:: 10/2022

10 Jahre Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg – ein Zwischenfazit

Im kürzlich beendeten Schuljahr 2021/22 feierte die Gemeinschaftsschule als jüngste baden-württembergische Schulart ihr 10-jähriges Bestehen. Dieser Beitrag beleuchtet die Entwicklung dieser Schulart und vergleicht sie mit den älteren weiterführenden Schularten – Haupt-/Werkrealschule, Realschule, Gymnasium, Schule besonderer Art und Freier Waldorfschule. Dabei zeigt sich, dass sich ein Großteil der Gemeinschaftsschulen an Standorten mit ausgelaufenen oder nicht in allen Klassenstufen beschulten Haupt-/Werkrealschulen befindet. Die Anzahl von Gemeinschaftsschulen variiert dabei erheblich zwischen verschiedenen Land- und Stadtkreisen, wobei Gemeinschaftsschulen in den beiden württembergischen Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen tendenziell stärker vertreten sind als im badischen Teil des Landes. Zudem weist die Gemeinschaftsschule den höchsten Anteil inklusiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf und verzeichnet den zweithöchsten Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Die Bildung fiktiver Kohorten deutet außerdem darauf hin, dass das pädagogische Konzept der Gemeinschaftsschule Schülerinnen und Schülern mit Grundschulempfehlung für das grundlegende Niveau zu einem Abschluss auf mittlerem Niveau verhilft.1

Das Konzept Gemeinschaftsschule

Im Dezember 2011 beschloss die damals frisch gewählte, grün-rote Landesregierung die Einführung der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg zum Schuljahr 2012/13. Die Ausgestaltung von Gemeinschaftsschulen ist seither in § 8a SchG in Verbindung mit der Gemeinschaftsschulverordnung (GMSVO) geregelt. Die Besonderheit dieser neuen weiterführenden Schulart ist, dass dort Schülerinnen und Schüler verschiedener Leistungsniveaus gemeinsam unterrichtet werden. Trotz des gemeinsamen Unterrichts werden die Schülerinnen und Schüler auf ihrem jeweiligen Niveau unterrichtet, sodass jede und jeder die für sie oder ihn passenden Inhalte vermittelt bekommt und die Gemeinschaftsschule mit dem passenden Abschluss verlassen kann. Mit dem grundlegenden und dem mittleren Niveau werden an Gemeinschaftsschulen immer mindestens zwei Züge angeboten. Bei entsprechender Nachfrage kann die Schule neben der Sekundarstufe I von Klassenstufe 5 bis 10 ebenfalls die Sekundarstufe II von Klassenstufe 11 bis 13 anbieten. Somit kann an einigen Gemeinschaftsschulen auch das Abitur gemacht werden. Ziel dieses inklusiven Unterrichtskonzepts nach skandinavischem Vorbild ist, dass sich stärkere und schwächere Schülerinnen und Schüler gegenseitig unterstützen, wovon letztlich alle profitieren sollen.2

Weitere wesentliche Eigenschaften der Gemeinschaftsschule sind, dass sie an mindestens 3 Tagen pro Woche eine Ganztagsschule ist, ein geringerer Anteil der Unterrichtszeit aus Frontalunterricht besteht und es nur in den Abschlussklassen eine verpflichtende Notengebung gibt. In den vorherigen Klassenstufen können Eltern zwar die Notengebung für ihr Kind am Ende eines Schuljahres beantragen, es kann jedoch auch auf klassische Noten verzichtet werden. Stattdessen wird bei Verzicht auf die Notengebung ausschließlich eine »differenzierte Beurteilung über den individuellen Entwicklungs- und Leistungsstand«3 der Schülerin oder des Schülers erstellt. Außerdem gibt es keine verpflichtenden Wiederholungen der Klassenstufe bei ungenügender Leistung – das sogenannte »Sitzenbleiben«.

Durch den Verzicht auf jegliche homogene Klassenbildung bildet die Gemeinschaftsschule einen Kontrast zu dem ansonsten dreigliedrig strukturierten Schulsystem der Sekundarstufe I4 und ist somit eine eigene Schulform. Lediglich in der Sekundarstufe II ab Klassenstufe 11 streben naturgemäß alle Schülerinnen und Schüler die allgemeine Hochschulreife an und bilden daher homogene Klassenverbünde.

Gemeinschaftsschulen haben sich schnell etabliert

Im 1. Schuljahr der Gemeinschaftsschulen im Schuljahr 2012/13 starteten 42 Schulen mit dem neuen pädagogischen Konzept. Im Schuljahr 2021/22 gab es bereits 323 öffentliche und private Gemeinschaftsschulen, wobei mit 17 privaten Dienststellen lediglich 5,3 % der Gemeinschaftsschulen in freier Trägerschaft und nicht in öffentlicher Hand sind. Damit ist der Anteil von Schulen in freier Trägerschaft bei dieser Schulart im Vergleich zu den anderen weiterführenden Schularten gering. Er beträgt bei Haupt-/Werkrealschulen 13,5 %, bei Realschulen 15,4 % und bei Gymnasien 17,7 %.

Die Anzahl der Gemeinschaftsschulen stieg in den letzten 10 Jahren nicht gleichmäßig (Schaubild 1). Stattdessen war bereits nach 4 Jahren mit 280 Gemeinschaftsschulen im Schuljahr 2015/16 annähernd das heutige Niveau erreicht. Zudem zeigt sich eine stetige Abnahme der Anzahl von Haupt-/Werkrealschulen, während die Anzahl der Realschulen und Gymnasien vergleichsweise stabil blieb. Die Entwicklung der Gemeinschaftsschulen und Haupt-/Werkrealschulen ist nicht unabhängig voneinander zu betrachten, da sich 296 der aktuell 323 vorhandenen Gemeinschaftsschulen an Dienststellen mit ausgelaufenen oder nicht in allen Klassenstufen beschulten Haupt-/Werkrealschulbildungsgängen befinden. 44 Gemeinschaftsschulen sind an Standorten mit ausgelaufenen oder nicht in allen Klassenstufen beschulten Realschulbildungsgängen und vier an ausgelaufenen oder nicht in allen Klassenstufen beschulten Gymnasien.5 Ein Großteil der aktuell vorhandenen Gemeinschaftsschulen wurde somit nicht gänzlich neu gegründet, sondern entstand aus einer bereits bestehenden Schule mit Haupt-/Werkrealschulangebot und gegebenenfalls weiteren Bildungsgängen, die zuvor getrennt voneinander unterrichtet wurden.

Gegenläufige Entwicklung bei Gemeinschaftsschulen und Haupt-/Werkrealschulen

Die weit verbreitete Übernahme des neuen pädagogischen Konzepts der Gemeinschaftsschule durch ehemalige Haupt-/Werkrealschulen spiegelt sich auch in der Verteilung der Schülerinnen und Schüler wider (Schaubild 2). Es zeigt sich, dass die Anteile der Gemeinschaftsschülerinnen und -schüler in ähnlichem Maße steigen wie die der Haupt-/Werkrealschülerinnen und -schüler sinken. Summiert man die beiden Anteile, bleibt ihr Anteil an allen Schülerinnen und Schülern an weiterführenden Schulen nahezu unverändert auf einem Niveau von rund 22 %.

Im 1. Schuljahr der Gemeinschaftsschulen betrug der Anteil derjenigen, die an der neuen Schulart unterrichtet wurden, lediglich 0,3 %. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern an Haupt-/Werkrealschulen betrug damals mit 21,6 % mehr als ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen der Sekundarstufe I. Mit einem Anstieg von bis zu 2,7 Prozentpunkten pro Jahr beträgt der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Gemeinschaftsschulen im aktuellen Schuljahr 2021/22 14,9 %. An den aktuell bestehenden 281 öffentlichen und privaten Haupt-/Werkrealschulen lernen in diesem Schuljahr nur noch 7,5 % der Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 5 bis 10. Damit sank der Anteil der Haupt-/Werkrealschülerinnen und Schüler in den letzten 10 Jahren um 14,2 Prozentpunkte, während der Anteil der Gemeinschaftsschülerinnen und -schüler um 14,6 % stieg. Der Anteil von Realschülerinnen und -schülern sowie Gymnasiastinnen und Gymnasiasten blieb dagegen vergleichsweise stabil. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern an Realschulen sank in den letzten 10 Jahren um 1,7 Prozentpunkte auf 35,8 %, der Anteil derjenigen an einem Gymnasium stieg um 1,2 Prozentpunkte auf 39,4 %.

Gemeinschaftsschulen in Württemberg beliebter als in Baden

Regional haben sich Gemeinschaftsschulen unterschiedlich stark verbreitet (Schaubild 3). Der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Gemeinschaftsschulen liegt in den beiden badischen Regierungsbezirken Karlsruhe (12,3 %) und Freiburg (13,1 %) unter dem landesweiten Durchschnitt von 14,9 %. Der Regierungsbezirk Tübingen verzeichnet mit 17,9 % den größten Anteil, im Regierungsbezirk Stuttgart sind es 16,1 %.

Unter einem Anteil von 5 % liegen die Kreise Baden-Baden (0,0 %), Emmendingen (3,9 %) und Pforzheim (4,4 %). Besonders hoch ist der Anteil der Gemeinschaftsschülerinnen und -schülern dagegen in den Kreisen Tübingen (29,3 %), Reutlingen (23,4 %) und dem Hohenlohekreis (22,9 %). Anders als in den Kreisen Tübingen (11 GMS6, 3 WRS7) und Reutlingen (11 GMS, 5 WRS), in denen es jeweils mehr als doppelt so viele Gemeinschaftsschulen wie Haupt-/Werkrealschulen gibt, existieren im Hohenlohekreis (5 GMS, 7 WRS) mehr Haupt-/Werkrealschulen als Gemeinschaftsschulen, die dennoch weniger als halb so viele Schülerinnen und Schüler unterrichten (1 412 an GMS, 670 an WRS). Hier scheinen Gemeinschaftsschulen somit besonders beliebt zu sein.

Weiterhin ist kein generelles Stadt-Land-Gefälle zu beobachten. Dies zeigen beispielsweise die Vergleiche der Stadtkreise Heilbronn (13,4 %) und Karlsruhe (10,6 %) mit den angrenzenden Landkreisen Heilbronn (20,5 %) und Karlsruhe (16,0 %), wobei der Landkreis jeweils einen höheren Anteil an Gemeinschaftsschülerinnen und -schülern aufweist als der dazugehörige Stadtkreis.

Koexistenz von Gemeinschaftsschulen und anderen Schularten

In der Regel erfolgt keine Verdrängung einer Haupt-/Werkrealschule durch eine Gemeinschaftsschule. Mit Ausnahme des Stadtkreises Baden-Baden, in dem es keine Gemeinschaftsschule gibt, existieren nach 10 Jahren, in denen die Gemeinschaftsschule eine Alternative zu Haupt-/Werkrealschule, Realschule und Gymnasium darstellt, jeweils alle der vier genannten Schularten in allen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs. Dennoch ist das Verhältnis von Gemeinschaftsschulen zu Haupt-/Werkrealschulen nicht überall gleichmäßig. Der Landkreis Ludwigsburg (16 GMS, 3 WRS), der Alb-Donau-Kreis (11 GMS, 1 WRS), und der Rems-Murr-Kreis (19 GMS, 3 WRS) weisen beispielsweise ein sehr klares »Übergewicht« der Gemeinschaftsschule auf. Im Stadtkreis Pforzheim (1 GMS, 7 WRS) und dem Landkreis Emmendingen (1 GMS, 8 WRS) gibt es dagegen jeweils nur eine Gemeinschaftsschule und mehrere Haupt-/Werkrealschulen. Diese klaren Tendenzen zugunsten der einen oder anderen Schulart ist dennoch eher die Ausnahme als die Regel. In der Mehrzahl der baden-württembergischen Stadt- und Landkreise ist das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsschulen und Haupt-/Werkrealschulen annähernd ausgeglichen. Beispielsweise existieren in der Landeshauptstadt Stuttgart, den Landkreisen Esslingen und Rastatt, sowie dem Neckar-Odenwald-Kreis exakt gleich viele Gemeinschaftsschulen wie Haupt-/Werkrealschulen. Obwohl einige Kreise klare Tendenzen zugunsten der Gemeinschaftsschule oder der Haupt-/Werkrealschule aufweisen, kann somit nicht davon gesprochen werden, dass die Gemeinschaftsschule die Haupt-/Werkrealschule ersetzt, sondern eine tatsächliche Ergänzung des dreigliedrigen Schulsystems darstellt.

Mehr als ein Drittel der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund an Gemeinschaftsschulen

Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund8 liegt an Gemeinschaftsschulen über dem Durchschnitt aller weiterführenden Schularten (Tabelle 1). Von den insgesamt 87 578 Schülerinnen und Schülern an Gemeinschaftsschulen im Schuljahr 2021/22 hatten mit 36,7 % mehr als ein Drittel einen Migrationshintergrund. Unterschieden wird außerdem zwischen Deutschen mit Migrationshintergrund und Schülerinnen und Schülern, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. An Gemeinschaftsschulen liegt der Anteil von Deutschen mit Migrationshintergrund im Schuljahr 2021/22 mit 14,3 % leicht über dem Durchschnitt von 13,1 %. Damit liegen sie unter den Werten der Haupt-/Werkrealschulen (16,6 %) und der Realschulen (17,2 %). Die Betrachtung der Anteile von Schülerinnen und Schülern mit ausländischer Staatsangehörigkeit zeigt eine deutliche Polarisierung der Anteile zwischen den Schularten. Mit 22,5 % haben über ein Fünftel der Gemeinschaftsschülerinnen und -schüler keine deutsche Staatsangehörigkeit. Ihr Anteil ist damit mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt aller Schularten von 11,6 %. Nur an Haupt-/Werkrealschulen ist der Anteil mit 33,0 % noch höher. An Realschulen entspricht der Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler mit 11,3 % beinahe dem Durchschnittswert.

Hoher Anteil inklusiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler

Die Gemeinschaftsschule versteht sich überdies als inklusive Schulart, an der auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf9 gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern lernen sollen.10 Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist an Gemeinschaftsschulen mit 3,4 % tatsächlich am größten (Tabelle 2). Den zweitgrößten Anteil verzeichnen Haupt-/Werkrealschulen mit 3,1 %. Der geringste Anteil inklusiv unterrichteter Schülerinnen und Schüler ist an Gymnasien vorhanden. Hier werden nur 0,03 % der Schülerinnen und Schüler inklusiv unterrichtet.

Mit welcher Grundschulempfehlung wird auf die Gemeinschaftsschule gewechselt?

Da es grundsätzlich mit jeder Grundschulempfehlung (siehe i-Punkt »Grundschulempfehlung«) möglich ist, auf eine Gemeinschaftsschule zu wechseln, lohnt sich ein Blick darauf, mit welchen Empfehlungen Schülerinnen und Schüler nach der Grundschule an einer Gemeinschaftsschule beginnen (Tabelle 3).

Im Jahr 2012 sind insgesamt 1,7 % der Kinder mit Grundschulempfehlung auf eine der 42 Gemeinschaftsschulen übergegangen. Erwartungsgemäß ist dieser Anteil mit steigender Anzahl an Gemeinschaftsschulen in den Folgejahren deutlich gestiegen. Betrachtet man ausschließlich die Grundschulen im Verbund mit einer Gemeinschaftsschule, zeigt sich, dass die Übergangsquoten auf eine Gemeinschaftsschule über alle Grundschulempfehlungen hinweg im Jahr 2012 am höchsten waren. Dies lässt sich vermutlich auf die geringe Fallzahl sowie Neugier auf die neuartige Schulart zurückführen.

Der Vergleich der Werte von 2016 (311 Dienststellen) und 2021 (323 Dienststellen) zeigt dagegen deutlich stabilere Werte hinsichtlich der Übergangsquoten mit den jeweiligen Grundschulempfehlungen. Über alle Jahre und alle Grundschulempfehlungen hinweg ist der Anteil derjenigen, die von einer Grundschule im Verbund mit einer Gemeinschaftsschule an eine Gemeinschaftsschule wechseln mehr als doppelt so hoch wie der von Grundschulen ohne angeschlossene Gemeinschaftsschule. Dies könnte durch die niedrigere Hürde, die ein Verbleib an derselben Dienststelle bedeutet, erklärbar sein. Auch könnten positive Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern mit der angeschlossenen Gemeinschaftsschule während der Grundschulzeit ein Grund für deren höhere Wechselquote auf diese Schulart sein. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Eltern bereits die Wahl der Grundschule nach der angeschlossenen Gemeinschaftsschule treffen Da es jedoch keinen pädagogischen Unterschied zwischen einer Grundschule im Verbund mit einer Gemeinschaftsschule zu einer anderen Grundschule gibt, scheint dies nicht sehr wahrscheinlich. In Anbetracht des geringen Alters von Grundschülerinnen und -schülern ist außerdem nicht davon auszugehen, dass ein weiterer Schulweg aufgrund einer Gemeinschaftsschule an derselben Dienststelle auf sich genommen wird. Auch dies lässt sich allerdings nicht mit Daten aus der amtlichen Schulstatistik bestätigen, sondern müsste weitergehend untersucht werden.

Über die Jahre zeigt sich zudem ein leichter Anstieg des Anteils von Schülerinnen und Schülern, die mit einer Grundschulempfehlung für das Gymnasium auf eine Gemeinschaftsschule wechseln. Dieser stieg im Vergleich von 2016 zu 2021 um 1,6 Prozentpunkte auf 7,7 % an Grundschulen im Verbund mit einer Gemeinschaftsschule und um 0,6 Prozentpunkte auf 2,6 % an Grundschulen ohne angeschlossene Gemeinschaftsschule. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die mit einer Empfehlung für die Haupt-/Werkrealschule auf eine Gemeinschaftsschule übergehen, ist über alle Jahre hinweg mehr als doppelt so hoch wie der der Übergänge mit Realschulempfehlung. Von Grundschulen im Verbund mit einer Gemeinschaftsschule wechselten in jedem der 3 Jahrgänge über zwei Drittel der Viertklässlerinnen und Viertklässler mit Grundschulempfehlung der Haupt-/Werkrealschule auf eine Gemeinschaftsschule. Von Grundschulen ohne angeschlossene Gemeinschaftsschule waren es in den Jahren 2016 und 2021 jeweils über 30 %. 11,7 % der Schülerinnen und Schüler, die von einer Grundschule ohne Gemeinschaftsschule eine Realschulempfehlung erhalten, wechseln auf eine Gemeinschaftsschule. Von Grundschulen im Verbund mit einer Gemeinschaftsschule sind es mit 30,9 % beinahe ein Drittel. Im Vergleich zu 2016 ist der Anteil von Viertklässlerinnen und Viertklässlern, die mit einer Realschulempfehlung auf eine Gemeinschaftsschule übergehen um 1,5 Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt liegt der Anteil aller Schülerinnen und Schüler, die im Jahr 2021 auf eine Gemeinschaftsschule übergingen bei 13,7 % und ist damit gegenüber 2016 leicht um 0,3 Prozentpunkte gestiegen.

Dadurch ergibt sich folgende Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler, die im Jahr 2021 auf eine Gemeinschaftsschule übergingen: 59,8 % kamen mit einer Empfehlung für die Haupt-/Werkrealschule, 28,2 % mit Realschulempfehlung und 12,0 % mit Empfehlung für das Gymnasium (Tabelle 4).

Wie erfolgreich ist das Modell der Gemeinschaftsschule?

Aus dem Vergleich der (fiktiven) Kohorten (siehe i-Punkt »Kohortenvergleich«) geht hervor, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die mit einer Haupt-/Werkrealschulempfehlung auf die Gemeinschaftsschule übergehen in beiden Kohorten bei rund 60 % (59,7 %, 62,3 %) liegt (Schaubild 4). Über ein Viertel (28,1 %, 27,6 %) kommen mit Realschulempfehlung und rund 10 % mit Empfehlung für das Gymnasium. Das Verhältnis der Abgänge aus Sekundarstufe I zeigt hingegen eine deutlich veränderte Verteilung. Der Anteil derjenigen mit mittlerem Abschluss beträgt in beiden Kohorten rund 50 % (53,1 %, 48,8 %). Der Anteil der Abgänge mit Hauptschulabschluss ist dagegen deutlich geringer als der Anteil der Übergänge mit Haupt-/Werkrealschulempfehlung (37,5 % und 41,7 %). Der Anteil der Abgänge mit mittlerem Abschluss steigt somit in beiden Kohorten um mehr als 20 Prozentpunkte, während der Anteil von Abgängen mit Hauptschulabschluss jeweils in ähnlicher Größenordnung schrumpft. Nach 5 beziehungsweise 6 Jahren auf der Gemeinschaftsschule macht folglich in beiden Kohorten ein deutlich höherer Anteil an Schülerinnen und Schülern einen mittleren Abschluss als es angesichts der Grundschulempfehlungen zu erwarten war. Aufgrund dieser hohen Differenz ist trotz der theoretischen Annahmen, die dem Modell zugrunde liegen, davon auszugehen, dass zumindest ein Teil dieser Differenz durch das Erreichen eines mittleren Abschlusses von Schülerinnen und Schüler mit Haupt-/Werkrealschulempfehlung entsteht. Dies deutet darauf hin, dass das pädagogische Konzept der Gemeinschaftsschule einigen Schülerinnen und Schülern hilft, ihr schulisches Potenzial auszuschöpfen und den für sie bestmöglichen Abschluss zu erreichen.

Der Anteil derjenigen, die die Schule ohne einen Abschluss des Bildungsgangs verlassen, ist in der Kohorte von 2015 bis 2020/2021 mit 3,8 % um 1,6 Prozentpunkte höher als in der Kohorte von 2012 bis 2017/2018. Der Anteil derjenigen, die nach Beendigung der 10. Klasse das allgemeinbildende Schulsystem nicht verlassen, sondern in Sekundarstufe II einer allgemeinbildenden Schule übergehen und somit die allgemeine Hochschulreife anstreben, betrug in beiden Kohorten jeweils unter 10 % und liegt somit unter dem Anteil derjenigen, die mit Grundschulempfehlung für das Gymnasium auf die Gemeinschaftsschule übergingen. Aufgrund der mangelnden Längsschnittdaten kann nicht näher bestimmt werden, welchen Abschluss diejenigen erreichen, die mit Grundschulempfehlung für das Gymnasium auf die Gemeinschaftsschule wechseln, aber nicht in Sekundarstufe II der Gemeinschaftsschule übergehen. Grundsätzlich kann diese Gruppe das allgemeinbildende Schulsystem mit einer anderen Abschlussart verlassen haben oder vor Erreichen der Klassenstufe 10 die Schulart gewechselt haben.

1 Das grundlegende Niveau führt zu einem Hauptschulabschluss, das mittlere Niveau zu einem Realschul- oder gleichwertigen Abschluss, das erweiterte Niveau zur allgemeinen Hochschulreife.

2 Vergleiche Land Baden-Württemberg: o. S. Online unter: https://www.baden-wuerttemberg.de/de/bw-gestalten/schlaues-baden-wuerttemberg/schule/gemeinschaftsschule-faq/ (Abruf: 14.07.2022).

3 Ebenda: o. S.

4 Die Sekundarstufe 1 umfasst die Klassen­stufen 5 bis 10.

5 An einigen Gemeinschaftsschulen sind mehrere andere Bildungsgänge ausgelaufen oder unvollständig. Daher ist die Summe dieser Aufzählung höher als die aktuelle Anzahl der Gemeinschaftsschulen.

6 Gemeinschaftsschulen.

7 Haupt-/Werkrealschulen.

8 Laut Definition der Kultusministerkonferenz hat eine Person einen Migrationshintergrund, wenn mindestens eines der folgenden drei Kriterien erfüllt ist: Keine deutsche Staatsbürgerschaft, ein nichtdeutsches Geburtsland oder eine nichtdeutsche Verkehrssprache in der Familie bzw. im häuslichen Umfeld. Als ausländisch gilt in der amtlichen Schulstatistik, wer keine deutsche Staatsangehörigkeit hat; Schülerinnen und Schüler mit deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit gelten schulstatistisch als deutsch.

9 Grundsätzlich gibt es folgende Förderschwerpunkte: Schüler in längerer Krankenhausbehandlung (»Krankenhausschulen«), Lernen, Geistige Entwicklung, Körperliche und motorische Entwicklung, Sehen, Hören, Sprache, Emotionale und soziale Entwicklung. Schülerinnen und Schüler in längerer Krankenhausbehandlung können nicht inklusiv unterrichtet werden, da sie stationär in einem Krankenhaus untergebracht sind.

10 Vergleiche Land Baden-Württemberg: o. S. Online unter: https://www.baden-wuerttemberg.de/de/bw-gestalten/schlaues-baden-wuerttemberg/schule/gemeinschaftsschule-faq/ (Abruf: 14.07.2022).