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Überschuldung privater Haushalte in den 15 größten Städten Deutschlands 2017 bis 2022 – Entwicklung, Hintergründe und Ursachen

Die Unternehmensgruppe Creditreform in Neuss gibt seit 2004 einen umfangreichen »SchuldnerAtlas« heraus, in dem Daten zur Überschuldung privater Haushalte veröffentlicht werden.1 Vereinfacht ausgedrückt liegt Überschuldung vor, wenn die zu leistenden Gesamtausgaben eines privaten Haushalts über einen längeren Zeitraum hinweg höher sind als dessen Einnahmen und nicht genügend Vermögen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen vorhanden ist. Entsprechend dieser Definition waren 2022 in Deutschland rund 5,88 Millionen (Mill.) Menschen überschuldet, das sind 8,5 % aller über 18-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner. Bemerkenswerterweise hat die Überschuldung 2022 den niedrigsten Stand seit 2004 erreicht, was vor allem auf die umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen und eine erhöhte Ersparnisbildung im Zuge der Coronakrise zurückzuführen ist. Die hieraus erwachsenden, schuldendämpfenden Effekte haben vor allem 2021 gewirkt und offensichtlich in das Jahr 2022 hineingereicht. Allerdings sind die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine mit drastischen Preiserhöhungen vor allem bei Energie und Lebensmitteln in den Zahlen zur Überschuldung noch nicht voll zum Ausdruck gekommen.

Menschen in großen Städten sind überdurchschnittlich stark von Überschuldung bedroht, jedoch stellt sich die Situation in den einzelnen Städten recht unterschiedlich dar. Dies war auch das Ergebnis einer Untersuchung im Rahmen dieser Schriftenreihe für die insgesamt knapp 40 deutschen Städte mit mehr als 200 000 Einwohnerinnen und Einwohnern.2 Als wesentlicher Einflussfaktor für die Überschuldung konnte dabei die Arbeitslosigkeit in der betroffenen Stadt herausgearbeitet werden, in geringerem Maße auch das Nettoeinkommen. Im vorliegenden Beitrag soll zusätzlich die Einwirkung von zwei weiteren Größen auf die Höhe der Überschuldung in großen Städten analysiert werden, die in aussagefähiger Form aber nur für Städte mit mehr als 400 000 Einwohnerinnen und Einwohnern vorliegen.

Situation in den größten Städten 2022

Die von der Unternehmensgruppe Creditreform erhobenen Daten zur Überschuldung privater Haushalte beruhen auf Auswertungen von Gerichtsdaten sowie Meldungen durch Gläubiger und erlauben vielfältige kleinräumige Analysen. Nähere Erläuterungen zur Definition von Überschuldung sowie zur Erhebungsmethode finden sich im i-Punkt.

Eine für interregionale Untersuchungen besonders interessante Größe ist die Überschuldungsquote, das ist der Anteil von Menschen in Überschuldung bezogen auf die Zahl aller über 18-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner eines bestimmten Gebiets. In Tabelle 1 sind die Überschuldungsquoten für die Jahre 2017 bis 2022 in den 15 größten deutschen Städten mit mehr als 400 000 Einwohnerinnen und Einwohnern aufgeführt, aufsteigend geordnet nach der Höhe dieser Quoten im Jahr 2022. Nach den, leider nur bis 2020 vorliegenden Daten wurden für die Gesamtheit aller kreisfreien Städte und Stadtkreise (einschließlich der Regionalverbände Hannover, Aachen, Saarbrücken) über die Jahre hinweg Überschuldungsquoten ermittelt, die um rund 2 Prozentpunkte über denen in Deutschland insgesamt gelegen sind.

Für das Jahr 2022 ergeben sich zunächst folgende allgemeine Erkenntnisse:

  • Drei der 15 größten Städte (München, Dresden und Stuttgart) haben mit ihren Überschuldungsquoten den bundesdeutschen Durchschnitt von 8,5 % unterschritten, die deutliche Mehrheit (vier Fünftel) übertroffen. Der Unterschied zwischen dem Spitzenreiter München und der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart hat knapp 2 Prozentpunkte betragen.
  • Unterstellt man, dass der bis 2020 gemessene Abstand zwischen den kreisfreien Städten und Deutschland in Höhe von etwa 2 Prozentpunkten auch 2022 erreicht wurde, wären mit Hamburg, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Nürnberg, Hannover und Berlin weitere sieben Großstädte unter dem Durchschnitt der kreisfreien Städte geblieben. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass zehn Großstädte und damit immerhin zwei Drittel dieser Städtegruppe niedrigere Überschuldungsquoten erzielt hätten als die kreisfreien Städte insgesamt. Auch innerhalb dieser Gruppe belief sich der Abstand zwischen den Städten mit der niedrigsten und der höchsten Überschuldung auf etwa 2 Prozentpunkte.
  • Mit Leipzig, Bremen sowie den Ruhrgebietsstädten Dortmund, Essen und Duisburg befanden sich fünf Großstädte am Ende der Skala. Zwischen vier dieser Städte betrug der Abstand wiederum weniger als 2 Prozentpunkte, während Duisburg doch deutlich abgefallen ist.
  • Insgesamt betrachtet sind die Unterschiede zwischen den Städten beachtlich – so war die Überschuldungsquote in der Stadt Duisburg mit 15,9 % mehr als doppelt so hoch wie diejenige der Stadt München mit 7,4 %.

Die geringsten Überschuldungsquoten mit weniger als 9 % haben 2022 mit München, Dresden, Stuttgart und Hamburg vier Städte aufgewiesen, die sich durch namhafte Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen auszeichnen, ebenso durch herausragende Wirtschaftsunternehmen oder bedeutende staatliche Institutionen.3

Unter den nachfolgenden sieben Städten mit Überschuldungsquoten von 9 % bis unter 11 % (Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Nürnberg, Hannover, Berlin und Leipzig) finden sich ebenfalls Universitätsstädte, Verwaltungsmetropolen, Dienstleistungszentren oder wirtschaftlich gut aufgestellte Städte, die ihren Bürgerinnen und Bürgern ein gutes Auskommen garantieren können. Demgegenüber zeichnen sich die drei Städte mit Überschuldungsquoten von 11 % bis unter 13 % (Bremen, Dortmund und Essen) dadurch aus, dass sie trotz unbestreitbarer wirtschaftlicher Erfolge und durchaus günstigen Entwicklungspotenzialen noch merklich unter industriellen Altlasten und Strukturanpassungsproblemen zu leiden haben. Noch mehr mit solchen Schwierigkeiten ist das Schlusslicht Duisburg mit einer Überschuldungsquote von fast 16 % konfrontiert.

Entwicklung in den größten Städten 2017 bis 2022

Innerhalb der letzten 6 Jahre hat sich die Reihenfolge der 15 Großstädte in Bezug auf ihre Überschuldungsquoten nicht wesentlich geändert. Im Vergleich zu 2017 hat sich 2022 nur Bremen um drei Plätze verschlechtert, alle anderen Rangverschiebungen waren überschaubar.

Bei einer bundesdeutschen Verringerung der Überschuldungsquoten um knapp 1,6 Prozentpunkte wurde die Überschuldung in Duisburg, Dresden, Frankfurt am Main und Essen um weniger als 1,4 Prozentpunkte abgebaut, während die Verringerung in Leipzig, Hannover, Düsseldorf, Stuttgart und Berlin mehr als 2,1 Prozentpunkte erreicht hat. Interessanterweise finden sich in beiden Kategorien Städte mit allgemein hoher oder niedriger Überschuldung wieder.

Betrachtet man in Tabelle 1 die einzelnen Zeitabschnitte, dann ergibt sich folgendes Bild:

  • In der Vor-Corona-Zeit, also zwischen 2017 und 2019, haben die Überschuldungsquoten in Deutschland praktisch stagniert, in den einzelnen Städten war die Entwicklung jedoch recht uneinheitlich. Zunahmen um mindestens 0,4 Prozentpunkte mussten zwei Ruhrgebietsstädte erfahren, nämlich Essen und Duisburg; umgekehrt konnten Leipzig und Stuttgart ihre Überschuldungsquoten um rund 0,4 Prozentpunkte oder mehr zurückfahren.
  • Von 2019 auf 2020, dem 1. Jahr der Coronapandemie, haben die Überschuldungsquoten – bei einem bundesdurchschnittlichen Rückgang um 0,1 Prozentpunkte – in Frankfurt am Main und in Duisburg stagniert. Dagegen konnten sechs Städte ihre Überschuldungsquoten um mindestens 0,3 Prozentpunkte reduzieren, wobei Leipzig (– 0,4 Prozentpunkte) und Stuttgart (– 0,3 Prozentpunkte) ihre Verbesserungen seit 2017 fortsetzen konnten, hinzu kamen Hannover (– 0,4 Prozentpunkte) sowie Dortmund, Nürnberg und Berlin (je – 0,3 Prozentpunkte).
  • Von 2020 auf 2021 hat dann die stärkste Entspannung im Untersuchungszeitraum stattgefunden: Die Überschuldungsquoten haben bundesweit um 1 Prozentpunkt abgenommen. Seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2004 wurde ein vergleichbar hoher Rückgang lediglich von 2008 auf 2009, dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise, registriert.
  • Eigentlich wäre zu erwarten, dass krisenbedingte Arbeitsplatzverluste und Einkommenseinbußen die Überschuldung privater Haushalte tendenziell ansteigen lassen, in beiden Perioden haben jedoch massive staatliche Hilfen den wirtschaftlichen Abschwung nachhaltig abgebremst und die Einkommenssituation der allermeisten privaten Haushalte in Deutschland stabilisiert.4 Im Zuge der Unterstützungsmaßnahmen während der Coronapandemie haben die Verfügbaren Einkommen (jeweils in nominaler, also nicht preisbereinigter Rechnung) 2020 um 1,4 % und 2021 nochmals um 2,1 % zugenommen, gleichzeitig haben die Einwohnerinnen und Einwohner ihre (nominalen) Konsumausgaben 2020 um beachtliche 5,1 % zurückgefahren und 2021 nur moderat um 3,5 % ausgeweitet. Verantwortlich hierfür waren pandemiebedingt unumgängliche Einschränkungen der Konsummöglichkeiten, vor allem bei Reisen, Übernachtungen und Gaststättenbesuchen; hinzu kam ein zurückhaltendes Ausgabeverhalten, insbesondere in Bezug auf Waren und Dienstleistungen, die nicht zum täglichen Bedarf zählen. Dadurch hat sich – trotz historisch niedriger Zinsen – die Sparquote 2020 gegenüber 2019 enorm erhöht (von 10,8 % auf 16,4 %) und 2021 nur leicht verringert (auf 15,1 %); das sind die höchsten Werte für Sparquoten seit Mitte der 1970er-Jahre.5 In der Folge haben sich die Entschuldungsmöglichkeiten privater Haushalte in beiden Jahren deutlich verbessert.
  • Der Rückgang der Überschuldungsquoten von 2020 auf 2021 hat alle 15 großen Städte erfasst. Schwächer als im Bundesdurchschnitt (– 1 Prozentpunkt) ist der Überschuldungsabbau in den beiden Städten mit der geringsten Überschuldung ausgefallen, nämlich in München und Dresden, außerdem in Nürnberg. Die kräftigsten Entlastungen (Abnahme um 1,2 Prozentpunkte und mehr) haben – neben Hannover, Hamburg, Düsseldorf und Köln – in Berlin und in den drei Ruhrgebietsstädten Duisburg, Dortmund und Essen stattgefunden und damit in Großstädten mit traditionell hoher Überschuldung. Insofern hat sich im Zuge der Coronapandemie und bedingt durch gezielte staatliche Unterstützungsmaßnahmen die Spreizung der Überschuldung unter den großen Städten wenigstens teilweise abgeschwächt.
  • Interessanterweise hat sich die Verringerung der Überschuldungsquoten 2022 fortgesetzt, die Abnahme gegenüber 2021 belief sich auf exakt 0,38 Prozentpunkte und war damit dreimal so hoch wie im 1. Coronajahr 2020 gegenüber 2019 mit 0,13 Prozentpunkten. Dies ist insoweit bemerkenswert, als sich die ökonomischen Voraussetzungen für eine fortdauernde Rückführung der Überschuldung im Krisenjahr 2022 eigentlich nicht verbessert haben. Nach den ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamts ist der Konsum der privaten Haushalte, bedingt durch drastisch gestiegene Energiekosten sowie hohe Preissteigerungen bei Lebensmitten und zahlreichen Gütern und Diensten des täglichen Bedarfs, im letzten Jahr um nominal 11,9 % angestiegen und damit deutlich stärker als die Verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte mit + 7,1 %. Die Sparquote hat sich dadurch auf 11,2 % verringert und fast wieder das Niveau von 2019 (10,8 %) erreicht; in den Vorjahren 2020 und 2021 waren es noch 16,4 % bzw. 15,1 %.6 Die Unternehmensgruppe Creditreform führt die Fortsetzung des Überschuldungsabbaus auf anhaltende Wirkungen der staatlichen Corona-Hilfsprogramme zurück, die einen Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert haben, ebenso auf das Nachlassen von konjunkturellen Bremsfaktoren wie Materialknappheit und Lieferengpässe im Laufe des Jahres 2022; Creditreform weist aber auch auf die enormen finanziellen Belastungen durch steigende Lebenshaltungskosten und insbesondere Energiepreise hin, wodurch die finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten vieler Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich geschmälert und zu nachhaltigen Zahlungsstörungen führen werden.7 Insofern bleibt abzuwarten, wie die Situation im gerade begonnenen Jahr 2023 aussehen wird.

Hauptgründe der Überschuldung

Was sind die wesentlichen Ursachen für die Überschuldung privater Haushalte? Interessante Informationen hierfür geben Erhebungen des Statistischen Bundesamts, in denen Menschen, die Schuldner- und Insolvenzberaterstellen aufsuchen, nach den Hauptgründen für ihre Überschuldung gefragt werden.8

Die sechs besonders wichtigen Hauptauslöser für Überschuldung in den Jahren 2017 bis 2022 sind in Tabelle 2 zusammengestellt; die Daten bis 2021 basieren auf der genannten Statistik des Statistischen Bundesamts, die Daten für 2022 auf einer Hochrechnung der Unternehmensgruppe Creditreform. Je drei dieser Hauptauslöser sind im wirtschaftlichen Umfeld oder im privaten Bereich der betroffenen Menschen zu suchen. Im Jahr 2022 war unter den wirtschaftsbezogenen Kriterien bei 19,6 % der Betroffenen die Arbeitslosigkeit der wichtigste Hauptauslöser für Überschuldung, bei 11,5 % war es ein langfristiges Niedrigeinkommen und bei 8,7 % eine gescheiterte Selbstständigkeit. Von den im privaten Bereich zu suchenden Ursachen waren bei 18,3 % der Betroffenen Erkrankung, Sucht und Unfall der bedeutendste Hauptauslöser, bei 14,6 % unwirtschaftliche Haushaltsführung und bei 12 % Trennung, Scheidung und Tod des Partners oder der Partnerin. In der Entwicklung bemerkenswert ist die gestiegene Bedeutung des Einkommensindikators (langfristiges Niedrigeinkommen) seit 2017 und besonders stark von 2021 auf 2022.

Der nach wie vor wichtigste Grund für Überschuldung ist Arbeitslosigkeit. Die Bedeutung dieses Faktors wird durch weitere Ergebnisse aus der Erhebung des Statistischen Bundesamts bestätigt. Im Jahr 2021 waren danach 42,4 % aller Personen, die von den befragten Stellen zu Problemen der Überschuldung beraten wurden, arbeitslos und weitere 20,8 % anderweitig nicht erwerbstätig, beispielsweise als Rentner oder Rentnerin; nur 36,8 % aller beratenen Personen waren erwerbstätig, davon 35,9 % in abhängiger Beschäftigung und 0,9 % als Selbstständige.9 Setzt man aus Vereinfachungsgründen die Zahl der beratenen Menschen in Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit mit der Zahl der insgesamt beratenen zivilen Erwerbspersonen gleich, was 79,2 % aller beratenen Personen entspricht, ergibt sich für den Kreis der wegen Überschuldung beratenen Menschen eine Arbeitslosenquote von rund 53,5 %. Insgesamt betrug die Arbeitslosenquote, definiert als Zahl der registrierten Arbeitslosen bezogen auf die Zahl der zivilen Erwerbspersonen, 2021 bundesweit nur 6,3 %.

Überschuldung und Arbeitslosigkeit

Die Zusammenhänge zwischen Überschuldung und Arbeitslosigkeit werden durch Schaubild 1 bestätigt, in dem die Überschuldungsquoten den Arbeitslosenquoten der 15 Großstädte im Jahr 2021 gegenübergestellt sind; die Definition der hier zugrunde gelegten Arbeitslosenquoten ist im i-Punkt wiedergegeben. Die entsprechenden Punkte streuen um eine Trendgerade, die so berechnet ist, dass sie sich diesen Punkten optimal anpasst – die vertikalen Abstände zwischen den Punkten und der Geraden sind dem Betrage nach möglichst klein. Aus dem Verlauf der Trendgeraden wird klar ersichtlich, dass mit zunehmender Arbeitslosigkeit auch das Risiko der Überschuldung steigt. Dabei ist die Streuung der Punkte um die Gerade relativ gering, was durch einen mit + 0,860 recht hohen Wert des Korrelationskoeffizienten r ausgedrückt wird.10 Städte mit hoher (niedriger) Arbeitslosigkeit zeichnen sich also in der Tendenz durch große (geringe) Überschuldung aus.

Auffallend ist zunächst, dass sich im rechten Teil der Grafik mit Arbeitslosenquoten von rund 11 % oder mehr alle drei Ruhrgebietsstädte befinden. Essen und Dortmund folgen dabei dem Trendzusammenhang von Überschuldung und Arbeitslosigkeit, das heißt in Schaubild 1 liegen die zugehörigen Punkte nur wenig über oder unter der Trendgeraden. Demgegenüber ist die Überschuldungsquote der Stadt Duisburg deutlich höher als es der Trend erwarten lässt.

Umgekehrt weisen die Städte mit Arbeitslosenquoten von 9 % bis gut 10 % (Bremen, Berlin, Köln und Hannover) Werte unterhalb der Trendgeraden auf; dies bedeutet, dass sich diese vier Städte zwar durch überdurchschnittlich hohe Überschuldungsquoten auszeichnen (zwischen 10,2 % und 11,4 %), gemessen an ihren Arbeitslosenquoten sind diese jedoch relativ gering ausgefallen.

Unter den sechs Städten mit Arbeitslosenquoten zwischen 6 % und 8 % trifft Letzteres auch für Dresden und Hamburg zu, während Nürnberg und Leipzig merklich höhere Überschuldungsquoten zu verzeichnen haben als es der Trendzusammenhang erwarten lässt. Nur bei Frankfurt am Main und Düsseldorf entspricht die tatsächliche Überschuldung den aus der Arbeitslosigkeit abgeleiteten Erwartungen.

Dies ist auch bei München und Stuttgart der Fall, den Großstädten mit den mit Abstand geringsten Arbeitslosen- und den niedrigsten bzw. drittniedrigsten Überschuldungsquoten.

Überschuldung und Leistungen nach SGB II

Wenn eine arbeitslose Person kein Arbeitslosengeld I mehr erhält oder die daraus bezogenen Leistungen nicht zum Leben ausreichen, konnte sie bis Ende 2022 Leistungen nach dem Arbeitslosengeld II beantragen, um das Existenzminimum zu erreichen; zum 1. Januar 2023 wurde das Arbeitslosengeld II durch das Bürgergeld abgelöst. Zweck des Arbeitslosengelds II wie des Bürgergelds ist es zunächst, Menschen finanziell zu unterstützen, die seit einer gewissen Zeit arbeitslos, aber gleichwohl erwerbsfähig sind; langfristiges Ziel ist es jedoch, die Leistung beziehenden Personen wieder im Arbeitsmarkt unterzubringen und dadurch den Bezug von Arbeitslosengeld II zu beenden. Zusammen mit den Beziehern von Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte sowie den sonstigen Leistungsberechtigten ergibt sich hieraus ein Kreis von Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bezogen auf die Bevölkerung unterhalb der (für den Renteneintritt relevanten) Altersgrenze nach § 7a SGB II errechnet sich hieraus die sogenannte SGB II-Quote. Weitere Informationen finden sich im i-Punkt.

Der Kreis der Leistungsberechtigten nach SGB II hat also ebenfalls einen Bezug zur Arbeitslosigkeit. Tatsächlich besteht zwischen Arbeitslosen- und SGB II-Quoten, zumindest für die Großstädte, eine enge Korrelation, die in dem mit + 0,975 sehr hohen Wert des entsprechenden Korrelationskoeffizienten r ihren Ausdruck findet. Aber auch andere in Tabelle 2 aufgeführte Hauptgründe für Überschuldung werden durch die SGB II-Quoten abgedeckt.

In Schaubild 2 werden Überschuldungs- und SGB II-Quoten für die größten Städte Deutschlands gegenübergestellt; nicht aufgenommen ist die Stadt Hannover, für die keine SGB II-Quoten veröffentlicht sind.11 Der Korrelationskoeffizient r beträgt + 0,830 und ist damit fast genau so groß wie bei der Gegenüberstellung von Überschuldung und Arbeitslosigkeit.

Im rechten Teil von Schaubild 2 mit SGB II-Quoten mit 16 % und mehr tauchen neben den drei Ruhrgebietsstädten auch Berlin und Bremen auf. Essen als Großstadt mit der höchsten SGB II-Quote und Dortmund folgen wieder dem Trendzusammenhang, während bei Duisburg die Überschuldung erneut merklich höher ausgefallen ist als die Erwartung nach dem Trend. Umgekehrt stellt sich die Situation für Berlin und Bremen dar.

Unter den sieben Städten mit SGB II-Quoten zwischen 8 % und gut 13 % weisen Nürnberg und Leipzig Überschuldungsquoten deutlich oberhalb und vor allem Hamburg, aber auch Dresden und Köln unterhalb der Trendgeraden auf, während Frankfurt und auch noch Düsseldorf ziemlich genau dem Trend folgen. Dies trifft auch für München und Stuttgart mit den mit Abstand niedrigsten SGB II-Quoten (6 % und 7,5 %) zu.

Insgesamt gesehen ergibt sich für die Großstädte Deutschlands bei den Zusammenhängen von Überschuldung zu Leistungen nach SGB II ein sehr ähnliches Bild wie zur Arbeitslosigkeit.

Überschuldung und Armutsgefährdung

Zweifelsohne bestehen zwischen Überschuldung und Armut eines Privathaushalts enge inhaltliche Beziehungen. Nahezu alle in Tabelle 2 aufgeführten wesentlichen Überschuldungsgründe können in irgendeiner Form wenigstens teilweise auf Armut zurückgeführt werden. Dies wird durch die Ergebnisse bestätigt, die von Microm GmbH, einem Tochterunternehmen von Creditreform, in einer Überschuldungstypologie zusammengestellt wurden. Danach betraf 2022 die »Nachhaltige Überschuldung« 50 % aller überschuldeten Personen, bei der »Temporären Überschuldung« waren es 23 % und bei der »Periodischen Überschuldung« 27 %.12

In Schaubild 3 sind die Überschuldungsquoten der 15 größten Städten ihren statistisch ermittelten Armutsgefährdungsquoten gegenübergestellt. Es handelt sich hierbei um einen Indikator für die relative Armut einer Stadt, er ist im i-Punkt näher beschrieben.

Die Korrelation zwischen Überschuldung und Armutsgefährdung ist mit einem Korrelationskoeffizienten von r = + 0,840 praktisch genauso eng wie zwischen Überschuldung und Arbeitslosigkeit bzw. SGB II-Leistungen.13 Allerdings stellen sich die Zusammenhänge in einigen Städten anders dar, wie ein Vergleich von Schaubild 3 mit den Schaubildern 1 und 2 zeigt. Zwar weist mit Duisburg auch bei der Armutsgefährdung eine Ruhrgebietsstadt den Spitzenwert auf (2021: 28,9 %), aber in Bremen (26,8 %) ist die Gefährdungsstufe größer als in Dortmund (24,5 %) und außerdem in Leipzig, Hannover und Frankfurt am Main (zwischen 22,6 % und 23,7 %) höher als in Essen (22 %). Auch Düsseldorf und Köln schneiden mit jeweils über 21 % nur wenig besser ab als Essen. Werte um 20 % wurden für Nürnberg und Berlin ermittelt, Werte um 17 % für Hamburg und Dresden. Insofern am besten haben erneut Stuttgart (16 %) und München (11,3 %) abgeschnitten.

Auch bei den Trendabweichungen sind Unterschiede zwischen Schaubild 3 im Vergleich zu den Schaubildern 1 und 2 festzustellen. Deutlich höher waren vor allem die privaten Haushalte in Duisburg und in Essen überschuldet als nach ihrer Armutsgefährdung zu erwarten gewesen wäre, erheblich niedriger die Haushalte in Frankfurt am Main und in Bremen; die Abstände zwischen den tatsächlichen und den Trendwerten betragen (in die eine oder die andere Richtung) 1,6 Prozentpunkte oder mehr, in den anderen elf Städten sind sie erheblich kleiner. Dies trifft insbesondere auch für Stuttgart zu.

Überschuldung und Einkommenssituation

Wie ausgeführt ist ein langfristiges Niedrigeinkommen der fünftwichtigste Hauptauslöser für die Überschuldung privater Haushalte. Nach den Befragungen des Statistischen Bundesamts betrug 2021 das monatliche individuelle Nettoeinkommen bei 38,8 % aller beratenen Personen weniger als 900 Euro, bezogen auf das monatliche Haushaltsnettoeinkommen waren es 31,4 % aller beratenen Personen. In die Kategorie 900 bis unter 1 300 Euro fielen 26,5 bzw. 23,6 %, in die Kategorie 1 300 bis unter 2 000 Euro weitere 25,5 % bzw. 27 % aller beratenen Menschen. Nur 9,3 % bzw. 18 % der beratenen Personen konnten über ein individuelles oder haushaltsbezogenes Einkommen von 2 000 Euro oder mehr verfügen.14

Schaubild 4 veranschaulicht für die 15 größten deutschen Städte die Zusammenhänge zwischen den Überschuldungsquoten und den Verfügbaren Einkommen je Einwohnerin oder Einwohner, also denjenigen Einkommen, die von den Haushalten für privaten Verbrauch, Ersparnisbildung oder eben auch Schuldenabbau verwendet werden können. Die Definition dieses Einkommensbegriffs findet sich im i-Punkt. Aktuelle Daten zu diesen gesamtwirtschaftlichen Einkommen liegen für 2020 vor, weshalb in Schaubild 4 die Überschuldungsquoten des Jahres 2021 den Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen des Jahres 2020 gegenübergestellt sind.15

Die Lage der Punkte und der Trendgeraden in Schaubild 4 verdeutlichen zunächst, dass die Überschuldung in einer Großstadt naturgemäß umso geringer ausfällt, je mehr den dortigen Bewohnerinnen und Bewohnern an Einkommen zur Verfügung steht. Eine Gegenüberstellung zu den Schaubildern 1 bis 3 lässt außerdem erkennen, dass die Korrelation zwischen Überschuldung und Nettoeinkommen – insgesamt betrachtet – weniger stark ausgeprägt ist als zwischen Überschuldung und den drei anderen Variablen: In Schaubild 4 streuen die Punkte stärker um die Trendgerade, der Korrelationskoeffizient ist mit r = – 0,720 dem Betrag nach merklich kleiner. Gleichwohl bestehen enge Beziehungen vor allem zwischen den Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen und den Armutsgefährdungsquoten der 15 Großstädte, was ihren Niederschlag in einem Korrelationskoeffizienten beider Größen in Höhe von immerhin r = – 0,771 findet.

Die verhältnismäßig große Streuung wurde vor allem durch zwei Städte mit relativ niedrigem Pro-Kopf-Einkommen bewirkt, nämlich Duisburg mit einer um 3,2 Prozentpunkte höheren und Dresden mit einer um 3,3 Prozentpunkte geringeren Überschuldungsquote im Vergleich zur Trendgeraden. Ähnlich stellt sich die Situation für die ebenfalls einkommensschwachen Städte Essen und Leipzig dar, wo Trendabweichungen in Höhe von 1,4 Prozentpunkten nach oben bzw. 0,9 Prozentpunkten nach unten vorliegen. Nimmt man noch Dortmund mit einer Trendabweichung von 0,7 Prozentpunkten dazu, dann kann für die fünf Städte mit dem niedrigsten Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen festgestellt werden: Die nach wie vor mit strukturellen Anpassungsproblemen konfrontierten Ruhrgebietsstädte weisen eine signifikant höhere Überschuldung privater Haushalte auf als es ihre ohnehin niedrige Nettoeinkommen im Kontext der Großstädte vermuten lassen, während umgekehrt die Überschuldung in den beiden sächsischen Städten erstaunlich gering ausfällt. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, kann Dresden über die Jahre hinweg auf die mit Abstand zweitniedrigsten Überschuldungsquoten unter den Großstädten zurückblicken, und Leipzig kann den seit 2017 stärksten Rückgang dieser Quote verbuchen. Auch Berlin (mit seinem Ostteil historisch den neuen Ländern zugehörig) schneidet sowohl bei der Gegenüberstellung zum einkommensabhängigen Trend als auch bei der mittelfristigen Entwicklung gut ab.

Unter den verbleibenden Großstädten ragt vor allem München heraus. Obwohl die Überschuldungsquote in der bayerischen Landeshauptstadt seit Jahren den niedrigsten Wert aller großen Städte erzielt hat, lag sie dort 2021 um einen satten Prozentpunkt über dem Trend, bedingt durch das 2020 mit 31 860 Euro je Einwohnerin und Einwohner überragend hohe Verfügbare Pro-Kopf-Einkommen Münchens. Noch drastischer stellt sich die Situation in Düsseldorf mit dem zweithöchsten Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen (26 730 Euro je Einwohner/-in) dar, wo die Überschuldungsquote den Trend sogar um 1,3 Prozentpunkte übertroffen hat. Umso bemerkenswerter ist, dass Stuttgart als Großstadt mit dem 2020 dritthöchsten Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen (26 500 Euro je Einwohner/-in) 2021 eine um gut 0,5 Prozentpunkte unter dem Trend liegende Überschuldungsquote erzielen konnte. In Hamburg und Frankfurt am Main, den Städten mit den viert- und fünfthöchsten Pro-Kopf-Einkommen, wurde sogar eine gegenüber dem Trend um rund 0,7 Prozentpunkte niedrigere Überschuldungsquote gemessen; in Köln als Stadt mit dem sechshöchsten Pro-Kopf-Einkommen waren es immerhin noch 0,4 Prozentpunkte, sogar 0,6 Punkte in Hannover.

Zusammenfassung und Bewertung mit dem Fokus auf Stuttgart

Im Jahr 2022 waren nach Erhebungen der Unternehmensgruppe Creditreform in Deutschland rund 5,88 Mill. Menschen überschuldet, das heißt die von ihnen aufgewendeten Gesamtausgaben lagen über einen längeren Zeitraum hinweg über ihren laufenden Einnahmen, außerdem konnten sie über kein ausreichendes Vermögen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen verfügen. Bezogen auf die Zahl aller über 18-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner errechnet sich hieraus eine bundesweite Überschuldungsquote von 8,5 %. Seit 2017 war die Überschuldung rückläufig, vor allem 2021 wegen umfangreicher staatlicher Unterstützungsmaßnahmen und (gezwungenermaßen) verringerten Konsumausgaben der privaten Haushalte im Zuge der Coronapandemie; dieser Trend hat 2022 in abgeschwächter Form angehalten. Aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Unterschiede haben die Überschuldungsquoten in den kreisfreien Städten über die Jahre hinweg etwa 2 Prozentpunkte mehr betragen als in Deutschland insgesamt.

2022 haben zwölf der insgesamt 15 Städte mit mehr als 400 000 Einwohnerinnen und Einwohnern die bundesdurchschnittliche Überschuldungsquote von 8,5 % übertroffen, zum Teil sogar deutlich. Erfreulicherweise gehörte Stuttgart auch 2022 zu den Großstädten mit einer in Höhe von 8,3 % unterdurchschnittlichen Überschuldungsquote, und zwar hinter München und Dresden (7,4 % bzw. 8,1 %) und vor Hamburg (8,6 %). Auf der anderen Seite mussten die drei Ruhrgebietsstädte 2022 erneut die höchsten Überschuldungsquoten hinnehmen (Duisburg 15,9 %; Essen und Dortmund 12,4 %). Über 10 % lagen die Quoten außerdem in Bremen, Leipzig, Berlin und Hannover, zwischen 9 % und 10 % in Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und Nürnberg.

Gegenüber 2017 konnten alle 15 Großstädte ihre Überschuldungsquoten verringern. Erfreulicherweise ist diese Entspannung in einigen Städten mit traditionell hoher Überschuldung überproportional stark ausgefallen, so vor allem in Leipzig, Berlin und Dortmund; dadurch konnte die beachtliche Spreizung der Überschuldung unter den großen Städten wenigstens teilweise abgeschwächt werden. Neben Hannover und Düsseldorf konnte außerdem noch Stuttgart (als einzige Stadt mit unterdurchschnittlich hoher Überschuldung) die Quote um mehr als 2 Prozentpunkte verringern.

Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts ist die Arbeitslosigkeit der bundesweit bedeutendste Auslöser für Überschuldung privater Personen. Außerdem waren 2021 unter den Personen, die eine Beratung zur Lösung ihrer Überschuldungsprobleme aufgesucht haben, über 42 % arbeitslos. Entsprechende Zusammenhänge zwischen Überschuldung und Arbeitslosigkeit konnten im Rahmen einer Korrelationsanalyse bestätigt werden: In Städten mit umfangreicher (niedriger) Arbeitslosigkeit fällt tendenziell auch die Überschuldung hoch (gering) aus. Vergleichbare Zusammenhänge konnten für die Überschuldung im Verhältnis zu den Leistungsempfängern nach SGB II und zur Armutsgefährdung privater Haushalte festgestellt werden.

Auch die Höhe des Verfügbaren Einkommens hat Auswirkungen auf die Überschuldung der betroffenen Menschen. Dies geht ebenfalls aus Erhebungen des Statistischen Bundesamts hervor und wird für die großen Städte durch eine weitere Korrelationsanalyse bestätigt. Allerdings ist die Abhängigkeit der Überschuldungsquoten von den Arbeitslosen-, SGB II- und Armutsgefährdungsquoten, gemessen am Betrag des Korrelationskoeffizienten, deutlich ausgeprägter als von der durchschnittlichen Einkommenshöhe der Städte. Eine multivariate Regression, bei der die Überschuldung in Abhängigkeit von allen vier Einflussgrößen gemessen wird, hat für den multivariaten Regressionskoeffizienten den sehr hohen Wert von R = 0,914 ergeben.

Die Korrelationsanalysen wurden anhand von Daten für das Jahr 2021 durchgeführt, da nur für die Überschuldungsquoten, nicht aber für die vier Einflussgrößen aktuelle Ergebnisse zum Jahr 2022 vorgelegen haben. Unter Zugrundelegung von Überschuldungsdaten für 2022 und Beibehalten der Zahlen für die anderen Variablen hat sich jeweils sogar eine leicht höhere Korrelation ergeben.

Trendabweichungen zeigen auf, ob eine Stadt eine höhere oder eine niedrigere Überschuldung zu verzeichnen hat als es sich aus dem mit der jeweils anderen Größe abgeleiteten Trendzusammenhang erwarten lässt. Für die Abhängigkeit der Überschuldung von den vier untersuchten Einflussvariablen ergibt sich kein einheitliches Bild. Das heißt: Obwohl zwischen den Einflussgrößen durchaus enge Korrelationen bestehen, die sich nicht zuletzt aus inhaltlichen Gemeinsamkeiten von Arbeitslosigkeit, Anspruch auf SGB II-Leistungen, Armutsgefährdung und Einkommenslage ergeben, stellen sich die Abhängigkeiten und Trendabweichungen für die einzelnen Städte unterschiedlich dar. Gemeinsamkeiten bestehen lediglich darin, dass Duisburg in allen Varianten eine deutlich höhere Überschuldungsquote aufweist als es sich aus dem Trendzusammenhang ergibt. Stuttgart konnte eine niedrigere Überschuldungsquote verbuchen als es das dort verfügbare Pro-Kopf-Einkommen nahegelegt hätte, bei allen drei anderen Einflussgrößen entsprach die Überschuldungsquote Stuttgarts ungefähr dem aus den 15 Großstädten abgeleiteten Trend.

In Bezug auf die Arbeitslosenquoten und die Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen wurde in einer früheren Studie eine Abhängigkeitsanalyse für die Überschuldungsquoten in den 39 größten Städten mit mehr als 200 000 Einwohnerinnen und Einwohnern durchgeführt.16 Die dabei festgestellten Zusammenhänge waren deutlich schwächer ausgeprägt als für die hier untersuchten 15 Großstädte mit mehr als 400 000 Einwohnerinnen und Einwohnern: In Bezug auf die Arbeitslosigkeit wurde für die 39 Städte ein Korrelationskoeffizient von + 0,804 ermittelt gegenüber + 0,860 für die 15 Großstädte, bezüglich der Einkommenslage waren es sogar nur – 0,481 im Vergleich zu immerhin – 0,720. Vor allem hinsichtlich der Verfügbaren Einkommen ist also die Situation bei den 15 größten Städten mit mehr als 400 000 Einwohnerinnen und Einwohnern deutlich homogener als bei den 39 Städten mit mehr als 200 000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

Mit diesen vier wirtschaftlich orientierten Einflussfaktoren konnten beträchtliche Unterschiede zwischen den Städten herausgearbeitet werden. Darüber hinaus gibt es weitere Gründe für eine Überschuldung, die eher im persönlichen bzw. privaten Bereich der betroffenen Menschen liegen, aber mangels geeigneter quantitativer Größen nicht in vergleichbarem Maße regressionsanalytisch analysiert werden können. Solche Überschuldungsgründe spielen nicht zuletzt bei wirtschaftlich gut dastehenden Städten wie München, Stuttgart, Dresden und Hamburg eine gewichtige Rolle, denn auch in diesen Städten sind immerhin 7 % bis 9 % aller Erwachsenen als überschuldet anzusehen.

1 Zuletzt Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2022 – Überschuldung von Verbrauchern. Neuss, November 2022, S. 13. Die hier und im Folgenden wiedergegebenen Jahresergebnisse umfassen, strenggenommen, jeweils das 4. Quartal des Vorjahres und die ersten 3 Quartale des laufenden Jahres.

2 Münzenmaier, Werner: Überschuldung privater Haushalte in den 39 größten Städten Deutschlands 2017 bis 2021 – Analyse wesentlicher Ursachen, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2022, S. 38–46.

3 Die niedrige Überschuldung in Stadt- und Landkreisen mit starker Ausrichtung auf Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen wurde im Rahmen einer Analyse baden-württembergischer Kreise festgestellt. Münzenmaier, Werner: Überschuldung privater Haushalte in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs – Aktuelle Situation und Entwicklung, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2022, S. 45–52.

4 Während der Coronakrise umfassten die staatlichen Hilfen vor allem Sonderregelungen für Kurzarbeiter, Überbrückungs-, Neustart- und Härtefallhilfen für Unternehmen und Selbstständige, KfW-Programme, Bürgschaften und Garantien, Stabilisierungs- und Sonderfonds sowie steuerliche Unterstützungen und ein erleichterter Zugang zur Grundsicherung.

5 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 14, Reihe 1.4, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Inlandsproduktberechnung – Detaillierte Jahresergebnisse 2021. Wiesbaden, September 2022, S. 50.

6 Statistisches Bundesamt: Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022 um 1,9 % gestiegen. Pressemitteilung vom 13. Januar 2023, Tabellenteil.

7 Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland – Überschuldung von Verbrauchern 2022 – Überschuldung von Verbrauchern, a. a. O., S. 10–12.

8 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2021. Wiesbaden, Mai 2022, S. 3 und 8. Die Befragungen werden bei Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen durchgeführt, die in der Trägerschaft von Wohlfahrts- und Verbraucherverbänden sowie von Gemeindeverbänden oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehen bzw. als gemeinnützig anerkannt oder als Verein eingetragen sind. Die Erhebung erfolgt auf freiwilliger Basis; 2021 haben 593 der insgesamt etwa 1 430 Beratungsstellen Deutschlands teilgenommen und Daten für rund 147 000 Personen bereitgestellt.

9 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2020, a. a. O., S. 6.

10 Der Korrelationskoeffizient (Pearson´s r) bringt die Intensität der Streuung zum Ausdruck. Wenn die Punkte direkt auf der Geraden liegen, also keinerlei Streuung vorliegt, nimmt das Maß bei positiver Korrelation (und damit aufsteigender Trendgeraden) den Wert + 1 bzw. bei negativer Korrelation (und damit fallender Trendgeraden) den Wert – 1 an. Je diffuser die Streuung dagegen ist, umso mehr nähert sich der Koeffizient dem Wert 0.

11 Für Hannover liegen SGB II-Quoten nur für die Region, nicht die Stadt vor. Sowohl die Überschuldungsquoten als auch die SGB II-Quoten sind 2021 für die Region (mit insgesamt 21 Städten und Gemeinden) niedriger ausgefallen als für die Stadt. Bemerkenswerterweise führt eine Regressionsanalyse unter Einbeziehung der Werte für die Region Hannover zu einer gegenüber Schaubild 2 kaum veränderten Lage der Trendgeraden und einem identischen Wert des Korrelationskoeffizienten.

12 Creditreform Wirtschaftsforschung (Hrsg.): SchuldnerAtlas Deutschland 2022 – Überschuldung von Verbrauchern, a. a. O., S. 43.

13 Tatsächlich bestehen zwischen diesen Einflussgrößen ebenfalls enge Verknüpfungen – beispielsweise beträgt der Koeffizient für die Korrelation zwischen Arbeitslosen- und Armutsgefährdungsquote r = + 0,785.

14 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15, Reihe 5, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2021, a. a. O., S. 8, 15 und 16.

15 Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 2, Band 3, Einkommen der privaten Haushalte in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1995 bis 2020, Berechnungsstand November 2021. Stuttgart, Oktober 2022.

16 Münzenmaier, Werner: Überschuldung privater Haushalte in den 39 größten Städten Deutschlands 2017 bis 2021 – Analyse wesentlicher Ursachen, a. a. O, S. 42–45.