:: 9/2023

Kinderunfälle im Straßenverkehr

Die Zahl der bei Straßenverkehrsunfällen in Baden-Württemberg verunglückten Kinder im Alter von unter 15 Jahren hat in den letzten Jahren merklich abgenommen. Dennoch sind im Jahr 2022 mehr Kinder als im Vorjahr verunglückt. Hier zeigt sich, dass das Unfallgeschehen in den Jahren 2020 und 2021 stark von dem reduzierten Verkehrsaufkommen aufgrund der Coronapandemie beeinflusst war. Die höchste bevölkerungsbezogene Verunglücktenbelastung wies dabei der Stadtkreis Freiburg im Breisgau aus, die höchste Absolutzahl an verunglückten Kindern verzeichnete dagegen der Ortenaukreis.

Auf den Straßen Baden-Württembergs ereigneten sich im Jahr 2022 insgesamt 290 663 Verkehrsunfälle, das waren 6,3 % mehr als 2021. Darunter waren insgesamt 33 891 Unfälle mit Personenschaden, die gegenüber dem Vorjahr um 12,1 % sichtlich zugenommen haben. Dabei verunglückten insgesamt 2 765 Kinder, 11,5 % mehr als 2021. Im Durchschnitt kamen 2022 jeden Tag mehr als sieben Kinder im Alter von unter 15 Jahren bei einem Straßenverkehrsunfall zu Schaden. Dennoch wurde das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 mit 3 261 verunglückten Kindern deutlich unterschritten.

Bei der langfristigen Betrachtung der Entwicklung der Verunglücktenzahlen lässt sich ein deutlicher Abwärtstrend bei Kindern feststellen (Schaubild 1). Kamen im Jahr 1990 noch 5 591 Kinder bei einem Verkehrsunfall auf den Straßen Baden-Württembergs zu Schaden, hat sich 20 Jahre später die Anzahl schon auf 3 433 Verunglückte im Kindesalter reduziert. 2022 hatte sich die Zahl der verunglückten Kinder im Vergleich zum Niveau des Jahres 1990 mehr als halbiert. Darüber hinaus lässt sich in diesem Zeitraum ebenfalls ein deutlicher Rückgang der bei Straßenverkehrsunfällen getöteten Kinder feststellen. So starben in den 1990er-Jahren durchschnittlich mehr als 41 Kinder pro Jahr, in der darauffolgenden Dekade hatte sich diese Zahl schon um fast 44 % reduziert. In den folgenden 10 Jahren verringerte sich dieser Wert weiter und lag für die 2010er-Jahre bei durchschnittlich zehn getöteten Kindern im Straßenverkehr pro Jahr. Dieser Abwärtstrend hält aktuell weiterhin an. Sowohl 2022 als auch 2020 verunglückten sieben Kinder tödlich im Straßenverkehr – bisher die niedrigste Zahl. Gleichwohl ist jedes im Straßenverkehr getötete Kind eines zu viel. 2021 lag die Zahl etwas höher bei acht getöteten Kindern, dennoch unterhalb des Niveaus der 2010er-Jahre. Diese Rückläufigkeit ist zudem bei den Schwerverletzten festzustellen. So waren 1990 noch 28,2 % der verunglückten Kinder schwer verletzt, 2010 lag dieser Anteil bei 17 % und sank weiter auf ein Niveau von ca. 12 % im Jahr 2022. Der Anteil der leicht verletzten Kinder hingegen stieg in dieser Zeitspanne von 70,8 % auf 87,8 % deutlich an (Schaubild 2).

Kinder haben im Verhältnis ein deutlich geringeres Unfallrisiko

Der Anteil von Kindern unter 15 Jahren an allen Verunglückten betrug 6,5 % bei einem Bevölkerungsanteil von 14,5 % im Jahr 2022. Bezogen auf die Bevölkerungszahl in ihrer Altersgruppe verunglückten 169 Kinder je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Das zeigt, dass Kinder, im Vergleich zu anderen Altersgruppen, ein deutlich geringeres bevölkerungsbezogenes Unfallrisiko haben (Tabelle 1). Insbesondere im Vergleich zur gefährdetsten Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen wird dies deutlich. Hier lag die altersgruppenspezifische Verunglücktenbelastung mit 760 verunglückten jungen Erwachsenen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern fast viereinhalbmal höher als bei den Kindern. Bei Betrachtung der Anzahl der Getöteten im Straßenverkehr zeigt sich ein ähnliches Bild. Hier ist festzustellen, dass Kinder das geringste Risiko aufweisen bei einem Straßenverkehrsunfall ums Leben zu kommen. So starben rechnerisch vier Kinder je 1 Million (Mill.) Einwohnerinnen und Einwohner. Im Durchschnitt aller Altersgruppen lag dieses Risiko in Baden-Württemberg bei 31 Getöteten je 1 Mill. Einwohnerinnen und Einwohner und somit fast achtmal höher als bei den unter 15-jährigen Kindern. Dennoch gelten Kinder als die schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, da sie oftmals das eigene oder fremde Verhalten noch nicht richtig einschätzen können und damit im täglichen Straßenverkehr ganz besonderen Risiken ausgesetzt sind.

Die meisten Kinder verunglücken in einem Pkw, auf einem Fahrrad oder zu Fuß

Von den im Jahr 2022 insgesamt 2 765 Verletzten bzw. Getöteten im Alter von unter 15 Jahren sind 937 in einem Personenkraftwagen (Pkw) verunglückt, dabei waren sie hauptsächlich als Mitfahrerinnen und Mitfahrer in den beteiligten Pkws unterwegs. In Summe kamen rund 34 % aller verunglückten Kinder als Pkw-Insassen zu Schaden. Auf einem Fahrrad (ohne Elektromotor) waren es im vergangenen Jahr insgesamt 899 Kinder. Somit war in etwa jedes dritte Kind auf einem Fahrrad unterwegs als es Opfer eines Verkehrsunfalls mit Personenschaden wurde (Schaubild 3). Die Zahl der zu Fuß verunglückten Kinder lag bei insgesamt 694 Personen, was einem Anteil von rund 25 % an allen verletzten und getöteten Kindern entspricht. Andere Verkehrsbeteiligungsarten wie Elektrokleinstfahrzeuge (E-Scooter) oder Pedelecs hatten lediglich einen geringen Anteil an den Verunglückten von 1 % oder 2 %. Aufgrund dessen können die Elektrokleinstfahrzeuge bei der folgenden Ursachenbetrachtung vernachlässigt werden.

Falsches Verhalten beim Überschreiten der Fahrbahn ist das häufigste Fehlverhalten

Bei 33 891 Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2022 war an 1 749 Unfällen mindestens ein Kind beteiligt; in 999 Fällen war das Kind Hauptverursacherin bzw. Hauptverursacher. 244 der 1 749 Unfälle waren sogenannte Alleinunfälle. Insgesamt waren 1 817 Kinder an einem Straßenverkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt. Die Polizei registrierte hierbei 854 Fehlverhalten von 1 033 Radfahrinnen und Radfahrer (einschließlich Pedelec) im Alter von unter 15 Jahren, die an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt waren. Am häufigsten machten Radfahrerinnen und Radfahrer im Kindesalter Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr. Diese Art von Fehler machten 13,5 % der hier registrierten Fehlverhalten aus (Tabelle 2).

Zweithäufigstes Fehlverhalten waren Fehler bei der Straßenbenutzung oder der Geschwindigkeit mit jeweils einem Anteil von 12,2 %. Bei den 727 Fußgängerinnen und Fußgängern im Alter von unter 15 Jahren, die an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt waren, konnten insgesamt 417 Fehlverhalten polizeilich festgestellt werden (Tabelle 3). Mit einem Anteil von 86,6 % wurden am häufigsten Fehler beim Überschreiten der Fahrbahn registriert, insbesondere das Überschreiten der Fahrbahn ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Somit kam dieses Fehlverhalten alleine schon auf einen Anteil von 43,6 % an allen registrierten Fehlverhalten der Fußgängerinnen und Fußgänger im Kindesalter. Darauf folgte als zweithäufigstes Fehlverhalten das Überschreiten der Fahrbahn durch plötzliches Hervortreten hinter Sichthindernissen mit einem Anteil von 28,5 %.

Bei Betrachtung der Unfallgegnerinnen und -gegner von den an Unfällen mit Personenschaden beteiligten Kindern zeigt sich, dass die meisten Unfallgegnerinnen und -gegner im Jahr 2022 Fahrerinnen und Fahrer von Personenkraftwagen waren. Mit insgesamt 1 039 Beteiligten und einem Anteil von 68 % hatten die Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer dabei den höchsten Anteil an allen Unfallgegnerinnen und -gegnern, die nicht im Kindesalter waren (1 527). In 524 Fällen waren sie dabei als Hauptverursacherin bzw. Hauptverursacher am Unfall beteiligt. Das häufigste Fehlverhalten der Autofahrerinnen und -fahrern war hierbei mit einem Anteil von 34,2 % ein »falsches Verhalten gegenüber Fußgängerinnen und Fußgängern«. Darauf folgten Fehler beim »Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren« (24 %) sowie Fehler im Bezug zur Vorfahrt und des Vorranges (14,1 %).

Unfallrisiko in den Kreisen stark unterschiedlich

Die regionale Betrachtung zeigt, dass die Zahl der verunglückten Kinder im Jahr 2022 in 31 von 44 Kreisen angestiegen ist. Mit insgesamt 149 verunglückten Kindern kamen im Ortenaukreis 2022 die meisten Kinder bei einem Straßenverkehrsunfall zu Schaden. Dieser verzeichnete zudem einen überdurchschnittlichen Anstieg gegenüber 2021 (32 %). In absoluten Zahlen folgten auf den Ortenaukreis im Jahr 2022 der Landkreis Esslingen mit 133 verunglückten Kindern und der Stadtkreis Stuttgart sowie der Rhein-Neckar-Kreis mit jeweils 125 Verunglückten. Die geringste Anzahl an verunglückten Kindern verzeichnete der Stadtkreis Baden-Baden mit lediglich sieben Verunglückten. Darauf folgten der Hohenlohekreis mit 24 sowie der Stadtkreis Ulm und der Landkreis Calw mit jeweils 29 verunglückten Kindern.

Den höchsten Anstieg allerdings verzeichnete der Schwarzwald-Baar-Kreis mit einem Zuwachs an verunglückten Kinder von knapp 85 %. Damit verunglückten hier im Straßenverkehr insgesamt 61 Kinder im Jahr 2022. Eine hierzu gegenläufige Entwicklung war im Landkreis Ludwigsburg zu beobachten, hier verunglückten insgesamt 116 Kinder, also 29 weniger als im Vorjahr (–20 %). Die stärkste rückläufige Entwicklung hingegen verzeichnete der Stadtkreis Pforzheim mit einem Rückgang von ungefähr 38 %. Hier kamen im Jahr 2022 insgesamt 34 Kinder bei einem Straßenverkehrsunfall zu Schaden.

Ein anderes Bild zeichnet sich bei der Betrachtung des bevölkerungsbezogenen Unfallrisikos ab, bei der die Anzahl der verunglückten Kinder im Alter von unter 15 Jahren ins Verhältnis zu ihrer jeweiligen Bevölkerungszahl in den Stadt- und Landkreisen gesetzt wird: Das hierbei rechnerisch geringste Risiko für Kinder zu verunglücken konnte in Baden-Württemberg der Stadtkreis Baden-Baden für diese Altersgruppe vorweisen. Hier lag die altersgruppenspezifische Verunglücktenbelastung im Jahr 2022 bei rund 96 verunglückten Kindern je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Das höchste Unfallrisiko verzeichnete der Stadtkreis Freiburg im Breisgau. Hier kamen rechnerisch 273 verunglückte Kinder auf je 100 000 der entsprechenden Altersgruppe. Darauf folgten der Landkreis Lörrach mit einer Verunglücktenbelastung von 235 sowie der Landkreis Konstanz, in dem diese bei 214 verunglückten Kindern je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern lag.

Positive Entwicklung bei Straßenverkehrsunfällen mit Beteiligung von Kindern

Aufgrund ihrer noch nicht vollständig ausgeprägten kognitiven und motorischen Fähigkeiten sowie ihrer mangelnden Erfahrung im Straßenverkehr unterliegen Kinder grundsätzlich einer hohen Gefährdung im Verkehrsgeschehen.

Umso erfreulicher ist die rückläufige Entwicklung der Zahl verunglückter Kinder in Baden-Württemberg. Insbesondere der langfristige Rückgang bei den Getöteten ist positiv hervorzuheben. Dennoch kristallisieren sich einige Gefährdungsschwerpunkte heraus. So kamen 2022 die meisten Kinder in einem Pkw, hauptsächlich als Mitfahrerin bzw. Mitfahrer, bei einem Straßenverkehrsunfall zu Schaden. Darauf folgten Kinder die auf einem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs waren.

Wenn Kinder im Alter von unter 15 Jahren an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt waren, zeigte sich zudem, dass bei den Radfahrerinnen und Radfahrern am häufigsten Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr gemacht wurden, zu Fuß war es vor allem das fehlerhafte Überschreiten der Fahrbahn.

Auch regional zeichnete sich ein heterogenes Bild im Unfallgeschehen ab. So verzeichnete im Jahr 2022 beispielsweise der Stadtkreis Freiburg im Breisgau das höchste bevölkerungsbezogene Unfallrisiko für Kinder, der Stadtkreis Baden-Baden hingegen das niedrigste.