:: 7/2022

Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg – Teil 4

Der Wirtschaftssektor

Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten werden sowohl von privatwirtschaftlichen Einrichtungen (Wirtschaftssektor), als auch von öffentlichen Stellen1 durchgeführt und finanziert. In den Ländern der Europäischen Union (EU) stellt der Wirtschaftssektor den Löwenanteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Im Jahr 2019 betrugen die Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) im Wirtschaftssektor in Deutschland 69 % und im EU-27 Durchschnitt 66 %. In Baden-Württemberg ist dieser Anteil mit gut 83 % deutlich höher. Hierzu zählen die FuE-Aktivitäten in den Unternehmen und Institutionen für Gemeinschaftsforschung (IfG).2 In Baden-Württemberg werden die FuE-Aktivitäten dabei zu über 99 % fast ausschließlich von den Unternehmen geleistet.3

Im vierten Teil dieser Veröffentlichungsreihe stehen damit die Unternehmen in Baden-Württemberg mit ihren deutschlandweit enormen FuE-Ressourcen im Fokus der Analyse. Die Dominanz des Wirtschaftssektors bei den FuE-Aktivitäten in Baden-Württemberg ist insbesondere auf den Kraftfahrzeugbau zurückzuführen – die Schlüsselbranche in Baden-Württemberg, die vor großen Herausforderungen steht und ihre FuE-Aktivitäten deshalb in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut hat. Neben der notwendigen weiteren Reduzierung von Abgasemissionen aus Verbrennungsmotoren stehen diese Unternehmen im Hinblick auf die zunehmend gewünschte Elektrifizierung des Antriebsstranges, einer fortschreitenden Digitalisierung und dem Anbieten von neuen innovativen Dienstleistungen wie Sharing-Modellen vor der entscheidenden Weichenstellung in eine wettbewerbsfähige Zukunft.

FuE-Intensität im Bundesländervergleich

Im Jahr 2019 betrug der Anteil der FuE-Ausgaben bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt im Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg 4,8 % (FuE-Intensität4). Dies ist mit weitem Abstand der höchste Wert, der bei dieser Kennzahl im Wirtschaftssektor in Deutschland je erreicht wurde. Seit 2009 hat sich damit die FuE-Intensität in Baden-Württemberg um knapp 1,2 Prozentpunkte erhöht (Schaubild 1). Kein anderes Bundesland konnte bei dieser Kennzahl einen ähnlich großen Zuwachs verbuchen.5 Mit diesem beeindruckenden Anstieg der FuE-Intensität liegt der Südwesten im Ranking der Bundesländer im Wirtschaftssektor mit einem Abstand von 2,2 Prozentpunkten zu den nachfolgenden Bundesländern auf dem ersten Platz. Eine FuE-Intensität über 2 % wiesen im Wirtschaftssektor im Jahr 2019 noch die Bundesländer Bayern, Hessen und Niedersachsen auf. Rheinland-Pfalz lag knapp unter dieser Marke. Im Bundesländervergleich wird damit im Wirtschaftssektor in Deutschland bei dieser Kennzahl ein deutliches West-Ost-Gefälle erkennbar. In Deutschland insgesamt betrug die FuE-Intensität 2019 im Wirtschaftssektor 2,2 %. Die geringste FuE-Intensität im Wirtschaftssektor errechnet sich 2019 für die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Hier wurden lediglich 0,5 % bzw. 0,4 % des Bruttoinlandsproduktes in FuE investiert. Das im Wirtschaftssektor forschungsintensivste »neue« Bundesland ist weiterhin Sachsen mit einer FuE-Intensität von 1,3 %. Hier stieg die Kennzahl im Zeitraum 2009 bis 2019 jedoch nur leicht, und zwar um 0,1 Prozentpunkte an.

FuE-Ausgaben im Bundesländervergleich

In keinem anderen Bundesland waren die absoluten FuE-Kapazitäten der Wirtschaft größer als hierzulande. Die baden-württembergischen Unternehmen investierten 2019 rund 25,3 Milliarden (Mrd.) Euro in Forschung und Entwicklung. Gegenüber dem Jahr 20176 entspricht dies einem nominalen Zuwachs von rund 1,9 Mrd. Euro bzw. einer Steigerung der FuE-Ausgaben7 um gut 8 %. Innerhalb von 10 Jahren betrug der nominale Zuwachs im Südwesten damit 12,3 Mrd. Euro bzw. 94 %. Dies war im Zeitabschnitt 2009 bis 2019 im Bundesländervergleich der mit Abstand stärkste absolute Zuwachs bei den FuE-Ausgaben. Um 6,5 Mrd. Euro bzw. 3,2 Mrd. Euro stockten die im Ranking folgenden Bundesländer Bayern und Niedersachsen ihre FuE-Ausgaben auf.

Der Anteil der FuE-Ausgaben in Baden-Württemberg an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft in Deutschland insgesamt belief sich 2019 auf stattliche 33 %. Mit einem Anteil von 22 % folgt Bayern auf Rang 2. Auf diese beiden süddeutschen Bundesländer entfallen damit mehr als die Hälfte der bundesweiten FuE-Ausgaben der Wirtschaft. Mit einem zweistelligen Anteil bei den deutschlandweiten FuE-Ausgaben ist nur noch Nordrhein-Westfalen vertreten (12 %). Niedersachsen und Hessen liegen mit rund 9 % leicht unter dieser Schwelle. Thüringen, Brandenburg, Bremen, das Saarland und Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern weisen bei den FuE-Aktivitäten nur einen geringen Anteil von teilweise merklich unter 1 % auf (Tabelle 1).

FuE-Personal im Bundesländervergleich

Die FuE-Personalkapazitäten in Baden-Württemberg erreichten mit rund 141 700 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) im Jahr 2019 einen neuen Höchststand. Gegenüber 2017 wurde das FuE-Personal um weitere 9 800 VZÄ bzw. 7 % ausgeweitet (2015 zu 2017: 16 %8). Im Bundesländervergleich verzeichnete Bayern im Betrachtungszeitraum 2017 bis 2019 den größten Zuwachs bei den FuE-Ressourcen, und zwar um 14 100 VZÄ. Um rund 3 900 VZÄ bzw. 3 200 VZÄ stockten die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ihr FuE-Personal auf und in Rheinland-Pfalz und Hessen lag die Zunahme noch bei 2 100 VZÄ bzw. 1 600 VZÄ. Im Betrachtungszeitraum 2017 bis 2019 ging in keinem Bundesland die Zahl der Beschäftigten in FuE zurück. Insgesamt wurde im Wirtschaftssektor in Deutschland 2019 das FuE-Personal gegenüber 2017 um 39 100 VZÄ auf insgesamt 475 700 VZÄ aufgestockt. In diesem Zeitraum entfiel damit ein Viertel des Zuwachses auf Baden-Württemberg.

Im Zeitraum 2009 bis 20199 stieg die Gesamtzahl der Forscher/-innen, Entwickler/-innen und deren Assistent/-innen und Hilfskräfte in allen Bundesländern. Die personellen FuE-Ressourcen der baden-württembergischen Unternehmen nahmen in diesem Zeitraum beachtlich, und zwar um etwa 53 100 Personen zu (60 %) (Schaubild 2). Ein Aufbau mit über 10 000 VZÄ beim FuE-Personal fand ansonsten nur noch in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen (32 500 VZÄ, 14 200 VZÄ bzw. 12 600 VZÄ) statt. In den Unternehmen erhöhte sich bundesweit in diesem Betrachtungszeitraum das FuE-Personal um gut 143 200 VZÄ (43 %). Auf baden-württembergische Unternehmen entfielen somit rund 37 % der deutschlandweit im Wirtschaftssektor aufgebauten personellen FuE-Ressourcen. Dieser enorme Aufbau des FuE-Personals zeigt die hohe Bereitschaft der baden-württembergischen Wirtschaft, im Innovationswettlauf weiter eine führende Rolle einzunehmen.

FuE-Personal in Großunternehmen

In Deutschland bestimmen überwiegend die besonders forschungsaktiven Großunternehmen die gesamtwirtschaftlichen FuE-Aktivitäten. So war im Wirtschaftssektor Baden-Württembergs 2019 über die Hälfte des FuE-Personals (51 %) in Großunternehmen mit mehr als 10 000 Beschäftigten tätig. In Deutschland lag dieser Anteil bei 37 %. Kleinere und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten (KMU)10 sind weniger forschungsaktiv als Großunternehmen. FuE-Aktivitäten sind mit hohen Kosten verbunden und daher besonders für KMU sehr risikoreich. Zusätzlich wird die Rendite der FuE-Investitionen durch die zunehmende technologische Komplexität und die immer kürzer werdenden Produktzyklen gemindert. KMU haben außerdem im Wettbewerb um hochqualifiziertes FuE-Personal und bei der Finanzierung von FuE-Aktivitäten eine schlechtere Ausgangslage als Großunternehmen. KMU stellen zwar am gesamtwirtschaftlichen FuE-Volumen einen vergleichsweise geringen Anteil, gleichwohl gelten sie als wichtige Akteure bei der Anwendung neuer Technologien und der Verbreitung von Innovationen.

FuE-Personal in KMU

In Baden-Württemberg waren 2019 etwa 15 700 Personen in KMU mit Forschung und Entwicklung beschäftigt. Der Anteil des FuE-Personals in KMU im Wirtschaftssektor im Südwesten betrug damit nur 11 %. In keinem anderen Bundesland war 2019 dieser Anteil geringer als in Baden-Württemberg. Bundesweit waren die KMU im Jahr 2019 mit 17 % in den FuE-Prozess eingebunden. Bei einer gesamtdeutschen Betrachtung sind indes deutliche Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern festzustellen. In den neuen Bundesländern sind nur sehr wenige forschende Großunternehmen angesiedelt, sodass die FuE-Aktivitäten der kleinen und mittleren Unternehmen in den neuen Bundesländern eine viel höhere Bedeutung aufweisen als in den alten Bundesländern. Der Anteil des FuE-Personals in KMU in den neuen Bundesländern ist deshalb auch deutlich höher als in den alten Bundesländern. In Sachsen-Anhalt waren 2019 sogar 65 % des FuE-Personals in KMU tätig (Schaubild 3).

Betrachtet man die FuE-Personalausstattung in den KMU deutschlandweit, so ergibt sich ein völlig anderes Bild. In keinem anderen Bundesland waren die FuE-Ressourcen der KMU größer als hierzulande. Bezogen auf das FuE-Personal erreichte die FuE-Personalkapazität mit 15 700 VZÄ in Baden-Württemberg 2019 einen neuen Höchststand (2009: 9 700 VZÄ). Gegenüber 2017 wurde das FuE-Personal um weitere 2 500 VZÄ oder knapp 19 % deutlich ausgeweitet. Dies war im Zeitabschnitt 2017 bis 2019 im Bundesländervergleich zusammen mit Nordrhein-Westfalen, hier wurde das FuE-Personal in KMU um 2 300 VZÄ aufgestockt, der stärkste absolute Zuwachs. Deutschlandweit war 2019 das FuE-Personal in KMU gegenüber 2017 um rund 10 600 VZÄ auf 80 800 VZÄ gestiegen. Damit entfiel 2019 fast ein Fünftel (19 %) der deutschlandweiten FuE-Ressourcen in KMU auf baden-württembergische Unternehmen bzw. gut die Hälfte des gesamten FuE-Personals in KMU in Deutschland auf Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern (Schaubild 4).

FuE-Personal: männlich oder weiblich?

Der Anteil der Frauen am gesamten FuE-Personal lag 2019 wie in den Vorjahren bundesweit nur bei knapp 19 %. In Baden-Württemberg ist dieser Anteil noch geringer, und zwar um 3 Prozentpunkte. Eine nahezu Gleichverteilung beim Anteil der Forscherinnen und Forscher ist sowohl deutschlandweit als auch in Baden-Württemberg nur in der Pharmazeutischen Industrie festzustellen.

Ein sehr geringer Frauenanteil bei den Forschungsaktivitäten ist in Baden-Württemberg im Kraftfahrzeugbau auszumachen – deutschlandweit und in Baden-Württemberg liegt hier der Anteil der Forscherinnen bei nur 11 % bzw. knapp 12 %. Die geringe Präsenz von Frauen, insbesondere im Kraftfahrzeugbau, wird durch verschiedene Faktoren verursacht. Unter anderem dürfte sich hier auswirken, dass die Forschungsbereiche in diesem Wirtschaftszweig (WZ) stark natur- und ingenieurwissenschaftlich ausgerichtet sind. Die hierfür erforderlichen MINT-Studiengänge werden vorzugsweise von Männern gewählt.

FuE-intensive Industriezweige

Forschung und Entwicklung werden in der Industrie unterschiedlich intensiv betrieben. Wirtschaftszweige mit besonders hohen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten werden als FuE-intensive Industriezweige (i-Punkt »Forschungsintensive Branchen«) bezeichnet. Hierzu zählen Wirtschaftsbereiche, bei denen der Anteil der FuE-Aufwendungen am Umsatz bei mehr als 3 % liegt. Diese haben in Baden-Württemberg eine hohe Bedeutung. Etwa ein Viertel der Bruttowertschöpfung wird in Baden-Württemberg von den FuE-intensiven Industriebranchen wie beispielsweise dem Kraftfahrzeugbau, der Elektrotechnik und dem Maschinenbau erbracht. Entsprechend der strukturellen Gegebenheiten in Baden-Württemberg sind es deshalb auch die FuE-intensiven Industriezweige, die das Forschungsgeschehen der Wirtschaft hierzulande prägen. Mit einem Anteil von 81 % an den gesamten unternehmerischen FuE-Aufwendungen im Land haben die baden-württembergischen FuE-intensiven Branchen das zweithöchste Gewicht in der deutschen Wirtschaft nach Niedersachsen (85 %). Berechnet man diese Größe für das FuE-Personal, so weist Baden-Württemberg mit 74 % das höchste Gewicht am gesamten unternehmerischen FuE-Personal in der deutschen Wirtschaft auf. Überdurchschnittlich in die FuE-intensiven Industriezweige investieren bei den FuE-Ausgaben bzw. beim FuE-Personal neben Niedersachsen und Baden-Württemberg außerdem die Flächenländer Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen. In Deutschland wurden 2019 von den Unternehmen in den forschungsintensiven Industriezweigen 77 % der internen FuE-Aufwendungen getätigt bzw. 68 % des FuE-Personals eingesetzt. 32 % aller in diesem Sektor deutschlandweit eingesetzten FuE-Beschäftigten entfielen hiervon auf Unternehmen in Baden-Württemberg.

FuE-intensive Dienstleistungen

Zu den forschungsintensiven Dienstleistungen zählen Wirtschaftsbereiche, bei denen der Anteil der FuE-Aufwendungen am Umsatz ebenfalls bei mehr als 3 % liegt, beispielsweise die Branche Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie. Die FuE-Ressourcen gemessen am FuE-Personal der forschungsintensiven Dienstleistungsunternehmen lagen hierzulande 2019 bei knapp 23 700 VZÄ (2017: 21 400 VZÄ). Der Anteil des FuE-Personals dieser Branche am gesamten FuE-Personal im Land lag damit wie im Bundesdurchschnitt bei 17 %. Bundesweit waren hier 2019 knapp 81 400 VZÄ beschäftigt (2017: 74 400 VZÄ). Damit entfielen 2019 wie in 2017 rund 29 % aller in diesem Sektor deutschlandweit eingesetzten FuE-Beschäftigten auf Unternehmen in Baden-Württemberg. Der Südwesten und Bayern (20 %) stellten damit rund die Hälfte des FuE-Personals in den forschungsintensiven Dienstleistungsunternehmen in Deutschland.

Branchenausrichtung in Baden-Württemberg

Die Dominanz des Wirtschaftssektors bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg und Deutschland ist insbesondere auf den Kraftfahrzeugbau zurückzuführen. Von baden-württembergischen Unternehmen wurden 2019 in dieser Branche rund 13,3 Mrd. Euro (2017: 12,7 Mrd. Euro) für Forschung und Entwicklung aufgewendet, ein Zuwachs gegenüber 2017 von 5 %. Damit entfielen 2019 gut 53 % der im Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg investierten FuE-Aufwendungen allein auf diese Branche und 47 % der deutschlandweiten FuE-Aufwendungen der Kfz-Branche wurden von Unternehmen aus Baden-Württemberg getätigt (Tabelle 2). Hier zeigt sich die enorme FuE-Kapazität der weltweit agierenden Kfz-Hersteller und Zulieferfirmen im Land, die vor großen Herausforderungen stehen. Die angestrebte Transformation vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität, das autonome Fahren und neue innovative Dienstleistungen wie Sharing-Modelle erfordern einen immensen Einsatz von FuE-Ressourcen.

Zwei weitere bedeutende Branchen des industriellen Forschungsstandorts im Südwesten sind die Elektrotechnik11 und der Maschinenbau. In diesen Branchen fielen im Jahr 2019 FuE-Aufwendungen in Höhe von über 2,9 Mrd. Euro bzw. gut 2,5 Mrd. Euro an (2017: 2,7 Mrd. Euro bzw. 2,2 Mrd. Euro). Deutschlandweit entfielen 26 % bzw. 34 % der gesamten getätigten FuE-Aufwendungen der Elektrotechnik bzw. des Maschinenbaus auf baden-württembergische Unternehmen. Auch in den Dienstleistungssparten Information und Kommunikation werden hierzulande beachtliche FuE-Ressourcen investiert. Die FuE-Aufwendungen dieser Branchen lagen 2019 in Baden-Württemberg bei 2,2 Mrd. Euro, 30 % mehr als noch 2017 (2017: 1,7 Mrd. Euro), und der Anteil dieser FuE-Aufwendungen an den gesamten FuE-Aufwendungen in Baden-Württemberg betrug 8,6 %, 1,4 Prozentpunkte mehr als noch 2017. Inzwischen entfallen damit knapp 51 % aller deutschlandweit getätigten FuE-Aufwendungen der Informations- und Kommunikationsdienstleister auf Unternehmen aus Baden-Württemberg.

Branchenausrichtung in den Bundesländern

Die übrigen Bundesländer weisen entsprechend ihrer Wirtschaftsstruktur bei den FuE-Aktivitäten sehr unterschiedliche Schwerpunkte auf. In Bayern waren 2019 die Forschungsschwerpunkte ähnlich wie in Baden-Württemberg ausgerichtet.

Neben dem Kraftfahrzeugbau mit 39 % hat hier auch die Elektrotechnik mit 23 % einen bedeutenden Anteil an den FuE-Aktivitäten und der Maschinenbau stellt einen Anteil von 10 %. Insgesamt sind in Bayern damit die FuE-Aktivitäten gleichmäßiger als in Baden-Württemberg auf die Branchen verteilt. Noch stärker im FuE-Branchenmix ausgeglichen ist Nordrhein-Westfalen. Hier wurden 19 % der internen FuE-Aufwendungen in der Branche Elektrotechnik sowie jeweils rund 17 % im Kraftfahrzeugbau und in der Chemischen Industrie investiert. Der FuE-Schwerpunkt in Hessen lag 2019 dagegen mit 29 % im Kraftfahrzeugbau, 20 % in der Pharmazeutischen Industrie und mit 11 % in der Elektrotechnik. Neben Baden-Württemberg sind auch in Niedersachsen die FuE-Aktivitäten besonders stark auf den Kraftfahrzeugbau ausgerichtet. Mit einem Anteil von 63 % sogar noch deutlicher als in Baden-Württemberg. In Rheinland-Pfalz überwiegen mit einem Anteil von über 39 % die FuE-Aktivitäten in der Branche Chemische Industrie. In den neuen Bundesländern bildet neben der Elektrotechnik die Branche »Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen« einen Schwerpunkt bei den FuE-Investitionen (Schaubild 5).

IKT-Sektor

Der Informations- und Kommunikationstechnologiesektor (i-Punkt »IKT-Sektor«) setzt sich aus sehr unterschiedlichen Branchen zusammen. Dies sind Wirtschaftszweige des produzierenden Gewerbes (IKT-Warenproduktion), des Handels mit IKT-Gütern (IKT-Handel12) und solche Wirtschaftszweige die in ihrer Haupttätigkeit Serviceleistungen im Bereich der Informationstechnik und Telekommunikation anbieten (IKT-Dienstleistungen13). 2019 wurden in allen Bundesländern FuE-Aktivitäten im IKT-Sektor nachgewiesen. Der Anteil der FuE-Aufwendungen der einzelnen Länder an den FuE-Aufwendungen in Deutschland in diesem Sektor insgesamt unterscheidet sich allerdings erheblich.

Im Südwesten wurden im IKT-Sektor 2019 FuE-Aufwendungen von 2,9 Mrd. Euro getätigt, knapp 12 % der gesamten FuE-Aufwendungen im Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg (Schaubild6) und damit 39 % der deutschlandweiten FuE-Investitionen des IKT-Sektors. Neben Baden-Württemberg wies 2019 nur noch Bayern einen FuE-Anteil im zweistelligen Bereich aus (23 %). Knapp unter dieser Marke mit jeweils bei 9 % lag dieser Anteil in Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Zusammen mit den Bundesländern Hessen, Berlin sowie Hamburg decken diese sieben Bundesländer über 90 % der deutschlandweiten FuE-Aufwendungen im IKT-Sektor ab. Bezieht man die Daten des FuE-Personals in die Analyse ein, so ergibt sich ein ähnliches Bild. Im IKT-Sektor waren 2019 im Südwesten 16 600 VZÄ mit FuE-Aufgaben betraut bzw. 12 % des gesamten FuE-Personals in Baden-Württemberg. Hierzulande werden im IKT-Sektor damit gut 32 % des deutschlandweiten FuE-Personals eingesetzt. Neben Baden-Württemberg wiesen 2019 nur Bayern (26 %) und Nordrhein-Westfalen (11 %) einen FuE-Anteil im zweistelligen Bereich auf. In Sachsen, Berlin und Hessen lag dieser Anteil bei 7 %, 6 % bzw. 5 % (Schaubild 7).

Aufgrund der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur in den Bundesländern sind die FuE-Aufwendungen auch uneinheitlich auf die beiden FuE-relevanten Teilbereiche des IKT-Sektors verteilt. Die FuE-Aufwendungen in Baden-Württemberg wurden zu 26 % (2017: 32 %, 2015: 42 %)14 im Bereich IKT-Warenproduktion und zu 74 % im Bereich IKT-Dienstleistungen getätigt. Deutschlandweit lag der Schwerpunkt mit 58 % ebenfalls bei den IKT-Dienstleistungen, hingegen in Bayern mit 66 % im IKT-Teilbereich Warenproduktion. In Nordrhein-Westfalen waren die FuE-Aktivitäten der IKT-Teilbereiche Dienstleistungen und Warenproduktion 2019 quasi ausgeglichen und in Sachsen lag der Schwerpunkt der FuE-Aktivitäten mit einem Anteil von 68 % wie im Südwesten im IKT-Dienstleistungsbereich.

FuE-Personal im IKT-Sektor

Im IKT-Sektor war 2019 zwar eine Zunahme der FuE-Ressourcen gegenüber 2017 in Deutschland und Baden-Württemberg festzustellen, diese gleicht den Rückgang der FuE-Ressourcen von 2017 gegenüber 2015 jedoch nicht aus. Der Rückgang der FuE-Ressourcen zeigte sich besonders deutlich beim FuE-Personal, das im Betrachtungszeitraum 2015 bis 2017 in Deutschland von 53 900 VZÄ auf 47 200 VZÄ und im Südwesten von 18 000 VZÄ auf 14 900 VZÄ zurückging (– 13 % bzw. – 17 %). Im aktuellen Betrachtungszeitraum 2017 bis 2019 wurde das FuE-Personal in Deutschland nun wieder auf 52 500 und in Baden-Württemberg auf 16 600 VZÄ aufgestockt (+ 11 % bzw. + 12 %).

Betrachtet man die Daten in den beiden für die FuE-Aktivitäten relevanten Teilbereichen IKT-Warenproduktion und IKT-Dienstleistungen im Einzelnen, so zeigt sich hier eine unterschiedliche Entwicklung. Während das FuE-Personal in Baden-Württemberg im Bereich IKT-Warenproduktion im Zeitraum 2015 auf 2017 um 4 700 VZÄ auf 4 800 VZÄ und in 2019 nochmals leicht um weitere 100 VZÄ reduziert wurde, konnten die personellen FuE-Ressourcen hingegen im Bereich IKT-Dienstleistungen 2017 um 1 600 VZÄ auf 10 000 VZÄ und in 2019 nochmals um 1 900 VZÄ auf insgesamt fast 12 000 VZÄ aufgestockt werden.

Weitet man den Betrachtungszeitraum auf die vergangene Dekade von 2009 bis 2019 aus, so war in Baden-Württemberg beim FuE-Personal im Teilbereich IKT-Warenproduktion zunächst ein Aufbau zu erkennen, dem jedoch 2015 ein Abbau folgte. Dieses Muster war auch in anderen Bundesländern, wie beispielsweise in Bayern und Nordrhein-Westfalen festzustellen. Hingegen wurde im Teilbereich IKT-Dienstleistungen im Südwesten in diesem längeren Betrachtungszeitraum tendenziell das FuE-Personal ausgebaut. Dieses Bild einer Ausweitung des FuE-Personals war auch in Nordrhein-Westfalen und Sachsen zu erkennen.15 Investitionen in Forschung und Entwicklung sind generell eine wichtige Ausgangsbasis für die Generierung von Innovationen. Zusätzliche FuE-Investitionen, besonders im Teilbereich IKT-Dienstleistungen, können die Wettbewerbsfähigkeit in neuen Themenfeldern wie beispielsweise der Digitalisierung ausbauen und damit einen Rückgang wie im Bereich IKT-Warenproduktion ausgleichen.

Fazit

In Baden-Württemberg stiegen die Investitionen in Forschung und Entwicklung im Jahr 2019 auf einen neuen Rekordwert. Damit stärkt der Südwesten seine Führungsposition in der Forschung und Entwicklung und sichert seinen Spitzenplatz im Vergleich der Bundesländer und in Europa. Diese positive Entwicklung wird maßgeblich durch die Unternehmen in Baden-Württemberg bewirkt. Sie stemmen inzwischen vier Fünftel der gesamten FuE-Investitionen im Land und investierten im Jahr 2019 insgesamt rund 25,3 Mrd. Euro. Der Anteil der FuE-Ausgaben in Baden-Württemberg an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft in Deutschland belief sich 2019 im Wirtschaftssektor somit auf 33 %. Mit deutlichem Abstand auf dem zweiten und dritten Platz bei diesem Ranking liegen Bayern und Nordrein-Westfalen mit 22 % und 12 %.

In Baden-Württemberg bestimmen zwar überwiegend die besonders forschungsaktiven Großunternehmen die gesamtwirtschaftlichen FuE-Aktivitäten, jedoch stellt Baden-Württemberg auch im deutschlandweiten Vergleich bei kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten (KMU) die höchsten FuE-Ressourcen bereit.

Die Dominanz des Wirtschaftssektors bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung ist im Südwesten insbesondere auf den Kraftfahrzeugbau zurückzuführen. Hier wurden in Baden-Württemberg 2019 insgesamt 13,3 Mrd. Euro in FuE investiert. Damit werden über die Hälfte der FuE-Investitionen des Südwestens in dieser Branche eingesetzt. Zwei weitere bedeutende Branchen des industriellen Forschungsstandorts im Südwesten sind die Elektrotechnik und der Maschinenbau. In diesen Branchen fielen im Jahr 2019 FuE-Aufwendungen in Höhe von 2,9 Mrd. Euro bzw. 2,5 Mrd. Euro an.

Im fünften Teil dieser Veröffentlichungsreihe wird die Entwicklung der FuE-Ressourcen Baden-Württembergs in einem internationalen Vergleich betrachtet.

1 Staats- und Hochschulsektor, siehe Teil 2 und 3 dieser Veröffentlichungsreihe.

2 Beispiele für IfG sind die Industrie- und Handelskammern sowie die Forschungsinstitute, die der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen »Otto von Guericke« e.V. (AiF) zuzuordnen sind.

3 Nachfolgend wird die Bezeichnung Wirtschaftssektor und Wirtschaft synonym zu der Bezeichnung Unternehmen verwendet.

4 Zur Berechnung der FuE-Intensität werden die nominalen FuE-Ausgaben einer Region in Bezug zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dieser Region gesetzt.

5 Die größte Veränderung erfolgte dabei im Zeitraum 2015 bis 2017, und zwar um 0,7 Prozentpunkte.

6 Die Daten des Wirtschaftssektors werden im 2-jährigen Turnus von der Wissenschaftsstatistik GmbH im Stifterverband auf Bundesländerebene erhoben. Aus diesem Grund werden die aktuell vorliegenden Daten aus dem Jahr 2019 mit den Daten des Jahres 2017 verglichen.

7 Nachfolgend werden die Begriffe FuE-Ausgaben bzw. FuE-Investitionen synonym für interne FuE-Aufwendungen im Wirtschaftssektor verwendet. Dies sind Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, die im Inland im Wirtschaftssektor anfallen, ungeachtet der Finanzierungsquellen.

8 Im Bundesländervergleich war dies im Zeitabschnitt 2015 bis 2017 der stärkste absolute Zuwachs beim FuE-Personal.

9 Bei der Analyse der FuE-Ressourcen ist zu berücksichtigen, dass im zeitlichen Verlauf die Bewertung der Kennzahl »FuE-Personal« im Gegensatz zu der Kennzahl »FuE-Ausgaben« nicht von Preiseffekten beeinträchtigt wird. Die Kennzahl FuE-Personal bildet daher die reale Entwicklung der FuE-Aktivitäten im Zeitverlauf besser ab als die Kennzahl FuE-Ausgaben.

10 KMU-Definition entsprechend der Europäischen Kommission.

11 Wirtschaftszweige 26 und 27.

12 Wirtschaftszweig 46.5: Hier werden in Deutschland keine FuE-Aktivitäten nachgewiesen.

13 Hier werden nur in den Wirtschaftszweigen 61, 62 und 63.1 FuE-Aktivitäten nachgewiesen. Im Jahr 2019 wurden die FuE-Investitionen der IKT-Dienstleistungen in Baden-Württemberg nahezu vollständig für Programmierungstätigkeiten (WZ 62.01) aufgewendet (97 %).

14 Der Hintergrund zu diesem starken Rückgang wird nachfolgend erläutert.

15 In die Analyse wurden nur Bundesländer einbezogen, deren FuE-Ressourcen im IKT-Sektor 2019 in Deutschland über 3 % lagen.