Gender Pay Gap 2023 – Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern in Baden-Württemberg
Frauen im Land verdienen im Durchschnitt 22 % weniger als Männer
In der öffentlichen Debatte um gleiche Bezahlung von Männern und Frauen bzw. Geschlechterdiskriminierung im Beruf ist der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern, der sogenannte Gender Pay Gap (GPG), eine wichtige Kenngröße. Auch im Zusammenhang mit dem internationalen Aktions-tag »Equal Pay Day« dürfte der Indikator vielen ein Begriff sein. 2024 fiel der »Equal Pay Day« in Deutschland auf den 6. März. Der jedes Jahr neu errechnete Tag markiert symbolisch die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, um so auf die Entgeltungleichheit zwischen den Geschlechtern aufmerksam zu machen.1
Im Jahr 2023 erhielten weibliche Beschäftigte in Baden-Württemberg einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 20,97 Euro, während der Durchschnitt bei männlichen Arbeitnehmenden 26,93 Euro pro Stunde betrug. Damit verdienten Frauen im Land durchschnittlich 22 % weniger pro Stunde als Männer. Welche Faktoren die Verdiensthöhe und vor allem den Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern beeinflussen und damit die Lohnlücke zumindest in Teilen erklären können, wird im nachfolgenden Text näher beleuchtet.
Von großer Bedeutung ist hier zum Beispiel, dass Frauen eher in schlechter bezahlten Berufen und Branchen arbeiten als Männer, seltener in Führungspositionen vertreten sind und häufiger in Teilzeit arbeiten. Vergleicht man die Einkommen von Frauen und Männer in ähnlichen beruflichen Situationen und Positionen, so liegt der Verdienstunterschied nur noch bei 6 % (bereinigter Gender Pay Gap).
Unbereinigter Gender Pay Gap bei 22 %, bereinigter Gender Pay Gap bei 6 %
Im Jahr 2023 erhielten weibliche Beschäftigte in Baden-Württemberg einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 20,97 Euro, während männliche Arbeitnehmende im Schnitt 26,93 Euro pro Stunde verbuchten. Frauen verdienten im Südwesten also im Durchschnitt 5,96 Euro weniger pro Stunde als Männer. Der unbereinigte Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern betrug damit 22 %. Diese geschlechtsspezifische Verdienstdifferenz wird als Gender Pay Gap bezeichnet (vergleiche i-Punkt »Gender Pay Gap«). Er ist in Baden-Württemberg auch im Jahr 2023 wieder höher als die Verdienstlücke für Gesamtdeutschland (18 %).
Von den 22 % Verdienstdifferenz lassen sich knapp drei Viertel bzw. 16 Prozentpunkte durch verschiedene geschlechtsspezifische Einflussfaktoren erklären. Unter Berücksichtigung dieser strukturellen Unterschiede, also beim Vergleich von Frauen und Männern in einer ähnlichen beruflichen Situation und Position (zum Beispiel Beruf, Arbeitszeitumfang, Ausbildungsabschluss usw.), fällt der Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern weit weniger deutlich aus. Gemessen am bereinigten Gender Pay Gap verdienten Frauen in Baden-Württemberg im Jahr 2023 pro Stunde 6 % weniger als ihre männlichen Kollegen in etwa vergleichbarer beruflicher Situation. Beim bereinigten GPG liegt der Südwesten damit 2023 im Bundesdurchschnitt (6 %). Somit bewegt sich die bereinigte Verdienstdifferenz sowohl in Baden-Württemberg als auch bundesweit auf ähnlichem Niveau wie 2014 und 2018 (je 6 %) sowie 2022 (je 7 %). Zu beachten ist jedoch unbedingt, dass aufgrund einer Erhebungsumstellung und der damit einhergehenden teilweise geänderten Erhebungsmethodik ab 2022 ein Bruch in den Zeitreihen besteht und die Vergleichbarkeit mit Angaben aus den Vorjahren deutlich eingeschränkt ist (siehe i-Punkt »Reform der Verdiensterhebungen – eingeschränkte Vergleichbarkeit mit früheren Ergebnissen auch beim Gender Pay Gap«).
Lohnlücke zwischen Mann und Frau verringert sich weiterhin nur langsam
In den letzten Jahren lässt sich eine, wenn auch sehr langsame, Verringerung der Verdienstlücke zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmenden, sowohl bundesweit als auch in Baden-Württemberg, beobachten. Betrug der unbereinigte GPG im Jahr 2006 für Gesamtdeutschland noch 23 % und im Südwesten 28 %, sank dieser bis zum Jahr 2022 im Bund auf durchschnittlich 18 %, während er im Südwesten 23 % Differenz erreichte. Für Gesamtdeutschland verharrte der Verdienstabstand auch 2023 auf 18 %, wohingegen sich der Abstand im Land mit 22 % im vergangenen Jahr leicht verringerte (Tabelle 1 und Schaubild 1).
Tätigkeit von Frauen in schlechter bezahlten Berufen und Branchen entscheidend für Verdienstabstand
Da der Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern also auch 2023 weiterhin deutlich war, stellt sich nun die Frage, worin diese Lohnlücke vornehmlich begründet ist?
Festzuhalten ist hierbei zunächst, dass sich mit den für die Analyse zur Verfügung stehenden Variablen fast drei Viertel (72,76 %) oder rund 4,34 Euro der unbereinigten Differenz von 5,96 Euro/Stunde erklären lassen und damit sogar etwas mehr als noch im Jahr 2022 (67,5 % bzw. 4,11 Euro) (Tabelle 2).
Eine wichtige Ursache für den Verdienstabstand sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene ist der Umstand, dass Frauen häufig in Branchen und Berufen tätig sind, in denen die Bezahlung geringer ist. Hierdurch lassen sich umgerechnet ca. 1,72 Euro des Verdienstunterschieds im Südwesten begründen (knapp 30 % von 5,96 Euro). Zum anderen arbeiten weibliche Arbeitnehmende häufiger in Teilzeit (erklärt 0,93 Euro bzw. 15,6 %) oder als geringfügig Beschäftigte (erklärt 0,31 Euro oder 5,2 %), was mit insgesamt geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten einhergeht. Auch ein weniger hohes Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit (Kategorien: Helfer, Fachkraft, Spezialist, Experte) beeinflusst den Verdienstunterschied, wodurch weitere 0,60 Euro oder 10 % Erklärungsanteil hinzukommen. Des Weiteren liefert zum Beispiel die Höhe des Ausbildungsabschlusses (erklärt 0,32 Euro oder 5,3 %), neben einigen anderen Faktoren wie Dienstalter, Befristung des Arbeitsvertrages und anderem, kleinere Erklärungsanteile für die unterschiedlich hohe Vergütung der Geschlechter. Letztlich lassen sich ca. 27,2 % des Verdienstunterschieds zwischen Männern und Frauen nicht durch die verfügbaren Merkmale im Schätzmodell erklären. Hierbei handelt sich um den bereinigten GPG von 6 %, welcher noch 1,62 Euro des Bruttoverdienstunterschieds unerklärt lässt bzw. bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation weiblicher und männlicher Arbeitskräfte dennoch bestehen bleibt. Da weitere für den Verdienst relevante Einflussfaktoren, wie beispielsweise Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Elternzeit und Pflege von Angehörigen für die Analyse nicht zur Verfügung stehen und damit nicht herausgerechnet werden können, dürfte der bereinigte Gender Pay Gap aber tatsächlich eher noch geringer ausfallen als die angegebenen 6 %.
Verkehr und Lagerei mit geringster Lohnlücke zwischen den Geschlechtern
Wie hoch oder niedrig waren die Verdienstdiskrepanzen zwischen Frauen und Männern in den einzelnen Branchen im Land im Jahr 2023?
Die größten unbereinigten Verdienstunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten zeigten sich mit 27 % bei den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (unter anderem Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, Unternehmensführung/-beratung, Werbung, Marktforschung, Architekturbüros, Forschung/Entwicklung, Veterinärwesen, Design-Ateliers, Fotografie), gefolgt vom Handel und der Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen mit 26 % sowie der Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (24 %). Darüber hinaus weist das im Südwesten beschäftigtenintensive Verarbeitende Gewerbe, in welchem weibliche Arbeitnehmende weniger stark vertreten sind als im Dienstleistungsbereich, mit 23 % ein recht hohes Verdienstungleichgewicht zwischen Männern und Frauen auf. Umgekehrt finden sich die geringsten Lohnungleichheiten zwischen den Geschlechtern im Wirtschaftszweig Verkehr und Lagerei (3 %), in der Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen (6 %) im Bergbau mit Gewinnung von Steinen und Erden (8 %) sowie im Gastgewerbe (9 %). Gerade im Gastgewerbe weisen die Verdienste von Frauen und Männern einen relativ geringen Lohnunterschied auf, liegen aber insgesamt auf einem verhältnismäßig niedrigen Level (Frauen 14,40 Euro, Männer 15,88 Euro) (Tabelle 3).
Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern mit Abitur am höchsten
In Bezug auf das Anforderungsniveau im Beruf besteht bei den Spezialisten- und Expertentätigkeiten, die tendenziell eher an Führungsaufgaben gekoppelt und an sich höher vergütet sind, mit 24 % und 25 % ein erheblicher Unterschied beim Verdienst nach Geschlecht. Demgegenüber weisen Tätigkeiten mit geringerem Anforderungsniveau (Helfende 12 % und Fachkräfte 13 %) auch geringere geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede auf (Tabelle 3).
Betrachtet man die Verdienstabstände von Frauen und Männern hinsichtlich der Schulabschlüsse, besteht der höchste Lohnabstand mit 26 % bei Frauen und Männern mit Abitur/Fachabitur, während beim Ausbildungsabschluss die größte Verdienstdifferenz mit je 24 % bei weiblichen und männlichen Personen mit Bachelor oder Meister-/Techniker-/Fachschulabschluss liegt. Dies könnte daran liegen, dass Männer in eher technischen Berufen oder in der industriellen Produktion einen höheren Verdienst haben als Frauen, die trotz entsprechend hoher Abschlüsse tendenziell eher in geringer bezahlten Branchen und Berufen zu finden sind. Das heißt, dass sich bei Frauen aufgrund ihrer Berufswahl, wie auch infolge beruflicher bzw. privater Entscheidungen im weiteren Erwerbsleben, gute Bildungsabschlüsse nicht im gleichen Maße wie bei Männern in der Vergütung niederschlagen.
Großteil der Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigten sind Frauen
Da der Beschäftigungsumfang eine nicht unerhebliche Ursache für den Gender Pay Gap darstellt, macht es in diesem Zusammenhang auch Sinn, sich die Zahlenverhältnisse zwischen den Geschlechtern zu verdeutlichen. Von den knapp 5,9 Millionen (Mill.) Beschäftigungsverhältnissen in Baden-Württemberg entfiel mit 3,25 Mill. Beschäftigten der Großteil auf Vollzeitkräfte. Ein knappes Viertel der erhobenen Beschäftigungsverhältnisse war in Teilzeit tätig (1,37 Mill.) und etwas unter 1 Mill. Menschen befanden sich in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis (0,97 Mill.). Wie aus Schaubild 2 ersichtlich, waren 47,6 % (2,8 Mill.) aller Beschäftigten weiblich. Bei den Vollzeitkräften machten Frauen mit 30,4 % (0,99 Mill.) jedoch einen deutlich kleineren Teil aus als Männer, während sie 81 % aller Teilzeitkräfte stellten (1,11 Mill.). Ebenso waren die weiblichen Arbeitnehmenden mit 58,7 % (0,57 Mill.) bei den geringfügig Beschäftigten deutlich in der Mehrheit.
Zwischen männlichen und weiblichen Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften besteht mit 21 % bzw. 22 % eine recht große Verdienstdiskrepanz. Demgegenüber zeigt sich bei Männern und Frauen mit geringfügiger Beschäftigung so gut wie kein unbereinigter Gender Pay Gap (unter 0,5 %). Auch in Abhängigkeit von anderen Merkmalen (Ausbildungsabschlüsse, Anforderungsniveau etc.) ist die Lohnlücke zwischen geringfügig beschäftigten Frauen und Männern niedriger ausgeprägt als bei Vollzeit- und Teilzeitkräften (Tabelle 3). Gründe hierfür sind sicherlich auch, dass es sich um eine Beschäftigtengruppe handelt, in der grundsätzlich eher niedrige Verdienste gezahlt werden und in welcher der Verdienst stark durch staatliche Vorgaben (Mindestlohn) reguliert wird.
Weitere Erklärungsfaktoren für den Verdienstunterschied
Auch die Merkmale mit geringerer Erklärungskraft für die Unterschiede in den Bruttostundenverdiensten von Männern und Frauen sollen an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Mit Blick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit steigt zum Beispiel mit zunehmendem Dienstalter in der Tendenz die Vergütung der Arbeitnehmenden, aber zugleich auch die Differenz bei der Bezahlung von weiblichen und männlichen Beschäftigten. Beim Berufsstart liegen die Verdienstunterschiede im Durchschnitt noch bei 12 %. Ab einer Zugehörigkeitsdauer von 11 Jahren und mehr in einem Unternehmen steigt die Diskrepanz auf 26 % und damit auf mehr als das Doppelte. Bei Teilzeitkräften mit 31 und mehr Betriebsjahren zeigt sich sogar ein Anstieg des Verdienstunterschieds bis auf 46 % zuungunsten der weiblichen Arbeitskräfte.
Mutterschaft wirkt sich auf nachfolgende Verdienstentwicklung bei Frauen aus
Interessante Einblicke bieten sich auch bei zusätzlicher Betrachtung des Verdienstunterschieds zwischen den Geschlechtern anhand des Lebensalters, welches oftmals eng mit dem Dienstalter verknüpft ist. Denn hier zeigen sich ganz ähnliche Entwicklungstendenzen wie bei der Dauer der Unternehmenszugehörigkeit. So erhalten Frauen und Männer in Baden-Württemberg in den ersten Beschäftigungsjahren bis etwa zum 20. Lebensjahr noch ungefähr den gleichen Bruttostundenverdienst, bevor die Vergütung bei männlichen Beschäftigten stärker zu steigen beginnt als bei weiblichen Arbeitskräften. Entscheidenden Einfluss scheint hier auch weiterhin der Start in die Familienphase zu haben und damit die Geburt des ersten Nachwuchses. Das erste Kind bekamen Frauen in Baden-Württemberg im Jahr 2022 im Schnitt im Alter von 30,7 Jahren (2021: 30,8 Jahre).
Wie aus Schaubild 3 ersichtlich, erhöht sich bei Frauen der Bruttostundenverdienst ungefähr ab einem Alter von 32 Jahren nicht mehr wie zuvor relativ kontinuierlich mit steigendem Lebensalter. Stattdessen stagniert der Stundenlohn für das gesamte weitere Berufsleben auf einem durchschnittlichen Niveau zwischen knapp 22 und etwas über 23 Euro. Bei den Männern wachsen die Stundenverdienste dagegen bis zu einem Alter von ungefähr 62 Jahren auf ein mittleres Niveau von über 33 Euro stetig an. Der größte Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern besteht mit 33 % in einem Alter von 60 bis 64 Jahren, bevor sich die Verdienste kurz vor dem Renteneintrittsalter und bei darüber hinaus erfolgender Beschäftigung, vor allem bedingt durch die Verringerung des Verdienstes bei den Männern, wieder annähern (13 %). Ursächlich dürften hier unter anderem Altersteilzeitregelungen oder auch der Wechsel in eine geringfügige Beschäftigung kurz vor oder nach dem Renteneintritt sein.
Es zeigt sich also vor allem im Alter zwischen etwa 30 und 60 Jahren und damit vornehmlich in der potenziellen Kindergeburts- und Erziehungszeit ein deutlich wachsender Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern von 15 % in der Altersgruppe Anfang 30 Jahre bis auf 33 % in der Altersgruppe ab 60 bis Mitte 60 Jahre. Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass es vor allem Frauen sind, die in der Phase der Familienbildung und Kindererziehung beruflich kürzertreten, in Teilzeit arbeiten oder eine berufliche Pause einlegen und sich dadurch in einer Situation wiederfinden, die berufliche bzw. Verdienstnachteile mit sich bringt. Eine Erwerbsunterbrechung oder Reduzierung des Beschäftigungsumfangs im Zusammenhang mit Schwangerschaft/Geburt und dem Großziehen des Nachwuchses beeinflusst also maßgeblich und nachhaltig die Verdienstentwicklung im Erwerbsleben von Frauen.
Außerdem kann auch weitere Care-Arbeit, wie die (Kranken-)Pflege und Betreuung von anderen Familienangehörigen hinzukommen, die oftmals Frauen erledigen.2
Vertragsbefristung beeinflusst Verdienstlücke, Tarifbindung dagegen nur bei Teilzeitkräften
In engem Zusammenhang mit der Betriebszugehörigkeitsdauer steht oftmals auch die Art des Arbeitsvertrags, also ob die Vertragsform befristet oder unbefristet lautet. Entsprechend ist die Vergütungsdiskrepanz zwischen Frauen und Männern bei Verträgen ohne Befristung und einer damit tendenziell längeren Betriebszugehörigkeit mit 23 % gut dreimal so hoch wie bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen (7 %). Dagegen scheint die Tarifbindung zumindest auf den Gender Pay Gap keine allzu großen Auswirkungen zu haben. So sind zwar die tarifgebundenen Löhne insgesamt als auch nach Geschlecht mit etwa einem Fünftel mehr Verdienst jeweils merklich höher als diejenigen ohne Tarifbindung. Mit Tarifbindung (23 %) liegt der Verdienstabstand zwischen den Geschlechtern aber etwa ebenso hoch wie ohne (22 %). Bei Teilzeitbeschäftigten dagegen macht die Tarifbindung einen deutlichen Unterschied in der Vergütung aus, vor allem bei männlichen Arbeitnehmenden, die mit Tarifbindung etwa 51 % mehr pro Stunde verdienen als ohne Tarifgebundenheit (33,30 gegenüber 22,04 Euro/Stunde). Da dies bei Frauen in Teilzeit deutlich weniger Einfluss auf die Vergütungshöhe hat (ca. 17 %; 23,70 gegenüber 20,23 Euro/Stunde), ist hier auch die Verdienstdifferenz zwischen den männlichen und weiblichen Teilzeitkräften mit Tarifbindung fast viermal so hoch wie bei Frauen und Männern in Teilzeit ohne Tarifbindung (29 % gegenüber 8 %) (Tabelle 3).
Im Hinblick auf die Größe des Unternehmens, in dem eine Person beschäftigt ist, lässt sich schließlich noch festhalten, dass die Verdiensthöhe sowohl bei Frauen als auch bei Männern mit zunehmender Beschäftigtenanzahl steigt, während eine Tendenz beim Verdienstunterschied weniger deutlich auszumachen ist, aber bei Großunternehmen mit 1 000 und mehr Beschäftigten mit 26 % am ausgeprägtesten ist (Tabelle 3).
Fazit und Ausblick
Durch den angesprochenen Erhebungswechsel sind die dargestellten Entwicklungen beim Gender Pay Gap in 2023 nur bedingt mit den Zahlen vor dem Jahr 2022 vergleichbar. Es lässt sich aber dennoch – mit kleinen Änderungen an der ein oder anderen Stelle – ein recht ähnliches Gesamtbild wie für die letzten Jahre zeichnen.
Den größten Einfluss auf den Verdienstunterschied, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, hatte dabei auch 2023 der Umstand, dass Frauen vielfach in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, die schlechter vergütet werden. Auch der Teilzeitanteil bei Frauen ist weiterhin erheblich höher und sie haben häufiger als Männer Unterbrechungen in ihrer Erwerbsbiografie, was durchschnittlich auch mit geringeren Bruttoverdiensten pro Stunde einhergeht. Während sich für 2022 noch eher eine Stagnation bei der Schließung der Verdienstlücke andeutete, da der bereinigte GPG im Vergleich zu 2018 leicht anstieg (von 6 % auf 7 %), ließ sich für 2023 eine leichte Verringerung sowohl des unbereinigten GPG von 23 % auf 22 % als auch des bereinigten GPG von 7 % auf 6 % beobachten.
Wie generell bei der Verdienstentwicklung seit 2020, hallen die Coronapandemie mit ihren Folgeerscheinungen und -maßnahmen sowie der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene stark angestiegene Inflation auch bei der Betrachtung der Verdienstunterschiede zwischen den Geschlechtern weiter nach. So führten gerade die verschiedenen Lockdown-Maßnahmen unter anderem mit Kita- und Schulschließungen während der Coronapandemie zum Teil zu einem stärkeren Aufleben traditioneller familiärer Rollenverteilungen, die eine noch verstärkte Fürsorgearbeit seitens der Frauen, ggf. zum Nachteil der beruflichen (Verdienst-)Entwicklung, zur Folge hatte.3
Wie sich die Bezahlung von Männern und Frauen nun kurz- und langfristig weiter entwickelt und welche Faktoren dafür Erklärungen liefern können, gilt es auch zukünftig anhand der jährlichen Ausweisung des unbereinigten sowie bereinigten Gender Pay Gap und flankierender Zahlen auf Grundlage der Verdiensterhebung zu beobachten und auszuwerten. Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Relevanz wird die Entwicklung des Verdienstunterschiedes zwischen Frauen und Männern dabei auch weiterhin im öffentlichen Interesse stehen.