:: 9/2022

Zwei Drittel der Auszubildenden absolvieren ihre Ausbildung im Kreis ihres Wohnorts

Informationen zur Pendelverflechtung in der dualen Berufsausbildung

Im Jahr 2021 wurden 65 252 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Der Ausbildungsmarkt leidet weiter stark unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Neue Erhebungsmerkmale erlauben seit diesem Jahr die Analyse der Pendelverflechtung in der dualen Berufsausbildung. Es ist zu erkennen, dass die Ausbildungsplätze im Handwerk in größerem Ausmaß als in Industrie und Handel von Auszubildenden aus der näheren Umgebung besetzt werden. Auch regional gibt es auf Kreisebene in der dualen Berufsausbildung beträchtliche Unterschiede zwischen den Haupteinzugsgebieten. Die neuen Möglichkeiten der Pendleranalyse werden hier am Beispiel des Landkreises Böblingen aufgezeigt.

Duale Ausbildung von der Pandemie stark betroffen

Die duale Berufsausbildung ist ein Eckpfeiler für die Gewinnung qualifizierten Nachwuchses für die Wirtschaft. Der sich abzeichnende Fachkräftemangel verstärkt die Bedeutung dieses Instruments für eine frühzeitige Bindung von Nachwuchskräften an die Betriebe. Schwächer besetzte Altersjahrgänge haben in den letzten Jahren bereits die Suche nach geeigneten Auszubildenden erschwert. Dennoch konnte das Niveau der Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge bis 2018 im Bereich zwischen 74 000 und 75 000 gehalten werden, bevor 2019 ein leichter Rückgang auf 72 915 Neuabschlüsse zu verzeichnen war. Im Jahr 2020 sackte die Zahl der Vertragsabschlüsse als Folge der Corona-Pandemie um knapp 9 % auf nur noch 66 683 ab. Es war erhofft worden, dass sich der Ausbildungsmarkt im Jahr 2021 von diesem Einbruch wieder etwas erholen würde. Jedoch ging die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um weitere 2 % auf 65 252 zurück. Damit gab es 2021 so wenige Neuabschlüsse wie noch nie seit der Einführung der Bundesstatistik im Jahr 1977 (Schaubild 1).

Besonders stark wurde der größte Ausbildungsbereich Industrie und Handel von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Gegenüber 2019 ging die Zahl der Neuabschlüsse in diesem Bereich bis 2021 um knapp 15 % auf 37 721 zurück. Im Handwerk war dagegen ein deutlich geringerer Rückgang um knapp 5 % auf 17 578 neue Ausbildungsverträge zu beobachten. Der drittgrößte Ausbildungsbereich Freie Berufe litt dagegen nur wenig unter der Pandemie. Nach einem moderaten Rückgang um rund 4 % im Jahr 2020 war 2021 mit 6 140 Neuabschlüssen nahezu dieselbe Zahl wie 2019 erreicht worden. Die drei anderen Ausbildungsbereiche Landwirtschaft, Öffentlicher Dienst und Hauswirtschaft trugen mit zusammen 3 813 im Jahr 2021 neu abgeschlossenen Verträgen in geringerem Ausmaß zum Geschehen auf dem Ausbildungsmarkt bei.

Ausbildung im Handwerk stark auf lokaler Ebene verwurzelt

Eine Frage, die bislang nicht von der amtlichen Statistik beantwortet werden konnte, war die nach der regionalen Mobilität der Auszubildenden. Diese Lücke konnte mit der Erhebung zur Berufsbildungsstatistik 2021 geschlossen werden, bei der einige zusätzliche Merkmale erstmals im Fragenkatalog enthalten waren. Hierzu zählen unter anderem der Wohnort der Auszubildenden und der Ort der Ausbildungsstätte. Aus der Auswertung dieser Merkmale ergab sich, dass fast 95 % derjenigen, die im Jahr 2021 einen Ausbildungsvertrag mit einem Betrieb in Baden-Württemberg neu abgeschlossen haben, auch in Baden-Württemberg wohnen. Bei gut zwei Dritteln der Auszubildenden liegt der Wohnort und der Ort der Ausbildungsstelle sogar im selben Kreis. Weitere knapp 19 % wohnen zumindest in der Region, in der der Ausbildungsort angesiedelt ist. Ihren Wohnsitz in einem anderen Kreis Baden-Württembergs haben 9 % der Auszubildenden mit einem neu abgeschlossenen Ausbildungsvertrag. Rund 5 % der Auszubildenden haben ihren Wohnsitz in einem anderen Bundesland – weit überwiegend in den angrenzenden Ländern Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen. Aus Bayern pendeln 1 115 Auszubildende nach Baden-Württemberg, aus Rheinland-Pfalz 1 045 und aus Hessen 564. In 220 Fällen wurde ein Wohnsitz im Ausland angegeben (Tabelle).

In den drei zahlenmäßig größten Ausbildungsbereichen ist die regionale »Verwurzelung« der Auszubildenden durchaus unterschiedlich ausgeprägt. Im Handwerk wurden im Jahr 2021 drei Viertel aller Ausbildungsverträge von Auszubildenden abgeschlossen, bei denen der Wohnort und der Ort der Ausbildungsstelle im selben Kreis lagen. Im Ausbildungsbereich Freie Berufe war dies bei 70 % der Neuverträge der Fall. In Industrie und Handel war dieser Anteil mit 64 % am geringsten. Jugendliche, die in diesem Bereich einen Ausbildungsplatz suchen, scheinen bereit zu sein, hierfür auch etwas längere Wege in Kauf zu nehmen. Im Handwerk hat dagegen das lokale Angebot an Ausbildungsplätzen ein stärkeres Gewicht – oder umgekehrt: Handwerksbetrieben scheint es schwerer zu fallen, Jugendliche aus weiter entfernten Orten für sich zu gewinnen.

Am Hochrhein liegt der Wohnsitz am häufigsten in der Nähe des Ausbildungsplatzes

Auch regional gibt es große Unterschiede hinsichtlich der Pendelverflechtung in der dualen Ausbildung. Wie zu erwarten, liegt in den Stadtkreisen der Anteil der Auszubildenden, die im selben Kreis wohnen, weit unter dem landesweiten Durchschnitt von rund 67 %. Die Spannweite ist aber recht groß und reicht von etwas unter 26 % in Heidelberg bis knapp 52 % in Pforzheim. Die Landeshauptstadt Stuttgart nimmt unter den Stadtkreisen mit gut 42 % einen mittleren Rang ein. Mit dem Enzkreis (gut 59 %), dem Landkreis Heilbronn (gut 64 %) und dem Rhein-Neckar-Kreis (knapp 65 %) sind aber auch drei Landkreise mit recht niedrigen Anteilen zu finden.

Die höchsten Werte weisen die drei Kreise der Region Hochrhein-Bodensee – Waldshut mit fast 89 %, Konstanz mit gut 88 % und Lörrach mit fast 87 % – sowie der Ortenaukreis mit 87 % auf. Auch in den beiden Kreisen der Region Ostwürttemberg – Ostalbkreis und Heidenheim – sowie in den Landkreisen Göppingen und Zollernalbkreis wohnen mehr als 80 % der Auszubildenden im selben Kreis, in dem sich ihre Ausbildungsstätte befindet (Schaubild 2). Diese hohen Werte mögen ein Indiz dafür sein, dass das lokale Angebot an Ausbildungsstellen recht gut zur Nachfrage passt. Bei den Kreisen am Hochrhein und dem Ortenaukreis kann darüber hinaus auch die Randlage an der Grenze zur Schweiz und zu Frankreich eine Rolle spielen. Diese schränkt die räumlichen Möglichkeiten ein, einerseits einen passenden Ausbildungsplatz und andererseits geeignete Auszubildende zu finden.

Hohe Pendleranteile im Landkreis Böblingen und im Enzkreis

Weitet man das Einzugsgebiet auf die gesamte Region aus, wohnen in 39 der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs mehr als 80 % der Auszubildenden in der Region, in der sich ihre Ausbildungsstätte befindet. In zwölf Stadt- und Landkreisen liegt dieser Wert sogar bei über 90 %. Am höchsten ist der Anteil im Landkreis Waldshut mit fast 97 % und im Landkreis Emmendingen mit gut 96 %. Lediglich in den kreisfreien Städten Ulm (gut 64 %) und Mannheim (gut 65 %) wohnen weniger als drei Viertel der Auszubildenden in der Region der Ausbildungsstätte.

Es gibt aber auch Kreise, in denen überdurchschnittlich viele Auszubildende aus Gemeinden kommen, die zwar in Baden-Württemberg liegen, jedoch nicht zur Region gehören, in der die Ausbildungsstelle angesiedelt ist. Diese Kreise liegen überwiegend zentral in der Mitte des Landes. Nur der Landkreis Karlsruhe weist eine Randlage an der Grenze zu Rheinland-Pfalz auf. Mit Werten von über 17 % liegen der Landkreis Böblingen und der Enzkreis hierbei an der Spitze. Damit ist dort der Anteil der »landesinternen« Einpendlerinnen und Einpendler fast doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt von 9 % (Schaubild 2).

Mannheim hat den höchsten Anteil an Auszubildenden, die nicht im Land wohnen

Es liegt nahe, dass in den Stadt- und Landkreisen an der Grenze zu den umliegenden Ländern Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen ein beträchtlicher Anteil der Auszubildenden aus diesen Ländern eine Ausbildung in einem Betrieb in Baden-Württemberg absolviert. Bezieht man in diese Betrachtung die Auszubildenden ein, die einen Wohnsitz im Ausland haben, überschreitet der Anteil dieser »landesexternen« Auszubildenden auch im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald die 4 %-Marke. Dort dürften vor allem Pendlerinnen und Pendler aus Frankreich die Möglichkeit einer Berufsausbildung in Deutschland nutzen.

Mit gut 31 % ist im Stadtkreis Mannheim der mit Abstand höchste Anteil an Auszubildenden mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag und Wohnsitz außerhalb Baden-Württembergs zu finden. Bei der Herkunft der Auszubildenden wird die Grenzlage der Stadt zu Rheinland-Pfalz und Hessen deutlich. Von den 2 251 Auszubildenden, die 2021 einen neuen Vertrag abgeschlossen hatten, kamen 472 aus Rheinland-Pfalz und 202 aus Hessen. Im Stadtkreis Ulm wird mit gut 27 % ebenfalls ein sehr hoher Anteil an Auszubildenden aus anderen Bundesländern erreicht. Dort wurden 340 Ausbildungsverträge von Auszubildenden aus Bayern abgeschlossen. Der Landkreis mit der höchsten Quote an Vertragsabschlüssen von Externen ist der Main-Tauber-Kreis. Diese liegt bei knapp 19 %, zu der in erster Linie die 130 Auszubildenden aus Bayern beigetragen haben (Schaubild 2).

Saldo der Pendelverflechtung im Landkreis Böblingen leicht negativ

Aus den Daten der Berufsbildungsstatistik lässt sich ab dem Berichtsjahr 2021 für jeden Stadt- und Landkreis eine detaillierte Analyse der Pendelverflechtung durchführen. Als Beispiel dient hier der Landkreis Böblingen.

Im Jahr 2021 wurden dort insgesamt 1 929 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Von diesen Verträgen zählten 58 % zum Ausbildungsbereich Industrie und Handel, gut 28 % zum Ausbildungsbereich Handwerk und knapp 10 % zum Ausbildungsbereich Freie Berufe. Die anderen Bereiche haben im Landkreis Böblingen nur eine geringe Bedeutung. Insgesamt wurden im Jahr 2021 von 2 086 Personen mit Wohnsitz im Landkreis Böblingen ein Ausbildungsvertrag mit einem Betrieb in Baden-Württemberg abgeschlossen.1 Somit weist der Kreis hinsichtlich der Ausbildungsplatzverflechtung einen negativen Saldo von 157 Personen auf.

In regionaler Betrachtung wurden 69 % der Ausbildungsverträge von Auszubildenden abgeschlossen, die auch im Landkreis Böblingen wohnen. Darüber hinaus hatten fast 13 % der Auszubildenden ihren Wohnsitz in einem anderen Kreis der Region Stuttgart. Wie bereits zuvor erwähnt, weist der Landkreis Böblingen mit gut 17 % den höchsten Anteil an Auszubildenden mit Wohnsitz in einer Gemeinde in Baden-Württemberg auf, die nicht in der Region des Ausbildungsbetriebs liegt. Etwas weniger als 1 % der Ausbildungsverträge wurden im Jahr 2021 von Personen abgeschlossen, die nicht in Baden-Württemberg wohnen.

Die Auszubildenden mit Neuverträgen stammten aus insgesamt 43 verschiedenen Stadt- und Landkreisen. Allerdings wohnten 95 % dieser Auszubildenden in nur acht Kreisen. Neben dem Landkreis Böblingen selbst waren dies

  • in der Region Stuttgart: die Landeshauptstadt Stuttgart, der Landkreis Esslingen und der Landkreis Ludwigsburg;
  • in der Region Nordschwarzwald: der Landkreis Calw, der Enzkreis und der Landkreis Freudenstadt;
  • in der Region Neckar-Alb: der Landkreis Tübingen.

Umgekehrt hatten 96 % der Auszubildenden mit Wohnort im Landkreis Böblingen, die 2021 einen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben, in diesen acht Kreisen eine Ausbildungsstelle angetreten.

Verluste gegenüber der Region Stuttgart, Gewinne gegenüber der Region Nordschwarzwald

Bei Betrachtung der Pendelverflechtung auf Kreisebene fällt auf, dass der Landkreis Böblingen gegenüber allen drei angrenzenden Kreisen der Region Stuttgart einen negativen Saldo aufweist (Schaubild 3). Am stärksten ausgeprägt ist dieser in Richtung Stuttgart: 318 »Abwanderungen« stehen hier 104 »Zuwanderungen« gegenüber. Zum Landkreis Esslingen weist er ein Minus von 44 Auszubildenden auf und zum Landkreis Ludwigsburg von 23 Auszubildenden. Insgesamt verliert der Landkreis Böblingen per saldo rund 280 Auszubildende an die anderen Kreise der Region Stuttgart.

Die Lücken, die hierdurch aufgerissen werden, können die Betriebe im Landkreis Böblingen zum Teil durch die Zuwanderung von Auszubildenden aus anderen Kreisen wieder schließen. In erster Linie sind dies die im Westen und Südwesten des Landkreises Böblingen gelegenen Landkreise der Region Nordschwarzwald. Besonders eng ist hierbei die Verflechtung mit dem Landkreis Calw: 142 Personen mit Wohnort in diesem Kreis haben 2021 einen Ausbildungsvertrag mit einem im Landkreis Böblingen ansässigen Betrieb abgeschlossen, den umgekehrten Weg haben 89 Personen beschritten. Für den Landkreis Böblingen ergibt sich hieraus ein Plus von 53 Auszubildenden. Das Niveau der Pendelverflechtung mit dem Enzkreis und dem Landkreis Freudenstadt ist zwar deutlich niedriger, dennoch ergeben sich hier aus Böblinger Sicht positive Salden von 36 bzw. 16 Auszubildenden. Insgesamt pendeln fast 110 Auszubildende mehr aus der Region Nordschwarzwald in den Landkreis Böblingen als in umgekehrter Richtung.

Eine nennenswerte Pendelverflechtung besteht auch mit dem im Südosten angrenzenden Landkreis Tübingen. 67 Neuverträge wurden von Auszubildenden aus diesem Landkreis mit einem Betrieb in Landkreis Böblingen abgeschlossen. Dagegen hatten sich 58 Auszubildende aus dem Landkreis Böblingen für eine Ausbildungsstelle im Landkreis Tübingen entschieden. Damit war das Verhältnis annähernd ausgeglichen. Über die Stabilität dieser Pendelbewegungen wird die Berufsbildungsstatistik in den kommenden Jahren Aufschluss geben.

1 Grundsätzlich sind auch bundesweite Auswertungen möglich. Dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg sind jedoch nur die in Baden-Württemberg gemeldeten Daten zugänglich.