:: 6/2004

Amtliche Statistik – Fluch und Segen

Die amtliche Statistik ist Fluch und Segen zugleich. Sie ist mit umfangreichen Auskunftspflichtigen der Unternehmen verbunden, andererseits liefert sie wichtige Daten für die Wirtschaft. Gibt es einen goldenen Mittelweg?

Der folgende Beitrag ist erschienen im »Magazin Wirtschaft«, herausgegeben von der IHK Stuttgart, und wird mit der freundlichen Genehmigung von Herrn Dr. Nitschke abgedruckt.

Nicht selten opfert der Chef eines kleinen Unternehmens sein Wochenende, um Statistischen Ämtern Bericht zu erstatten. Beispielrechnungen zeigen: Die kleinsten Betriebe mit bis zu neun Mitarbeitern geben mitunter mehr als 3 % ihres Jahresumsatzes für administrative Aufgaben aus; davon entfällt ein beachtlicher Teil auf das Ausfüllen statistischer Fragebögen. Der gesetzlich auferlegten Pflicht zu Datenlieferung an die Statistischen Ämter darf kein Unternehmen ausweichen, wenn es für eine Stichprobe ausgewählt wurde oder es sich um eine Totalerhebung handelt.

Der vielfach geäußerte Unmut von Unternehmen ist verständlich. Eine pauschale Halbierung der Statistikpflichten, wie sie der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller vollmundig ankündigte, hört sich aber nur gut an, ist bei näherer Betrachtung jedoch nicht zielführend. Statistik ist zu einem Großteil schließlich auch aus der Sicht der Wirtschaft unverzichtbar. Denn:

  • Wie könnte ohne amtliche Statistik die Bedeutung der Unternehmen für Beschäftigung und Wachstum in unserem Lande aufgezeigt werden?
  • Wie soll die Wirtschaftspolitik ohne Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung vernünftig gestaltet werden?
  • Woher soll die Wirtschaftspolitik ohne Statistik wissen, wie sich ihre Maßnahmen auf Unternehmen auswirken?
  • Woher würden die Unternehmen selbst die erforderlichen Daten für Marktforschung und -analyse erhalten, wenn nicht über die amtliche Statistik?
  • Eine aussagekräftige amtliche Statistik liegt deshalb im Interesse der Unternehmen. Auch die IHK-Organisation setzt im Auftrag der Wirtschaft die statistischen Daten zur Bewertung und Beeinflussung der Wirtschaftspolitik ein.

Aufwand auf unverzichtbares Minimum reduzieren

Trotzdem gilt: Statistikpflichten der Unternehmen müssen auf das unverzichtbare Minimum reduziert werden. Zuletzt hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) über den Statistischen Beirat beim Statistischen Bundesamt einen praxisnahen Vorschlag in den Empfehlungskatalog an die Bundesregierung eingespeist: Demnach soll die Teilnahmepflicht kleiner Unternehmen (zum Beispiel bis zu 49 Beschäftigte) an Stichprobenerhebungen auf eine definierte jährliche Anzahl – zum Beispiel drei Erhebungen – verbindlich begrenzt werden. Der DIHK-Vorschlag wird derzeit vom Statistischen Bundesamt geprüft; die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung des Vorschlags sind nach Aussage des Amtes bereits gegeben.

Weitere gute Ansätze werden umgesetzt oder befinden sich in der aktuellen Planung:

  • Mit dem im Aufbau befindlichen bundesweiten Unternehmensregister sollen zahlreiche Primärerhebungen auf Bundesebene künftig durch Registerauswertungen ersetzt werden.
  • Die Politik entscheidet in Kürze über eine stärkere Nutzung der Verwaltungsdaten durch die amtliche Statistik – mit dem Ziel, etliche Unternehmensangaben entbehrlich zu machen.
  • Das Statistische Bundesamt hat angekündigt, in mehreren Bereichen schriftliche Statistik-
  • Erhebungen zügig durch Online-Erhebungen zu ersetzen.
  • Die Bundesregierung will im Rahmen des am 9. Juli 2003 beschlossenen Gesamtkonzepts zum Masterplan Bürokratieabbau auch das bestehende Statistikrecht mit dem Ziel einer Vereinfachung und Flexibilisierung überprüfen.

Das Gesamtkonzept sieht vor, die Berichtspflichten durch eine verstärkte Verwaltungsdatennutzung zu verringern sowie überkommene Einzelstatistiken (zum Beispiel die Eisen- und Stahlstatistik) zu beseitigen.

Fazit: Die Statistikpolitik muss auf die richtige Balance achten. Einerseits müssen die Unternehmen von überflüssigen Statistikbelastungen befreit werden. Andererseits muss die amtliche Statistik die erforderlichen Informationen liefern – auch wenn gerade im Interesse der Wirtschaft. Dabei gilt aber: Nur wenn Unternehmer in statistischen Erhebungen ihre Interessen gewahrt sehen, werden sie bereit sein, die verbleibenden Belastungen durch Statistikpflichten zu schultern.