Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bruttolöhne und -gehälter im Produzierenden Gewerbe 1991 bis 2023
Am 3. Oktober 2024 begehen wir den 34. Jahrestag der Deutschen Einheit, mehr als eine Generation kennt damit nur ein vereintes Deutschland. Manches wird nicht mehr als trennend oder verschiedenartig wahrgenommen, und doch gibt es auf einigen Gebieten immer noch Unterschiede, die von den Menschen in den neuen Ländern kritisch gesehen werden. Hierzu gehört die im Westen in vielen Wirtschaftsbereichen und Berufszweigen bessere Bezahlung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor allem in den 1990er-Jahren zu einer Abwanderung zahlreicher erwerbsfähiger Menschen und ihrer Familien von Ost- nach Westdeutschland geführt hat und nach wie vor viele ostdeutsche Menschen zur Arbeitsaufnahme im Westen veranlasst. In Heft 4/2024 dieser Schriftenreihe wurde anhand eines beispielhaften Vergleichs zwischen Baden-Württemberg und Thüringen der Umfang und die Entwicklung der Lohn- und Gehaltslücke zwischen 1991 und 2022 nachgezeichnet.1 Ein wesentliches Ergebnis war, dass der Abstand der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer über die Jahre hinweg im Produzierenden Gewerbe deutlich höher war als bei den Dienstleistungsbereichen. Im vorliegenden Beitrag soll das Produzierenden Gewerbe näher untersucht werden, und zwar wieder über Daten des Arbeitskreises »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder«, nunmehr für den Zeitraum 1991 bis 2023.2
Produzierendes Gewerbe insgesamt
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer
Schaubild 1 zeigt die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe in Baden-Württemberg und Thüringen von 1991 bis 2023. Im gesamten Betrachtungszeitraum lagen diese Pro-Kopf-Werte in Baden-Württemberg über und in Thüringen unter dem Bundesdurchschnitt, außerdem hat Baden-Württemberg in allen Jahren das Niveau Westdeutschlands ohne Berlin übertroffen, dagegen Thüringen das Niveau der ostdeutschen Flächenländer jeweils verfehlt.
Wie ergänzend aus Tabelle 1 hervorgeht, war der Abstand der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer (AN) zwischen Baden-Württemberg und Thüringen 1991 mit 15 209 Euro je AN besonders hoch und hat sogar das damalige Pro-Kopf-Niveau Thüringens in Höhe von 10 411 Euro je AN überragt; oder anders betrachtet: Der Unterschied hat 59,4 % des Wertes von Baden-Württemberg betragen. Bis 1994 ist die Differenz kontinuierlich auf 11 353 Euro je AN zurückgegangen, ist danach aber wieder angestiegen und hat 2023 mit 16 576 Euro je AN sogar den Wert von 1991 übertroffen. Der größte Abstand wurde für 2017 mit 17 100 Euro je AN gemessen. Bezogen auf die Höhe der in Baden-Württemberg gezahlten Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer hat die Differenz tendenziell abgenommen und 2023 mit 29,6 % bereits weniger als drei Zehntel erreicht – 1991 waren es, wie ausgeführt, mit 59,4 % noch fast drei Fünftel.
Die Lohn- und Gehaltslücke zu Ungunsten Thüringens ist – sowohl absolut als auch relativ gesehen – im Produzierenden Gewerbe in allen Jahren durchweg größer gewesen als in der Gesamtwirtschaft und im Zeitablauf sogar überproportional angestiegen: War die Lohn- und Gehaltslücke im Produzierenden Gewerbe 1991 noch um 3 628 Euro je AN höher als in der Gesamtwirtschaft (15 209 gegenüber 11 581 Euro je AN), betrug der Abstand 2023 mit 8 079 Euro je AN (16 576 gegenüber 8 497 Euro je AN) mehr als das 2,2-Fache. Die geringste Differenz zwischen Produzierendem Gewerbe und Gesamtwirtschaft wurde 1992 mit 3 147 Euro je AN gemessen, die höchste 2017 mit 8 284 Euro je AN.
Interessanterweise hat in Thüringen das Pro-Kopf-Niveau der Bruttolöhne und -gehälter 1991 im Produzierenden Gewerbe mit 10 411 Euro je AN noch leicht unter dem der Gesamtwirtschaft (10 891 Euro je AN) gelegen, danach ging es überdurchschnittlich steil nach oben. Insbesondere ist das Lohn- und Gehaltsniveau im Produzierenden Gewerbe in den Anfangsjahren in Thüringen mit Wachstumsraten von +37,9 % (1992), +11 % (1993) und +10,1 % (1994) erheblich stärker angestiegen als in Baden-Württemberg mit +7,2 % (1992), +1,8 % (1993) und +3,4 % (1994). In den folgenden 1990er-Jahren hat sich die kräftigere Zunahme in Thüringen fortgesetzt, allerdings merklich abgeflacht (Schaubild 1). Zwischen 1991 und 2000 haben sich die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe in Thüringen mit +96,9 % fast verdoppelt, in Baden-Württemberg waren es nur +28,9 %. Auch zwischen 2000 und 2023 war der Anstieg in Thüringen mit +97,7 % kräftiger als in Baden-Württemberg mit +69,9 %. Im Gesamtzeitraum 1991 bis 2023 waren es +279,5 % gegenüber +118,9 %. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass der Indikator »Deutschland = 100 %« bei den Bruttolöhnen und -gehältern je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe in Thüringen recht kontinuierlich von 47,3 % auf 77,5 % zu- und in Baden-Württemberg von 116,5 % auf 110 % abgenommen hat (Tabelle 1).
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer
Interessant ist eine ergänzende Betrachtung je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ASt), wofür Daten allerdings erst ab 2000 vorliegen. Danach haben im Produzierenden Gewerbe die Bruttolöhne und -gehälter je geleisteter Arbeitsstunde zwischen 2000 und 2023 durchweg kräftiger zugenommen als je Kopf der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer, und zwar wiederum in Thüringen intensiver als in Baden-Württemberg; dies geht aus einem Vergleich der Zahlen im unteren und im oberen Block von Tabelle 1 hervor. Im Einzelnen haben sich die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitsstunde innerhalb dieser 23 Jahre in Thüringen um 117,4 % erhöht (von 12,93 auf 28,11 Euro je ASt), in Baden-Württemberg um 78,2 % (von 22,53 auf 40,15 Euro je ASt). Bezogen auf die Anzahl der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer sind die Zuwächse mit +97,7 % bzw. +69,9 % jeweils geringer gewesen. Ursächlich für die in beiden Ländern kräftigere Zunahme der Löhne und Gehälter je Arbeitsstunde war die allgemeine Verkürzung der individuellen Arbeitszeit, die zudem innerhalb dieser 23 Jahre in Thüringen stärker ausgefallen ist als in Baden-Württemberg. Konkret haben die im Produzierenden Gewerbe beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2000 in Baden-Württemberg 1 464,9 ASt je AN gearbeitet, in Thüringen mit 1 585,2 ASt je AN dagegen 120,3 ASt je AN mehr – das sind, bezogen auf den Wert Baden-Württembergs – immerhin 8,2 %. 2023 lagen beide Länder mit 1 396,9 ASt je AN in Baden-Württemberg und 1 405,3 ASt je AN in Thüringen jedoch schon fast auf gleicher Höhe (Abweichung 0,6 %).
Der Abstand zwischen dem Lohn- und Gehaltsniveau je Arbeitsstunde in Baden-Württemberg und Thüringen hat sich zunächst vergrößert (zwischen 2000 und 2017 von 9,60 auf 12,84 Euro je ASt) und erst danach tendenziell verringert mit 12,04 Euro je ASt im Jahr 2023. Relativ gesehen, also bezogen auf die jeweiligen Werte in Baden-Württemberg, hat sich die Lücke ziemlich kontinuierlich geschlossen (Tabelle 1): Je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ASt) wurde die so definierte relative Lohn- und Gehaltslücke in diesen 23 Jahren von 42,6 % auf 30 % abgebaut, je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer von 37,9 % auf 29,6 %.
Hintergründe
Warum war die Lohn- und Gehaltslücke zwischen Baden-Württemberg und Thüringen (bzw. zwischen West- und Ostdeutschland) beim Produzierenden Gewerbe im gesamten Betrachtungszeitraum umfangreicher als in der Gesamtwirtschaft und ist außerdem überdurchschnittlich stark angewachsen? Eine Erklärung bieten die wichtigsten Einflussfaktoren für die Diskrepanz zwischen West und Ost, die beim Produzierenden Gewerbe und hierbei vor allem beim Verarbeitenden Gewerbe besonders deutlich zum Tragen kommen:3
- Betriebsgröße: Größere Betriebe und Unternehmen können aufgrund höherer Produktivität in der Regel üppigere Arbeitnehmerentgelte zahlen und sind gleichzeitig aufgrund besserer Bezahlung attraktivere Arbeitgeber, was vor allem für das Verarbeitende Gewerbe zutreffen dürfte. Tatsächlich machen große Betriebe bzw. Unternehmen in Ostdeutschland einen deutlich geringeren Anteil bei der Gesamtzahl der Betriebe bzw. Unternehmen und bei der Beschäftigung aus als in Westdeutschland, allein schon wegen ihrer kürzeren Firmengeschichte und aufgrund weniger Unternehmenszentralen.
- Arbeitsproduktivität auf Betriebsebene: Im Zusammenhang mit dem Faktor Betriebsgröße ist von einer in Ostdeutschland niedrigeren betrieblichen Arbeitsproduktivität auszugehen.
- Branchenstruktur: Insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe werden überdurchschnittlich hohe Löhne und Gehälter gezahlt, nicht zuletzt aufgrund überdurchschnittlicher Produktivität oder besonders ausgeprägtem Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Überdies sind Industriezweige wie Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektrotechnik und DV-Anlagenherstellung, Chemie und Pharmazie in Westdeutschland stärker vertreten als in Ostdeutschland. Darüber hinaus kommen dort höherbezahlte Tätigkeiten im Westen mehr zum Zuge als im Osten, besonders im Bereich der Unternehmensführung.
Tarifbindung: Tarifgebundene Unternehmen zahlen in der Regel höhere Löhne und Gehälter als nicht tarifgebundene. Tatsächlich hat 2022 für 52 % der Beschäftigten im früheren Bundesgebiet ein Branchen- oder Firmentarifvertrag gegolten, aber nur für 45 % in den neuen Ländern; 1998 waren es 76 % bzw. 63 %.4
Verarbeitendes Gewerbe
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer
Vor allem aufgrund dieser Einflussfaktoren ist die Lohn- und Gehaltslücke zwischen Baden-Württemberg und Thüringen im Verarbeitenden Gewerbe besonders hoch, wie ein Vergleich der Schaubilder 1 und 2 bzw. der Tabellen 1 und 2 zum Ausdruck bringt. Tatsächlich war diese Lücke in allen Jahren seit 1991 im Verarbeitenden Gewerbe umfangreicher als im Produzierenden Gewerbe und hat im Verarbeitenden Gewerbe überproportional zugenommen. Dadurch war der Unterschied zwischen den Lohn- und Gehaltsabständen im Verarbeitendem und im Produzierendem Gewerbe gegen Ende des Betrachtungszeitraums besonders ausgeprägt (2023 mit 2 188 Euro je AN gegenüber 1 270 Euro je AN im Jahr 1991). Auch bei relativer Betrachtung, also bezogen auf die Werte von Baden-Württemberg, war die Lohn- und Gehaltslücke im Verarbeitenden Gewerbe in allen Jahren um bis zu 4 Prozentpunkte höher als im Produzierenden Gewerbe (Tabelle 2 im Vergleich zu Tabelle 1).
Dabei hat Thüringen vor allem in den Anfangsjahren bei den Bruttolöhnen und -gehältern im Verarbeitenden Gewerbe mächtig aufgeholt. Mit Veränderungen gegenüber dem Vorjahr um 41,1 % (1992), 11,3 % (1993) und 14,8 % (1994) wurden jeweils zweistellige Zuwachsraten erzielt und damit ein Mehrfaches im Vergleich zu Baden-Württemberg (+7,2 %; +1,7 %; +3,6 %). Auch in den nachfolgenden 1990er-Jahren waren die Wachstumsraten in Thüringen höher als in Baden-Württemberg. Interessanterweise haben sie sich dann im Zeitraum 2000 bis 2014 stark angenähert und die konjunkturbedingten Aufs und Abs ziemlich parallel mitgemacht. Erst ab 2015 hat sich wieder eine signifikante Entkoppelung zugunsten Thüringens ergeben. Zwischen 1991 und 2023 hat sich für Baden-Württemberg eine Zunahme von 25 992 auf 58 016 Euro je AN und damit um 123,2 % ergeben, für Thüringen ein Wachstum von 9 513 auf 39 252 Euro je AN und damit um satte 312,6 %. Diese insgesamt sehr bemerkenswerte Entwicklung lässt sich aus den Zahlen in Tabelle 2 und ebenso aus Schaubild 2 ablesen.
Durch diesen Aufholprozess hat Thüringen seine Pro-Kopf-Werte der Bruttolöhne und -gehälter im Vergleich zu Deutschland insgesamt zwischen 1991 und 2023 merklich verbessert (bei Deutschland = 100 % von 42,9 % auf 73,8 %), ist aber noch weit vom Bundesdurchschnitt entfernt geblieben. Umgekehrt haben diese Vergleichswerte in Baden-Württemberg leicht von 117,3 % auf 109,1 % abgenommen (Tabelle 2). Schließlich hat, wie Schaubild 2 zeigt, Baden-Württemberg das Lohn- und Gehaltsniveau Westdeutschlands (ohne Berlin) in allen Jahren übertroffen, dagegen Thüringen die Werte im Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer, abgesehen von 1991, stets verfehlt.
Dennoch bleibt festzuhalten: Die Lohn- und Gehaltslücke zu Ungunsten Thüringens war beim Verarbeitenden Gewerbe durchweg besonders hoch, sie hat 1991 mit 16 479 Euro je AN und 1992 mit 14 435 Euro je AN sogar das Lohn- und Gehaltsniveau Thüringens übertroffen und ist – trotz zwischenzeitlicher Rückgänge – bis 2023 auf 18 764 Euro je AN angewachsen (Tabelle 2). Am größten war der Abstand 2017 mit 19 291 Euro je AN. Relativ gesehen lässt sich dagegen auch beim Verarbeitenden Gewerbe eine Entspannung feststellen: So hat die Lohn- und Gehaltslücke Thüringens die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer Baden-Württembergs 1991 um 63,4 % und 1992 um 51,8 % und damit um deutlich mehr als die Hälfte überstiegen, 2023 waren es mit 32,3 % nur noch weniger als ein Drittel (Tabelle 2).
Weitere Vergleichsrechnungen beschreiben den langandauernden und nach wie vor bestehenden Rückstand Thüringens bei den Bruttolöhnen und -gehältern je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer. So hat Thüringen erst 2008 mit 25 785 Euro je AN das Niveau Baden-Württembergs aus dem Jahr 1991 in Höhe von 25 992 Euro je AN wenigstens knapp erreicht, und die in Thüringen 2023 gezahlten Löhne und Gehälter im Umfang von 39 252 Euro je AN wurden in Baden-Württemberg bereits 2006 mit 39 509 Euro je AN realisiert.
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer
Auch beim Verarbeitenden Gewerbe sind die Bruttolöhne und -gehälter je geleisteter Arbeitsstunde zwischen 2000 und 2023 stärker angestiegen als je Kopf der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer: In Thüringen besonders ausgeprägt mit +106,4 % (je ASt) gegenüber +82,2 % (je AN), in Baden-Württemberg merklich knapper mit +79 % gegenüber +70,1 % (Tabelle 2). Obwohl sich damit der Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter je geleisteter Arbeitsstunde in Thüringen mehr als verdoppelt hat (von 13,62 auf 28,11 Euro je ASt), aber in Baden-Württemberg nur um knapp vier Fünftel gestiegen ist (von 23,42 auf 41,93 Euro je ASt), hat sich die Lohn- und Gehaltslücke innerhalb dieser 23 Jahre von 9,80 auf 13,82 Euro je ASt vergrößert; zwischenzeitlich, nämlich 2016 und 2017, waren es sogar 14 ½ Euro je ASt. Bei relativer Betrachtung, also bezogen auf die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitsstunde Baden-Württembergs, hat sich diese Lohn- und Gehaltslücke zwischen 2000 und 2016 zwischen 41 % und 43 % bewegt und ist erst danach kontinuierlich bis auf 33 % im Jahr 2023 zurückgegangen.
Auch von einer anderen Seite aus betrachtet wird deutlich, dass der Aufholprozess Thüringens bei einer Orientierung je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer rascher vonstattenging: Wie ausgeführt erreichten die im Verarbeitenden Gewerbe Thüringens je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhne und -gehälter 2023 gerade einmal – wenn auch knapp – das Niveau Baden-Württembergs im Jahr 2006, der Aufholprozess hat also 17 Jahre gedauert. Je Arbeitsstunde waren es nur 15 Jahre, konkret standen 28,11 Euro je ASt im Jahr 2023 in Thüringen 28,27 Euro je ASt im Jahr 2008 in Baden-Württemberg gegenüber. Ursache für die um 2 Jahre raschere Angleichung bei der Betrachtung je Arbeitsstunde ist das in beiden Ländern abweichende Tempo bei der Anpassung der Arbeitszeiten. So haben die im Verarbeitende Gewerbe beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2000 in Baden-Württemberg 1 468,7 ASt je AN gearbeitet, in Thüringen jedoch 1 582,5 ASt je AN und damit 126,1 ASt je AN mehr – das sind, bezogen auf den Wert Baden-Württembergs – immerhin 8,7 %. 2023 war der Unterschied mit 1 383,5 ASt je AN in Baden-Württemberg und 1 395,9 ASt je AN in Thüringen nur noch minimal (0,9 %).
Baugewerbe
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer
Weit weniger ausgeprägt sind die Abweichungen zwischen Baden-Württemberg und Thüringen bei den Bruttolöhnen und -gehältern je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer im Baugewerbe, was mit deutlich geringeren Unterschieden in der Branchenstruktur und in der angewendeten Technologie zusammenhängen dürfte. So belief sich die Lohn- und Gehaltslücke im Ausgangsjahr 1991 im Baugewerbe auf 10 663 Euro je AN (Tabelle 3) und damit auf deutlich weniger als im Verarbeitenden Gewerbe mit 16 479 Euro je AN (Tabelle 2). Vor allem aber ist beim Baugewerbe eine im Zeitablauf spürbare Entspannung festzustellen, wie Schaubild 3 unterstreicht: Der im Jahr 1991 gemessene Abstandswert wurde in den Folgejahren – anders als im Verarbeitenden Gewerbe – nie mehr erreicht, für 2023 hat sich mit 6 744 Euro je AN ein um 36,8 % geringerer Betrag ergeben als für 1991. Der nach 1991 höchste Wert wurde für das Folgejahr 1992 mit 9 714 Euro je AN ermittelt, der niedrigste für 2010 mit 5 458 Euro je AN. Dementsprechend hat sich die Lohn- und Gehaltslücke zwischen beiden Ländern im Baugewerbe auch relativ gesehen erheblich entspannt: Zwischen 1991 und 2023 hat der auf den baden-württembergischen Pro-Kopf-Wert bezogene Abstand ziemlich stetig von 46,6 % auf 15,2 % abgenommen.
Mindestens genauso bemerkenswert ist die Höhe der Bruttolöhne und -gehälter im Branchenvergleich beider Länder. Während die in Baden-Württemberg je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer gezahlten Beträge im Verarbeitenden Gewerbe stets höher ausgefallen sind als im Baugewerbe, war die Situation in Thüringen vor allem in den Anfangsjahren genau entgegengesetzt. Wie ein Vergleich der Tabellen 2 und 3 zeigt, wurden 1991 die im Thüringer Baugewerbe Beschäftigten mit 12 228 Euro je AN um 28,5 % besser entlohnt als ihre Kolleginnen und Kollegen im Verarbeitenden Gewerbe mit 9 513 Euro je AN. Der Abstand hat sich in den Folgejahren zunächst reduziert und 1992 noch 11,2 %, 1993 dann 9,6 % und schließlich 1994 nur 1,2 % betragen. Ursächlich hierfür war der in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre hohe Bedarf an Arbeitskräften auf allen Ebenen der Baubranche bei gleichzeitig massivem Arbeitsplatzabbau in der Industrie. Ab 1995 wurden dann auch in Thüringen im Verarbeitenden Gewerbe zumeist höhere Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer gezahlt als im Baugewerbe; die einzige Ausnahme bildete 2020, ein weiteres Boomjahr bei den Baugewerken. Auf jeden Fall war der Unterschied zwischen beiden Bereichen des Produzierenden Gewerbes in Thüringen in allen Jahren ausgesprochen gering und zuletzt sogar rückläufig – anders als in Baden-Württemberg, wo der Lohn- und Gehaltsvorsprung des Verarbeitenden Gewerbes tendenziell zugenommen hat.
Die abweichende Entwicklung beider Bereiche ist letztlich darauf zurückzuführen, dass die genannten technologie-, betriebs- und organisationsbedingten Einflussfaktoren zum einen im Verarbeitenden Gewerbe grundsätzlich stärker zur Geltung kommen als im Baugewerbe und zum anderen speziell in den westdeutschen Unternehmen höhere Bedeutung erlangen. Diese Besonderheiten werden durch eine Vergleichsrechnung bestätigt: Während, wie ausgeführt, Thüringen bei den je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhnen und -gehältern im Verarbeitenden Gewerbe 2023 gerade einmal das baden-württembergische Niveau von 2006 erreicht hat, konnte Thüringen im Baugewerbe 2023 mit 37 746 Euro je AN zu dem in Baden-Württemberg für 2018 ermittelten Wert in Höhe von 37 904 Euro je AN aufschließen. Ursache hierfür ist die raschere Angleichung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer im Baugewerbe: Sie haben sich zwischen 1991 und 2023 in Thüringen mehr als verdreifacht (+208,7 %), in Baden-Württemberg aber nicht einmal verdoppelt (+94,4 %). Besonders stark waren die Wachstumsunterschiede im Zeitraum 1991 bis 2000 mit +47,6 % gegenüber +17,5 %, sie waren aber auch zwischen 2000 und 2023 mit +109,2 % gegenüber +65,5 % noch deutlich sichtbar (Tabelle 3). Dementsprechend hat sich der Abstand zum Bundesdurchschnitt in Thüringen erheblich verringert – gemessen an Deutschland = 100 % hat der Wert in Thüringen von 59,3 % im Jahr 1991 auf beachtliche 91,4 % im Jahr 2023 zu-, in Baden-Württemberg leicht von 111 % auf 107,8 % abgenommen.
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer
Wie beim Verarbeitenden Gewerbe, so haben auch beim Baugewerbe die Bruttolöhne und -gehälter je geleisteter Arbeitsstunde zwischen 2000 und 2023 kräftiger zugelegt als je Kopf der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer, und erneut war der Unterschied in Thüringen mit +123,3 % (je ASt) gegenüber +109,2 % (je AN) merklich ausgeprägter als in Baden-Württemberg mit +70,9 % gegenüber +65,5 % (Tabelle 3 im Vergleich zu Tabelle 2). Im Einzelnen stand einer Zunahme zwischen 2000 und 2023 von 11,36 Euro je ASt auf 26,50 Euro je ASt in Thüringen eine Steigerung von 17,97 Euro je ASt auf 30,71 Euro je ASt in Baden-Württemberg gegenüber. Dadurch hat sich im Baugewerbe die Lohn- und Gehaltslücke Thüringens zu Baden-Württemberg auch bei Betrachtung je Arbeitsstunde zwischen 2000 und 2023 erheblich verringert, und zwar von 6,61 auf 4,21 Euro je ASt – anders als im Verarbeitenden Gewerbe, wo sie sich in diesem Zeitraum wie ausgeführt erhöht hat (Tabelle 2). Entsprechend ist der Lohn- und Gehaltsvorsprung Baden-Württembergs im Baugewerbe auch bei relativer Betrachtung deutlich von 36,8 % auf 13,7 % geschrumpft.
Der besonders rasche Aufholprozess im Thüringer Baugewerbe bei den Bruttolöhnen und -gehältern je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer wird durch folgende Gegenüberstellung bestätigt: Während wie ausgeführt die je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhne und -gehälter 2023 das Niveau Baden-Württembergs im Jahr 2018 knapp erreicht haben, der Aufholprozess also 5 Jahre gedauert hat, waren es je Arbeitsstunde nur 4 Jahre mit 26,50 Euro je ASt 2023 in Thüringen im Vergleich zu 26,41 Euro je ASt 2019 in Baden-Württemberg. Verantwortlich war auch hier die unterschiedliche Angleichung der individuellen Arbeitszeiten: Die im Baugewerbe beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben 2000 in Baden-Württemberg 1 496,6 ASt je AN gearbeitet, in Thüringen mit 1 580 ASt je AN dagegen 83,4 ASt je AN oder 5,6 % mehr. Im Jahr 2023 lag die individuelle Jahresarbeitszeit in Thüringen mit 1 426 ASt je AN sogar leicht unter dem entsprechenden Wert in Baden-Württemberg mit 1 449 ASt je AN, und zwar um 23 Euro je ASt bzw. 1,6 %. Neben der allgemein zu beobachtenden rascheren Arbeitszeitverkürzung in Ostdeutschland hat hierbei auch eine Rolle gespielt, dass ab 2012 die Wirtschaftsentwicklung im Baugewerbe, gemessen an der Bruttowertschöpfung, in Thüringen hinter Baden-Württemberg zurückgeblieben ist.
Sonstige Bereiche des Produzierenden Gewerbes
Überblick
Das Verarbeitende und das Baugewerbe sind die mit Abstand größten Bereiche innerhalb des Produzierenden Gewerbes: 2022 betrug ihr Anteil an der Gesamtzahl der im Produzierenden Gewerbe beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Württemberg 80,1 % bzw. 16 %, in Thüringen 73,5 % bzw. 20,5 %. Darüber hinaus gibt es drei weitere Bereiche, mit 2022 allerdings deutlich geringeren Beschäftigtenanteilen am Produzierenden Gewerbe, so Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden mit 0,3 % in Baden-Württemberg und 0,4 % in Thüringen, Energieversorgung mit 2,4 % bzw. 2,1 % sowie Wasserversorgung, Entsorgung und Ähnliches mit 1,3 % bzw. 3,6 %. Daten zu den Bruttolöhnen und -gehältern sind für diese drei Bereiche ab 2008 und bis 2022 verfügbar. Im Folgenden wird – entsprechend der hier gewählten Jahresreihe – auf Jahre ab 2010 Bezug genommen (Tabelle 4), Orientierungsgröße ist die Situation im gesamten Produzierenden Gewerbe (Tabelle 1).
Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden
Recht nahe liegen die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer Baden-Württembergs und Thüringens beim Wirtschaftsbereich Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden beieinander: Der Abstand betrug, bezogen auf den Wert Baden-Württembergs, 2010 und 2022 nur 3 % bzw. 3,4 %; lediglich 2015 ist die relative Lohn- und Gehaltslücke mit 11,1 % zweistellig ausgefallen. Besonders bemerkenswert ist jedoch, dass in allen Jahren seit 2010 die in Thüringen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser bezahlt wurden als in Baden-Württemberg. Dadurch war die Entlohnung in diesem Bereich in Thüringen durchweg deutlich höher als im Durchschnitt des Produzierenden Gewerbes, in Baden-Württemberg nach 2010 zunehmend geringer. Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer entwickelten sich in beiden Ländern zwischen 2010 und 2022 in beiden Ländern mit +17 % bzw. +17,5 % ziemlich parallel und blieben stets leicht unter dem bundesdeutschen Durchschnitt (Tabelle 4).
Energieversorgung
In beiden Ländern deutlich über dem Durchschnitt des Produzierenden Gewerbes lagen die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer im gesamten Untersuchungszeitraum bei der Energieversorgung, so 2010 in Baden-Württemberg um 29,3 % und in Thüringen sogar um 53,2 %, 2022 um 27,3 % bzw. um 50,7 %. Dahinter steht, dass die Lohn- und Gehaltssteigerungen zwischen 2010 und 2022 bei der Energieversorgung in beiden Ländern nahezu gleich groß waren wie beim Produzierenden Gewerbe der jeweiligen Länder, aber in Thüringen mit +40,3 % stärker ausgefallen sind als in Baden-Württemberg mit +29,3 %. Allerdings wurden im gesamten Zeitraum im Energiesektor in Baden-Württemberg erheblich höhere Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter gezahlt als in Thüringen: 2010 waren es 51 880 Euro je AN gegenüber 39 674 Euro je AN, 2022 dann 67 066 gegenüber 55 643 Euro je AN. Daraus resultiert eine Lohn- und Gehaltslücke von 12 206 Euro je AN im Jahr 2010 bzw. 11 423 Euro je AN im Jahr 2022. In den anderen Jahren war sie ähnlich hoch. Relativ betrachtet hat sich der Abstand zwischen 2010 und 2022 von 23,5 % auf 17 % verringert, blieb aber insofern stets im zweistelligen Bereich. Gleichzeitig bewegten sich die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer bei der Energieversorgung in Baden-Württemberg im Bundesdurchschnitt, in Thüringen blieben sie trotz steigender Tendenz stets darunter (Tabelle 4).
Wasserversorgung, Entsorgung und Ähnliches
In vielerlei Hinsicht abweichend stellt sich die Situation im Bereich Wasserversorgung, Entsorgung und Ähnliches dar: Die dort bezahlten Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer haben in beiden Ländern seit 2010 das Niveau sowohl der beiden anderen sonstigen Bereiche des Produzierenden Gewerbes als auch des Produzierenden Gewerbes insgesamt stets unterschritten (Tabelle 4). Im Laufe der Jahre deutlich erhöht hat sich der Abstand zwischen Baden-Württemberg und Thüringen: 2010 war er mit 31 322 Euro je AN gegenüber 30 404 Euro je AN und damit einer Lohn- und Gehaltslücke in Höhe von 918 Euro je AN oder 2,9 % noch recht überschaubar. Danach ist er aber kontinuierlich angewachsen, 2022 standen 43 506 Euro je AN in Baden-Württemberg nur 38 420 Euro je AN in Thüringen gegenüber, die Lohn- und Gehaltslücke hat sich dadurch auf 5 086 Euro je AN oder 11,7 % ausgeweitet. Im Gegensatz zu allen anderen hier untersuchten Bereichen des Produzierenden Gewerbes hat sich damit bei Wasserversorgung, Entsorgung und Ähnliches eine Zunahme der relativen Lohn- und Gehaltslücke eingestellt. Auch bezüglich der Entwicklung zwischen 2010 und 2022 blieb Thüringen mit +26,4 % hinter Baden-Württemberg mit +38,9 % zurück. Entsprechend hat sich der Abstand zum Bundesdurchschnitt in Baden-Württemberg tendenziell verringert, aber in Thüringen vergrößert.
Lohn- und Gehaltslücke: Zusammenfassung
Obwohl das Lohn- und Gehaltsniveau seit der Wiedervereinigung in Ostdeutschland überproportional zugenommen hat, ist insbesondere im Produzierenden Gewerbe nach wie vor ein beträchtlicher Abstand zu Westdeutschland festzustellen. Dies geht beispielhaft aus einem Vergleich zwischen Baden-Württemberg und Thüringen hervor – zwei Ländern also, die sich sowohl vor der deutschen Teilung als auch danach durch einen hohen Industrialisierungsgrad innerhalb Deutschlands bzw. der jeweiligen Teilstaaten ausgezeichnet haben. Infolge des Wegbrechens wichtiger industrieller Standbeine und zahlreicher Verlagerungen der Produktionstätigkeit in den Westen blieben die Löhne und Gehälter in Thüringen im Vergleich zu Baden-Württemberg unmittelbar nach der Wiedervereinigung besonders stark zurück: 1991 betrug die Lohn- und Gehaltslücke Thüringens im Produzierenden Gewerbe 15 209 Euro je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer (AN) und damit fast das 1 ½-Fache des Lohn- und Gehaltsniveaus in Thüringen (10 411 Euro je AN). Nach zunächst deutlichen Verringerungen bis auf 11 353 Euro je AN im Jahr 1994 hat sich der Abstand anschließend wieder vergrößert und 2023 mit 16 576 Euro je AN sogar den Umfang von 1991 übertroffen. Damit unterscheidet sich das Produzierende Gewerbe deutlich von der Gesamtwirtschaft, wo die Lohn- und Gehaltslücke immerhin von 11 581 auf 8 079 Euro je AN geschrumpft ist.
Wesentliche Ursache für den nach wie vor großen Lohn- und Gehaltsabstand beider Länder sind teilweise erhebliche Unterschiede in den Betriebs- und Unternehmensgrößen, der Produktivität auf Betriebsebene, der Branchenstruktur, der Bezahlung von Frauen und Männern, dem Grad der Tarifbindung, den regionalen Preisniveaus sowie der Siedlungsstruktur und nicht zuletzt der Mangel an Unternehmenszentralen mit überdurchschnittlichen Managergehältern in Ostdeutschland. Die wichtigsten Einflussfaktoren sind vor allem im Verarbeitenden Gewerbe von Relevanz, das überdies in Baden-Württemberg besonders stark auf die Hochlohnbereiche Maschinen- und Fahrzeugbau, Herstellung von DV-Anlagen und Elektronik sowie Chemie und Pharmazie ausgerichtet ist. Es verwundert deshalb nicht, dass die Lohn- und Gehaltslücke zu Ungunsten Thüringens beim Verarbeitenden Gewerbe nicht nur 1991 mit 16 479 Euro je AN höher war als im Produzierenden Gewerbe und in der Gesamtwirtschaft (15 209 bzw. 11 581 Euro je AN), sondern auch bis 2023 überproportional auf 18 764 Euro je AN zugenommen hat. Wie sehr die genannten Faktoren auch aktuell noch von Bedeutung sind, lässt sich daraus ablesen, dass die Lohn- und Gehaltslücke im Verarbeitenden Gewerbe nach einer zwischenzeitlichen Verringerung (mit 1995 bis 1999 nur noch 11 670 bis 12 078 Euro je AN) vor allem ab 2010 wieder deutlich angestiegen ist. Relativ gesehen, das heißt bezogen auf die Pro-Kopf-Werte Baden-Württembergs, hat die Lohn- und Gehaltslücke die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer Baden-Württembergs 1991 um satte 63,4 % und 1992 um 51,8 % überragt, 2023 waren es mit 32,3 % auch noch knapp ein Drittel.
Erheblich geringer ist die Lohn- und Gehaltslücke im Baugewerbe, wo sich der Abstand zwischen Baden-Württemberg und Thüringen bereits 1991 auf nur 10 663 Euro je AN belaufen (gegenüber 16 479 Euro je AN im Verarbeitenden Gewerbe) und danach ziemlich kontinuierlich abgenommen hat; 2023 hat die Abweichung noch 6 744 Euro je AN betragen. In relativer Betrachtung hat sich die Lücke von 46,6 % im Jahr 1991 recht stetig auf 15,2 % im Jahr 2023 verringert. Die aus der Sicht Thüringens insoweit günstigere Situation und Entwicklung ist darauf zurückzuführen, dass beim Baugewerbe sowohl strukturell als auch technologisch viel weniger Unterschiede zwischen beiden Ländern bestehen als beim Verarbeitenden Gewerbe.
In allen Bereichen etwas besser stellt sich die Situation aus Thüringer Sicht bei einer Betrachtung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer dar, und zwar aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen bei der Verkürzung der Arbeitszeiten. Während 2000 in Thüringen das Pro-Kopf-Arbeitsvolumen im Verarbeitenden noch um 8,7 % und im Baugewerbe um 5,6 % höher ausgefallen ist als in Baden-Württemberg, ist der Abstand bis 2023 beim Verarbeitenden Gewerbe auf 0,9 % zusammengeschmolzen und hat sich beim Baugewerbe, auch konjunkturbedingt, in ein um 1,6 % niedrigeres Niveau in Thüringen umgekehrt. Dadurch hat sich die relative Lohn- und Gehaltslücke bei Bezug auf die Arbeitsstunden zwischen 2000 und 2023 schneller verringert als bei Betrachtung je Kopf der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Beim Verarbeitenden Gewerbe hat sich je Arbeitsstunden ein stärkerer Rückgang von 41,9 % auf 33 % eingestellt als je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer mit 36,8 % auf 32,3 %, beim Baugewerbe waren es 36,8 % auf 13,7 % gegenüber 32,9 % auf 15,2 %.