:: 3/2004

Verdienststreuung in Baden-Württemberg

Über 60 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lagen unterhalb des Durchschnittsverdienstes

Während rund 60 % der vollzeitbeschäftigten Angestellten weniger als den durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 3 540 Euro verdienten, erhielten 54 % der Arbeiter und 56 % der Arbeiterinnen weniger Lohn als der rechnerische Durchschnitt.

Für eine umfassende Beurteilung der Verdienstsituation in Baden-Württemberg werden durch die Verdienststrukturerhebung neben den nach Leistungsgruppen und Wirtschaftszweigen tief gegliederten durchschnittlichen Bruttomonatsverdiensten auch Informationen über die Schichtung der Verdienste bereitgestellt. Ohne das Wissen um die Verdienstverteilung können Durchschnittswerte nicht beurteilt werden, da dem gleichen Durchschnittswert eine unterschiedliche Verteilung der Einzelwerte zugrunde liegen kann. Um nun beispielsweise Aussagen über den Verdienstabstand zwischen den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen und der Sozialhilfe treffen zu können, sind Informationen über die Verteilung der Arbeitnehmerverdienste notwendig.

Frauenanteil mit höheren Verdiensten immer noch sehr gering

Im Oktober 2001 verdienten rund 62 % aller vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den in die Erhebung einbezogenen Wirtschaftsbereichen weniger als den durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von fast 3 000 Euro.1

Der monatliche Bruttoverdienst einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers hängt vor allem von der Qualifikation, der Bewertung der ausgeübten Tätigkeit und der Berufserfahrung ab. Darüber hinaus beeinflusst auch die Wirtschaftsbranche, die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und die Unternehmensgröße die Höhe des Verdienstes. Im Oktober 2001 verdienten in Baden-Württemberg die vollzeitbeschäftigten Angestellten mit durchschnittlich 3 540 Euro erheblich mehr als die vollzeitbeschäftigten Arbeiterinnen und Arbeiter (2 449 Euro).2 Die Angestelltengehälter lagen dabei in der Tendenz nicht nur über den Arbeiterlöhnen, sie waren aufgrund des größeren Aufgabenspektrums auch stärker differenziert und streuten stärker (Schaubild 1 und 2).

Damit einzelne extrem hohe oder niedrige Bruttomonatsverdienste nicht ins Gewicht fallen, betrachtet man bei der Bewertung von Streuungen häufig das Streuungsmaß Quartilsabstand. Dies bezeichnet die »inneren« 50 % der Daten, also die Verdienstspanne zwischen dem 1. Quartil3 und dem 3. Quartil.

Die Verdienste der »inneren« 50 % der männlichen Angestellten umfasste im Oktober 2001 die Spanne zwischen 2 900 und 4 800 Euro mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 4 023 Euro. Knapp 60 % der männlichen Angestellten verdienten allerdings weniger als den Durchschnittsverdienst. Bei den weiblichen Angestellten lagen die »inneren« 50 % in der Verdienstspanne zwischen 1 900 und 3 000 Euro brutto im Monat. Im Durchschnitt verdienten die weiblichen Angestellten rund 2598 Euro. Ebenfalls rund 60 % lagen unterhalb dieses Durchschnittsgehaltes.

Bei den Arbeiterinnen und Arbeitern erreichten im Oktober 2001 die Männer einen durchschnittlichen Bruttoverdienst von 2 554 Euro und die Frauen einen Vergleichswert von 1 909 Euro. Rund 54 % der Arbeiter verdienten allerdings weniger als den Durchschnittsverdienst. Bei den Arbeiterinnen waren es sogar 56 %. Zwischen 2 000 und 2 900 Euro brutto im Monat verdienten die »inneren« 50 % der Arbeiter. Bei den Arbeiterinnen konzentrierte sich dieser Anteil auf die Bruttomonatslöhne in den Verdienstklassen zwischen 1 500 bis unter 2 200 Euro. Die Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter streuten damit weniger stark als die der Angestellten.

An der Spitze der Verdienstskala stehen nach wie vor die männlichen Angestellten: Immerhin jeder Fünfte dieser Arbeitnehmergruppe verdiente im Oktober 2001 mehr als 5 000 Euro. Bei den weiblichen Angestellten begannen die Bruttogehälter der am oberen Ende der Verdienstverteilung stehenden 20 % der Beschäftigten dagegen bereits ab 3 184 Euro im Monat. Frauen verdienen somit nicht nur im Durchschnitt weniger als Männer, sie sind auch in den hohen Bruttoverdienstklassen immer noch sehr gering vertreten. Im Vergleich zu den Angestellten erreichten bei den Arbeitern die besten 20 % der Verdienstverteilung nur Löhne, die über 3 010 Euro lagen. Bei den Arbeiterinnen verdienten diese 20 % sogar lediglich 2 265 Euro und mehr.

Am unteren Ende der Verdienstverteilung standen vor allem die Frauen. Immerhin 20 % der Arbeiterinnen in Baden-Württemberg verdienten weniger als 1 524 Euro, bei den weiblichen Angestellten lag der Vergleichswert mit 1 880 Euro etwas höher.

Niedrigverdienst und Sozialhilfe? Im Niedriglohnsektor vor allem allein Stehende und Zweitverdienerinnen

Der gesetzlich festgeschriebene Verdienstabstand4 zwischen Einkommen aus unselbstständiger Arbeit und dem Bedarfsanspruch von Empfängern laufender Hilfe zum Lebensunterhalt gerät vor allem im Zusammenhang mit Beschäftigungsverhältnissen im Niedriglohnbereich immer wieder in die Diskussion. In Baden-Württemberg waren im Oktober 2001 in den erhobenen Wirtschaftsbereichen rund 30 % der Beschäftigten als Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter und ca. 5 % der Angestellten (Leistungsgruppe V) in Tätigkeiten mit geringer Qualifikation beschäftigt.

Betrachtet man die unteren 20 % der Nettoverdienstverteilung – also Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vermutlich dem Niedriglohnbereich zuzuordnen sind –, dann lassen sich bereits durch die Hinzunahme des weiteren Merkmales Lohnsteuerklasse Rückschlüsse auf das Einkommen des Haushaltes aus unselbstständiger Arbeit ziehen.5 Deutliche Unterschiede in diesem unteren Bereich der Nettoverdienstverteilung können zwischen Männern und Frauen festgestellt werden. Während die Männer mit niedrigem Verdienst überwiegend (65 %) allein stehend und somit in Lohnsteuerklasse 1 eingeordnet waren, waren die Frauen mit geringem Verdienst überwiegend mit einem besser verdienenden Partner verheiratet und versteuerten ihre Einkünfte in Lohnsteuerklasse 5. Ihr Verdienst war also nicht das alleinige Haushaltseinkommen aus unselbstständiger Arbeit.

Flexibilisierung der Arbeitszeiten? Wöchentliche Arbeitszeiten streuen heute stärker

Neben den Löhnen und Gehältern bilden Vereinbarungen über die Arbeitszeit beim Abschluss von tarifvertraglichen Einigungen die zweite Verhandlungsebene zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. In den letzten 10 Jahren hat sich die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeiten deutlich verändert6: Im Oktober 1990 waren immerhin noch rund 80 % der Arbeiterinnen und Arbeiter zwischen 36 und 40 Stunden in der Woche tätig. Da die Arbeitszeiten in Flächentarifverträgen für viele Branchen einheitlich geregelt waren, lag im Oktober 1990 der Anteil der Arbeiterinnen und Arbeiter mit gleicher Arbeitszeit sehr hoch und die Wochenarbeitszeiten streuten weniger stark (Schaubild 3).

Im Oktober 1995 hatte sich dagegen der Anteil der Arbeiterinnen und Arbeiter in dieser Wochenstundenklasse bereits halbiert. Durch die Einführung der 35-Stunden-Woche7 stieg der Anteil der Arbeiterinnen und Arbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 32 und 36 Wochenstunden von knapp 1 % auf über 20 % an. Auf der anderen Seite erhöhte sich der Anteil von Arbeiterinnen und Arbeiter mit mehr als 40 Stunden in der Woche im Vergleich zu 1990 von 9 % auf immerhin 28 % im Jahr 1995 ebenfalls recht deutlich.

Auch im Oktober 2001 setzte sich dieser Trend fort: Die Arbeitszeiten der Arbeiterinnen und Arbeiter in Baden-Württemberg streuten im Vergleich zu 1990 deutlich breiter. Rund ein Viertel arbeitete zwischen 32 und 36 Stunden, circa 37 % der Arbeiterinnen und Arbeiter zwischen 36 und 40 Stunden in der Woche. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten (unter 32 Wochenstunden) hat sich im Vergleich zu 1995 auf 9 % verdoppelt. Darüber hinaus arbeiten rund 30 % der Arbeiterinnen und Arbeiter mehr als 40 Stunden in der Woche.

Insgesamt betrugen die durchschnittlich bezahlten Wochenarbeitsstunden bei vollzeitbeschäftigten Arbeiterinnen 37,57 Stunden; die vollzeitbeschäftigten Arbeiter erreichten im Durchschnitt rund 2 Stunden mehr pro Woche, nämlich 39,17 Stunden. Die vereinbarte Wochenarbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Arbeiterinnen lag im Oktober 2001 im Durchschnitt bei rund 16 Stunden.

Auch bei der Arbeitszeit zeigten sich bei den Arbeitnehmergruppen merkliche Unterschiede. Im Gegensatz zu den Arbeiterinnen und Arbeitern streuten die wöchentlich vereinbarten Arbeitszeiten der Angestellten sehr viel weniger. Die durchschnittliche vereinbarte Wochenarbeitszeit lag bei den vollzeitbeschäftigten männlichen Angestellten bei 38,04 Stunden. Die vollzeitbeschäftigten weiblichen Angestellten arbeiteten durchschnittlich 37,73 Stunden, die teilzeitbeschäftigten weiblichen Angestellten 22,55 Stunden in der Woche.8

In den im Jahr 2001 erstmals erhobenen Wirtschaftszweigen Gastgewerbe, Verkehr- und Nachrichtenübermittlung, Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen spielte vor allem die Teilzeitbeschäftigung eine wichtige Rolle. Rund 40 % der Arbeiterinnen und Arbeiter in diesen Wirtschaftsbereichen arbeiteten unter 32 Stunden im Monat. Knapp ein Drittel der Arbeiterinnen und Arbeiter lagen mit ihrer wöchentlich bezahlten Arbeitszeit zwischen 32 und 40 Stunden. Mehr als ein Viertel der Arbeiterinnen und Arbeiter arbeiteten mehr als 40 Stunden in der Woche.

1 Die Verdienste sind in der Regel rechtsschief verteilt, das heißt der Durchschnittsverdienst lag über dem Zentralwert (Median) von 2 342 Euro. Der Zentralwert halbiert dabei exakt die Verdienstverteilung; 50 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verfügte also im Oktober 2001 über einen Bruttomonatsverdienst von weniger als 2 342 Euro, während die andere Hälfte über diesem Wert lag.

2 Falls nicht anders bezeichnet, beziehen sich alle Werte und Angaben auf vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

3 Das 1. Quartil entspricht 25 % der Verteilung; 25 % der Fälle liegen unterhalb des 1. Quartilwertes; 75 % liegen darüber. Das 3. Quartil entspricht 75 % der Verteilung, 75 % der Fälle liegen unterhalb des 3. Quartilwertes, 25 % darüber. (vergleiche Zentralwert).

4 §22 Abs.4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

5 Angaben zu den Nettoverdiensten nur für die Wirtschaftszweige Produzierendes Gewerbe, Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe.

6 Der Vergleich der Arbeitszeitentwicklung seit 1990 bezieht sich auf die Wirtschaftszweige Produzierendes Gewerbe, Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe.

7 In Tarifrunde 1995 für die Metallindustrie West vereinbart.

8 Bezogen auf die Wirtschaftsbereiche Produzierendes Gewerbe, Handel, Kredit- und Versicherung.