Unsicherheiten bremsen die Investitionstätigkeit der Südwestindustrie in 2022
Das Jahr 2022 war geprägt von Lieferengpässen sowie von enormen Preissteigerungen und Unsicherheiten im Energiesektor. Ursache hierfür waren die Folgen der Coronapandemie und des Ukrainekrieges. Einhergehend mit den allgemein starken Preissteigerungen legte die nominale Investitionstätigkeit der Südwestindustrie im Berichtsjahr 2022 zu. Preisbereinigt und damit real verzeichnete die Südwestindustrie im Jahr 2022 allerdings eine leicht negative Entwicklung der Investitionstätigkeit. Das gleiche gilt für die konjunkturreagiblen Ausrüstungsinvestitionen und die weniger konjunkturreagiblen Immobilieninvestitionen.
Mit Blick auf die Branchen der Südwestindustrie bleibt festzuhalten, dass es den Schlüsselindustrien im Jahr 2022 nicht gelungen ist, ihren strukturellen Anteil an den Gesamtinvestitionen auszubauen bzw. zu halten. Sowohl für die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« als auch für den »Maschinenbau« lässt sich ein Rückgang des realen Investitionsvolumens beobachten. Bei regionaler Betrachtung zeigt sich, dass im Jahr 2022 in zehn der insgesamt zwölf Regionen Baden-Württembergs nominal mehr investiert wurde als im Jahr 2021. Investitionsschwerpunkt blieb mit Abstand die Region Stuttgart, wenngleich ihr prozentualer Anteil an den Industrieinvestitionen rückläufig war.1
Trotz Unsicherheiten blieb die konjunkturelle Lage stabil
Die Südwestindustrie (siehe i-Punkt) und ihre konjunkturelle Entwicklung standen im Jahr 2022 stark unter dem Einfluss der Folgen der Coronapandemie und dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022. Steigende Preise und Unsicherheiten bezüglich der Energieversorgung dämpften die Entwicklung der Südwestindustrie bis zur Jahresmitte. In der zweiten Jahreshälfte 2022 entspannte sich die Lage, sodass sowohl die Produktion als auch die Umsätze zunahmen. Die Auftragseingänge vollzogen eine vom Produktions- und Umsatzindex deutlich abweichende Entwicklung. Nach einer Phase außergewöhnlich hoher Auftragseingänge gingen sie im Jahr 2022 insgesamt zurück. Im ersten Halbjahr 2022 fiel der Index der Auftragseingänge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum preisbereinigt zunächst leicht um 0,1 %. Damit lag er nach wie vor auf einem hohen Niveau. Aufgrund der weiteren schlechten Entwicklung beendete der Auftragseingangsindex das Jahr 2022 preisbereinigt mit einem Minus von 3,3 % gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: Im Vorjahr 2021 erreichte der Auftragseingangsindex sein bisheriges Rekordniveau und schloss mit einem Plus von 14,9 % das Jahr ab.
Die Produktion in der Südwestindustrie war im Jahr 2022 geprägt von den seit 2021 anhaltenden Lieferschwierigkeiten bei wichtigen Vorleistungsgütern, ebenso vom Ukrainekrieg und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Problemen. Trotz dieser schwierigen Situation stieg die Produktion im Laufe des Jahres 2022 leicht – aber kontinuierlich – an. Gegenüber dem Jahr 2021 erzielte die Südwestindustrie in der ersten Jahreshälfte preisbereinigt ein Produktionswachstum von 0,3 %. In der zweiten Jahreshälfte setzte sich diese Entwicklung fort. Für das Gesamtjahr 2022 ergab sich ein preisbereinigtes leichtes Plus von 0,7 % gegenüber dem Vorjahr (2021: +6,4 % gegenüber Vorjahr 2020). Damit konnte der Produktionsindex das Jahr 2022 leicht positiv abschließen.
Ähnlich wie die Produktion entwickelten sich im Jahresverlauf die konjunkturell nachgelagerten Industrieumsätze. Im ersten Halbjahr stiegen die Umsätze preisbereinigt leicht um 0,4 % zum Vorjahreszeitraum an. Im Gesamtjahr 2022 erreichte der preisbereinigte Umsatz ein Plus von 1,0 % gegenüber dem Vorjahr (2021: +5,8 % gegenüber Vorjahr 2020) und schloss wie die Produktion positiv ab.
Unter Berücksichtigung der schwierigen Rahmenbedingungen und des hohen Vorjahresniveaus war die erreichte Entwicklung der Südwestindustrie zwar sichtbar gedämpft aber stabil.2
Starke nominale Steigerungen des Investitionsvolumens – real leichtes Minus
Im Vorjahr 2021 entwickelte sich die konjunkturell nachlaufende Investitionstätigkeit nominal positiv und real negativ (nominal +1,2 % bzw. real –1,3 %).3 Im Jahr 2022 war nominal ein kräftiger Anstieg zu verzeichnen. Real blieben das Jahr 2021 und das Jahr 2022 aber vergleichbar. Nominal investierte die Südwestindustrie rund 732 Millionen (Mill.) Euro (+6 %) mehr als im Vorjahr in zu aktivierende, neu erworbene oder selbst erstellte Sachanlagen. Damit erreichte die Industrie in Baden-Württemberg ein nominales Investitionsvolumen von 12,9 Milliarden (Mrd.) Euro. Real und damit unter Berücksichtigung der enormen Preissteigerungen lagen die Investitionen der Südwestindustrie mit 181 Mill. Euro (–1,6 %) unter dem Vorjahr 2021 und erreichten ein reales Investitionsvolumen von 10,9 Mrd. Euro.
Der Verlauf des Konjunkturzyklus lässt sich an der langfristigen Entwicklung der Investitionstätigkeit ablesen (Schaubild 1). Von 1995 bis 2001 ist ein stetiger Anstieg der nominalen Investitionstätigkeit zu beobachten. Dieser endete unvermittelt mit dem Platzen der New-Economy-Blase. Es folgte eine Phase der Rezession mit einem deutlichen Rückgang der Investitionstätigkeit (–10,0 %). Dabei ist zu beachten, dass die Investitionstätigkeit dem Konjunkturzyklus nachläuft. Der Beginn eines neuen Konjunkturzyklus ist im Jahr 2006 mit dem Anstieg der Investitionstätigkeit erkennbar. Das Ende dieser Hochphase im Jahr 2009 fiel ähnlich unvorhergesehen wie bereits im Jahr 2002 aus. Auslöser dieses Einbruchs war die Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Folge war ein enormer Rückgang der Investitionstätigkeit (–24,1 %) in der Südwestindustrie gegenüber dem starken Vorjahr 2008. Im Krisenjahr 2009 wurde ein Tiefpunkt der Investitionstätigkeit erreicht. Danach stiegen die Investitionen im Rahmen der Expansionsphase bis 2018 kontinuierlich an. Eine Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage im Jahr 2019 führte erneut zu einem Rückgang der Investitionstätigkeit. Im Jahr 2020 kam es zu einem massiven Einbruch der Investitionen im Vergleich zum Vorjahr (–17,8 %). Die Ursache hierfür war der Ausbruch der Coronapandemie und die damit verbundenen weltweiten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Im Jahr 2021 war die wirtschaftliche Lage noch sehr stark von den Auswirkungen des Coronaschocks und den in Kraft stehenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie geprägt. Infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine entstanden im Jahr 2022 zusätzlich große Unsicherheiten bezüglich der Energieversorgungssicherheit. In der Konsequenz blieb die Investitionstätigkeit der Betriebe im Jahr 2022 zurückhaltend.
Reale Immobilieninvestitionen sinken
Die neu erworbenen bzw. selbst erstellten Sachanlagen errechnen sich aus den aktivierten Bruttozugängen an Sachanlagen in Grundstücken und Bauten (Immobilieninvestitionen) und den Investitionen in Maschinen und maschinelle Anlagen sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung (Ausrüstungsinvestitionen). Immobilieninvestitionen haben in der Regel einen längeren Planungshorizont, weshalb die Investitionstätigkeit hier weniger konjunkturreagibel ist als im Bereich der Ausrüstungsinvestitionen. In Schaubild 1 wird dies unter anderem für das Jahr 2020 deutlich. Die Südwestindustrie brach im Zuge der Corona-Maßnahmen vollständig ein. Die Ausrüstungsinvestitionen reagierten darauf mit einem deutlichen nominalen Rückgang von 19,2 % gegenüber dem Vorjahr 2019. Im Gegensatz hierzu war der Rückgang bei den Immobilieninvestitionen mit nominal 8,9 % im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringer.
Schaubild 1 zeigt ferner, dass sich die Immobilieninvestitionen in den Jahren 2018 und 2019 auf einem einmaligen Hoch befanden. Zur gleichen Zeit waren die Zinsen auf einem historisch niedrigen Niveau, wodurch Investitionen in diesem Bereich besonders attraktiv wurden. Im Erhebungsjahr 2020 sind die Immobilieninvestitionen aufgrund der Coronapandemie stark zurückgegangen. Im Jahr 2021 hielten sie sich auf einem nahezu konstanten Niveau. Im Jahr 2022 stiegen die Zinsen deutlich an und das wirtschaftliche Umfeld blieb stark von Unsicherheiten geprägt. Eine verhaltene Entwicklung der Immobilieninvestitionen war als eine Folge zu beobachten. Gegenüber dem Vorjahr 2021 konnte 2022 nominal ein leichter Anstieg um 1,9 % (30 Mill. Euro) verzeichnet werden. Insgesamt beliefen sich die Immobilieninvestitionen der Südwestindustrie im Jahr 2022 nominal auf 1,6 Mrd. Euro. Real verzeichnete die baden-württembergische Industrie hingegen einen deutlichen Rückgang der Immobilieninvestitionen von 11,6 % (142 Mill. Euro) gegenüber dem Vorjahr 2021 auf insgesamt 1,1 Mrd. Euro. Auch der strukturelle Anteil an den Gesamtinvestitionen sank von 12,9 % im Jahr 2021 auf 12,4 % im Berichtsjahr 2022. Der reale Strukturanteil verringerte sich in vergleichbarem Ausmaß von 11,1 % im Vorjahr auf 10,0 % im Jahr 2022.
Die Ausrüstungsinvestitionen stiegen 2022 nominal um 702 Mill. Euro (+6,6 %) auf ein Volumen von 11,3 Mrd. Euro an. Real verkehrte sich die Entwicklung auch hier mit einem leichten Rückgang um 38,6 Mill. Euro (–0,4 %) auf insgesamt 9,8 Mrd. Euro. Der Strukturanteil der Ausrüstungsinvestitionen erhöhte sich auf 87,6 % (real 90,0 %).
Nominal steigende Investitionsintensität in Zeiten von hohen Preisen
Die Investitionsintensität ist ein Indikator für das Verhältnis der getätigten Investitionen je Beschäftigten4 und stellt damit die Entwicklung des Kapitaleinsatzes in der Industrieproduktion dar. Sowohl die Beschäftigung als auch die Investitionen sind konjunkturell nachlaufend. In Schaubild 2 kann der zyklische Verlauf der Investitionsintensität für die Jahre 1995 bis 2022 entsprechend der Konjunkturphasen betrachtet werden. Eine Phase der Expansion mündet immer in einem Hochpunkt. Diese sind in der Abbildung für die Jahre 2001 (7 782 Euro je Erwerbstätigen), 2008 (9 225 Euro je Erwerbstätigen) und 2018 (11 113 Euro je Erwerbstätigen) zu erkennen. Ursächlich für die stärksten konjunkturellen Einbrüche waren die Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009 sowie die Corona-Pandemie im Jahr 2020. Im Jahr 2009 war ein Rückgang von 19,8 % gegenüber dem Vorjahr auf 7 400 Euro je Beschäftigten und im Jahr 2020 ein Rückgang von 14,7 % auf 9 364 Euro je Beschäftigten zu beobachten. Im Berichtsjahr 2021 stieg die nominale Investitionsintensität geringfügig an. Sie betrug 9 506 Euro (+1,5 %) je Beschäftigten. Die nominale Investitionsintensität lag im Jahr 2022 mit 9 957 Euro (+4,7 %) je Beschäftigten über dem Vorjahresniveau. Zu beachten sind dabei wieder die starken Preissteigerungen im Jahr 2021 wie auch im Jahr 2022, welche die nominale Entwicklung der Investitionsintensität sichtbar positiv beeinflusst hatten. Die reale Entwicklung der Investitionsintensität im Vorjahresvergleich fiel mit –1,0 % im Jahr 2021 und –2,8 % im Jahr 2022 negativ aus.
Reale Investitionsquote erreicht historischen Tiefstand
Die Investitionsquote gibt an, in welchem Verhältnis die getätigten Investitionen zum erwirtschafteten Umsatz stehen und in welchem Umfang reinvestiert wird. Insbesondere die Betrachtung der Investitionsquote über einen längeren Zeitraum bietet die Möglichkeit, strukturelle Veränderungen in der Investitionstätigkeit zu beobachten. Vor allem Branchenvergleiche oder regionale Unterschiede lassen sich auf diese Weise gut aufzeigen. In Schaubild 2 ist die Entwicklung der Investitionsquote seit dem Jahr 1995 bis einschließlich 2022 dargestellt. Auf einem konstant hohen Niveau von um die 4,0 % lag die Investitionsquote in den Jahren 1995 bis 2001. In den Folgejahren ist ein sukzessiver Rückgang zu beobachten. Im Berichtsjahr 2005 wurde ein Tiefpunkt mit einer Investitionsquote von lediglich 3,1 % erreicht. Diese Entwicklung war die Folge einer rückläufigen Investitionstätigkeit bei gleichzeitig steigenden Umsätzen. In der sich anschließenden konjunkturellen Aufwärtsphase stieg die Investitionsquote der Südwestindustrie bis auf 3,8 % im Jahr 2008. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise war nur ein leichter Rückgang des Indikators im Jahr 2009 zu beobachten, da Umsätze und Investitionen in einem ähnlichen Verhältnis einbrachen. Im Jahr 2010 zeigten die Umsätze deutliche Nachholeffekte zur Krisenzeit, jedoch stiegen die Investitionen nur geringfügig an, sodass die Investitionsquote mit 3,2 % erneut einen Tiefpunkt erreichte. In der anschließenden Phase des Aufschwungs blieb die Investitionsquote konstant auf einem Niveau von über 3,4 %. Im Berichtsjahr 2018 erreichte der Indikator mit 4,0 % einen weiteren Hochpunkt. Im Jahr 2020 brach die Konjunktur mit der Coronapandemie massiv ein. Als Konsequenz schränkte die Südwestindustrie ihre Investitionstätigkeit überproportional zu den Umsatzeinbußen ein. Die Quote war damit rückläufig und sank auf 3,5 %. Trotz der nach wie vor großen Unsicherheiten stiegen die Umsätze in der Südwestindustrie bis 2021 an. Jedoch wurden die Investitionen nur geringfügig ausgeweitet, sodass die Investitionsquote 2021 weiter zurückging auf 3,1 % und somit wieder das Niveau von 2005 erreichte. Im Jahr 2022 fiel die Quote mit 3,0 % noch niedriger aus und markierte damit einen neuen absoluten Tiefpunkt.
Auch wenn die Investitionsquote der Südwestindustrie im Jahr 2022 einen neuen historischen Tiefstand erreichte, lag sie immer noch leicht über dem Bundesdurchschnitt von 2,9 %. Gleichwohl ist in den letzten Jahren eine Annäherung an den Durchschnitt zu beobachten. So lag die Quote 2020 mit 3,5 % noch 0,1 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt, 2021 mit 3,1 % gleichauf und 2022 mit 3,0 % erneut nur 0,1 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt.
Anteil der Automobilindustrie am Investitionsgeschehen im Land weiterhin rückläufig
Als Schlüsselindustrien werden die wirtschaftlich bedeutendsten Branchen bezeichnet. In Baden-Württemberg sind dies, gemessen am Umsatz und Investitionsvolumen, die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« und der »Maschinenbau«. Beide Branchen prägen auch maßgeblich die Investitionstätigkeit in der Südwestindustrie (siehe Tabelle). Die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« wies 2022 im Vergleich zum Vorjahr ein nahezu konstantes nominales Investitionsvolumen in 2022 auf (2021: 3,6 Mrd. Euro, 2022: 3,7 Mrd. Euro). Damit erreichte der Sektor 2022 einen Strukturanteil von 29,0 %. Im Zeitverlauf ist zu beobachten, dass der Strukturanteil der Branche rückläufig ist und damit auch der Einfluss der Automobilindustrie auf das Investitionsgeschehen der Südwestindustrie (Strukturanteil 2019: 37,7 % bzw. 2020: 31,6 %; 2021: 29,9 %). Ursächlich hierfür waren die überdurchschnittlichen Rückgänge des Investitionsvolumens in den Jahren 2020 (–31,0 %) und 2021 (nominal –4,3 % bzw. real –6,9 %). Der deutliche Rückgang zeigte sich auch bei der Investitionsquote, die 2019 noch bei 5,0 % lag und 2020 auf 3,7 % sowie 2021 auf 3,1 % sank. Im Berichtsjahr 2022 fiel die Investitionsquote der Automobilindustrie mit 2,8 % unter den Industriedurchschnitt (3,0 %).
Die zweitgrößte Branche ist, wie oben bereits genannt, der »Maschinenbau«. Der Strukturanteil dieser Branche an den Gesamtinvestitionen der Südwestindustrie lag im Berichtsjahr 2022 bei 15,3 % und war damit ebenfalls rückläufig. Im Vorjahr 2021 hatte die Branche noch ein Strukturanteil von 15,6 % erreicht. Nominal stieg das Investitionsvolumen gegenüber dem Vorjahr zwar um 4,4 %, real ging es jedoch um 2,8 % zurück. Insgesamt belief sich das Investitionsvolumen der Branche »Maschinenbau« im Jahr 2022 auf 2,0 Mrd. Euro. Die Investitionsquote blieb mit 2,4 % wie im Vorjahr deutlich unter dem Industriedurchschnitt (3,0 %). In den letzten Jahren erreichten die beiden Branchen zusammengenommen nicht mehr einen Anteil von über 50 % der gesamten Industrieinvestitionen. Im Berichtsjahr 2022 ging der Anteil weiter zurück auf 44,3 % (2020: 48,3 %, 2021: 45,5 %).
Im Berichtsjahr 2022 verzeichneten in etwa zwei Drittel der Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe einen nominalen Anstieg der Investitionen. Die mit Abstand höchsten nominalen prozentualen Zuwächse gegenüber dem Vorjahr 2021 erzielten die Bereiche »Herstellung von Bekleidung« mit einem Plus von 164,2 % (27 Mill. Euro) und »Reparatur und Installation von Maschinen und Ausrüstungen« mit 117,4 % (62,7 Mill. Euro).
Position der Region Stuttgart als investitionsstärkste Region weiter rückläufig
Baden-Württemberg gliedert sich in zwölf Regionen. Die Entwicklung des nominalen Investitionsvolumens der Regionen seit 1995 ist im Schaubild 3 zu finden. Die Entwicklung der Südwestindustrie ist stark von den in der Region Stuttgart ansässigen Betrieben geprägt. Vor allem die dort beheimatete Branche der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« prägt das wirtschaftliche Bild. Im Jahr 2022 entwickelten sich die Gesamtinvestitionen in der Region Stuttgart sowohl nominal (–1,4 %) als auch real (–7,9 %) negativ. Das nominale Investitionsvolumen sank um ca. 53,6 Mill. Euro. Der Anteil an den gesamten Industrieinvestitionen in Baden-Württemberg verringerte sich dadurch auf 29,1 % (Vorjahr: 31,3 %). Gleichwohl blieb die Region Stuttgart damit die investitionsstärkste Region in Baden-Württemberg. Mit einem deutlich geringeren Anteil folgte die – nach Investitionsvolumen – zweitstärkste Region Heilbronn-Franken, deren Industriebetriebe nominal 1,3 Mrd. Euro im Jahr 2022 investierten. Dies ist deutlich mehr als im Vorjahr 2021 (nominal +17,3 % bzw. real +8,9 %). Mit diesem Investitionsvolumen erhöhte die Region Heilbronn-Franken ihren Anteil an den Gesamtinvestitionen der Südwestindustrie auf 10,4 %. Ein Investitionsvolumen von 0,9 Mrd. Euro verzeichnete die drittstärkste Region Neckar-Alb. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Investitionen in der Region nominal um 17,5 % und real um 7,7 %. Der Anteil der Region am gesamten Investitionsvolumen der Südwestindustrie erreichte damit 7,3 % (2021: 6,6 %).
Auf regionaler Ebene stiegen im Jahr 2022 in zehn der insgesamt zwölf Regionen Baden-Württembergs die nominalen Investitionen gegenüber dem Vorjahr 2021 (real: acht von zwölf Regionen) an. Die Region Mittlerer Oberrhein verzeichnete prozentual den größten Zuwachs von nominal 18,2 % (real +10,9 %) zum Vorjahr. Den zweitgrößten prozentualen Zuwachs zum Vorjahr erreichte die Region Neckar-Alb. Dort stieg das Investitionsvolumen im Jahr 2022 um nominal 17,5 % (real +7,7 %) gegenüber dem Vorjahr. Knapp dahinter blieb die Region Heilbronn-Franken mit einem nominalen Zuwachs von 17,3 % (real +8,9 %).
Nominal betrachtet erreichten zehn der zwölf Regionen eine positive nominale Jahreswachstumsrate (2008–2022) bei den Industrieinvestitionen. Real, also preisbereinigt, war dies allerdings nur in drei von zwölf Regionen der Fall. Über der durchschnittlichen Jahreswachstumsraten (2008–2022) der Südwestindustrie von +1 % p. a. bzw. real –0,7 % p. a. lagen im Jahr 2022 sieben der zwölf Regionen. Dies waren die Regionen: Ostwürttemberg (nominal +3,1 % p. a. bzw. real +1,4 % p. a.), Neckar-Alb (nominal +2,1 % p. a. bzw. real +0,3 % p. a.), sowie Donau-Iller (nominal +1,9 % p. a. bzw. real +0,2 % p. a.), Schwarzwald-Baar-Heuberg (nominal +1,7 % p. a. bzw. real 0 % p. a.) als auch Bodensee-Oberschwaben (nominal +1,6 % p. a. bzw. real –0,2 % p. a.), Heilbronn-Franken (nominal +1,6 % p. a. bzw. real –0,1 % p. a.) und Südlicher Oberrhein (nominal +1,3 % p. a. bzw. real –0,4 % p. a.).
Mietinvestitionen sind rückläufig
Ergänzend werden die nominalen Investitionen in gemietete und gepachtete neue Sachanlagen (Mietinvestitionen) (siehe i-Punkt) erhoben. Durch die Anmietung oder das Leasing von Sachanlagen sind die Unternehmen in der Lage, schnell auf sich ändernde Bedürfnisse oder Umstände zu reagieren. Somit reagieren sie auch stärker auf konjunkturelle Schwankungen als die bereits beschriebenen Ausrüstungs- und Immobilieninvestitionen. Schaubild 4 zeigt die Entwicklung der nominalen Mietinvestitionen von 1995 bis 2022. Es ist ein deutlicher Rückgang der Mietinvestitionen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr zu erkennen (–184 Mill. Euro bzw. –10,9 %). Insgesamt wurden von der Südwestindustrie im Jahr 2022 1,5 Mrd. Euro in neue gemietete und gepachtete Sachanlagen investiert. Der strukturelle Anteil der Mietinvestitionen an den Gesamtinvestitionen ist im Jahr 2022 auf 10,5 % gesunken (2021: 12,2 %).
Ausblick
Bevor der Blick in die Zukunft gerichtet werden kann, muss ein Blick in die jüngste Vergangenheit geworfen werden. Nur so kann das internationale wirtschaftliche Umfeld, von dem die Südwestindustrie aufgrund ihrer Struktur stark beeinflusst wird, verstanden werden. Bereits vor der Coronapandemie ging das Wachstum der Südwestindustrie zurück. Mit der weltweiten Verbreitung des Coronavirus im ersten Quartal 2020 und den in der Folge ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, brach die Entwicklung der Südwestindustrie mit einer bis dahin nie gesehenen Geschwindigkeit ein. Die folgenden Jahre 2021 und 2022 waren geprägt von den Auswirkungen der Bekämpfung der Pandemie. Mit der schlagartigen Abkehr der chinesischen Regierung von ihrer Null-Covid-Strategie Ende des Jahres 2022 ging der direkte Einfluss von Corona auf die wirtschaftliche Entwicklung deutlich zurück. Zwischenzeitlich hatten die Coronapandemie und die ergriffenen weltweiten Maßnahmen aber zu heftigen Verwerfungen im internationalen Handel geführt. In der direkten Folge entstanden Lieferengpässe und im Nachgang stiegen die Preise. Mit Beginn des Kriegs in der Ukraine Anfang des Jahres 2022 nahmen die Energiepreise zu und blieben für einen langen Zeitraum auf einem hohen Niveau. Erst zum Ende des Jahres 2022 – als sich abzeichnete, dass die Energieversorgung über den Winter gesichert ist – gaben die Energiepreise zusammen mit den Erzeugerpreisen gewerblicher Produkte und den Importpreisen nach.
Dies zeigt, welch heftiger Verwerfungen die Südwestindustrie in den letzten Jahren und im Jahr 2022 ausgesetzt war. Auch die Zinsen vollzogen, beeinflusst u.a. durch die Politiken der Notenbanken, im Jahr 2022 eine bemerkenswerte Entwicklung. Diese im Vergleich zu den Vorjahren hohen Zinsen hatten im Jahr 2023 Bestand. Für Investitionsentscheidungen ist neben den wirtschaftlichen Perspektiven insbesondere die Zinsentwicklungen entscheidend. Steigende Zinsen verringern in der Regel die Attraktivität von Investitionen.
Unter Berücksichtigung der verhaltenen wirtschaftlichen Entwicklung im Jahr 2023 und den nach wie vor hohen Zinsen ist für das Jahr 2023 mit einer weiterhin gedämpften Investitionstätigkeit zu rechnen. Gleichzeitig steht auch die Südwestindustrie vor einem umfassenden Veränderungsprozess. Dazu rücken Themen wie Nachhaltigkeit, die Abkehr vom Verbrennungsmotor sowie immer rasantere technologische Weiterentwicklungen immer stärker in den Fokus. Für die Umsetzung des Prozesses werden enorme Investitionen notwendig sein. Ob sich dieser Aspekt auf die tatsächlich gemessenen Investitionen im Jahr 2023 auswirkt, werden die nächsten Ergebnisse der Investitionserhebung zeigen.