Wahrheitsgehalt von Informationen und Umgangsformen im Internet
Erfahrungen der Bevölkerung im Südwesten mit fragwürdigen Informationen und Hassrede im Jahr 2023
Die Arbeitswelt, der private Alltag und zwischenmenschliche Beziehungen werden in der heutigen Zeit immer stärker von der Nutzung des Internets geprägt. 93 % der baden-württembergischen Bevölkerung nutzte im Jahr 2023 privat das Internet.1 Das Versenden von E-Mails (92 %) und (Video)-Telefonate (73 %) gehören zu den vielseitigen Internetaktivitäten denen die internetnutzende Bevölkerung im Südwesten nachging. Aufgrund geringer Kosten und offener Strukturen eignet sich das Internet insbesondere als schnelle und umfangreiche Informationsquelle und als Kommunikationsinstrument. So nutzten 72 % der im Internet aktiven Bevölkerung Sofortnachrichtendienste. Die Möglichkeit Inhalte unkompliziert bereitzustellen und die Anonymität des Internets bergen aber auch Risiken. Diese betreffen beispielsweise den Wahrheitsgehalt von Informationen. Immerhin 52 % der Internetnutzerinnen und Internetnutzer haben 2023 unglaubwürdige Inhalte gesehen. Ein weiteres Problem stellen die Umgangsformen im Internet dar. 30 % der im Internet aktiven Bevölkerung hat 2023 Inhalte wahrgenommen, die sie als feindselig oder erniedrigend einstuften. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit eben dieser Wahrnehmung von unwahren und zweifelhaften Informationen sowie feindseligen und erniedrigenden Inhalten.
Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet voran. 93 % der Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger haben im Jahr 2023 innerhalb der vor dem Befragungszeitpunkt liegenden 3 Monate das Internet privat genutzt. Das waren knapp 8 Millionen Personen. Bei der Bevölkerung, die eine Schule oder Universität besuchten, waren sogar 99 % online aktiv. Die an der eigenen Bevölkerungsgruppe gemessene geringste Aktivitätsquote erzielten die Personen im Ruhestand und andere Nichterwerbstätige. Hier nutzten nur 84 % das Internet (Tabelle und Schaubild 1). Dies geht auf die europaweite Befragung zur Internetnutzung in privaten Haushalten zurück. Diese wird in Deutschland jährlich von März bis Juni im Rahmen des Mikrozensus durchgeführt (siehe i-Punkt »Internet- und Telekommunikationsnutzung in privaten Haushalten«).
Zwei Bereiche des menschlichen Lebens, die besonders durch die Möglichkeiten des Internet beeinflusst werden, sind die Beschaffung von Informationen und die zwischenmenschliche Kommunikation. 63 % der Internetnutzenden gaben an, dass sie im Alltag Nachrichten über das Internet verfolgen. Nie war es zudem leichter, sich mit Menschen auf der ganzen Welt auszutauschen. Nicht nur das Senden und Empfangen von E-Mails (92 %) oder das Führen von Online-Telefonaten und Videoanrufen (73 %) wurden von der großen Mehrheit der im Internet aktiven Bevölkerung genutzt. Beinahe drei Viertel dieser Bevölkerung kommunizierte über Sofortnachrichtendienste (72 %) und mehr als die Hälfte war in sozialen Netzwerken aktiv (55 %). Bedeutend weniger Internetnutzende in Baden-Württemberg gaben an, Meinungsäußerungen zu verfassen (11 %) oder sich online an Beratungen und Abstimmungen zu politischen, sozialen und kommunalen Themen (8 %) zu beteiligen. Bei einigen Kommunikationswegen zeigt sich aus soziodemografischer Perspektive besonders der Einfluss des Alters. So nutzten nur 56 % der 55- bis unter 75-Jährigen Sofortnachrichtendienste und gerade einmal 30 % nahmen an sozialen Netzwerken teil. Bei den 16- bis unter 35-Jährigen kommunizierten 81 % über Sofortnachrichtendienste und 73 % waren in sozialen Netzwerken aktiv. Bei der E-Mail-Nutzung sind die Unterschiede zwischen den Altersgruppen hingegen vergleichsweise gering. Bei den 55- bis unter 75-Jährigen waren es 89 %, bei den 35- bis unter 55-Jährigen 94 % und bei den 16- bis unter 35-Jährigen 93 %.
Bewertung von Daten, Informationen und digitalen Inhalten
Das Internet ist dabei ein schnell und kostengünstig zu erreichender Ort, um miteinander zu kommunizieren, Informationen zu suchen und sie bereitzustellen. Von besonderer Bedeutung sind Inhalte, die einen Nachrichtencharakter haben und solche, die auf einer zwischenmenschlichen Beziehungsebene aufbauen oder diese beeinflussen. Beide Aspekte können einen direkten Einfluss auf Individuen oder die Gesellschaft haben. Dabei begünstigt die Struktur des Internets auch die Teilhabe von Menschen an öffentlichen Diskursen, für die dies aufgrund zeitlicher, monetärer oder machtpolitischer Faktoren in der analogen Welt nicht oder nur schwer möglich ist. Ein weiterer Vorteil kann hier sein, dass manche der Online-Kommunikationskanäle eine anonyme Teilhabe ermöglichen. Dies gilt insbesondere in Gesellschaften, in denen bei öffentlichen Meinungsäußerungen Repressionen möglich sind.
Die große Bedeutung, die das Internet in der Zwischenzeit als Quelle für die Beschaffung von Nachrichten und Informationen sowie als Kommunikationsmittel hat, birgt aber auch Risiken. Seine freie, oft Anonymität gewährende Struktur führt zu einer Informationsflut. Dabei ist der Wahrheitsgehalt von Veröffentlichungen nicht immer sichergestellt. Hinzu kommt die Funktionsweise von Algorithmen. Diese kann dazu beitragen, dass den Internetnutzenden trotz der Fülle an Themen, Argumenten und Meinungen die im Internet zu finden sind, hauptsächlich solche Inhalte präsentiert werden, die mit ihrem bisherigen Such- und Konsumverhalten übereinstimmen.
Um beurteilen zu können, wie die Erfahrungen und Fähigkeiten der Bevölkerung im Umgang mit inhaltlich fragwürdigen Internetbeiträgen sind, werden diese im Rahmen der EU-weiten Befragung zur Internetnutzung in privaten Haushalten erhoben. Erfasst werden Erfahrungen mit Inhalten auf Nachrichtenseiten und in sozialen Netzwerken. Nicht abgefragt werden die Einschätzung und der Umgang mit anderen im Internet gefundenen Informationen, wie die Bewertung von Restaurants, Produkten oder Dienstleistungen.
Über die Hälfte der Nutzenden ist auf unglaubwürdige Informationen im Internet gestoßen
Eine erste Frage erfasst die subjektive Wahrnehmung, ob eine Person innerhalb der 3 Monate vor der Befragung Informationen auf Nachrichtenseiten oder auf Social-Media-Plattformen gesehen hat, die diese für unwahr oder unglaubwürdig hielt. Bei solchen Informationen kann es sich zum Beispiel um Text-, Bild- oder Videomaterial handeln. Zu solchen unwahren Informationen gehören die »Fake News«. Der Begriff bezeichnet dabei laut Duden »in den Medien und im Internet, besonders in sozialen Netzwerken, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen«2.
Die Frage, ob unwahre oder unglaubwürdige Inhalte wahrgenommen wurden, haben 52 % der Befragten, die das Internet nutzten, mit »Ja« beantwortet (Schaubild 2). Dabei sind Unterschiede in den demografischen Gruppen feststellbar. Insbesondere die jüngste Bevölkerungsgruppe (57 %) und die mit einem hohen Bildungsstand (62 %) gaben an, fragwürdige Informationen wahrgenommen zu haben. Bei der ältesten betrachteten Bevölkerungsgruppe waren es hingegen nur 43 % und bei Personen mit einem niedrigen Bildungsstand 40 %.
Es gibt im Kontext von als falsch wahrgenommenen Informationen aber auch Gemeinsamkeiten zwischen den demografischen Gruppen: Nur weil eine knappe Mehrheit der Internetnutzenden manche Informationen als fragwürdig einschätzte, bedeutet dies nicht, dass sie ihre subjektive Wahrnehmung immer auf Richtigkeit überprüft. 52 % der Menschen, die unwahre Informationen im Internet wahrgenommen hatten, überprüften diese Inhalte nicht. In nur einer der betrachteten soziodemografischen Gruppen, für die gesicherte Ergebnisse vorliegen, prüfte mehr als die Hälfte ihre subjektive Wahrnehmung auf faktische Richtigkeit. Hierbei handelt es sich um die 16- bis unter 35-Jährigen (51 %).
Der relevanteste Grund dafür, dass der Wahrheitsgehalt der Information nicht überprüft wurde, war in allen soziodemografischen Gruppen die Einschätzung bereits zu wissen, dass es falsche Informationen sind. 66 % derjenigen, die fragwürdige Informationen nicht prüften, gaben dies als Grund an. Dabei handelt es sich wiederum nur um eine subjektive Wahrnehmung. Insbesondere Menschen mit einem hohen Bildungsstand gaben dies als Grund an (75 %). Auch Männer, Erwerbstätige sowie die 16- bis unter 35- und 35- bis unter 55-Jährigen gaben etwas häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt an, bereits gewusst zu haben, dass die Informationen falsch wären.
Entschieden sich die Internetnutzenden für die Prüfung fragwürdiger Inhalte, spielten soziodemografische Eigenschaften keine große Rolle: Die große Mehrheit (84 %) derjenigen, die als fragwürdig wahrgenommene Informationen prüften, verifizierten die Quelle online oder verglichen sie mit anderen Online-Quellen. Mehr als die Hälfte (52 %) überprüfte oder diskutierte die als unwahr eingeschätzten Informationen offline. Knapp ein Viertel (24 %) beobachtete oder beteiligte sich selbst an Online-Diskussionen zu diesen Informationen. Über die Hälfte dieser Personen (53 %) nutzten bei der Prüfung nur einen der drei möglichen Wege. 32 % setzten zwei der Prüfverfahren ein und immerhin 15 % gaben an alle drei Möglichkeiten zu verwenden.3
Wahrnehmung von feindseligen oder erniedrigenden Inhalten im Internet
Neben inhaltlich teils fragwürdigen Beiträgen birgt die Distanz zwischen den kommunizierenden Personen und die oft vorliegende Anonymität im Internet ein weiteres Risiko: Bei manchen Nutzenden ist die Hemmschwelle im Umgang mit anderen Personen online niedriger als bei analogen Interaktionen. Beleidigungen, Anfeindungen und Drohungen lassen sich im Internet leichter aussprechen als in der analogen Welt. In den letzten Jahren hat sich für feindselige und erniedrigende Inhalte der Begriff der Hate Speech (deutsch Hassrede) etabliert. Ihm werden verbale oder schriftliche Inhalte zugeordnet, deren Ziel es ist, eine andere Person oder Personengruppe zu verunglimpfen oder zu erniedrigen. In der amtlichen Statistik wird die Wahrnehmung von feindseligen oder erniedrigenden Inhalten – wie bereits die der Fake News – anhand von Fragen erhoben, die einen subjektiven Charakter aufweisen. Dabei liegt das Augenmerk nicht auf gegen einen selbst gerichteten Inhalt. Vielmehr wird erfasst, ob die Internetnutzenden allgemein auf Nachrichten gestoßen sind, die sie gegenüber einer Einzelperson oder einer Personengruppe als feindselig oder erniedrigend wahrgenommen haben. Relevant sind hier zum Beispiel Angriffe gegen eine Person oder eine Gruppe in Kommentarbereichen von Zeitungsartikeln, Blog-Beiträgen oder in sozialen Medien, die aufgrund persönlicher Merkmale erfolgen.
Fast ein Drittel der Internetnutzenden hat »Hassrede« im Internet wahrgenommen
Die Auswertungen dazu zeigen, dass knapp ein Drittel (30 %) der internetnutzenden Personen in Baden-Württemberg Beiträge wahrgenommen hat, die in ihren Augen als Hate Speech gewertet werden können. Die Wahrnehmung von Hassrede unterschied sich dabei teils deutlich zwischen den einzelnen soziodemografischen Gruppen. So fällt auf, dass die Altersgruppe der 16- bis unter 35-Jährigen die Gruppe ist, die – gemessen an der Gesamtheit ihrer soziodemografischen Gruppe – am ehesten Hassrede im Internet wahrnahm. 41 % der Internetnutzenden dieser Altersklasse gaben an Hassrede im Internet gesehen zu haben. Dem steht die Altersgruppe der 55- bis unter 75-Jährigen gegenüber. Hier gab nicht einmal jede fünfte Person (19 %) an, im Internet auf Hassrede gestoßen zu sein. Eine mögliche Ursache ist die unterschiedlich stark ausgeprägte Teilnahme an sozialen Netzwerken. Partizipierten 73 % der jüngsten Altersklasse an sozialen Medien, waren es in der ältesten nur 30 %. Neben dem Alter zeigt auch ein Blick auf das Bildungsniveau und den Erwerbsstatus Unterschiede in der Wahrnehmung von Hassrede. Personen mit einem höheren Bildungsstand (37 %), Erwerbstätige (32 %) und jene mit einem mittleren Bildungsstand (30 %) hatten eher das Empfinden, im Internet Hassrede gesehen zu haben, als die Bevölkerung im Ruhestand und andere Nichterwerbstätige (22 %; Wert ist eingeschränkt belastbar). Für Personen mit niedrigem Bildungsniveau, Personen die eine Schule und Hochschule besuchten sowie für Erwerbslose können keine Ergebnisse ausgewiesen werden, da diese statistisch zu unsicher sind.
Von Interesse ist aber nicht nur, von wem Hassrede wahrgenommen wird, sondern auch gegen wen sich diese richtet. Im Rahmen des Mikrozensus wird explizit gefragt, ob sich die wahrgenommenen Angriffe auf politische bzw. gesellschaftliche Ansichten, sexuelle Orientierung, Rasse oder ethnische Herkunft, Religion bzw. Weltanschauung, das Vorliegen von Behinderung oder andere persönliche Merkmale beziehen. Dabei sind die Antwortoptionen in der Realität oft nicht trennscharf. In vielen Fällen wird eine Person auf Grundlage mehrerer Merkmale angegriffen.
79 % derjenigen, die Hassrede im Internet wahrgenommen hatten, sahen diese in Verbindung mit politischen oder gesellschaftlichen Ansichten. Hierauf folgten die persönlichen Merkmale Rasse oder ethnische Herkunft (58 %), sexuelle Orientierung (55 %) und Religion oder Weltanschauung (51 %) als Angriffsfläche. Seltener wurde das biologische Geschlecht (40 %), andere persönliche Merkmale (29 %) und das Vorliegen einer Behinderung (24 %) als Ausgangspunkt für feindselige oder erniedrigende Äußerungen erkannt (Schaubild 3). Wie die Auswertungen weiter zeigen, nannten insgesamt ein Viertel der Personen, die Angriffe auf Basis von persönlichen Merkmalen wahrgenommen hatten, nur ein Merkmal als »Auslöser«. Auf zwei, drei und vier Merkmale führten 15 %, 18 % bzw. 12 % wahrgenommene Hassrede zurück.4
Interessant ist, dass es in Bezug auf die wahrgenommenen Persönlichkeitsmerkmale, die Ausgangspunkt für die Angriffe waren, zwischen den einzelnen soziodemografischen Gruppen, für die Ergebnisse ausweisbar sind, in weiten Teilen keine wesentlichen Abweichungen gab. In den meisten Fällen lagen die Unterschiede in der Wahrnehmung innerhalb einer Spanne von 5 Prozentpunkten. In drei Fällen kam es zu größeren Abweichungen: So gaben 54 % der Frauen, aber 62 % der Männer an, Anfeindungen auf der Basis von Rasse oder ethnischer Herkunft wahrgenommen zu haben. Auch hinsichtlich des Merkmals Religion und Weltanschauung kam es zu einer ausgeprägteren unterschiedlichen Wahrnehmung der Geschlechter: 46 % der Frauen und 55 % der Männer hatten Anfeindungen auf Basis dieses Merkmals erkannt. Am deutlichsten ist allerdings die unterschiedliche Wahrnehmung von Anfeindungen auf Basis der sexuellen Orientierung bei verschiedenen Altersgruppen: 47 % der 35- bis unter 55-Jährigen, aber 65 % der 16- bis unter 35-Jährigen hatten feindselige oder erniedrigende Beiträge wahrgenommen, die auf die sexuelle Orientierung einer Person oder Personengruppe zurückgingen. Für die älteste Altersgruppe ist das Ergebnis aufgrund statistischer Unsicherheit nicht ausweisbar.
Fazit
Die Auswertungen aus der Erhebung zur Internetnutzung in privaten Haushalten 2023 zeigen einmal mehr, dass das Internet für den Großteil der Bevölkerung inzwischen zum Lebensalltag gehört. Das Internet ermöglicht den Nutzenden unter anderem eine unkomplizierte, schnelle und kostengünstige Informationsgewinnung und bietet vielfältige Möglichkeiten zur zwischenmenschlichen Kommunikation. In der Befragung zur Internetnutzung in privaten Haushalten 2023 wurden die Nutzenden aber auch zu möglichen »Schattenseiten« befragt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass in der Bevölkerung das Wissen vorliegt, dass bei der Informationsgewinnung über das Internet »Vorsicht geboten« ist. Immerhin hat jede/-r zweite Internetnutzende angegeben, dass er bei der Informationsgewinnung auf Inhalte gestoßen ist, die er als unglaubwürdig ansieht. Fast jeder dritten Person sind Nachrichten aufgefallen, die nach persönlicher Einschätzung als feindselig oder erniedrigend gegenüber Personengruppen oder Einzelpersonen eingeschätzt wurden.