:: 1/2005

Spitzenstellung Stuttgarts beim Arbeitnehmereinkommen deutscher Großstädte

Die in Stuttgart beschäftigten Arbeitnehmer erzielten 2002 – wie schon in den beiden vorangegangenen Jahren – unter allen Großstädten die höchsten Arbeitnehmerentgelte. Auch die Entwicklung seit 1996 war in der baden-württembergischen Landeshauptstadt am günstigsten. Wesentliche Ursache für diese Spitzenstellung Stuttgarts ist die Ausrichtung auf das Produzierende Gewerbe, und hier vor allem auf produktive Industriezweige mit hohem Lohn- und Gehaltsniveau.

Höchstes Arbeitnehmereinkommen aller Großstädte in Stuttgart …

Im Jahre 2002 wurde in Stuttgart unter allen Großstädten Deutschlands das höchste Pro-Kopf-Arbeitnehmereinkommen erzielt. Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, haben die in der baden-württembergischen Landeshauptstadt beschäftigten Arbeitnehmer im betreffenden Jahr ein Arbeitnehmerentgelt in Höhe von durchschnittlich 41 500 Euro erhalten, unter den anderen Großstädten mit rund 500 000 oder mehr Einwohnern1 wurde die Marke von 40 000 nur noch in Frankfurt am Main und München mit 40 800 bzw. 40 100 Euro je Arbeitnehmer überschritten. Der bundesdeutsche Durchschnitt von 32 700 Euro je Arbeitnehmer wurde damit in Stuttgart um über ein Viertel (27 %) übertroffen. Auch in den anderen westdeutschen Großstädten lag das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer über dem Bundesdurchschnitt, in den ostdeutschen Großstädten jedoch darunter, und zwar in Berlin nur knapp, nämlich um 0,4 %, in Dresden und in Leipzig schon deutlicher, nämlich um 12,5 % bzw. 15,9 %.

… und größter absoluter Zuwachs seit 1996

Darüber hinaus konnte Stuttgart im mittelfristigen Vergleich (2002 gegenüber 1996) unter allen Großstädten die höchste Zunahme verzeichnen und damit seine schon früher erreichte Spitzenstellung weiter ausbauen. Im Einzelnen ist das jährliche Arbeitnehmerentgelt zwischen 1996 und 2002 in Stuttgart um 4 800 Euro je Arbeitnehmer angestiegen. Dies ist der stärkste absolute Zuwachs aller Großstädte. Lediglich in München haben die Pro-Kopf-Arbeitnehmereinkommen mit 4 100 Euro je Arbeitnehmer ebenfalls um mehr als 4 000 Euro je Arbeitnehmer zugenommen, um über 3 000 Euro je Arbeitnehmer außerdem in Dresden und in Nürnberg. Die besondere Dynamik ost- und süddeutscher Städte wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass nur noch in Frankfurt am Main und in Leipzig das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer stärker angewachsen ist als im Bundesdurchschnitt (+ 2 600 Euro).

Auch beim relativen Wachstum lagen die hier untersuchten bayerischen, baden-württembergischen und sächsischen Städte und insbesondere auch Stuttgart ganz vorne:

Dresden+ 14,0 %
Stuttgart+ 13,2 %
München+ 11,1 %
Leipzig+ 10,8 %
Nürnberg+ 10,0 %

Alle anderen Großstädte blieben unter dem bundesweiten Zuwachs von + 8,7 %.

Sektoraler Einfluss durch Ausrichtung auf das Produzierende Gewerbe …

Eine wesentliche Ursache für die Spitzenstellung Stuttgarts bei Niveau und Entwicklung des Arbeitnehmerentgelts ist seine Ausrichtung auf das Produzierende Gewerbe. In diesem Bereich waren 2002 in Stuttgart 27 % aller Arbeitnehmer beschäftigt, im Durchschnitt der Großstädte nur 20 %.

Der sektorale Einfluss des Arbeitnehmerentgelts wird durch Tabelle 2 belegt. Danach übertraf im Jahre 2002 das Pro-Kopf-Entgelt im Produzierenden Gewerbe mit 39 400 Euro den Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche (32 700 Euro) um ein Fünftel. Ohne Baugewerbe, in dem nur 28 700 Euro je Arbeitnehmer gezahlt wurden, erreichte das sonstige Produzierende Gewerbe mit 42 100 Euro sogar ein um 29 % über dem Durchschnitt liegendendes Pro-Kopf-Entgelt. Die im Vergleich zu den Dienstleistungen – und damit den gerade in Großstädten überproportional stark vertretenen Wirtschaftsbereichen – deutlich höheren Entgelte im Produzierenden Gewerbe sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass die dort Beschäftigten mehr Stunden im Jahr arbeiten (Tabelle 2), was auch mit der relativ geringen Bedeutung von Teilzeitarbeit zusammenhängt. Vor allem aber ist die Bezahlung der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe offenbar höher als bei den meisten Dienstleistungen. Auch bei der Entwicklung des Pro-Kopf-Arbeitnehmerentgelts übertraf das Verarbeitende Gewerbe mit + 15 % die gesamtwirtschaftliche Entwicklung deutlich (Tabelle 2).

… aber auch relativ hohe Entgelte in den einzelnen Wirtschaftszweigen

Daneben wirkt sich auf die Stuttgarter Ergebnisse positiv aus, dass dort auch in den einzelnen Wirtschaftsbereichen höhere Löhne und Gehälter gezahlt werden als in vielen anderen Großstädten Deutschlands. Im Jahr 2002 verdiente ein Arbeitnehmer in München und Stuttgart im Produzierenden Gewerbe über die Hälfte mehr als im nationalen Durchschnitt (Tabelle 3). In den Spitzenstädten wurden im Produzierenden Gewerbe folgende Jahresentgelte je Arbeitnehmer erwirtschaftet:

München61 900 Euro
Stuttgart60 100 Euro
Frankfurt am Main 55 800 Euro
Essen 50 000 Euro
Köln 49 700 Euro
Hamburg 49 200 Euro

In allen anderen Großstädten wurde im Produzierenden Gewerbe weniger Arbeitnehmereinkommen erzielt als im Durchschnitt der Großstädte (49 000 Euro), in den beiden sächsischen Metropolen sogar weniger als im Durchschnitt Deutschlands (39 400 Euro).

Auch hierfür spielen strukturelle Faktoren eine Rolle. So wird innerhalb des Produzierenden Gewerbes vor allem bei Energie- und Wasserversorgung, im Fahrzeugbau, im Luft- und Raumfahrzeugbau und bei Chemie überdurchschnittlich gut bezahlt.2

Industriell geprägte Kreise des Landes generell mit hohem Arbeitseinkommen

Mit seinem Arbeitnehmerentgelt von 41 500 Euro je Arbeitnehmer hat Stuttgart im Jahre 2002 den Durchschnittswert des Landes Baden-Württemberg (35 300 Euro) um mehr als ein Sechstel übertroffen. Über dem Wert der Landeshauptstadt blieb das Arbeitnehmerentgelt baden-württembergischer Kreise nur im Landkreis Böblingen mit 42 300 Euro, der Anteil der Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe lag dort mit 47 % deutlich über dem entsprechenden Landesanteil von 39 %.

Besonders hohe Arbeitnehmerentgelte wurden im Jahre 2002 darüber hinaus in folgenden baden-württembergischen Stadt- und Landkreisen bezahlt:

Stadt Mannheim40 100 Euro
Bodenseekreis38 800 Euro
Landkreis Esslingen37 500 Euro
Stadt Ulm37 500 Euro
Landkreis Rastatt37 500 Euro

In jedem dieser Kreise überstieg das jeweilige Arbeitsentgelt den Durchschnittswert aller 14 untersuchten deutschen Großstädte von 36 100 Euro je Arbeitnehmer. Auch diese Stadt- bzw. Landkreise sind besonders stark auf das Verarbeitende Gewerbe ausgerichtet, teilweise ist die dortige Wirtschaft durch einzelne, besonders leistungsstarke industrielle Unternehmen geprägt.

Standorteffekte bedeutsamer für das hohe Entgelt Stuttgarts als Struktureffekte

Mithilfe der sektoralen Anteilswerte lässt sich abschätzen, inwieweit der relativ hohe Pro-Kopf-Wert für das Arbeitnehmerentgelt Stuttgarts tatsächlich auf strukturellen Effekten basiert, also vor allem der markanten Ausrichtung auf das Verarbeitende Gewerbe, oder eher auf – interregional verglichen – höhere Arbeitnehmereinkommen Stuttgarts in den einzelnen Branchen und damit gewissermaßen auf Standorteffekte zurückzuführen ist.

Im Rahmen eines Vergleichs Stuttgarts mit dem Bundesdurchschnitt wurden die bundesdeutschen Pro-Kopf-Werte für das Arbeitnehmerentgelt in sechs Wirtschaftsbereichen mit der jeweiligen Zahl der Arbeitnehmer Stuttgarts multipliziert und anschließend das so errechnete, fiktive Arbeitnehmerentgelt aufsummiert und durch die Gesamtzahl der Arbeitnehmer Stuttgarts dividiert. Nach dieser Berechnung würde sich für Stuttgart ein strukturbedingtes Arbeitnehmerentgelt von 33 400 Euro je Arbeitnehmer ergeben; dies bedeutet, dass die beträchtlichen Unterschiede im Arbeitnehmerentgelt zwischen Stuttgart (41 500 Euro je Arbeitnehmer) und dem Bundesdurchschnitt (32 700 Euro) nur zum geringeren Teil auf direkt messbare strukturelle Besonderheiten und damit in stärkerem Maße auf insgesamt höhere Einkommen Stuttgarts zurückzuführen sind. Allerdings dürfte – wie angedeutet – ein nicht unerheblicher Teil der zuletzt genannten standortbezogenen Effekte insoweit auch struktureller Natur sein, als gerade innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes in Stuttgart solche Wirtschaftszweige besonders stark vertreten sind, in denen auch überproportional hohe Löhne und Gehälter gezahlt werden, wie vor allem im Fahrzeugbau.

Das relativ hohe Gehaltsniveau Stuttgarts wird noch deutlicher, wenn analog das durchschnittliche Arbeitnehmerentgelt der Landeshauptstadt mit demjenigen Baden-Württembergs verglichen wird. Danach lag im Jahre 2002 der mit den sektoralen Arbeitnehmeranteilen Stuttgarts und den sektoralen Pro-Kopf-Arbeitnehmerentgelten Baden-Württembergs fiktiv errechnete Wert mit 34 700 Euro je Arbeitnehmer sogar unter dem tatsächlichen Betrag für Baden-Württemberg in Höhe von 35 300 Euro je Arbeitnehmer. Dies bedeutet: Die branchenstrukturelle Zusammensetzung auf der Basis von sechs Wirtschaftsbereichen war, mit Blick auf das gesamtwirtschaftliche Arbeitnehmerentgelt, in Stuttgart sogar etwas ungünstiger als in Baden-Württemberg. Oder anders ausgedrückt: Die in Stuttgart mit 41 500 Euro je Arbeitnehmer im Vergleich zum Landesdurchschnitt um 17,5 % höheren Arbeitnehmerentgelte sind ausschließlich auf höhere Löhne und Gehälter in den Stuttgarter Unternehmen und Betrieben zurückzuführen.

1 Die Untersuchung erstreckt sich auch auf Leipzig, Nürnberg und Dresden als Städte mit 2002 etwas weniger als 500 000 Einwohnern. Nicht einbezogen werden kann dagegen Hannover, da in allen VGR-Kreisdaten die niedersächsische Landeshauptstadt als Teil der Region Hannover nicht mehr separat dargestellt wird.

2 Vgl. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2003 für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2003, S. 586 bis 589.