Der Südwesten verliert Bevölkerung an andere Bundesländer
Zur Wanderungsverflechtung Baden-Württembergs mit dem übrigen Bundesgebiet
Baden-Württemberg ist seit vielen Jahrzehnten für Menschen aus aller Welt attraktiv. Anders ist es nicht zu erklären, dass seit Bestehen des Landes per saldo deutlich über 3 Millionen Menschen zugezogen sind. Die Motive für einen Zuzug waren dabei vielschichtig und haben sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Zuletzt wurde das Migrationsgeschehen vor allem durch die Flucht vor dem Krieg in der Ukraine geprägt. Allein im Jahr 2022 flohen etwa 130 000 Ukrainerinnen und Ukrainer per saldo in den Südwesten, aber auch aus anderen Staaten zogen wieder vermehrt Menschen zu.
Aufgrund dieser aktuellen Entwicklung ist allerdings in den Hintergrund getreten, dass sich das Wanderungsgeschehen innerhalb Deutschlands deutlich verändert hat: Konnte der Südwesten über viele Jahre hinweg Wanderungsgewinne auch gegenüber dem übrigen Bundesgebiet erzielen, hat das Land in den letzten Jahren zunehmend Einwohnerinnen und Einwohner durch Abwanderung an andere Bundesländer verloren. Im Fokus dieses Beitrags stehen dabei die Zu- und die Fortzüge aus den bzw. in die neuen Bundesländer seit der Wiedervereinigung, weil hier – gemessen an der Einwohnerzahl – die stärksten Verflechtungen bestehen, die sich außerdem im Zeitverlauf besonders stark verändert haben.
»Wanderungen kommen zustande, wenn ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen außerhalb ihrer Region bessere Lebenschancen wahrnehmen und diese in einer Zielregion zu finden glaubt. Ausbildungs-, arbeitsplatz- und familienorientierte Motive stehen hierbei im Vordergrund«, so die Definition von Josef Schmid, emeritierter Professor an der Universität Bamberg.1 Die vielfältigen Wanderungsmotive hängen unter anderem von der Distanz der Wanderungen ab. Während bei Nahwanderungen wohnungsbezogene, private und familiäre Motive eine große Rolle spielen, werden Fernwanderungen – und damit die meisten Umzüge zwischen Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern – überwiegend durch berufliche Gründe bedingt.2
Allerdings führen nicht nur persönliche Motive zu Wanderungen. Vielmehr kann das regionale Migrationsgeschehen auch administrativ gesteuert sein. Dies ist in Deutschland insbesondere bei Geflüchteten und Asylsuchenden der Fall, die nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden.3 Aus diesem Grund konzentriert sich die folgende Darstellung auf die Wanderungsverflechtungen der deutschen Bevölkerung.4 Dies ist auch deshalb vertretbar, weil – wie noch gezeigt wird – das Binnenwanderungsgeschehen in Deutschland ganz entscheidend von den deutschen Staatsangehörigen bestimmt wird.
1990 bis 1997: Zunächst höchste Wanderungsgewinne, dann Verluste
Baden-Württemberg erzielte nach den Ergebnissen der Wanderungsstatistik (vgl. i-Punkt) im Jahr der Wiedervereinigung 1990 mit rund 182 000 Personen den bisher höchsten Wanderungsgewinn seit Bestehen des Landes. Knapp ein Fünftel dieses Saldos entfiel auf Gewinne gegenüber dem übrigen Bundesgebiet (35 000 Personen). Dieser relativ hohe Wanderungsgewinn stieg im Jahr 1991 auf rund 38 000 Personen nochmals an, wobei er ganz entscheidend von der deutschen Bevölkerung bestimmt war (Schaubild 1).5 Weil die Wanderungsverflechtung mit Niedersachsen durch eine Besonderheit beeinflusst wird, wurde im Schaubild 1 der Wanderungssaldo bei der deutschen Bevölkerung gegenüber diesem Bundesland gesondert ausgewiesen. Die deutschstämmigen Spätaussiedler kommen nämlich zunächst im niedersächsischen Grenzdurchgangslager Friedland an, werden dort auch angemeldet und dann in ganz Deutschland verteilt.67
Im Jahr 1992 ging der positive Wanderungssaldo Baden-Württembergs deutlich zurück und war bereits im Folgejahr sogar negativ. Ursächlich hierfür war zum einen, dass die Zuwanderung aus den neuen Bundesländern, insbesondere aus Sachsen, gesunken ist (Schaubild 2c). Als maßgeblich für diese sich abschwächende Migrationsbewegung von Ost nach West wurden unter anderem der Anstieg der ostdeutschen Löhne sowie die abnehmende Anzahl an Arbeitsmöglichkeiten in den alten Bundesländern ab 1992 angesehen.8
Zum anderen hatten sich die Wanderungsverluste bei der deutschen Bevölkerung vor allem gegenüber Bayern und Rheinland-Pfalz bis etwa Mitte der 1990er-Jahre deutlich vergrößert (Schaubild 2a), und auch die Wanderungsbilanz gegenüber der Bundeshauptstadt verschlechterte sich (Schaubild 2b).9 Mitursächlich für diese Entwicklung könnte die damalige Krise in der Autoindustrie gewesen sein,10 von der der Südwesten besonders stark betroffen war.
1998 bis 2001: Erneuter Anstieg der Zuwanderung
Im Zeitraum 1998 bis 2001 stieg dann aber die Zuwanderung – vor allem aus den neuen Bundesländern – erneut an und erreichte im Jahr 2001 mit per saldo rund 28 000 deutschen Staatsangehörigen einen zwischenzeitlichen Höchststand. Für diesen neuerlichen Anstieg wurden insbesondere drei Gründe angeführt: Die Lohnangleichung zwischen Ost und West war zum Stillstand gekommen; die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern stieg weiter an, während sich die westdeutsche Arbeitsmarktlage verbessert hatte.11
Auch gegenüber den alten Flächenländern hatte sich die Wanderungsbilanz Baden-Württembergs in diesem Zeitraum günstig entwickelt: Aus Nordrhein-Westfalen zogen per saldo wieder Menschen zu, und die Wanderungsverluste vor allem gegenüber Bayern und Rheinland-Pfalz wurden zumindest verringert. Gegenüber den drei Stadtstaaten gab es in dieser Zeit dagegen nur geringe Änderungen.12
2002 bis 2012: Deutlich weniger Zuzüge aus den neuen Ländern und …
Ab dem Jahr 2002 ist die Abwanderung aus den ostdeutschen in die westdeutschen Bundesländer stetig zurückgegangen.13 Zogen noch im Jahr 2001 per saldo mehr als 25 000 Deutsche aus den neuen Bundesländern nach Baden-Württemberg, waren es im Jahr 2005 bereits weniger als 9 000 und im Jahr 2012 lediglich noch rund 1 500. Für diesen Trend waren allerdings nicht nur Verhaltensänderungen, sondern auch demografische Effekte verantwortlich: Die Zahl der jungen Erwachsenen, die durch eine besonders große Migrationsbereitschaft gekennzeichnet ist, war in den neuen Bundesländern zurückgegangen.
Die größten Veränderungen zeigten sich in diesem Zeitraum im Wanderungsgeschehen mit Berlin: War die Wanderungsbilanz Baden-Württembergs mit dem Stadtstaat zu Beginn der 2000er-Jahre noch leicht positiv, zogen ab 2008 jährlich zwischen 1 000 und 2 000 Personen per saldo aus dem Südwesten in die Bundeshauptstadt (Schaubild 2b).
… seit 2013 Wanderungsverluste gegenüber dem übrigen Bundesgebiet
In den Folgejahren hatte sich die Wanderungsbilanz Baden-Württembergs gegenüber dem übrigen Bundesgebiet weiter verschlechtert. Ab dem Jahr 2013 war der Saldo durchgehend negativ, und im Jahr 2022 wurden nur noch gegenüber Bremen und Nordrhein-Westfalen geringe Wanderungsgewinne erzielt. Die höchsten Wanderungsverluste gab es gegenüber Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Berlin.
In welchen Altersgruppen wandert Bevölkerung ab?
Als Zwischenfazit bleibt damit festzuhalten, dass sich die vor allem zu Beginn der 1990er- und der 2000er-Jahre hohen Wanderungsgewinne Baden-Württembergs gegenüber dem übrigen Bundesgebiet zuletzt in deutliche Wanderungsverluste verwandelt haben. Es stellt sich deshalb die Frage nach den möglichen Ursachen bzw. Motiven der Bevölkerung für diese Trendumkehr. Aus der amtlichen Wanderungsstatistik sind jedoch keine Wanderungsmotive verfügbar. Deshalb wurde hilfsweise das Wanderungsgeschehen nach Altersgruppen betrachtet, da zwischen dem Alter der Migrantinnen und Migranten, deren Motiven und auch der Wanderungsdistanz ein ursächlicher Zusammenhang besteht.14 Konkret wurden die Wanderungsverflechtungen der deutschen Bevölkerung in Baden-Württemberg mit dem übrigen Bundesgebiet für folgende Altersgruppen ausgewertet:
- unter 18-Jährige: Hier stehen familienbedingte Wanderungen im Vordergrund, da Minderjährige ganz überwiegend nicht alleine, sondern gemeinsam mit ihren Eltern umziehen.15
- 18- bis unter 30-Jährige: Hier handelt es sich vor allem um Umzüge von jungen Erwachsenen, die eine Ausbildung bzw. ein Studium beginnen oder in das Berufsleben einsteigen;
- 30- bis unter 65-Jährige: In dieser Altersgruppe dürften die Umzüge – zumindest bei Fernwanderungen – vor allem berufsbedingt sein;
- 65-Jährigen und Ältere: Hier handelt es sich ganz überwiegend um sogenannte Altersruhesitzwanderungen.
Um die Ergebnisse möglichst übersichtlich zu gestalten, wurden – zum einen – die Verflechtungen Baden-Württembergs nicht mit den einzelnen Bundesländern zusammengestellt; vielmehr wurden diese zu drei »Ländertypen« aggregiert und zwar zu »alte Bundesländer«, »Stadtstaaten« und »neue Bundesländer«. Zum anderen wurden, um Veränderungen im Zeitablauf deutlich zu machen, keine einzelnen Berichtsjahre betrachtet; stattdessen wurden die Ergebnisse der letzten 12 Berichtsjahre zu drei Zeiträumen zusammengefasst, die jeweils 4 Jahre umfassen: 2011 bis 2014, 2015 bis 2018 sowie 2019 bis 2022.
Zunehmende Abwanderung vor allem von jungen Erwachsenen …
Schaubild 3 zeigt zunächst, dass das Wanderungsgeschehen durch Umzüge von Personen im Alter von 18 bis unter 30 Jahren sowie von 30 bis unter 65 Jahren dominiert wird. Die überwiegend familiär bedingten Wanderungen der unter 18-Jährigen sowie die Altersruhesitzwanderungen der 65-Jährigen und Älteren spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle.
Zunächst zur Wanderungsverflechtung bei den 18- bis unter 30-Jährigen, bei denen der Eintritt in das Berufsleben sowie der Beginn eines Studiums oder einer Ausbildung im Vordergrund stehen dürfte. Während der Südwesten in dieser Altersgruppe im Zeitraum 2011 bis 2014 noch deutliche Wanderungsgewinne gegenüber den alten Bundesländern erzielen konnte, gingen diese in den Folgejahren zurück; im Zeitraum 2019 bis 2022 war der Saldo bereits negativ.
Ähnlich der Trend bezüglich der neuen Bundesländer: Auch hier verkehrten sich die Wanderungsgewinne bei den jungen Erwachsenen in -verluste. Dagegen hatte Baden-Württemberg bereits in den Jahren 2011 bis 2014 junge Erwachsene an die Stadtstaaten durch Wegzug verloren, und dieses Defizit hatte sich stetig vergrößert.
… und im Alter der 30- bis unter 65-Jährigen
In der Altersgruppe der 30- bis unter 65-Jährigen, bei denen im Falle von Fernwanderungen ebenfalls berufsbedingte Umzüge dominieren dürften, war der Wanderungssaldo Baden-Württembergs im Zeitraum 2011 bis 2014 gegenüber den drei gebildeten »Ländertypen« jeweils in etwa ausgeglichen (Schaubild 3a). In den Folgejahren lagen dann aber die Fortzüge aus dem Südwesten deutlich über den Zuzügen und zwar sowohl gegenüber den alten als auch gegenüber den neuen Bundesländern; diese Wanderungsverluste hatten sich dann im Zeitraum 2019 bis 2022 gegenüber den Jahren 2015 bis 2018 sogar jeweils in etwa verdoppelt. Lediglich gegenüber den Stadtstaaten war der Trend in dieser Altersgruppe etwas günstiger, das Defizit ging zuletzt leicht zurück.
Was sind die Gründe für die verstärkte Abwanderung?
Welche Erklärungsansätze gibt es dafür, dass Baden-Württemberg zunehmend Einwohnerinnen und Einwohner an das übrige Bundesgebiet verliert? Zu Beginn des Beitrags wurde Professor Josef Schmidt zitiert, wonach Menschen dorthin ziehen, wo sie sich bessere Lebenschancen unter anderem auf dem Arbeitsmarkt versprechen. Deshalb ist – auf den ersten Blick – die Abwanderung aus Baden-Württemberg erstaunlich, weil die bereits zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts relativ geringe Arbeitslosigkeit nochmals zurückging und der Südwesten nach Bayern weiterhin die geringste Arbeitslosenquote aufweist.
Allerdings war die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren auch im übrigen Bundesgebiet überwiegend positiv und zum Teil sogar dynamischer als in Baden-Württemberg. So ist vor allem in den neuen Bundesländern die Arbeitslosenquote beispielsweise gegenüber dem Jahr 2010 überdurchschnittlich stark gesunken (Schaubild 4). Die dort verbesserten Arbeitsmarktbedingungen haben deshalb wohl dazu geführt, dass sich die ursprünglichen Wanderungsverluste der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Wanderungsgewinne gegenüber dem Südwesten verwandelt haben (Schaubild 3).
Auch in den Stadtstaaten ging die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Jahr 2010 zurück; dennoch ist sie dort weiterhin relativ hoch.16 Möglicherweise hat sich deshalb das Wanderungsgeschehen der 30- bis unter 65-Jährigen zwischen Baden-Württemberg und Stadtstaaten – wie bereits gezeigt – im Zeitablauf kaum verändert. Dagegen dürften die Stadtstaaten vom etwa seit der Jahrtausendwende bundesweit zu beobachtenden generellen »Trend in die Großstädte« profitiert haben; vor allem Berlin ist für junge Erwachsene weiterhin sehr attraktiv.
Die Veränderung der Arbeitslosenquote in den Bundesländern kann damit zumindest bedingt als Indiz für eine Angleichung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Bundesländern gewertet werden. Diese Tendenz spiegelt sich auch zum Teil in der regionalen Entwicklung der Verdienste wider: Diese stiegen in allen neuen Bundesländern im Zeitraum 2010 bis 2020 prozentual stärker als in Baden-Württemberg an. Allerdings gab es auch alte Bundesländer mit einem schwächeren Zuwachs als im Südwesten, obwohl deren Verdienstniveau bereits im Jahr 2010 unter dem Bundesdurchschnitt lag; dies trifft insbesondere auf das Saarland und Schleswig-Holstein zu.17
Baden-Württemberg hat zwar nach Bayern die geringste Arbeitslosigkeit und mit die höchsten Verdienste in Deutschland. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Lebenshaltungskosten im Südwesten insbesondere aufgrund der Wohnungskosten überdurchschnittlich sind.1819 Das bedeutet, dass vor dem Hintergrund überdurchschnittlicher Lebenshaltungskosten in Baden-Württemberg einerseits und einer graduellen Angleichung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen innerhalb Deutschlands andererseits, der Anreiz, in den Südwesten zu ziehen, zuletzt sicherlich geringer als noch vor einigen Jahren war. Tatsächlich sind die Wanderungsverluste in den vergangenen Jahren, wie Schaubild 5 exemplarisch für die Verflechtung Baden-Württembergs mit Sachsen zeigt, ganz überwiegend auf weniger Zuzüge aus Sachsen zurückzuführen, während sich die Zahl der Fortzüge aus Baden-Württemberg nach Sachsen nur wenig geändert hat. Mit anderen Worten: Die Menschen ziehen nicht häufiger aus dem Südwesten in ihre frühere Heimat zurück; vielmehr kommen sie deutlich seltener nach Baden-Württemberg.
Elf Kreise im Südwesten konnten zuletzt noch Wanderungsgewinne erzielen
Baden-Württemberg hat zunehmend Bevölkerung an das übrige Bundesgebiet verloren. Aber gilt dies auch für das ganze Land oder gibt es diesbezüglich regionale Unterschiede? Um dies zu ermitteln, wurde abschließend noch die Wanderungsverflechtung der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs mit den übrigen Bundesländern ausgewertet. Immerhin elf Kreise konnten im Zeitraum 2019 bis 2022 bei der deutschen Bevölkerung Gewinne erzielen; am höchsten waren sie in Freiburg im Breisgau und in Heidelberg mit jeweils etwa 900 Personen (Tabelle). Diese beiden Stadtkreise profitierten – ähnlich wie auch Mannheim – sehr stark von der Zuwanderung junger Erwachsener. Allerdings hatte Mannheim erheblich mehr Einwohnerinnen und Einwohner als Heidelberg und Freiburg im Breisgau in der Altersgruppe der 30- bis unter 65-Jährigen verloren, sodass die »Quadratestadt« zu den Stadt- und Landkreisen mit den höchsten Wanderungsverlusten insgesamt zählt. Mit Abstand am höchsten war das Minus in der Landeshauptstadt.
Unter den Kreisen mit Wanderungsgewinnen waren auch der Bodenseekreis und der Landkreis Konstanz, die bei den Älteren die höchsten Gewinne erzielen konnten – wohl weil ältere Menschen als »Altersruhesitz« oftmals landschaftlich besonders attraktive Gegenden (zum Beispiel den Bodensee) oder Standorte mit einer insbesondere in medizinischer Hinsicht auf Ältere zugeschnittenen Infrastruktur (zum Beispiel Baden-Baden) präferieren.20
Ausblick: Kann die Abwanderung gestoppt werden?
Der Südwesten hat zunehmend Bevölkerung vor allem im erwerbsfähigen Alter an andere Bundesländer verloren. Wird sich dieser Trend fortsetzen oder ist eher mit einer erneuten Trendwende hin zu Binnenwanderungsgewinnen zu rechnen? Entscheidend hierfür dürfte vor allem die weitere Arbeitsmarkt- und Einkommensentwicklungen der baden-württembergischen Wirtschaft im Vergleich zum übrigen Bundesgebiet sein.
Konkret: Welche Rolle spielt künftig die in Baden-Württemberg sehr bedeutsame Autoindustrie; gelingt ihr die Transformation hin zur zu einer nachhaltigen und intelligenten Mobilität? Dies wird für die Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eine zentrale Aufgabe darstellen, wie auch in einer Stellungnahme des baden-württembergischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus deutlich zum Ausdruck gebracht wird: »Die größte Herausforderung liegt also nicht allein in der Einführung neuer Technologien, Produkte und Services, sondern in der zeitlichen Parallelität der Veränderungsanforderungen sowie der Vielschichtigkeit und Dynamik des Transformationsprozesses.«21 Dieser Antriebwende soll mit der sogenannten vierten Landesinitiative Elektromobilität ein weiterer Schub gegeben werden.22
Aber auch dann, wenn diese Transformation gelingen sollte, ist eine Trendumkehr bei der Migration innerhalb Deutschlands eher nicht zu erwarten. Denn der Fachkräftemangel dürfte sich aufgrund dessen, dass die geburtenstarken Jahrgänge (»Babyboomer«) in den nächsten Jahren zunehmend in Rente gehen werden, bundesweit eher verstärken, sodass die erwerbsfähige Bevölkerung in den anderen Bundesländern aufgrund des Arbeitskräftebedarfs vor Ort wenig Anreize haben, eine Arbeit in Baden-Württemberg aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist der Südwesten zweifelsohne zunehmend auf einen Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland angewiesen.