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Amtliche Statistik auf Reformkurs – Ein Jahresrückblick 2003

In Zeiten immer knapper werdender Ressourcen und unter dem Druck aus Politik und Gesellschaft zur Verschlankung in der Verwaltung sind Reformen der einzig Erfolg versprechende Weg, die Handlungsfähigkeit der amtlichen Statistik zu erhalten und den Anschluss an Europa nicht zu verpassen. Gleichzeitig gilt es aber auch, die Unabhängigkeit, Wissenschaftlichkeit und Neutralität der amtlichen Statistik zu bewahren. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg ist schon seit jeher bestrebt, eine Vorreiterrolle in der Verwaltungsreform und -modernisierung einzunehmen. Es war in der Vergangenheit als innovativer Dienstleister neuen Entwicklungen und Trends immer einen kleinen Schritt voraus. Daher nimmt es – im Kontext mit den anderen Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder – den notwendigen Reformprozess selbst in die Hand. Die drei tragenden Säulen der Reformen sind dabei Wirtschaftlichkeit, Kundenorientierung und die Entlastung von Berichtspflichtigen. Unter diesen drei Aspekten konnte das Statistische Landesamt im Jahr 2003 wichtige Meilensteine erreichen.

Wirtschaftlichkeit als stärkste Herausforderung

Im Jahre 2003 führte das Statistische Landesamt ca. 250 Statistiken mit einem Kostenaufwand von rund 35 Mill. Euro, das heißt von 3,3 Euro pro Einwohner, durch. Gemessen am Gesamthaushalt des Landes waren dies 0,1 %. Baden-Württemberg steht damit im Vergleich der 16 Statistischen Landesämter an zweitgünstigster Stelle. Gleichwohl gibt es noch Wirtschaftlichkeitsreserven, sowohl in den Produktionsprozessen des Amtes als auch in der länderübergreifenden Zusammenarbeit.

Von 1993 bis 2004 hat das Statistische Landesamt 142,5, das heißt 18 % seiner Stellen eingespart. Am 1. Januar 2004 verfügt das Haus damit noch über 648,5 Stellen. Bis zum 1. Januar 2008 sollen weitere 45 eingespart werden. Dies bedeutet ein Einsparvolumen von 24 % der Stellen seit 1993. Um die Qualität der Statistiken nicht zu gefährden, ist dieser Sparbeitrag vor allem davon abhängig, dass der Produktionsprozess in nennenswertem Umfang weiter automatisiert wird und keine umfangreichen neuen Aufgaben durch die EU oder den Bund hinzukommen. Im Jahr 2003 ist der Aufgabenumfang jedoch bereits wieder um fünf neue Statistiken erweitert worden bzw. wurde deren Durchführung gesetzlich beschlossen. Darunter fallen die sozio-ökonomische Gemeinschaftsstatistik über Einkommens- und Lebensbedingungen sowie die Grundsicherungsstatistik. Lediglich eine Erhebung fiel im Gegenzug weg. Bei sieben Statistiken wurde der Merkmalskatalog ausgeweitet bzw. eine Merkmalsausweitung beschlossen, während nur bei einer Erhebung Merkmale reduziert wurden.

Masterplan zur Reform der amtlichen Statistik

Aufgrund der Empfehlungen der Präsidenten der Rechnungshöfe von Bund und Ländern zur Wirtschaftlichkeit des öffentlichen Statistikwesens wurde von den Amtsleitern der Statistikbehörden von Bund und Ländern ein Masterplan zur Reform der amtlichen Statistik in Deutschland verabschiedet. Vor dem Hintergrund des Denkschriftbeitrags und der Beratenden Äußerung des baden-württembergischen Rechnungshofs im Besonderen hat das Statistische Landesamt diesen Masterplan mit Nachdruck auf den Weg gebracht und sich in dem zur Umsetzung des Masterplans eingesetzten Lenkungsausschuss engagiert eingebracht. Wesentliche Schwerpunkte dieses Reformpapiers bestehen in

  • einer medienbruchfreien plausibilisierten Datenlieferung,
  • einer arbeitsteiligen Konzentration der IT-Produktion und
  • einem länderübergreifenden Benchmarking.

Da bislang noch für 82 % der Statistiken die Daten entweder vollständig oder teilweise auf Papier geliefert werden, bestehen hier erhebliche Rationalisierungsreserven. Am weitesten vorangeschritten ist die Automatisierung der Datenlieferungen bei Kommunen und Finanzämtern. Am geringsten ist der Automatisierungsgrad bei Datenlieferungen aus der Wirtschaft und anderen Landesbehörden. Um sich einen detaillierten Überblick zu den Optimierungspotenzialen bei der Datenlieferung zu verschaffen, hat das Amt im Jahr 2003 einen ersten Fortschrittsbericht erstellt.

Der Lenkungsausschuss zur Reform der amtlichen Statistik hat beschlossen, dass mithilfe von Pilotprojekten geprüft wird, künftig die IT-Produktion der einzelnen Statistiken (zunächst bei Unternehmensregister, Baugewerbestatistiken, Bevölkerungsstatistiken und Binnenfischereistatistik) nicht mehr dezentral in allen 16 Landesämtern durchzuführen, sondern arbeitsteilig auf jeweils ein Amt zu konzentrieren. Diese Dienstleistung soll auf Verrechnungsbasis erfolgen.

Letztendlich ermöglicht erst ein länderübergreifendes Benchmarking einen Kostenvergleich, aus dem Rückschlüsse auf die Effizienz der Arbeitsabläufe gezogen werden können. Das Statistische Landesamt gestaltet diesen Prozess aktiv mit und wird die Erkenntnisse konsequent umsetzen. Unter der Leitung Baden-Württembergs wurde 2003 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, welche ein Konzept für ein länderübergreifendes Benchmarking am Beispiel des Mikrozensus, der Gewerbeanzeigenstatistik, der Beherbergungsstatistik und der Wanderungsstatistik entwickeln soll. Ab Januar 2004 soll ein länderübergreifendes Benchmarking dieser vier personalkostenintensiven Statistiken durchgeführt werden.

Einführung eines Systems zur kontinuierlichen Verbesserung

Der öffentliche Dienst hat bislang in unzureichendem Maße die Kreativität und Ideen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verbesserung von Arbeitsabläufen sowie zur Nutzung von Wirtschaftlichkeitspotenzialen genutzt. Das Statistische Landesamt führte deshalb 2003 – unter Auswertung der Erfahrungen baden-württembergischer Industriebetriebe – ein KVP-System (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) ein. Einzeln und in Teams sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vorschläge zur Verbesserung von Arbeitsabläufen – insbesondere referats- und abteilungsübergreifend – entwickeln, die dann auch umgesetzt werden. Durch diese Initiative, die auf dem bekannten Verbesserungsvorschlagswesen aufbaut, gingen bisher (sage und schreibe) 190 Verbesserungsvorschläge in der Geschäftsstelle ein. Hiervon wurden 43 bereits umgesetzt und 7 prämiert.

Darüber hinaus bediente sich das Statistische Landesamt auch im Jahr 2003 der Instrumente einer modernen Verwaltungssteuerung, um die Arbeitsabläufe effektiver zu gestalten. Dazu gehören vor allem quantifizierte Zielvereinbarungen, Jahresgespräche auf allen Ebenen, Transparenz der Arbeitsabläufe und Zusammenhänge in personal-planerischer, kostenmäßiger, haushalterischer und organisatorischer Hinsicht sowie die Evaluierung vereinbarter Maßnahmen.

Kundenorientiertes Marketing

Um dem Informationsauftrag der amtlichen Statistik gerecht zu werden, sind Statistikergebnisse so aufzubereiten, dass sie der Nutzer verstehen und für seine Zwecke verwenden kann. Das Statistische Landesamt verfolgt

dabei das Ziel, möglichst viele Entscheidungsträger auf allen Ebenen der Wirtschaft und Verwaltung, einen möglichst großen Teil der Bevölkerung sowie Fachkreise der unterschiedlichsten Bereiche mit kundengerechten Informationen zu versorgen. Besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet, alle berichtspflichtigen Unternehmen regelmäßig über solche Statistikergebnisse zu informieren, zu denen sie Daten beigetragen haben.

So wurde im Jahr 2003 das neue Veröffentlichungskonzept konsequent umgesetzt und das neue Corporate Design des Hauses bei allen Veröffentlichungen und im Internet vollständig realisiert. Der Schwerpunkt des Veröffentlichungsprogramms verlagert sich auf Kurzinformationen wie »Statistik Aktuell« oder zahlenorientierte Faltblätter, denn Kurzanalysen von Statistikergebnissen scheinen dem Hauptbedürfnis der meisten Kunden zu entsprechen. Das Statistische Landesamt orientiert sich zunehmend an Themen, die in der öffentlichen Diskussion von Bedeutung sind. Für 2003 waren dies vor allem: Situation der öffentlichen Haushalte, Situation der Familien, Integration von Ausländerinnen und Ausländern sowie Bildung nach PISA. Diesem Bedürfnis trägt auch das seit Juli 2003 völlig überarbeitete Konzept des Flaggschiffs des Hauses, das »Statistische Monatsheft Baden-Württemberg«, Rechnung.

Das Internetangebot stellt das zentrale Informationsmedium und -angebot des Statistischen Landesamtes dar. Das Haus verfolgt deshalb das Ziel, möglichst alle kostenlos verfügbaren Informationen in das Internet zu stellen und die Zahl der Nutzer mithilfe eines noch attraktiveren und nutzergerechten Internetauftritts zu erhöhen. 2003 wurden ca. 340 000 Seitenabfragen pro Monat registriert. Statistische Berichte werden als Internet-Newsletter angeboten. Die Printversion wird im Wesentlichen eingestellt. Der Internet-Newsletter für Statistische Berichte wurde 2003 bereits von fast 1 000 Kunden genutzt, der für Eildienste sogar von rund 1 750 Kunden.

Statistisches Landesamt als Teil eines landesweiten Netzwerks

Um die Zusammenarbeit mit den Ressorts, mit Verbänden und mit anderen Partnern zu verbessern und eine Verankerung des Statistischen Landesamtes in einem landesweiten Kunden- und Partner-Netzwerk sicherzustellen, wurden von der Amtsleitung und den Abteilungsleitern eine Vielzahl von Verbands- und Ressortgesprächen geführt. Sie werden dazu genutzt, um gezielt Informationswünsche abzufragen und Kooperationen einzugehen.

Kooperationsprojekte mit wissenschaftlichen Einrichtungen dienen dazu, aktuelle Themen von wissenschaftlichem Interesse zu bearbeiten und mithilfe eines Know-how-Transfers die Analysekompetenz des Statistischen Landesamtes zu stärken. So wurden im Jahre 2003 zwei Gastwissenschaftsarbeitsplätze im Haus eingerichtet.

Die Amtsleiter haben beschlossen, ein Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landesämter einzurichten. Das Forschungsdatenzentrum wird in Form einer Arbeitsgemeinschaft der Statistischen Landesämter betrieben. Jedes Statistische Landesamt bildet einen regionalen Standort des Forschungsdatenzentrums. Das Ziel ist, den Zugang der Wissenschaft zum Datenangebot und speziell zu den Mikrodaten der amtlichen Statistik zu erleichtern und für die Nutzer dieser Daten Beratungs- und Servicedienstleistungen bereitzustellen. Eine wesentliche Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen, besteht im Aufbau und der Erprobung einer neuen organisatorischen, fachlichen und technischen Infrastruktur. Das Statistische Landesamt hat es übernommen, das Forschungsdatenzentrum zu den Umweltstatistiken und zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung einzurichten (Anfang 2005).

Last, but not least dienen »Statistik-Tage«, die gemeinsam mit Partnern von Wissenschaft, Industrie- und Handelskammern, Landratsämtern und Stadtverwaltungen durchgeführt werden, dazu, unsere vielfältigen Statistikergebnisse breiten Kreisen zugänglich zu machen. So fanden im Jahr 2003 Veranstaltungen bei den Industrie- und Handelskammern Rhein-Neckar und Heilbronn, das Statistische Kolloquium in Tübingen und die hauseigenen Ausstellungen »Baden-Württemberg und die EU« in den Landratsämtern Tauberbischofsheim und Calw sowie im Landtag von Baden-Württemberg großen Zuspruch bei den Besuchern. Daneben konnte der nunmehr achte Schülerwettbewerb des Statistischen Landesamtes zu EU-Fragen viele Schülerinnen und Schüler im Land zur Teilnahme animieren. Aber auch 400 Pressemitteilungen und 13 Pressekonferenzen dienten dazu, die Informationen des Statistischen Landesamtes über die Medien in die Öffentlichkeit zu transportieren.

Berichtspflichtige sollen entlastet werden

Das Statistische Landesamt befragt jährlich etwa 50 000 oder 11 % der Unternehmen und der Selbstständigen in Baden-Württemberg. Für kleine und mittlere Unternehmen kann dies jedoch eine nicht unerhebliche Belastung bedeuten. Deshalb setzt sich das Statistische Landesamt dafür ein, dass nicht mehr oder kaum noch benötigte Statistiken gestrichen werden. Daten sollen statt über Primärerhebungen aus Verwaltungsregistern gewonnen und den Betrieben die Datenlieferung mithilfe von Internet-Angeboten erleichtert werden. Dabei muss jedoch festgehalten werden, dass 89 % der Unternehmen im Land keine »Bürokratielasten« für die amtliche Statistik zu tragen haben.

Im Jahr 2003 konnte das Statistische Landesamt Baden-Württemberg bei insgesamt neun Statistiken eine Datenübermittlung per Internet anbieten. Damit liegt Baden-Württemberg mit dieser komfortablen und rationellen Form der Online-Meldung bundesweit mit an der Spitze. Es wurden zahlreiche Werbeaktionen durchgeführt, um Berichtspflichtige dafür zu gewinnen, ihre Daten via Internet zu liefern. Bislang machen zwischen 6 % und 11 % der Berichtspflichtigen im Land davon Gebrauch. Im Jahr 2004 werden weitere 18 Statistiken onlinefähig gemacht.

Auf Vorschlag des Statistischen Landesamtes hat das baden-württembergische Finanzministerium 15 Streich- und Reduzierungsvorschläge sowie 6 Prüfaufträge in die Bund-Länder-Gremien eingebracht. Aufgrund dieser Initiative konnte dem Bundesrat ein Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg für den Entwurf eines Gesetzes zum Abbau von Statistiken vorgelegt werden.

Auch die Nutzung von Verwaltungsdaten und Registern trägt wesentlich zur Entlastung unserer Berichtspflichtigen bei. So konnte der Aufbau des Unternehmensregisters der amtlichen Statistik abgeschlossen werden. Diese laufend aktualisierte Datei enthält in Baden-Württemberg Angaben zu 460 000 Unternehmen und Freiberuflern bzw. 510 000 Betrieben aus den verschiedenen Wirtschaftsbereichen.

Durch die Nutzung dieses Unternehmensregisters werden Großzählungen, wie zum Beispiel die Handwerkszählung oder die Handels- und Gaststättenzählung, in Zukunft wegfallen. Das Verwaltungsdatenverwendungsgesetz wurde am 31. Oktober 2003 verabschiedet. Es soll einen Test ermöglichen, inwieweit die Daten aus dem Umsatzsteuerdatenregister der Finanzämter und aus der Beschäftigtendatei der Bundesanstalt für Arbeit Konjunkturstatistiken ersetzen können.

Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg wird auch in den nächsten Jahren seinen begonnenen Reformprozess fortsetzen, in dem Bemühen, seine Wirtschaftlichkeit weiter zu verbessern, die immer geringer werdenden Ressourcen effektiv und effizient zu nutzen und einzusetzen sowie das Amt in seiner Funktion als zentraler Informationsdienstleister des Landes noch bekannter zu machen und seinen Nutzen für Politik und Gesellschaft weiter zu erhöhen.