Erste Ergebnisse der Agrarstrukturerhebung 2023
Großviehhaltung weiterhin rückläufig – Ökolandwirtschaft mit Wachstum
Durch die anhaltenden Proteste der Bäuerinnen und Bauern in Deutschland und anderen Ländern der EU ist das gesellschaftliche, politische und mediale Interesse an der Landwirtschaft enorm gestiegen. Passend dazu können mit den ersten Ergebnissen der Agrarstrukturerhebung 2023 aktuelle Daten und Entwicklungen der Landwirtschaft in Baden-Württemberg aufgezeigt werden. Nach der umfassenden Landwirtschaftszählung 2020 werden mit der Agrarstrukturerhebung 2023 agrarstrukturelle Themenbereiche umfassend abgedeckt. In diesem Beitrag werden wichtige Kennzahlen zum Strukturwandel, der Viehhaltung, dem ökologischen Landbau, den Arbeitskräften und den Besitzverhältnissen landwirtschaftlicher Flächen aufgezeigt.
Es zeigt sich, dass der Strukturwandel weiter anhält und vor allem die Viehhaltung mit einem Rückgang an Betriebszahlen, aber auch an Tierbeständen gekennzeichnet ist. Zuwachs kann dagegen im ökologischen Landbau festgestellt werden.
Insgesamt 37 500 landwirtschaftliche Betriebe wurden im Jahr 2023 in Baden-Württemberg durch die Agrarstrukturerhebung erfasst. Bei der letzten Landwirtschaftszählung im Jahr 2020 waren es noch 39 085 (Tabelle). Demnach nahm die Anzahl der Betriebe um 4,1 % ab, was einer jährlichen Abnahmerate von 1,4 % entspricht. Im Zeitraum zwischen 2010 und 2020 lag diese Rate bei 1,3 %. Bei einer stabilen landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) von 1,4 Millionen (Mill.) Hektar (ha) stieg die durchschnittliche Betriebsgröße seit 2020 von 36,0 ha auf 37,5 ha. Es zeigt sich also, dass der Strukturwandel in Baden-Württemberg in gleicher Art und Geschwindigkeit weitergeht. Betriebsaufgaben machen sich vor allem in der vorherrschenden Rechtsform der Einzelunternehmung (Familienbetriebe oder Einzelpersonen) bemerkbar. Ihre Anzahl sank in diesen 3 Jahren um etwa 2 100 auf 32 130 Betriebe. Von diesen wegfallenden Betrieben gab es teilweise Umwidmungen zu Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), die als Vorstufe zur Umsetzung einer Hofnachfolge dienen können. Es könnte sich dabei aber auch um Betriebszweigausgliederungen oder -gemeinschaften handeln.1 Dies gilt es bei der Interpretation der Zunahme um etwa 600 auf 4 620 Betriebe der Rechtsform GbR zu beachten.
Weiterhin Schwund in der Rinder- und Schweinehaltung – starker Strukturwandel in der Milcherzeugung
Die Viehhaltung im Land steckt weiterhin in einem starken Veränderungsprozess. Vor allem in der Rinder- und Schweinehaltung, den bedeutendsten Tierarten in Baden-Württemberg, sind hohe Abnahmeraten zu registrieren. So ging seit 2020 die Betriebszahl in der Rinderhaltung um 8 % auf 12 280 und in der Schweinehaltung sogar um 14,5 % auf 3 430 zurück. Mit jährlichen Abnahmeraten von 2,7 % und 5,1 % lagen die Rinder und Schweine haltenden Betriebe deutlich über dem Gesamtdurchschnitt. In Betrachtung der Bestandsentwicklungen sind zwischen den beiden Tierarten größere Unterschiede festzustellen. Während der Rinderbestand moderat um 3,2 % auf 898 700 Tiere sank, reduzierte sich der Schweinebestand innerhalb von 3 Jahren um fast ein Viertel (–22,6 %) auf 1,29 Mill. Tiere.
Der wirtschaftlich bedeutendste Bereich der Nutztierhaltung im Land stellt die Milcherzeugung dar. Im Vergleich zur Rinderhaltung im Gesamten erfährt sie einen noch stärkeren Strukturwandel. Im Zeitraum zwischen 2020 und 2023 sank der Milchviehbestand um 4,8 % und gleichzeitig ging die Betriebszahl um 18,6 % zurück. Der Durchschnittsbestand machte einen Sprung von 53 auf 63 Milchkühen je Betrieb. Die Aufgabe der Milcherzeugung hängt bei diesen Betrieben häufig mit einem generellen Abbau des Rinderbestands zusammen. Der arbeitsintensive Milchviehbereich wurde hierbei prioritär abgebaut.
Zuwachs in der Eiererzeugung und Hühnermast
Die Geflügelhaltung und im speziellen die Hühnerhaltung befindet sich dagegen weiter im Aufwind. Zum einen setzt sich der Positivtrend in der Legehennenhaltung weiter fort, denn zwischen 2020 und 2023 nahm die Zahl der Legehennen um 170 000 auf 3,41 Mill. zu. Zum anderen verzeichnet der Bestand an Masthühnern und Masthähnen, der um 295 300 auf 1,66 Mill. anwuchs, einen noch stärkeren Anstieg. Diese Entwicklung könnte im Zusammenhang mit dem Verbot des Kükentötens seit dem 1. Januar 20222 und der damit verbundenen Ausweitung der Aufzucht von männlichen Küken (»Bruderhähne«) aus Legerassen stehen. Beim weiteren Geflügel sind nur in der Haltung von Truthühnern nennenswerte Bestände (etwa 1,1 Mill.) zu verzeichnen.
Ökolandbau wächst – aber auch genug?
Sowohl bezogen auf die bewirtschaftete Fläche als auch auf die Betriebszahl weist der ökologische Landbau in Baden-Württemberg ein Wachstum im Vergleich zum Jahr 2020 auf. Die ökologisch bewirtschaftete LF wurde bis zum Jahr 2023 um 12,9 % auf 196 000 ha ausgeweitet und bei den Öko-Betrieben gab es einen Zuwachs um 7,1 % auf 4 780. In Relation zur gesamten LF in Baden-Württemberg kann nun ein Öko-Anteil von 14 % ausgewiesen werden. Bis 2030 sollen gemäß Bio-Aktionsplan der Landesregierung zwischen 30 % und 40 % der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste die derzeitige Öko-Fläche mehr als verdoppelt werden. Rechnerisch bedarf es dafür eine jährliche Zuwachsrate von 11,5 %. Zwischen 2020 und 2023 lag diese bei lediglich 4,1 % und war damit sogar rückläufig. Die jährliche Zunahme im Zeitraum zwischen den Jahren 2010 und 2020 lag bei 5,8 % (Schaubild 1).
Mit 41,1 ha waren die nach ökologischer Bewirtschaftung voll- und teilumgestellten Betriebe größer als der allgemeine Durchschnitt. Dies liegt unter anderem daran, dass ökologisch zertifizierte Betriebe aufgrund ihrer extensiven Bewirtschaftung einen höheren Flächenbedarf haben. Zudem wird durch die angestrebte einzelbetriebliche Kreislaufwirtschaft häufiger Vieh als in konventionellen Betrieben gehalten, wofür nach ökologischen Richtlinien Weideflächen vorgehalten werden müssen. Der Anteil Vieh haltender Betriebe (2 960) unter den Öko-Betrieben lag mit 61,9 % über dem allgemeinen Durchschnitt von 56,8 %.
Mehr Biomilch aus Baden-Württemberg
Die ökologische Viehhaltung fokussiert sich vor allem auf die Haltung von Rindern. Die 2 180 Rinder haltenden Betriebe, welche in Summe auf insgesamt 89 000 Großvieheinheiten (GVE)3 kamen, nahmen einen Anteil von 84 % an den gesamten GVE in Öko-Betrieben ein. Die Erzeugung von Biomilch fand im Jahr 2023 auf 780 Betrieben (+3,4 %) mit insgesamt 37 500 Milchkühen (+6,2 %) statt. Im Gegensatz zur gesamten Milcherzeugung können hier seit 2020 sogar Zunahmen verzeichnet werden. Während die ökologische Viehhaltung auch bei der Haltung von anderen Kühen und Ziegen mit jeweils einem Anteil von fast einem Drittel eine hohe Relevanz aufweist, steckt die ökologische Schweinehaltung in einer Nische. Nur 36 000 Schweine (2,8 %) werden nach ökologischen Richtlinien gehalten.
Anzahl der Arbeitskräfte weiterhin rückläufig
Der schon seit 2010 (190 100 Personen) anhaltende rückläufige Trend bei der Anzahl an Arbeitskräften in der Südwestlandwirtschaft setzt sich mit dem Jahr 2023 weiter fort. In den Betrieben waren nur noch 127 000 Arbeitskräfte vorhanden, also 9,2 % weniger als im Jahr 2020. Das Arbeitsvolumen ging gleichzeitig um 6,9 % auf 57 700 Arbeitskrafteinheiten (AKE)4 zurück, wodurch der Arbeitskräftebesatz je 100 ha von 4,4 auf 4,1 fiel. Da der Rückgang der Betriebszahlen prozentual niedriger ist (siehe oben), kommen noch weitere Ursachen für diese Entwicklung zum Tragen. Unter anderem ist hier die in stärkerem Maße rückläufige Viehhaltung zu nennen. Im Gegensatz zum reinen Ackerbau fallen im tierischen Bereich täglich wiederkehrende Arbeiten an, wodurch ein höherer Arbeitskräfteeinsatz von Nöten ist. Der technische und auch digitale Fortschritt auf den landwirtschaftlichen Höfen ist als weiterer Grund anzuführen. Unter den Vieh haltenden Betrieben hatte etwa jeder siebte Betrieb 2023 technische Unterstützung bei der Überwachung seines Bestands und bei den Milchviehbetrieben wies nahezu jeder Vierte einen Melkroboter auf.5
Weniger Saisonarbeitskräfte im Einsatz
Der größte Schwund ist bei den Saisonarbeitskräften auszumachen, die vor allem in den Erntephasen bei Sonderkulturbetrieben gebraucht werden. Mit 38 800 Saisonarbeitskräften wurden im Vergleich zum Jahr 2020 15,9 % weniger Personen eingesetzt. Die in Anspruch genommene Arbeitsleistung ging aber lediglich um 7,1 % zurück. Anders ausgedrückt, während 2020 für 100 Vollzeitstellen noch 490 Personen eingesetzt wurden, waren es 2023 etwa 50 Personen weniger. Ein Erklärungsansatz dafür könnte sein, dass vor allem die Flächen an personalintensiven Kulturarten, wie zum Beispiel Spargel (–8,6 %) oder Erdbeeren (–10,4 %),6 zurückgegangen sind. Ein anderer wäre, dass Betriebe aufgrund der Einführung des Mindestlohns arbeitsorganisatorische Effizienzgewinne erreicht haben und auf weniger Saisonkräfte angewiesen sind.
Auch die in Anzahl und Leistung wichtigste Gruppe der Familienarbeitskräfte verliert weiter an Bedeutung und nahm um ein Zehntel auf 61 800 Personen ab. Nur die Gruppe der ständigen Beschäftigten weist mit 26 300 Köpfen einen positiven Trend (+6,5 %) auf. Hier spielt vor allem die zu Anfang angeführte Zunahme an Betrieben der Rechtsform GbR eine Rolle, die vormals häufig noch als Einzelunternehmen agiert haben.7Es hat also eine teilweise Verlagerung von Familienarbeitskräften zu ständig Beschäftigten stattgefunden (Schaubild 2).
Pachtquote stabil – Pachtpreis für Ackerland bei nun 311 Euro je Hektar
Während die selbstbewirtschaftete LF im Eigentum etwa ein Drittel einnimmt und einen rückläufigen Trend aufweist (–2,1 %), wird der überwiegende Teil der LF von den Betrieben gepachtet (60,7 %) (Schaubild 3). Der Umfang an Fläche, die dem bewirtschaftenden Betrieb unentgeltlich überlassen wird, ist mit 4,4 % gering. Aufgrund der hohen Pachtquote ist der zu entrichtende Pachtpreis eine wichtige wirtschaftliche Kennzahl für landwirtschaftliche Betriebe. Im Jahr 2023 konnte ein durchschnittliches Jahrespachtentgelt von 274 Euro je ha LF ermittelt werden. Differenziert nach Hauptnutzungsarten waren es 311 Euro je ha Ackerland und 163 Euro je ha Dauergrünland. Das sind 6,9 % bzw. 5,8 % mehr als im Jahr 2020. Bei Pachtverträgen, die in den vorangegangenen Jahren 2021 und 2022 neu geschlossen bzw. neu verhandelt wurden, lag das Preisniveau deutlich höher. So mussten pachtende Betriebe im Mittel 434 Euro je ha Ackerland und 224 Euro je ha Dauergrünland bezahlen.
Umfangreiches Datenangebot
In diesem Beitrag wurde ein Schlaglicht auf die klassischen Themen der Agrarstrukturerhebung geworfen. In Umfang und Komplexität ist die Agrarstrukturerhebung mittlerweile vergleichbar mit der Landwirtschaftszählung, wobei der Gesetzgeber auch komplett neue Themen im Erhebungsprogramm vorgesehen hat. So wurden die Landwirtinnen und Landwirte im Jahr 2023 beispielsweise nach dem Vorhandensein von Precision Farming8 Techniken befragt. Auch zu Bodenbearbeitungsverfahren, Bewässerungsmanagement und landwirtschaftlichen Maschinen, um weitere Beispiele zu nennen, wurden Fragen gestellt. Die Agrarstrukturerhebung 2023 bietet also eine umfangreiche Sammlung an Daten, welche als Komplettpaket beim Statistischen Landesamt ab Mitte 2024 erhältlich sein werden.