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Statistisches Monatsheft Januar 2004

Amtliche Statistik auf Reformkurs – Ein Jahresrückblick 2003

In Zeiten immer knapper werdender Ressourcen und unter dem Druck aus Politik und Gesellschaft zur Verschlankung in der Verwaltung sind Reformen der einzig Erfolg versprechende Weg, die Handlungsfähigkeit der amtlichen Statistik zu erhalten und den Anschluss an Europa nicht zu verpassen. Gleichzeitig gilt es aber auch, die Unabhängigkeit, Wissenschaftlichkeit und Neutralität der amtlichen Statistik zu bewahren. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg ist schon seit jeher bestrebt, eine Vorreiterrolle in der Verwaltungsreform und -modernisierung einzunehmen. Es war in der Vergangenheit als innovativer Dienstleister neuen Entwicklungen und Trends immer einen kleinen Schritt voraus. Daher nimmt es – im Kontext mit den anderen Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder – den notwendigen Reformprozess selbst in die Hand. Die drei tragenden Säulen der Reformen sind dabei Wirtschaftlichkeit, Kundenorientierung und die Entlastung von Berichtspflichtigen. Unter diesen drei Aspekten konnte das Statistische Landesamt im Jahr 2003 wichtige Meilensteine erreichen.

Pflegebedürftige in Baden-Württemberg

Rund zwei Prozent der baden-württembergischen Bevölkerung sind derzeit pflegebedürftig. Mehr als die Hälfte davon, rund 112 000 Personen, waren 80 Jahre und älter. Das Pflegerisiko von Frauen ist ab dem 75. Lebensjahr deutlich höher als das der Männer, während vor der Vollendung des 75. Lebensjahres die männliche Bevölkerung das höhere Pflegerisiko aufweist.

Regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung für Baden-Württemberg

Mit Bevölkerungszunahmen ist (noch) bis 2020 in allen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs und in den meisten Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern zu rechnen. Allerdings werden sich die Gewichte in der Altersstruktur stark verschieben. Besonders stark zunehmen wird die Zahl der 85-Jährigen und Älteren, während die Zahl der Kinder, Jugendlichen und mittleren Jahrgänge zurückgehen wird. Geburtendefizite sind flächendeckend zu erwarten.

Relativ starke Anstiege in der Bevölkerungszahl werden voraussichtlich universitär geprägte Städte haben, da diese von der Zunahme der Zahl der jungen Erwachsenen besonders profitieren werden und gleichzeitig von der Abnahme der Zahl der Kinder und Jugendlichen und der Personen zwischen 30 und 44 relativ wenig betroffen sind.

Wanderungsanalyse für Baden-Württemberg

Die Umzugsneigung wird von der Lebensphase beeinflusst, in der sich ein Mensch gerade befindet. Die Wahrscheinlichkeit für einen Wohnortwechsel ist deshalb in den jungen Erwachsenenjahren am höchsten, wenn Berufs- und Partnerwahl anstehen. Generell ist die ausländische Bevölkerung räumlich mobiler als deutsche. Da die Zuziehenden ins Land im Schnitt jünger sind als die Wegziehenden, bewirken die Wanderungsbewegungen einen Verjüngungseffekt: im Jahr 2001 stieg deshalb das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Land nicht um 0,3, sondern nur um 0,2 Jahre an. Das Lebensalter hat auch Einfluss darauf, welche Wanderungsziele bevorzugt werden. Am attraktivsten für die das Wanderungsgeschehen prägende Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen sind die Ballungszentren des Landes. Unabhängig vom Alter dagegen ist die Vorliebe für einen neuen Wohnort in der Nähe des alten: 50 % aller innerhalb des Landes Umziehenden ziehen weniger als 12 km Luftlinie um.

Voraussichtliche Entwicklung der Schulabgängerzahlen in Baden-Württemberg bis 2020

Das herausragende Ereignis im Betrachtungszeitraum dieser Vorausrechnung der Schulabgängerzahlen ist das Abitur im Jahr 2012. Dann wird der erste komplette Jahrgang, der in 8 Jahren das Gymnasium durchlaufen hat, zusammen mit dem letzten Jahrgang des bisherigen 9-jährigen gymnasialen Bildungsgangs in die Abiturprüfung gehen. Voraussichtlich werden deshalb im Jahr 2012 rund 51 000 Abiturienten die allgemein bildenden Gymnasien verlassen. Zusammen mit den gut 14 000 Abgängern der beruflichen Gymnasien und den über 11 000 Schülerinnen und Schülern, die dann wohl die Fachhochschulreife erwerben werden, dürften 2012 rund 77 500 Jugendliche ihre Hochschulzugangsberechtigung erwerben; im Vergleich dazu waren es im Jahr 2002 nur rund 46 000. Abgesehen von diesem einen Jahr wird der mittlere Bildungsabschluss – Realschulabschluss oder Fachschulreife – der häufigste bleiben. Das Maximum wird hier mit über 64 000 im Jahr 2007 erwartet.

Nichtversetzte 2002: Mädchen deutlich seltener betroffen

Gut 1,3 Mill. Schüler besuchen die rund 4 100 allgemein bildenden Schulen in Baden-Württemberg. Nicht alle dieser Schüler haben im Sommer 2002 das Klassenziel erreicht und sind versetzt worden. Die Quoten der Nichtversetzten an den hier untersuchten Schularten Grund-, Haupt- und Realschule sowie Gymnasium schwanken zwischen 1 % an den Grundschulen und 4,3 % an den Realschulen. Mädchen schneiden an allen untersuchten Schularten deutlich besser ab als Jungen. Bei jeder Schulart lassen sich eine oder zwei »kritische« Klassenstufen feststellen, die seit Jahren die höchsten Quoten an Nichtversetzten aufweisen. Zwischen den Stadt- bzw. Landkreisen Baden-Württembergs gibt es große regionale Unterschiede: So reicht beispielsweise die Spanne der Nichtversetzten-Quoten von 2,2 % im Landkreis Biberach bis zu 7,7 % in der Landeshauptstadt (Realschulen) bzw. von 2,1 % im Landkreis Rastatt bis zu 5,2 % im Landkreis Heilbronn (Gymnasien).

Verarbeitendes Gewerbe: Investitionszyklus hat seinen Zenit überschritten

Die allgemeine konjunkturelle Eintrübung hat auch die Investitionsbereitschaft der Südwestindustrie schrumpfen lassen. Mit Aufwendungen in Höhe von 8,9 Mrd. Euro lagen die Investitionen 2002 etwa 10 % niedriger als noch im Vorjahr. Damit hat ein seit Mitte der 90er-Jahre anhaltendes Investitionswachstum im Verarbeitenden Gewerbe des Landes sein Ende gefunden. Getragen wurde dieser Zyklus in auffälliger Weise vom Kraftfahrzeugbau, auf den ein Viertel des gesamten Investitionsvolumens dieser Zeit entfiel.

Zur Neuberechnung der Baupreisindizes auf Basis 2000

Im August 2003 wurden die Baupreisindizes bundesweit auf der Grundlage neuer Wägungsschemata von der bisherigen Basis 1995 umgestellt auf die neue Basis 2000. Damit wird die Praxis fortgesetzt, die Preisindizes der amtlichen deutschen Preisstatistik alle fünf Jahre an die aktuellen Entwicklungen im Bauleistungsbereich anzupassen und neu zu berechnen. Das neue Wägungsschema 2000 berücksichtigt für den Wohnungsbau stärker die Ausbauarbeiten, während bei den Rohbauarbeiten ein Rückgang insbesondere bei den Beton- und Stahlbetonarbeiten festzustellen ist. Im Zuge der Neustrukturierung ist die Indexberechnung für Kläranlagen eingestellt worden, da dieser Index an Bedeutung verloren hat.

Wasserbedarf in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg benötigen Wirtschaft, Gewerbe und Bevölkerung jährlich rund 5,8 Milliarden Kubikmeter (Mrd. m³) Wasser. Die Wasservorkommen unterliegen aufgrund der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Wasser als Trinkwasser, Rohstoff, Kühlmittel, als Lösungs- und Transportmittel unterschiedlichsten, teilweise konkurrierenden Nutzungsansprüchen. Der Wasserbedarf stieg 2001 gegenüber 1998 um rund 40 Millionen Kubikmeter (Mill. m³) zwar leicht an, seit Ende der 80er-Jahre ist insgesamt aber eine Tendenz zur geringeren Inanspruchnahme der Wasservorkommen (um fast 15 %) und zur intensiveren Nutzung der entnommenen Wassermengen zu beobachten. Im Jahr 1991 lag der Wasserbedarf noch bei zusammen 6,9 Mrd. m³ Wasser. Die wichtigsten Nutzergruppen sind die öffentliche Wasserversorgung, die Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, Energieversorgungsunternehmen und die Landwirtschaft. Die Wasserentnahmen und besonders die mit den Abwasserableitungen verbundenen Stoff- und Wärmeeinträge stellen einen erheblichen Eingriff in den natürlichen Wasserkreislauf dar.

Rückblick auf vier Erhebungszyklen von Verwerterstatistiken

Zuletzt rund 7 Mill. Tonnen unterschiedlicher Stoffe aufbereitet

Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz aus dem Jahre 1994 fordert, dass Abfälle in erster Linie zu vermeiden, in zweiter Linie stofflich zu verwerten oder zur Gewinnung von Energie zu nutzen sind. Entsprechende Erfolge der Abfallwirtschaft hängen ganz entscheidend von der Schließung von Stoffkreisläufen in den betroffenen Produktionsbereichen ab. Informationen darüber, inwieweit diese Anforderungen erfüllt werden, geben die so genannten Verwerterstatistiken nach dem Umweltstatistikgesetz, die seit 1996 alle zwei Jahre durchgeführt werden.

In den fünf abgebildeten Recyclingbereichen wurde in Baden-Württemberg im Jahr 2002 eine Verwertungsmenge von insgesamt 6,76 Mill. Tonnen unterschiedlicher Stoffe erreicht. In dieser Summe sind zunächst 42 000 Tonnen aufbereiteter und verwerteter Kunststoffe enthalten. Aus der Aufbereitung von Bauabfällen ergaben sich 5,22 Mill. Tonnen überwiegend Recyclate, die Betriebe des Papiergewerbes setzten 1,14 Mill. Tonnen Altpapier ein und das Glasgewerbe verarbeitete 345 000 Tonnen Altglas zu neuen Produkten. Schließlich wurden rund 8 400 Tonnen Altöle durch Raffinationsverfahren zu neuen Basisölen aufbereitet. Diese können dann wiederum zur Produktion neuer Erzeugnisse herangezogen werden. Zukünftig soll auch die Wiederverwertung von Altfahrzeugen sowie von Elektro-/Elektronikaltgeräten in die statistische Erfassung integriert werden.

Die Renaissance der großen Städte

Jahrzehntelang haben sich die großen Städte und Ballungsräume wirtschaftlich ungünstiger entwickelt als die übrigen Regionen Deutschlands. Gegen Mitte der 90er-Jahre ist hier aber ein Trendwechsel eingetreten. Von 1998 bis 2002 expandierte die Beschäftigung in den Großstädten deutlich stärker als im Durchschnitt des Landes. Mit Zuwachsraten zwischen 8 % und 10 % wiesen München, Köln und Frankfurt am Main mit Abstand die höchste Dynamik auf, während in der größten deutschen Stadt, Berlin, die Beschäftigung um 2 ½ % zurückging. Träger des städtischen Wachstums sind die überregionalen Dienstleistungen wie Finanz- und Beratungsdienste, Medien und Tourismus. Diese Branchen wachsen um ein Vielfaches schneller als die Wirtschaft insgesamt. Sie bevorzugen nach wie vor urbane Zentren als Standorte. Ihre Konzentration auf die großen Städte nimmt eher noch zu.

»Glaubwürdigkeit der Information ist unser Markenzeichen«

Präsidentin des Statistischen Landesamtes will den wachsenden Anforderungen mit stärkerer Rationalisierung begegnen

Statistiken bilden wichtige Entscheidungsgrundlagen für die Beurteilung der gesellschaftlichen Lage. Das Statistische Landesamt bietet Informationen zu den unterschiedlichen Bereichen, vom Apfelertrag bis zur demografischen Entwicklung. Informationen, die zunächst gesammelt und verarbeitet werden müssen. Über die Situation des öffentlichen Statistikwesens erschien im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg ein Interview von Klaus Fischer mit der Präsidentin des Statistischen Landesamtes, Gisela Meister-Scheufelen. Wir geben dieses in Auszügen wieder.