:: 7/2023

Zensus 2022: Vorbereitung und Durchführung der Bevölkerungszählung

Am 15. Mai 2022 war der Stichtag des Zensus 2022 in Deutschland. Der Zensus umfasste eine Gebäude- und Wohnungszählung sowie eine Bevölkerungszählung. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Bevölkerungszählung, welche a) als Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis bei knapp 1,7 Millionen (Mill.) Personen in Baden-Württemberg und b) als Vollerhebung an Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften durchgeführt wurde. Ziel war die Ermittlung, wie viele Personen im Südwesten aktuell wohnen, wie sich die demografische Struktur der Gesellschaft darstellt und welche sozioökonomischen Verhältnisse allen voran in den Bereichen Erwerbstätigkeit und Bildungsstand vorliegen.

Notwendigkeit der Bevölkerungszählung 2022

In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) werden nach der Verordnung (EG) Nr. 763/2008 alle 10 Jahre Volks- und Woh­nungszählungen (Zensus) angeordnet, um zuverlässige und qualitativ hochwertige Daten über die Bevölkerungs- und Wohnsituation innerhalb der EU zu erhalten. Die »Zensus-Runde« 2021 wurde in Deutschland aufgrund der anhaltenden Coronapandemie auf das Jahr 2022 verschoben und der Stichtag auf den 15. Mai 2022 terminiert.

Die Art und Weise wie die Daten der Bevölkerung durch einen Zensus erhoben werden, obliegt den einzelnen Mitgliedsstaaten und ist in deren Gesetzeswerken geregelt. In Deutschland wurde ein registergestütztes Verfahren gewählt, bei welchem vorhandene Registerdaten als Grundlage für die Durchführung des Zensus dienen. Die rechtliche Grundlage bildeten dabei das Zensusvorbereitungsgesetz (ZensVorbG 2022)1 und das Zensusgesetz (ZensG 2022)2, welche die Eckpunkte des Zensus unter anderem zur Organisation, den durchzuführenden Erhebungen und deren Inhalte, den zu befragenden auskunftspflichtigen Personen etc. festlegten. Da für die Durchführung des Zensus in Deutschland die Bundesländer und Kommunen zuständig waren, wurden landesspezifische Regelungen – wie im Gesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2022 (AGZensG 2022) in Baden-Württemberg – getroffen, um die bei der Durchführung des Zensus auf Landesebene anfallenden Aufgaben erledigen zu können.

Bei einem registergestützten Zensus stellen die Datengrundlage für die Bevölkerungszählung insbesondere die Melderegister der einzelnen Kommunen. Eine bloße Auszählung aus den Registerbeständen wäre unzureichend, da diese – zum Beispiel aufgrund unterbliebener An- und Abmeldungen – nicht immer aktuell sind und sich Abweichungen im Zeitverlauf kumulieren können. So sind einerseits Übererfassungen in den Registern (sogenannte »Karteileichen«) möglich, wenn Personen an einen anderen Wohnort vor allem ins Ausland umziehen oder versterben, ohne dass eine Abmeldung erfolgt. Andererseits können Untererfassungen in den Registern (sogenannte »Fehlbestände«) entstehen, wenn Personen an einem bestimmten Wohnort wohnen, ohne sich aber an diesem Wohnort anzumelden. Zusätzlich ist es durch die dezentrale Führung der Melderegister möglich, dass eine Person sich zum Beispiel beim Zuzug aus dem Ausland an zwei Orten gleichzeitig mit Hauptwohnsitz anmeldet und somit in den beiden kommunalen Melderegistern eingetragen ist.

Um das Hauptziel der Bevölkerungszählung – Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen3 in den Gemeinden sowie auf Landes- und Bundesebene – zu erreichen, werden in einem ersten Schritt die Melderegister der einzelnen Kommunen zu einem zentralen Datenbestand zusammengeführt und um mehrfach vorhandene Personen bereinigt, sodass jede Person nur noch einmal im Datenbestand vorhanden ist und Doppelzählungen verhindert werden. In einem zweiten Schritt werden der Datenbestand mittels einer Kombination aus einer vollumfänglich durchgeführten Erhebung aller Anschriften mit Sonderbereichen (Vollerhebung von Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften) und einer Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis an Normalanschriften (Korrekturstichprobe) statistisch korrigiert.

Die Personenerhebung wird als eine Kombi­nation aus Vollerhebung und Stichprobe durchgeführt. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit einer Vollerhebung in Wohnheimen (zum Beispiel Studierendenwohnheime) und Gemeinschaftsunterkünften (zum Beispiel Unterkünfte für Geflüchtete), den sogenannten Sonderbereichen, aus der Annahme heraus, dass an diesen Anschriften die Melderegister wegen einer höheren Fluktuation der Bewohnerschaft oder unzureichendem Meldeverhalten eine höhere Fehlerquote aufweisen können. Für Normalanschriften kann von einer geringeren Fehlerquote in den Melderegistern ausgegangen werden. Daher ist eine Stichprobenbefragung ohne nennenswerte Qualitätsverluste ausreichend. Da im Rahmen einer Stichprobe nicht alle Menschen befragt werden, ist das Verfahren für die Bevölkerung insgesamt belastungsärmer und daher kostengünstiger als eine Vollerhebung.

Wie bereits angeführt, stellt das Hauptziel der Bevölkerungszählung die Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen dar, da diese als Bemessungsgrundlage für eine Vielzahl von politisch-administrativen Entscheidungen – Einteilung von Wahlkreisen, Sitzverteilung im Bundesrat, Bund-Länder-Finanzausgleich, kommunale Planungen, etc. – von grundsätzlicher Bedeutung sind. Zusätzlich wurden in einer Unterstichprobe bei der Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis soziodemografische Merkmale insbesondere zu Bildung und Beruf erfragt, welche nicht in den Melderegistern enthalten sind und ebenso als Grundlage für gesellschaftliche Planungen und politische Entscheidungen erforderlich sind.

Bestimmung der auskunftspflichtigen Personen

Als Grundlage für die Befragungen war im Vorfeld der Erhebungen der Aufbau eines sogenannten Referenzdatenbestandes4 notwendig, in welchem die in den einzelnen Kommunen vorliegenden Melderegisterbestände der Meldebehörden auf Anschriftenebene zentral zusammengeführt wurden, da in Deutschland kein zentrales Melderegister mit entsprechenden Angaben existiert. Zusätzlich fanden in den Statistischen Landesämtern umfangreiche Recherchearbeiten statt, um die Anschriften für den jeweiligen Erhebungsteil – a) Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis an Normalanschriften und b) Vollerhebung an Anschriften mit Sonderbereichen (wie zum Beispiel Wohnheime) – zuweisen zu können.

Für die Befragungen an Normalanschriften wurde aus dem Referenzdatenbestand im Zuge der Stichprobenhauptziehung im Oktober 2021 eine repräsentative nach Anschriftengrößenklassen geschichtete Stichprobe gezogen. Um auch neue Anschriften wie beispielsweise frisch bezogene Neubauten, die erst nach der Hauptziehung in den Referenzdatenbestand integriert werden konnten, bei der Haushaltebefragung berücksichtigen zu können, fand kurz vor dem Stichtag eine Nachziehung statt.

Insgesamt betrug die Zahl der in Baden-Württemberg im Rahmen der Haushaltsstichprobe gezogenen Anschriften rund 330 000, an denen rund 1,7 Mill. Personen5 bzw. rund 15 % aller an Normalanschriften wohnhaften Einwohnerinnen und Einwohner von ehrenamtlichen Erhebungsbeauftragten im persönlichen Interview befragt wurden. Aufgrund des zugrundeliegenden Stichprobenmodells wurden allerdings nicht in allen Gemeinden 15 % der ansässigen Personen befragt. Da der Umfang der Stichprobe auch von der Größe und der Struktur der jeweiligen Gemeinden abhängig ist, erstreckte sich der Auswahlsatz der Stichprobenanschriften von rund 6 % in Stadtkreisen bis zu 100 % in kleinen Gemeinden. Dementsprechend lag – allen voran einhergehend mit der Größe der Gemeinde – der zu erhebende Anteil an zu be­fragenden Personen zwischen einer Stichprobe von rund 7 % (kleinster Auswahlsatz im Stadtkreis Pforzheim) bis zu einer Vollerhebung von 100 % (in den zehn kleinsten Gemeinden des Landes) und somit einer Befragung aller Personen in einer Gemeinde.

Für die Erhebung an Sonderbereichen wurden in Baden-Württemberg rund 10 000 Anschriften mit rund 270 000 wohnhaften Personen6 identifiziert (siehe i-Punkt »Aufbau und Pflege des Bestandes an Sonderbereichen«), die im Rahmen einer Vollerhebung erhoben wurden. Der Erhebungsmodus unterschied sich allerdings innerhalb der Sonderbereiche. Wohnheime wurden – wie auch bei der Haushaltsstichprobe – von Erhebungsbeauftragten erhoben, die die dort wohnhaften Personen persönlich befragten. Da anders als bei Wohnheimen in Gemeinschaftsunterkünften keine eigene Haushaltsführung der dort wohnhaften Personen gegeben ist, wurden nicht einzelne Personen befragt, sondern die Angaben wurden stellvertretend für diese bei den Einrichtungsleitungen erhoben.

Kommunen für Durchführung der Befragungen verantwortlich

Die Durchführung der Personenerhebung und damit die Befragung der auskunftspflichtigen Personen oblag der Verantwortung der Kommunen. Hierzu wurden in Baden-Württemberg in den Stadt- und Landkreisen sowie in einer Reihe größerer kreisangehöriger Gemeinden mit mindestens 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern insgesamt 103 Erhebungsstellen eingerichtet. Diese waren als eigenständige Verwaltungseinheit strikt von anderen kommunalen Verwaltungsbereichen abgeschottet. Dadurch war gewährleistet, dass im Rahmen der Erhebung gewonnene Informationen zu einzelnen Personen nur für statistische Zwecke genutzt wurden und keine Weitergabe an andere kommunale Bereiche erfolgte (sogenanntes Rückspielverbot).

Kernaufgabe der Erhebungsstellen war die für die Ermittlung der Einwohnerzahl maßgebliche »Existenzfeststellung« der an den zur Befragung vorgesehenen Anschriften wohnhaften Personen. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, wurden von den Erhebungsstellen landesweit rund 12 000 Erhebungsbeauftragte rekrutiert, um die Befragungen im Rahmen der Haushaltsstichprobe und die Erhebung an Anschriften mit Sonderbereichen durchzuführen (siehe Übersicht). Die Feldphase, in der nahezu alle Befragungen durchgeführt wurden, erstreckte sich vom Zensusstichtag Mitte Mai 2022 bis Anfang August 2022. In dieser Zeit kündigten die Erhebungsbeauftragten ihren Besuch bei den auskunftspflichtigen Personen per Einwurf eines Schreibens an. Neben dem Zeitpunkt, an welchem die entsprechenden Haushalte und Personen interviewt werden sollten, waren auch Telefonnummern der Erhebungsbeauftragen für die auskunftspflichtigen Personen angegeben, um den Interviewtermin bei Bedarf verschieben zu können. Wurden auskunftspflichtige Haushalte und Personen von Interviewerinnen und Interviewern nicht angetroffen bzw. verweigerten auskunftspflichtige Personen den Erhebungsbeauftragten die Auskunft, so wurde dies der Erhebungsstelle mitgeteilt und es begann das Mahnverfahren. Dieses reichte von einer ersten Erinnerung bis zu einer späteren Festsetzung von Zwangsgeld säumiger auskunftspflichtiger Personen.

Neben der Feststellung der Existenz war ein Teil der Befragten der Haushaltsstichprobe und der Befragten in Wohnheimen auch zu zusätzlichen soziodemografischen Fragen auskunftspflichtig. Da beim Zensus 2022 eine Online-First-Strategie seitens der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder verfolgt wurde, wurden den zur Auskunft verpflichteten Personen Online-Zugangsdaten für die Beantwortung dieser zusätzlichen Fragen ausgehändigt. Auf Wunsch der auskunftspflichtigen Personen wurden von den Erhebungsbeauftragten auch Papierfragebogen überreicht, die kostenfrei an die Erhebungsstellen zurückgesandt werden konnten.

Bereitstellung der Ergebnisse

Nachdem im Herbst 2022 alle notwendigen Daten von den zur Auskunft verpflichteten Personen erhoben waren und die Interviewphase vollständig beendet war, erfolgte die Aufbereitung der Daten. In diesem Prozessschritt werden die erhobenen Datenbestände plausibilisiert, um qualitativ hochwertige Datenbestände für die Ermittlung der amtlichen Einwohnzahlen und die weiteren Auswertungen zu den soziodemografischen Merkmalen zu erhalten. Der Veröffentlichungszeitpunkt der Zensusergebnisse ist für das Frühjahr 2024 geplant.

1 Michel, Nicole: Zensus 2021: Zensusvorbereitungsgesetz leitet die nächste Zensusrunde ein, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2017.

2 Jäger, Lutz: Der Zensus 2022 – Gesetzliche Grundlagen zur Durchführung, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 3/2021.

3 Maßgeblich dafür sind Personen mit alleinigem oder Hauptwohnsitz.

4 Dolezal, Sascha: Zensus 2021 – Das Steuerungsregister im Blickpunkt, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 6+7/2019.

5 Basis ist der Bestand an Personen aus dem zusammengeführten Melderegister zum Zensus-Stichtag am 15.05.2022.

6 Basis ist der Bestand an Personen aus dem zusammengeführten Melderegister zum Zensus-Stichtag am 15.05.2022.