt auf eine große soziale Spreizung zurück, die zu einem Wettbewerbsdruck für finanziell schlechter dastehende Menschen führt.4 Nach den von microm GmbH, einem Tochterunternehmen von Creditreform entwickelten, sich teilweise überschneidenden acht Überschuldungstypen gehört dieser Personenkreis aus einkommensschwachem und eher unterem sozialen Milieu wohl zu den »Überschuldungsausblendern«, die aus einer Mischung von finanzieller Not und fahrlässiger Selbstüberschätzung in eine Verschuldungsspirale geraten, oder zu den »Konsum-Überschuldeten«, die aus Statusgründen eine starke Konsum- und Marken-Fixierung aufweisen und verstärkt Konsumentenkredite nutzen. Außerdem wohnen in Städten mit überdurchschnittlich gut situierten Menschen nach Erkenntnissen von Creditreform viele »Lifestyle-Überschuldete«, die sich in den obersten sozioökonomischen Statusgruppen bewegen und eigentlich keine finanziellen Sorgen haben, sich aber für außergewöhnliche und luxuriöse Anschaffungen kurzfristig, periodisch wiederkehrend oder gar dauerhaft verschulden.5 Hohe Mieten allein dürften indessen kaum ursächlich für die im Durchschnitt recht hohe Überschuldung Wiesbadener Bürger sein. Zwar lag Wiesbaden unter den Städten mit den höchsten Mietpreisen im 1. Quartal 2021 an zehnter Stelle, aber in Städten mit deutlich niedrigerer Überschuldung ist die Mietbelastung noch ausgeprägter; neben den Metropolen München, Frankfurt am Main, Stuttgart, Berlin, Hamburg und Düsseldorf zählen hierzu auch Freiburg (Platz 6), Mainz (Platz 8) und Darmstadt (Platz 9) mit einer ähnlich großen Einwohnerzahl wie Wiesbaden.6

Entwicklung in den größten Städten 2017 bis 2021

Innerhalb der letzten 5 Jahre hat sich die Reihenfolge der 39 Städte in Bezug auf ihre Überschuldungsquoten nicht wesentlich geändert. Im Vergleich zu 2017 haben nur fünf Städte Rangverschiebungen um vier oder mehr Plätze erfahren: Chemnitz, Bochum und Essen haben sich in dieser Größenordnung rangmäßig verschlechtert, Augsburg und Hannover verbessert. Auch an der Spitze und am Ende der Rangskala gab es Veränderungen – so hatte 2017 noch Mainz die geringsten und Wuppertal die höchsten Überschuldungsquoten aufgewiesen. Die genannten Städte gehören auch zu denjenigen, die zwischen 2017 und 2021 besonders hohe oder besonders geringe Abnahmen ihrer Überschuldungsquoten zu verzeichnen hatten. Bei einer bundesdeutschen Verringerung der Überschuldungsquoten um 1,2 Prozentpunkte wurde die Überschuldung in Chemnitz, Mainz, Essen, Gelsenkirchen, Münster, Frankfurt am Main, Duisburg und Bochum um weniger als 1,0 Prozentpunkte abgebaut, während in Wuppertal, Augsburg, Kassel, Lübeck, Hannover und Leipzig die Verringerung mehr als 2,0 Prozentpunkte erreicht hat. Interessanterweise finden sich in beiden Kategorien Städte mit allgemein hoher oder niedriger Überschuldung wieder.

Betrachtet man in der Tabelle die einzelnen Zeitabschnitte, dann ergibt sich folgendes Bild:

In der Vor-Corona-Zeit, also zwischen 2017 und 2019, haben die Überschuldungsquoten in Deutschland praktisch stagniert (– 0,0 Prozentpunkte), in den einzelnen Städten war die Entwicklung jedoch recht uneinheitlich. Zunahmen um 0,4 Prozentpunkte und mehr mussten drei Städte an Rhein und Ruhr erfahren, nämlich Mönchengladbach, Essen und Duisburg, außerdem Wiesbaden und Chemnitz; umgekehrt konnten Leipzig, Lübeck, Kassel und Stuttgart ihre Überschuldungsquoten um mindestens 0,4 Prozentpunkte zurückfahren, Augsburg sogar um 1,0 Prozentpunkte.

Auch zwischen 2019 und 2020, dem 1. Jahr der Corona-Pandemie, ist die Entwicklung der Überschuldungsquoten – bei einem bundesdurchschnittlichen Rückgang um 0,1 Prozentpunkte – in den Städten differenziert ausgefallen. In sieben Städten hat sich die Überschuldung erhöht, allerdings nur marginal um weniger als 0,1 Prozentpunkte; betroffen waren zum einen Mainz als die Stadt mit der 2019 niedrigsten Überschuldungsquote, zum anderen die nordrhein-westfälischen Städte Mönchengladbach, Gelsenkirchen, Bochum, Krefeld und Duisburg sowie die ostdeutsche Stadt Halle an der Saale mit jeweils überdurchschnittlicher Überschuldung. Fünf Städte konnten ihre Überschuldungsquoten dagegen um mindestens 0,4 Prozentpunkte reduzieren, wobei Augsburg (– 0,7 Prozentpunkte), Lübeck (– 0,6 Prozentpunkte) und Leipzig (– 0,4 Prozentpunkte) ihre Verbesserung seit 2017 fortsetzen konnten, hinzu kamen Wuppertal und Hannover (je – 0,4 Prozentpunkte).

Von 2020 auf 2021 hat dann die stärkste Entspannung im Untersuchungszeitraum stattgefunden: Die Überschuldungsquoten haben bundesweit um 1,0 Prozentpunkte abgenommen. Seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2004 wurde ein vergleichbar hoher Rückgang lediglich von 2008 auf 2009, dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise, registriert. Eigentlich wäre zu erwarten, dass krisenbedingte Arbeitsplatzverluste und Einkommenseinbußen die Überschuldung privater Haushalte tendenziell ansteigen lassen, in beiden Perioden haben jedoch massive staatliche Hilfen den wirtschaftlichen Abschwung nachhaltig abgebremst und die Einkommenssituation der allermeisten privaten Haushalte in Deutschland stabilisiert.7 Im Zuge der noch andauernden Unterstützungsmaßnahmen haben die Verfügbaren Einkommen (jeweils in nominaler, also nicht preisbereinigter Rechnung) 2020 um 0,8 % und 2021 nochmals um 1,8 % zugenommen, gleichzeitig haben die Einwohnerinnen und Einwohner ihre (nominalen) Konsumausgaben 2020 um beachtliche 5,3 % zurückgefahren und 2021 nur moderat um 3,1 % ausgeweitet. Verantwortlich hierfür waren pandemiebedingt unumgängliche Einschränkungen der Konsummöglichkeiten, vor allem bei Reisen, Übernachtungen und Gaststättenbesuchen, ergänzt um ein zurückhaltendes Ausgabeverhalten, insbesondere in Bezug auf Waren und Dienstleistungen, die nicht zum täglichen Bedarf zählen. Dadurch hat sich – trotz historisch niedriger Zinsen – die Sparquote 2020 gegenüber 2019 enorm erhöht (von 10,8 % auf 16,1 %) und 2021 nur leicht verringert (auf 15,0 %); das sind die höchsten Werte für Sparquoten seit Mitte der 1970er-Jahre. In der Folge haben sich die Entschuldungsmöglichkeiten privater Haushalte in beiden Jahren deutlich verbessert.

Der Rückgang der Überschuldungsquoten von 2020 auf 2021 hat alle 39 großen Städte erfasst. Mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt (– 1,0 Prozentpunkte) ist der Überschuldungsabbau in zwei der zehn Städte mit nach wie vor hohen Überschuldungsquoten ausgefallen, nämlich in Wuppertal und Wiesbaden um jeweils 2,1 Prozentpunkte; in Kassel, Oberhausen und Mönchengladbach hat die Verbesserung immerhin 1,7 bis 1,8 Prozentpunkte betragen. Gleichzeitig konnten unter den zehn Städten mit den niedrigsten Überschuldungsquoten nur Braunschweig (– 1,4 Prozentpunkte) und Stuttgart (– 1,1 Prozentpunkte) eine Verringerung um mehr als 1,0 Prozentpunkte verzeichnen; in Dresden, Karlsruhe, München, Mainz und Freiburg waren es sogar weniger als 0,9 Prozentpunkte. Insofern hat sich im Zuge der Corona-Pandemie und bedingt durch gezielte staatliche Unterstützungsmaßnahmen die Spreizung der Überschuldung unter den großen Städten wenigstens teilweise abgeschwächt.

Überschuldung und Arbeitslosigkeit

Was sind die wesentlichen Ursachen für die Überschuldung privater Haushalte? Interessante Informationen hierfür geben Erhebungen des Statistischen Bundesamts, in denen Menschen, die Schuldner- und Insolvenzberaterstellen aufsuchen, nach den Hauptgründen für ihre Überschuldung gefragt werden.8 Danach gibt es vier besonders wichtige Hauptauslöser für Überschuldung, von denen zwei im wirtschaftlichen Umfeld zu suchen sind und zwei im privaten Bereich der betroffenen Menschen. Im Jahr 2020 war die Arbeitslosigkeit bei 19,7 % der Befragten der wichtigste Hauptauslöser für Überschuldung, bei 9,6 % war es ein langfristiges Niedrigeinkommen als zweites wirtschaftsbezogenes Kriterium. Erkrankung, Sucht und Unfall waren bei 16,5 % der Befragten die wichtigsten Hauptauslöser, Trennung, Scheidung und Tod des Partners oder der Partnerin bei 12,0 %.

Die Bedeutung der Arbeitslosigkeit wird durch weitere Ergebnisse aus der Erhebung des Statistischen Bundesamts bestätigt. Danach waren im Jahr 2020 knapp 44 % aller Personen, die von den befragten Stellen bei Problemen der Überschuldung beraten wurden, arbeitslos und weitere gut 20 % anderweitig nicht erwerbstätig, beispielsweise als Rentner oder Rentnerin; nur etwa 36 % aller beratenen Personen waren erwerbstätig, davon 35 % in abhängiger Beschäftigung und 1 % als Selbstständige.9 Setzt man aus Vereinfachungsgründen die Zahl der beratenen Menschen in Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit mit der Zahl der insgesamt beratenen Erwerbspersonen gleich – was 80 % aller beratenen Personen entspricht – ergibt sich für den Kreis der wegen Überschuldung beratenen Menschen eine Arbeitslosenquote von rund 55 %. Insgesamt betrug die Arbeitslosenquote, definiert als Zahl der registrierten Arbeitslosen bezogen auf die Zahl der zivilen Erwerbspersonen, 2020 bundesweit nur 5,9 %.

Die Zusammenhänge zwischen Überschuldung und Arbeitslosigkeit werden durch Schaubild 1 bestätigt, in dem die Überschuldungsquoten den Arbeitslosenquoten der 39 größten Städte im Jahr 2021 gegenübergestellt sind. Die entsprechenden Punkte streuen um eine Trendgerade, die so berechnet ist, dass sie sich diesen Punkten optimal anpasst – die vertikalen Abstände zwischen den Punkten und der Geraden sind dem Betrage nach möglichst klein. Aus dem Verlauf der Trendgeraden wird klar ersichtlich, dass mit zunehmender Arbeitslosigkeit auch das Risiko der Überschuldung steigt. Dabei ist die Streuung der Punkte um die Gerade relativ gering, was durch einen mit 0,647 recht hohen Wert des Bestimmtheitsmaßes ausgedrückt wird.10 Städte mit hoher (niedriger) Arbeitslosigkeit zeichnen sich also in der Tendenz durch große (geringe) Überschuldung aus.

Auffallend ist zunächst, dass sich im rechten Teil der Grafik mit Arbeitslosenquoten von mehr als 10 % neben Bremen ausschließlich Städte an Rhein und Ruhr befinden, nämlich Gelsenkirchen, Duisburg, Dortmund, Essen, Krefeld, Oberhausen und Mönchengladbach. Die meisten dieser insgesamt acht Städte folgen dem Trendzusammenhang von Überschuldung und Arbeitslosigkeit, das heißt in Schaubild 1 liegen die zugehörigen Punkte nur wenig über oder unter der Trendgeraden.

Unter diesen Städten haben 2021 nur Bremen und Dortmund mit Abweichungen um 1,8 beziehungsweise 1,6 Prozentpunkten größere negative Abstände aufgewiesen; dies bedeutet, dass sich beide Städte zwar durch überdurchschnittlich hohe Überschuldungsquoten auszeichnen, gemessen an ihren Arbeitslosenquoten sind diese jedoch relativ gering geblieben. Darüber hinaus waren die tatsächlichen Überschuldungsquoten auch in Bonn (3,1 Prozentpunkte) und Köln (2,1 Prozentpunkte) sowie in Berlin, Mainz, Bielefeld, Hannover, Freiburg und Hamburg (zwischen 1,5 und 2,0 Prozentpunkten) merklich niedriger als es der Trendzusammenhang erwarten lässt; dies ist insoweit bemerkenswert, als Freiburg, Mainz und Bonn zum Quartett der Städte mit den kleinsten Überschuldungsquoten gehören und sich auch die anderen fünf Städte im Bereich geringer Überschuldung bewegen.

Umgekehrt gibt es sieben Städte mit tatsächlichen Überschuldungsquoten, die ihre trendbestimmten Werte 2021 um mindestens 1,5 Prozentpunkte übertroffen haben. Es handelt sich hierbei um Halle an der Saale und Magdeburg aus Sachsen-Anhalt, Wuppertal und Mönchengladbach aus Nordrhein-Westfalen, Wiesbaden und Kassel aus Hessen sowie Mannheim aus Baden-Württemberg, wobei vor allem Wiesbaden (3,9 Prozentpunkte), Halle an der Saale (3,2 Prozentpunkte) und Wuppertal (3,1 Prozentpunkte) herausragen. Sechs dieser sieben Städte gehören zu den elf Städten mit den höchsten Überschuldungsquoten, lediglich Mannheim schneidet etwas besser ab (Tabelle). Dies bedeutet, dass die Überschuldung in diesen Städten (mit meist schon großer Überschuldung) noch höher ausgefallen ist als aus dem Trendzusammenhang zu vermuten gewesen wäre.

Für die vier baden-württembergischen Städte mit mehr als 200 000 Einwohnerinnen und Einwohner ergibt sich folgendes Bild: In Freiburg ist die Überschuldung (– 1,5 Prozentpunkte) signifikant niedriger, in Mannheim (+ 2,1 Prozentpunkte) bedeutend höher ausgefallen als es die Arbeitslosigkeit erwarten lässt. In Karlsruhe und in Stuttgart war die insoweit ebenfalls höhere Überschuldung (+ 0,3 beziehungsweise + 0,5 Prozentpunkte) weniger spektakulär.

Überschuldung und Einkommenssituation

Wie ausgeführt ist ein langfristiges Niedrigeinkommen der viertwichtigste Hauptauslöser für die Überschuldung privater Haushalte. Nach den Befragungen des Statistischen Bundesamts betrug 2020 das monatliche individuelle Nettoeinkommen bei 41 % aller beratenen Personen weniger als 900 Euro, bezogen auf das monatliche Haushaltsnettoeinkommen waren es 33 % aller beratenen Personen. In die Kategorie 900 bis unter 1 300 Euro fielen 26 % beziehungsweise 24 %, in die Kategorie 1 300 bis unter 2 000 Euro weitere 25 % beziehungsweise 27 % aller beratenen Menschen. Nur 8 % beziehungsweise 16 % der beratenen Personen konnten über ein individuelles oder haushaltsbezogenes Einkommen von 2 000 Euro oder mehr verfügen.11

Schaubild 2 veranschaulicht für die 39 größten Städte die Zusammenhänge zwischen den Überschuldungsquoten und den Verfügbaren Einkommen je Einwohnerin oder Einwohner, also denjenigen Einkommen, die von den Haushalten für privaten Verbrauch, Ersparnisbildung oder eben auch Schuldenabbau verwendet werden können. Die Definition dieses Einkommensbegriffs findet sich im i-Punkt. Aktuelle Daten zu diesen gesamtwirtschaftlichen Einkommen liegen für 2019 vor, weshalb die Regressionsanalyse für dieses Jahr durchgeführt wurde.12

Die Lage der Punkte und der Trendgeraden in Schaubild 2 verdeutlicht zunächst, dass die Überschuldung in einer Großstadt naturgemäß umso geringer ausfällt, je mehr den dortigen Bewohnern an Einkommen zur Verfügung steht. Eine Gegenüberstellung zu Schaubild 1 lässt aber erkennen, dass die Abhängigkeit der Überschuldung von der Einkommenssituation – insgesamt betrachtet – weniger ausgeprägt ist als von Arbeitslosigkeit, denn in Schaubild 2 streuen die Punkte stärker um die Trendgerade, das Bestimmtheitsmaß ist mit 0,231 erheblich kleiner.

Die verhältnismäßig große Streuung wurde vor allem durch 18 Städte bewirkt, deren (positive oder negative) Trendabweichungen 2,0 Prozentpunkte oder mehr betragen haben. Deutlich höhere Überschuldungsquoten als der – nach der Einkommenslage zu erwartende – Trend hatten demnach Wiesbaden (6,3 Prozentpunkte), Wuppertal (5,5 Prozentpunkte) und Mönchengladbach (3,9 Prozentpunkte) zu verzeichnen, in den Städten Gelsenkirchen, Duisburg, Krefeld, Halle an der Saale und Düsseldorf belief sich der Abstand auf immerhin 2 bis 3 Prozentpunkte. In diese Kategorie gehören damit sowohl Städte wie Wiesbaden und Düsseldorf, in denen trotz überdurchschnittlich hohen Verfügbaren Einkommen (25 650 beziehungsweise 27 200 Euro je Einwohner/-in) eine relativ große Überschuldung ermittelt wurde, als auch Städte, deren Überschuldung noch höher ausgefallen ist als es die schon sehr geringen oder zumindest unterdurchschnittlichen Verfügbaren Einkommen (zwischen 17 020 Euro je Einwohner/-in in Gelsenkirchen und 22 330 Euro je Einwohner/-in in Krefeld) erwarten lassen.

Gemessen an ihren Nettoeinkommen besonders niedrige Überschuldungsquoten lagen dagegen in Mainz und Freiburg im Breisgau (Abweichung jeweils 4,1 Prozentpunkte), in Dresden (4,0 Prozentpunkte) sowie in Rostock und in Münster (jeweils 3,0 Prozentpunkte) vor, außerdem in den Städten Bonn, Augsburg, Karlsruhe, Erfurt und Braunschweig (2 bis 3 Prozentpunkte). Die Spreizung der Verfügbaren Einkommen ist bei diesen Städten etwas kleiner – zwischen 19 760 Euro je Einwohner/-in in Rostock und 24 010 Euro je Einwohner/-in in Münster – als bei der Gruppe mit Abweichungen in die andere Richtung. Auffallend ist der hohe Anteil an Universitätsstädten. Bemerkenswerterweise gehören mit Rostock und Erfurt auch zwei ostdeutsche Städte zu dieser Städtegruppe, bei der anderen Gruppe war aus Ostdeutschland Halle an der Saale vertreten.

Unter den vier baden-württembergischen Städten mit mehr als 200 000 Einwohnerinnen und Einwohner ist die Überschuldung vor allem in Freiburg (– 4,1 Prozentpunkte), aber auch in Karlsruhe (– 2,7 Prozentpunkte) signifikant niedriger ausgefallen als es die Einkommenssituation erwarten lässt. Umgekehrt verhält es sich in Mannheim (+ 1,6 Prozentpunkte). Für Stuttgart wurde eine nur geringe Abweichung (– 0,1 Prozentpunkte) gemessen.

Die bei der Interpretation von Schaubild 2 genannten Städte mit herausragenden, positiven oder negativen Abweichungen vom Trendzusammenhang zwischen Überschuldung und Einkommen wurden teilweise schon im Rahmen der Korrelation zwischen Überschuldung und Arbeitslosigkeit in Schaubild 1 hervorgehoben. Dies erklärt sich unter anderem durch inhaltliche Verbindungen zwischen Arbeitslosigkeit und Einkommenslage bei den betroffenen Menschen beziehungsweise Städten.

Zusammenfassung und abschließende Bewertung

Im Jahr 2021 waren nach Erhebungen der Unternehmensgruppe Creditreform in Deutschland rund 6,1 Millionen Menschen überschuldet, das heißt die von ihnen aufgewendeten Gesamtausgaben übertrafen über einen längeren Zeitraum hinweg ihre laufenden Einnahmen und sie konnten über kein ausreichendes Vermögen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen verfügen. Bezogen auf die Zahl aller über 18-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner errechnet sich hieraus eine bundesweite Überschuldungsquote von 8,9 %.

Im Vergleich zu den Vorjahren war die Überschuldung 2021 allerdings rückläufig, vor allem wegen umfangreicher staatlicher Unterstützungsmaßnahmen und (gezwungenermaßen) verringerten Konsumausgaben der privaten Haushalte im Zuge der Corona-Pandemie.

Aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Unterschiede haben die Überschuldungsquoten in den kreisfreien Städten über die Jahre hinweg etwa 2 Prozentpunkte mehr betragen als in Deutschland insgesamt.

Dementsprechend haben 2021 rund drei Viertel der 39 Städte mit mehr als 200 000 Einwohnerinnen und Einwohner die bundesdurchschnittliche Überschuldungsquote von 8,9 % übertroffen, zum Teil sogar deutlich. Erfreulicherweise gehören mit Freiburg (7,1 %), Karlsruhe (8,3 %) und Stuttgart (8,8 %) drei der vier baden-württembergischen Städte dieser Einwohnerkategorie zu den insgesamt zehn Großstädten mit unterdurchschnittlichen Überschuldungsquoten, nur Mannheim (12,4 %) hat insofern schlechter abgeschnitten. Freiburg war sogar die Großstadt mit der niedrigsten Überschuldungsquote, für Gelsenkirchen (16,9 %) wurde 2021 ein 2,4-mal so hoher Wert ermittelt. Diese beiden Extreme sind nicht untypisch – so zeichnen sich vor allem Universitätsstädte durch eine besonders niedrige, dagegen Städte mit industriellen Altlasten und Strukturanpassungsproblemen durch eine besonders hohe Überschuldung aus.

Gegenüber 2017 konnten alle 39 großen Städte ihre Überschuldungsquoten verringern. Vor allem 2021 hat eine beachtliche Entspannung stattgefunden, die in einigen Städten mit traditionell hoher Überschuldung sogar überproportional stark ausgefallen ist; dadurch konnte die beachtliche Spreizung der Überschuldung unter den großen Städten wenigstens teilweise abgeschwächt werden. An der Rangfolge der Städte hat sich hingegen nichts Wesentliches geändert.

Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts ist die Arbeitslosigkeit der bundesweit bedeutendste Auslöser für Überschuldung privater Personen. Tatsächlich waren 2020 unter den Personen, die eine Beratung zur Lösung ihrer Überschuldungsprobleme aufgesucht haben, knapp 44 % arbeitslos. Entsprechende Zusammenhänge zwischen Überschuldung und Arbeitslosigkeit konnten im Rahmen einer Regressionsanalyse bestätigt werden: In Städten mit umfangreicher (niedriger) Arbeitslosigkeit fällt tendenziell auch die Überschuldung hoch (gering) aus.

Auch die Höhe des Verfügbaren Einkommens hat Auswirkungen auf die Überschuldung der betroffenen Menschen. Dies geht ebenfalls aus Erhebungen des Statistischen Bundesamts hervor und wird für die großen Städte durch eine Regressionsanalyse bestätigt. Allerdings ist die Abhängigkeit der Überschuldung von der Arbeitslosigkeit deutlich ausgeprägter als von der durchschnittlichen Einkommenshöhe der Städte.

1 Zuletzt Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2021 – Überschuldung von Verbrauchern. Neuss, November 2021, S. 13. Die hier und im Folgenden wiedergegebenen Jahresergebnisse umfassen, strenggenommen, jeweils das 4. Quartal des Vorjahres und die ersten 3 Quartale des laufenden Jahres.

2 Münzenmaier, Werner: »Überschuldung privater Haushalte in Baden-Württemberg und den anderen Ländern Deutschlands 2017 bis 2021«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2022«, S. 21–27; Münzenmaier, Werner: »Überschuldung privater Haushalte in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs – Aktuelle Situation und Entwicklung«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2022«, S. 45–52.

3 Münzenmaier, Werner: »Überschuldung privater Haushalte in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs – Aktuelle Situation und Entwicklung«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2022«, S. 46.

4 Leubner, Nele: Immer mehr Wiesbadener sind verschuldet, in: Wiesbadener Kurier vom 21. November 2018. Dort stellt der Sozialdezernent Christoph Manjura fest: »Der prägnante Unterschied zu anderen Städten, wie Duisburg oder Offenbach, ist die große soziale Spreizung in Wiesbaden. Wenn es starke finanzielle Unterschiede gibt, führt das auch zu einem Druck, mitzuhalten, mit denen, die mehr haben«.

5 Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2021 – Überschuldung von Verbrauchern, a. a. O., S. 41–44.

6 Ohne Verfasser: In diesen Städten sind die Mieten pro Quadratmeter am höchsten, in: Handelsblatt vom 28. April 2021. Das Ranking wurde vom Forschungsinstitut empirica erstellt, und zwar bezogen auf Angebotsmieten für Wohnungen, die in den letzten 10 Jahren gebaut wurden, 60 bis 80 Quadratmeter umfassen und renoviert sind; ausgewertet wurden rund 2 Millionen Inserate.

7 In der aktuellen Krise umfassen die staatlichen Hilfen vor allem Sonderregelungen für Kurzarbeiter, Überbrückungs-, Neustart- und Härtefallhilfen für Unternehmen und Selbständige, KfW-Programme, Bürgschaften und Garantien, Stabilisierungs- und Sonderfonds sowie steuerliche Unterstützungen und ein erleichterter Zugang zur Grundsicherung.

8 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020. Wiesbaden, Mai 2021, S. 8. Die Befragungen werden bei Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen durchgeführt, die in der Trägerschaft von Wohlfahrts- und Verbraucherverbänden sowie von Gemeindeverbänden oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehen beziehungsweise als gemeinnützig anerkannt oder als Verein eingetragen sind. Die Erhebung erfolgt auf freiwilliger Basis; 2020 gingen Daten von 593 der insgesamt etwa 1 430 Beratungsstellen Deutschlands in die Auswertung ein.

9 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020, a. a. O., S. 6.

10 Das Bestimmtheitsmaß R2 bringt die Intensität der Streuung zum Ausdruck. Wenn die Punkte direkt auf der Geraden liegen, also keinerlei Streuung vorliegt, nimmt das Maß den Wert 1 an. Je diffuser die Streuung dagegen ist, umso mehr nähert es sich dem Wert 0.

11 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020, a. a. O., S. 8, 15 und 16.

12 Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 2, Band 3, Einkommen der privaten Haushalte in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1995 bis 2019, Berechnungsstand August 2020. Stuttgart, Oktober 2021.