:: 4/2023

Programm NETZWERK FÜR GENERATIONEN

FaFo unterstützt Kommunen bei der Gestaltung des demografischen Wandels vor Ort

Mit dem Programm »Netzwerk für Generationen« der Baden Württemberg Stiftung unterstützt die FamilienForschung Baden-Württemberg (FaFo) des Statistischen Landesamts aktuell elf Städte und Gemeinden beim Auf- und Ausbau von gemeinwohlorientierten Generationennetzwerken. Mit einem netzwerkorientierten und generationenübergreifenden Ansatz lässt sich der soziale Gestaltungsspielraum in einer Kommune erheblich vergrößern. Eine Kultur des generationenübergreifenden Miteinanders erweist sich angesichts der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft für die Gemeinden und Städte als wichtiger Zukunftsfaktor.

Alterung der Bevölkerung setzt sich in Baden-Württemberg fort

Der Anteil der Menschen in Baden-Württemberg, die 60 Jahre und älter sind, wird sich bis zum Jahr 2030 deutlich erhöhen.1 Geprägt wird diese Entwicklung vor allem durch die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre, die sogenannte Baby-Boomer-Generation, die in den kommenden Jahren das Rentenalter erreichen wird. Dieser Alterungsprozess kann dabei weder durch einen starken Anstieg der Geburtenrate noch durch hohe Zuwanderungen jüngerer Menschen verhindert werden.2

Ältere Menschen werden zukünftig mehr und mehr unser Gesellschaftsbild prägen. Es ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der pflege- und hilfsbedürftigen Menschen in Baden-Württemberg deutlich steigen wird. Demgegenüber steht aber auch eine große Zahl an älter werdende Menschen, die sich gesundheitlich wohlfühlen. Gelingt es sie als Akteursgruppe ins kommunale Gemeinwesen einzubinden, bietet das für die Städte und Gemeinden eine große Chance, die eigenen bürgerschaftlichen Engagementstrukturen zu stärken und zukunftsfähig auszubauen.

Ausgehend von den demografischen Entwicklungen ist es entscheidend, dass alle Menschen in ihrem direkten Lebensumfeld ein erfülltes Leben bis ins hohe Alter führen können. Der Bedarf nach lebendigen Sozialräumen, nach gesellschaftlichem Zusammenhalt, nach sorgenden Gemeinschaften wächst. So auch die Notwendigkeit, die Begegnung und den Austausch der Generationen vor Ort zu fördern, Veränderungen zu begleiten und niederschwellige Hilfs- und Unterstützungsangebote auszubauen. Quartiersentwicklung, Sozialraumorientierung, Gesellschaftlicher Zusammenhalt oder die Sicherung der Zukunftsfähigkeit von Kommunen im ländlichen Raum sind dabei Themen, die auf Bundes- und Landesebene intensiv diskutiert werden.3 In Baden-Württemberg unterstützt die Strategie »Quartier 2030 – Gemeinsam.Gestalten.« des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration4 Städte, Gemeinden und Landkreise sowie die Zivilgesellschaft bei der alters- und generationengerechten Quartiersentwicklung.

Die örtlichen Strukturen generationenfreundlich, demografiebewusst und zukunftsfähig zu gestalten, stellt dabei vor allem kleine und mittelgroße Stadt- und Gemeindeverwaltungen in Baden-Württemberg, die in der Regel nicht über ausdifferenzierte Fachdienste oder Stabsstellen verfügen, vor große Herausforderungen. Um auf die Herausforderungen passende Antworten zu finden, sind individuelle Lösungen gefragt, die nur gemeinsam vor Ort entwickelt werden können.

Für eine Zukunft, die auf das Miteinander der Generationen baut

Die Begegnung und der Austausch zwischen den Generationen haben große Bedeutung für ein gelingendes Zusammenleben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Die Ergebnisse der aktuellen »Ageismus«-Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes5 zeigen, welche thematischen Konfliktlinien sich durch die Generationen ziehen und auch im Hinblick auf gesellschaftlich verwurzelte Altersstereotype angegangen werden sollten. Ältere Menschen werden von vielen jungen Befragten als Blockierende des gesellschaftlichen Fortschritts wahrgenommen. Insbesondere beim Thema Klimawandel fühlen sich die Jüngeren von den Älteren im Stich gelassen. Diese Konfliktlinien können durch lokale Räume des Austauschs sichtbar gemacht und gemeinsame Sichtweisen sowie Handlungsräume ausgelotet werden.6

Nicht nur aus der Perspektive der zunehmenden Alterung der Gesellschaft gewinnen Begegnungsmöglichkeiten an Bedeutung. Ebenso kommt die Bertelsmann Stiftung in ihrer Studie »Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Baden-Württemberg 2022« zu dem Ergebnis, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt durch die Pandemie gelitten habe, und hebt hervor, wie wichtig es sei, Orte der Begegnung zu schaffen, um die Kommunikation zwischen verschiedenen Menschen voranzubringen.7

Nur gemeinsam kann es gelingen einen lebendigen Sozialraum zu entwickeln, in den sich Menschen einbringen, Verantwortung übernehmen und gegenseitig unterstützen können. Dabei kommt starken Generationennetzwerken eine besondere Bedeutung zu. Sie tragen dazu bei, gesamtgesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen und die Begegnung und den Austausch zwischen den Generationen durch niederschwellige zugehende Projekte zu fördern.

Programm Netzwerk für Generationen

Hier setzt das Programm »Netzwerk für Generationen« an, das die FaFo im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung durchführt. Unter dem Motto »Gemeinschaft stärken – Familien unterstützen – Kinder fördern« wurden bisher elf Standorte in die Förderung aufgenommen. Diese Standorte konnten bereits vom kostenfreien Analyse-, Beratungs- und Qualifizierungsangebot profitieren.

Das Programm richtet sich dabei an Akteurinnen und Akteure der Familien-, Senioren-, Kinder/Jugend-, Generationen- oder Ehrenamtsarbeit in den Kommunen. Das Programm beinhaltet eine Analyse der Ausgangssituation, eine berufs­begleitende Qualifizierung sowie kollegiale Coachings, um die Arbeitsbereiche voranzubringen, die örtlichen Kooperationspartner weiter zu vernetzen und konkrete zugehende Projektansätze zu entwickeln und um­zusetzen.

Wie ist das Programm aufgebaut?

Das Programm »Netzwerk für Generationen« setzt sich aus drei Bausteinen zusammen: Analyse und Beratung, Qualifizierung, Austausch und Vernetzung.

Mit dem Analyse- und Beratungsangebot werden bestehende niedrigschwellige zugehende Projekte für alle Generationen und bereits vorhandene Netzwerkstrukturen in den Blick genommen. So können Lücken identifiziert, Qualifizierungsbedarfe ermittelt und passgenaue Ansätze für den Auf- und Ausbau der Netzwerk- und Angebotsstrukturen entwickelt werden.

Mit dem begleitenden Qualifizierungsangebot können die Teilnehmenden ihre Kenntnisse in der Netzwerk- und Projektarbeit berufsbegleitend vertiefen, konkrete niederschwellige Angebote initiieren und weitere Ideen für zukünftige Projekte entwickeln. Das breit gefächerte, modulare Qualifizierungsangebot ist online und interaktiv gestaltet. Das Angebot richtet sich dabei an den Bedarfen und Fragen der Teilnehmenden aus. Nach Abschluss der Qualifizierungen erhalten die Teilnehmenden jeweils ein Zertifikat.

Um im Anschluss an die Qualifizierung die weitere Umsetzung von niedrigschwelligen zugehenden Projekten voranzubringen, werden für die Netzwerkerinnen und Netzwerker regelmäßig stattfindende Vernetzungstreffen angeboten. Der Erfahrungsaustausch basiert auf dem Prinzip der kollegialen Beratung, das heißt, die Teilnehmenden erörtern mit den anderen Erfolgsfaktoren und Herausforderungen und unterstützen sich gegenseitig bei der Suche nach Lösungsansätzen. Bei vertiefendem Bedarf werden auch externe Referentinnen und Referenten für Fachimpulse eingeladen.

Generationennetzwerke fördern die Kinder-, Familien- und Generationenfreundlichkeit vor Ort

Es ist erkennbar, dass über einen netzwerkorientierten und generationenübergreifenden Ansatz Themen in der Kommune nicht mehr isoliert betrachtet werden. Neue Angebote werden von der Idee bis zur Umsetzung gemeinsam erarbeitet, wodurch sich nützliche Synergien ergeben. Der kommunale Gestaltungsspielraum lässt sich dadurch erheblich vergrößern und Angebote können leichter aufeinander abgestimmt werden. Die Netzwerke fördern die Kinder-, Familien- und Generationenfreundlichkeit vor Ort, durch niederschwellig zugehende Ansätze und die Weiterentwicklung der Hilfs- und Unterstützungsstrukturen für alle. Durch vielfältige Angebote wie offene Treffs, Familienbesuche, Kultur- und Bildungspatinnen und -paten für Kinder, Hausbesuche für Seniorinnen und Senioren, Nachbarschaftshilfen, Ehrenamtslotsinnen und -lotsen etc. werden das bürgerschaftliche Engagement sowie das Gemeinschaftsgefühl vor Ort gestärkt und soziale Distanzen abgebaut.

Die zu Beginn im Programm durchgeführten Standortanalysen machen Stärken und Schwächen des bestehenden kommunalen Angebots deutlich. Sie tragen dazu bei, Lücken zu identifizieren und daraus Handlungsbedarfe abzuleiten.

Das begleitende Qualifizierungsangebot ist bedarfsorientiert und setzt an den Vorerfahrungen und Bedürfnissen der Teilnehmenden an. Fragen, mit denen sich die Teilnehmenden im Programm befassen, sind etwa »Wie kann generationenverbindende Arbeit gelingen?«, »Wie können Engagierte für das Netzwerk gefunden werden?«, »Welche Rolle spielt Niederschwelligkeit bei meinen Angeboten?« Durch den kollegialen Austausch und die Reflektion in der Gruppe haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, Erfahrungswerte zu sammeln und den eigenen Arbeitsbereich fachlich und methodisch weiterzuentwickeln. Immer wieder werden auch Fachleute aus der Praxis dazu eingeladen.

Bei der Programmgestaltung wurde insbesondere berücksichtigt, dass sich eine Teilnahme am Programm gut in den Arbeitsalltag der Teilnehmenden integrieren lässt. Das breit gefächerte, modulare Qualifizierungsangebot ist online verfügbar und interaktiv. So finden zum Beispiel die einzelnen Qualifizierungsmodule im 4-Wochen-Rhythmus statt, bei einer Dauer von circa 2 Stunden.

Durch die Unterstützung der Baden-Württemberg Stiftung ist eine Teilnahme am Programm kostenfrei. Mit der neuen Förderrunde haben die Teilnehmenden zudem die Möglichkeit, durch einen neu eingerichteten Förderfond, finanzielle Unterstützung für die Umsetzung ihrer Projektideen zu erhalten.

Neue Förderrunde setzt das erfolgreiche Programm fort

Am 13. März 2023 hat eine neue Ausschreibungsrunde begonnen. Das Programm »Netzwerk für Generationen« richtet sich an kleine und mittelgroße Stadt- und Gemeindeverwaltungen in Baden-Württemberg mit bis zu 30 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Bewerbungsfrist ist am 12. Mai 2023.

Alle Informationen zum Programm und zur Ausschreibung erhalten Sie unter: www.fafo-bw.de

1 Brachat-Schwarz, Werner: Die Alterung der Bevölkerung in Baden-Württemberg – Zu den Ursachen des demografischen Wandels im Südwesten, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2022, S. 10–16.

2 Vgl. ebd. S. 15 ff.

3 Zum Beispiel BMFSFJ: Siebter Altenbericht. Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften, 2017 oder Boehnke, Klaus et.al: Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Baden-Württemberg 2022. Bertelsmann Stiftung (HG), 2022.

4 Quartier 2030: www.quartier2030-bw.de (Abruf: 03.03.2023).

5 Kessler, Eva-Marie/Warner, Lisa Marie (2022): Ageismus. Altersbilder und Altersdiskriminierung in Deutschland. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.). MKL Druck GmbH & Co. KG.

6 Vgl. ebd. S. 95. und S. 112.

7 Boehnke, Klaus et.al: Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Baden-Württemberg 2022. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), 2022, S. 101.