:: 115/2022

Pressemitteilung 115/2022

Steigender Personalbedarf in der Pflege

Personal in den Pflegeeinrichtungen Baden-Württembergs vor allem weiblich und teilzeitbeschäftigt

Die Zahl der Beschäftigten in den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen hat sich im Zeitraum von 20 Jahren nahezu verdoppelt. Wie das Statistische Landesamt anlässlich des »Internationalen Tages der Pflege« am 12. Mai 2022 auf Grundlage der amtlichen Pflegestatistiken mitteilt, standen Ende 20191 insgesamt 142 357 Beschäftigte in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen im Dienst von Menschen, die wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen pflegerischer Hilfe bedürfen. Dies waren 91 % mehr als 1999, dem Startjahr der Pflegestatistiken. Mit 103 198 Personen oder einem Anteil von 72 % war der weitaus überwiegende Teil der Beschäftigten in stationären Pflegeeinrichtungen des Landes tätig. Der prozentuale Zuwachs der Beschäftigten fiel in den letzten 20 Jahren jedoch bei den ambulanten Pflegeeinrichtungen (+104 %) spürbar höher aus als im stationären Bereich (+86 %). Im Jahr 2019 versorgten die Beschäftigten 94 047 Pflegebedürftige vollstationär in Pflegeheimen. Dies entspricht einem Anteil von 20 % der insgesamt 471 913 pflegebedürftigen Menschen im Land. Weitere 20 % wurden durch ambulante Pflegedienste unterstützt (92 467 Pflegebedürftige). Mit einem Anteil von 55 % wurde der Großteil der Pflegebedürftigen (260 818) ausschließlich von ihren Angehörigen versorgt. Die übrigen 5 % erhielten beispielsweise zu Hause Betreuungsdienstleistungen zur Unterstützung im Alltag.

Rund 80 % aller Pflegebedürftigen in Baden-Württemberg waren 2019 mindestens 65 Jahre alt. Daten der jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung zeigen für die kommenden Jahrzehnte einen weiter steigenden Personalbedarf in der Pflege an. Lebten im Jahr 2010 rund 2,09 Millionen (Mill.) Menschen der Altersgruppe 65+ in Baden-Württemberg, erhöhte sich die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in dieser Altersgruppe bis 2020 um 196 000 oder 9,4 % auf fast 2,29 Mill.2 Alleine bis 2030 dürfte sich die Bevölkerung im Alter 65+ den Vorausberechnungen des Statistischen Landesamtes zufolge um weitere 420 000 oder 18,4 % auf fast 2,71 Mill. erhöhen. Für diesen starken Zuwachs der älteren Bevölkerung im Zeitraum 2020 bis 2030 im Vergleich zur Dekade zuvor ist die sogenannte Generation der »Babyboomer« ausschlaggebend, die vor allem Anfang der 1960er-Jahre geboren wurden. Von den 420 000 Einwohner-/innen im Alter 65+, die im Zeitraum 2020 bis 2030 hinzukommen dürften, gehören alleine 337 000 oder 80 % der Altersgruppe 65 bis unter 75 Jahre an. Diese Altersgruppe hat bis zum Jahr 2030 zwar ein vergleichsweise geringes Pflegerisiko von lediglich 5 %. Die »Welle« der Babyboomer-Generation wird jedoch in den darauffolgenden Jahrzehnten - wenn auch zahlenmäßig abgeschwächt - sukzessive in Altersgruppen mit exponentiell steigendem Pflegerisiko eintreten. So beträgt die Zahl der Pflegebedürftigen je 100 Einwohner in der Altersgruppe der 75- bis unter 85-Jährigen bereits 17 und klettert bei den 85- bis unter 95-Jährigen auf 53. In der Altersgruppe »95 Jahre und älter« erreicht die Pflegehäufigkeit sogar 87 Pflegebedürftige je 100 Einwohner. Dies bedeutet, dass die Generation der Babyboomer in den kommenden Jahrzehnten zu einem steigenden Pflegebedarf und in der Folge zu einem erhöhten Bedarf an Beschäftigten führen wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass durch den demografischen Wandel nicht nur die Nachfrage nach ambulanten und stationären Pflegeleistungen in den kommenden Jahrzehnten spürbar ansteigen wird, sondern darüber hinaus der ohnehin bereits angespannte Arbeitsmarkt für Pflegepersonal aus Gründen der Altersstruktur vor besonderen Herausforderungen steht. So waren im Jahr 2019 von den insgesamt 142 357 Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen 41 858 oder fast 30 % bereits 55 Jahre oder älter. Auch diese Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen zählen zur Generation der Babyboomer, die bis 2030 altersbedingt aus dem Arbeitsleben ausscheiden wird. Damit dürfte der Pflegemarkt sowohl nachfrage- als auch angebotsseitig unter Druck geraten.

Generell weichen die Strukturen bei den Beschäftigten in der Pflege deutlich vom Branchendurchschnitt der Gesamtwirtschaft ab. Das Personal in den Pflegeeinrichtungen ist vor allem weiblich und teilzeitbeschäftigt. Im Jahr 2019 waren 84 % der Beschäftigten in der Pflege weiblich und 53 % in Teilzeit beschäftigt. Zum Vergleich: Nach Auswertung der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit betrugen die Frauenquote und die Teilzeitquote unter den gut 5,97 Mill. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten in Baden-Württemberg über alle Branchen hinweg lediglich 48 % bzw. 21 %. Auch der Anteil des Personals in Pflegeeinrichtungen, der das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat, lag um gut sechs Prozentpunkte höher als im Durchschnitt aller Branchen (23 %).

1 Die amtlichen Pflegestatistiken werden bundeseinheitlich alle zwei Jahre zum Stichtag 15. Dezember erhoben. Daten der Pflegestatistiken 2021 werden voraussichtlich Ende 2022 veröffentlicht.

2 Durch den Zensus 2011 wurden die Einwohnerzahlen auf eine neue Basis gestellt, weshalb die dargestellte Veränderung 2010 bis 2020 nur bedingt aussagekräftig ist.

Schaubild 1: Beschäftigte in den Pflegeeinrichtungen Baden-Württembergs 1999 bis 2019
Schaubild 1: Beschäftigte in den Pflegeeinrichtungen Baden-Württembergs 1999 bis 2019
Tabelle 1
Beschäftigte in den Pflegeeinrichtungen Baden-Württembergs 1999 bis 2019
Pflegeeinrichtungen199920092019Veränderung 2019
gegenüber 1999
Anzahl%

Datenquelle: Pflegestatistiken.

Insgesamt74.700105.998142.357+90,6
davon
Pflegeheime (stationär)55.48480.824103.198+86,0
Pflegedienste (ambulant)19.21625.17439.159+103,8
Schaubild 2: Voraussichtliche Entwicklung der Bevölkerung im Alter 65+ in Baden-Württemberg bis 2060
Schaubild 2: Voraussichtliche Entwicklung der Bevölkerung im Alter 65+ in Baden-Württemberg bis 2060
Tabelle 2
Voraussichtliche Entwicklung der Bevölkerung im Alter 65+ in Baden-Württemberg bis 2060
Jahr/ZeitraumAltersgruppen von … bis unter … Jahren
65 und älter65 - 7575 - 8585 - 9595 und älter

1) Durch den Zensus 2011 wurden die Einwohnerzahlen auf eine neue Basis gestellt, weshalb die dargestellten Veränderungen nur bedingt aussagekräftig sind.

Datenquelle: bis 2020 Ist-Werte der Bevölkerungsfortschreibung, danach Ergebnisse der Bevölkerungsvorausberechnung auf Basis 31.12.2020 (Hauptvariante).

 Anzahl
20101)2.091.3481.140.008696.387227.11427.839
20202.287.1131.107.771857.940299.52221.880
20302.706.9911.444.317861.701369.52931.445
20402.938.6261.342.6361.137.717418.25540.018
20502.960.8171.245.0101.073.890583.58758.329
20602.982.8281.293.7141.026.768568.61693.729
 Veränderung (Anzahl)
2010-20201)+195.765−32.237+161.553+72.408−5.959
2020-2030+419.878+336.546+3.761+70.007+9.565
2030-2040+231.635−101.681+276.016+48.727+8.573
2040-2050+22.191−97.626−63.827+165.332+18.311
2050-2060+22.010+48.704−47.122−14.971+35.400
 Veränderung (%)
2010-20201)+9,4−2,8+23,2+31,9−21,4
2020-2030+18,4+30,4+0,4+23,4+43,7
2030-2040+8,6−7,0+32,0+13,2+27,3
2040-2050+0,8−7,3−5,6+39,5+45,8
2050-2060+0,7+3,9−4,4−2,6+60,7
Schaubild 3: Pflegerisiko in Baden-Württemberg 2019 nach Altersgruppen
Schaubild 3: Pflegerisiko in Baden-Württemberg 2019 nach Altersgruppen
Tabelle 3
Pflegerisiko in Baden-Württemberg 2019 nach Altersgruppen
MerkmalAltersgruppen von … bis unter … Jahre
65 Jahre und älter65 - 7575 - 8585 - 9595 und älter

Datenquelle: Pflegestatistiken, Bevölkerungsstatistik.

Von 100 Menschen waren … pflegebedürftig175175387
Tabelle 4
Beschäftigte in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen Baden-Württembergs 2019 nach Alter, Geschlecht und Beschäftigungsverhältnis und Alter
MerkmaleBeschäftigte
AnzahlAnteil in %

1) Geringfügig entlohnt Beschäftigte (Minijobs bis 450 Euro monatlich).

2) Helfer im freiwilligen sozialen Jahr, Bundesfreiwilligendienst, Praktikant-/innen.

Datenquelle: Pflegestatistiken.

Insgesamt142.357100,0
unter 25 Jahre12.5388,8
25 bis unter 55 Jahre87.96161,8
55 Jahre und älter41.85829,4
männlich22.57315,9
weiblich119.78484,1
in Vollzeit35.58125,0
in Teilzeit75.87653,3
geringfügig Beschäftigte1)18.97513,3
Auszubildende/Umschüler-/innen10.6097,5
Sonstige2)1.3160,9