:: 3/2005

Von der Papier- zur Online-Erhebung

Medienbruchfreie und vorplausibilisierte Datenlieferung an das Statistische Landesamt

Im Verbund mit den anderen Statistischen Ämtern von Bund und Ländern ist das Statistische Landesamt Baden-Württemberg mit erheblichem Einsatz im Rahmen eines Masterplans zur Reform der amtlichen Statistik dabei, wichtige Neuerungen in der amtlichen Statistik zu realisieren, seien es neue Formen der Kooperation, Aktionen zur Standardisierung und Automatisierung sowie Nutzung des Internets. Trotz der unumgänglichen Einsparungen soll aber die Qualität der statistischen Informationen und Dienstleistungen nicht nur erhalten, sondern noch verbessert werden. Dazu müssen als notwendige Voraussetzung rationelle und möglichst unbürokratische Wege der Datengewinnung von den Auskunft gebenden Personen, Unternehmen und Institutionen gefunden werden. Deshalb wird eine medienbruchfreie (elektronische), plausibilisierte Verarbeitung der statistischen Daten sowohl bei den Meldenden als auch beim Statistischen Landesamt als ein wichtiges Mittel zur Erreichung dieses angestrebten Rationalisierungsziels angesehen.

Ausgehend von einer ersten Umfrage1 im Auftrage des Arbeitskreies Informationstechnik (AK-IT) des Landes Baden-Württemberg im 1. Halbjahr 2003 wird im Folgenden über die Ergebnisse einer zweiten Umfrage2 im Jahr 2004 im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg berichtet. Dabei wird unterschieden zwischen dem Berichtskreis »Unternehmen und private Haushalte« und dem Berichtskreis »Land und Kommunen«.

Berichtskreise Unternehmen und private Haushalte

Über 95 % aller direkt von Unternehmen gelieferten Datensätze werden über Repräsentativerhebungen gewonnen. Von den 450 000 Unternehmen in Baden-Württemberg geben nur 50 000 Unternehmen zu jährlichen bzw. unterjährigen Erhebungen Auskunft. Der allergrößte Teil der Unternehmen, nämlich fast 90 %, wird nicht durch Erhebungen des Statistischen Landesamtes belastet.

Von den 4,8 Mill. Privathaushalten in Baden-Württemberg geben nur etwa 50 000 für Zwecke der amtlichen Statistik Auskunft. Über 98 % der Privathaushalte sind somit nicht von regelmäßigen Befragungen des Statistischen Landesamtes betroffen.

Die bisher überwiegend praktizierte Erhebungstechnik mit herkömmlichen Papierfragebögen stellt gleichwohl für Unternehmen und Betriebe wie für Personen und Haushalte eine nicht unerhebliche Belastung dar. Um die Berichtspflichtigen zu entlasten und die Aufwendungen in der amtlichen Statistik zu reduzieren, ist das Statistische Landesamt seit einigen Jahren mit großem Einsatz dabei, Internet-gestützte Verfahren zur medienbruchfreien und vorplausibilisierten Eingabe und/oder Übermittlung statistischer Daten zu installieren.

Schon im Jahr 2003 hatten die Statistischen Ämter von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen, dass alle 16 Länder

  • bis Ende 2003 drei dezentrale Statistiken (Monatsbericht im Verarbeitenden Gewerbe, Monatserhebung im Tourismus sowie die vierteljährliche Dienstleistungsstatistik – jeweils Erhebungsbogen bzw. Dateien) und
  • bis Ende 2005 weitere 20 Statistiken ins Internet stellen;
  • zudem sollen bis Ende 2007 zusätzliche 22 Statistiken hinzukommen.

Damit werden die Berichtspflichtigen möglichst für alle Statistiken, für die sie melden müssen, auch online melden können.

Inzwischen sind im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg zum Stand Oktober 2004 bereits 22 Statistiken über Internet meldefähig (Übersicht 1), weitere 19 Statistiken sind für 2005 in Planung (Übersicht 2). Um insbesondere für Unternehmen, die in mehreren Bundesländern ansässig sind, eine noch benutzerfreundlichere Lösung anzubieten, streben die statistischen Ämter ein gemeinsames, einheitliches Internet-Portal an. Jeder Auskunftspflichtige wird dann seine Datenlieferungen automatisiert und zentral an einer Stelle abliefern können. Hierzu wird ab Frühjahr 2005 ein gemeinsames Internet-Portal der Statistischen Ämter eingerichtet werden, wobei das Portal die Prüfung und Verteilung der eingegangenen Lieferungen an das jeweilige zuständige Statistische Amt übernehmen wird. Mit diesem Projekt eSTATISTIK. CORE (Common Online Rawdata Entry) können künftig

  • die Daten in einem einheitlichen und erhebungsunabhängigen XML-Format geliefert werden, zugleich wird
  • zur leichteren Integration in die Unternehmens-DV eine Programmbibliothek (CORE.connect) für die automatisierte Datengewinnung bereitgestellt und
  • Auskunft Gebende, mit Datenlieferungen geringeren Umfangs und ohne branchenspezifische Software, werden durch eine PC-Anwendung unterstützt.

Das obige Projekt ist im Zusammenhang mit dem Verfahren »Interneterhebung im Verbund« (IDEV) zu sehen, das die bisherigen zum Teil singulären Lösungen in den Statistischen Ämtern durch ein allgemein anwendbares Verfahren im 1. Halbjahr 2005 ersetzen soll.

Über intensive Kontakte zu Firmen wie zum Beispiel Datev e.V. und SAP sowie zu verschiedenen Gremien, insbesondere der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung (AWV), ist es gelungen, Impulse zur Entwicklung von Schnittstellen zu DV-Verfahren für Buchhaltung, Personalführung und Rechnungswesen zu geben. Ab dem Frühjahr 2005 wird als Prototyp die Abwicklung der laufenden Verdiensterhebungen beginnen können.

Berichtskreis Land und Kommunen

Der Beschluss des AK-IT vom 20. März 2003, wonach die Daten an das Statistische Landesamt elektronisch und plausibilisiert geliefert werden sollen, hat zu einigen Verbesserungen geführt, konnte aber binnen Jahresfrist von den mit der Durchführung beauftragten Behörden noch nicht vollständig realisiert werden.

Es bestehen nach wie vor Probleme bei der Datenlieferung von Einrichtungen und Behörden des Landes und der Kommunen. Einige Großverfahren der Verwaltung, mit denen eigentlich die statistischen Daten medienbruchfrei und plausibilisiert geliefert werden sollten, werfen nach wie vor erhebliche Probleme auf. So kann das Verfahren »Schulverwaltung am Netz« des Kultusministeriums frühestens im Jahre 2007 eine volle Entlastung für das Statistische Landesamt bringen. Das Gleiche gilt für die Verfahren des Justizministeriums. Im Bereich des Finanzministeriums wird es eine Entlastung schon bei der Lohnsteuerzerlegung 2004 durch die verbreitete Nutzung der so genannten »elektronischen« Lohnsteuerkarte geben.

Die wesentliche Schwachstelle der bisherigen Datenlieferung an das Statistische Landesamt liegt in der unzureichenden Vorplausibilisierung bei den Auskunft gebenden Stellen. Bei den einzelnen DV-Verfahren, die unter der Fachaufsicht verschiedener Ressorts durch Landes- und Kommunalbehörden zur Datenlieferung an das Statistische Landesamt eingeführt sind, zeichneten sich binnen einem Jahr bei einem Viertel der Statistikbereiche Fortschritte ab (Übersicht 3).

Darüber hinaus gibt es etwa zwei Dutzend weniger bedeutsame, zumeist kleinere Statistiken, die von der Verwaltung noch nicht oder in geringem Ausmaß elektronisch geliefert werden. Hier muss im Einzelnen geprüft werden, für welche Statistiken noch ergänzende DV-Verfahrensentwicklungen bei den zur Datenlieferung verpflichteten Behörden angefordert werden sollten. Allerdings werden neu eingeführte Statistiken, wie zum Beispiel die Statistik der Empfänger von Grundsicherung 2003, die im Herbst 2004 veröffentlicht wurde, in der Regel grundsätzlich elektronisch (und im Wesentlichen vorplausibilisiert) an das Statistische Landesamt geliefert, da schon der Verwaltungsvollzug – hier im kommunalen Bereich – von vornherein DV-gestützt abgewickelt worden ist.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass insbesondere der Komplex der Vorplausibilisierung verbesserungswürdig erscheint, der – zumeist unzureichend – einen erheblichen Zusatzaufwand im Statistischen Landesamt erfordert. Hier bedarf es im Einzelnen noch detaillierter Service-Level-Vereinbarungen zum Ausmaß der Prüfung bei den zur Datenlieferung an die Statistik verpflichteten Behörden. Prinzipiell sind – wie die Praxis zeigt – durchaus fehlerfreie Datenlieferungen der Verwaltung möglich. Daher wird versucht – beginnend beispielsweise mit der Hochschul- und Finanzstatistik –, in einem Qualitäts-Ranking die Einrichtungen mit fehlerfreien oder wenig fehlerbehafteten Lieferungen (best practices) in Anschreiben an die Auskunftspflichtigen hervorzuheben und die anderen Institutionen durch dieses Beispiel anzuspornen, diese Qualität ebenfalls zu erreichen.

Bewertungen: Fortschritte gegenüber 2003

Der entscheidende Ansatz zur Rationalisierung und Kosteneinsparung ist im Übergang zur medienbruchfreien, elektronischen und vorplausibilisierten Datenlieferung zu sehen. Auch 2004 sind nur etwa 8 % der Statistiken vollständig (zu 100 %) elektronisch und so vorplausibilisiert geliefert worden, dass sie einen geringen Aufwand im Statistischen Landesamt zur Folge haben. Zieht man die Grenze der medienbruchfreien Lieferung bei gleichzeitiger derartiger Vorplausibilisierung aber bei mindestens 90 %, so können 10 % aller Statistiken als medienbruchfrei einbezogen werden. Um den Prüfaufwand zu reduzieren, wird bei den Internet-Erhebungen deshalb versucht, eine Vorplausibilisierung zumindest in einfacher Art durchzuführen; bisher liegen aber nur bei einzelnen Statistiken Erfahrungen vor, die nicht verallgemeinerungsfähig sind. Die Erfahrungen mit den Online-Erhebungen über Internet sind jedoch durchaus positiv. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass hier enorme technische, organisatorische und personelle Vorleistungen sowohl von der Fach- als auch der DV-Seite zu erbringen sind, die sich erst im Laufe der Zeit rechnen werden.

Zudem haben die Teilnahme-Quoten am Online-Dialog-Verfahren bisher noch nicht die 18%-Grenze überschritten, zumeist liegen sie darunter. Es muss also nach wie vor multimedial mit einem Methoden-Mix gearbeitet werden. In der Praxis bedeutet dies konkret, dass weiterhin größtenteils papierne Erhebungsbogen – auch als Fax- und E-Mail-Meldungen – erfasst, Datenträgerlieferungen (Diskette) verarbeitet und zudem die erwähnten Internet-Online-Meldungen in den Ablaufprozess integriert werden müssen. Der verantwortliche Sachbearbeiter am Ende des Workflows muss aber alle medialen Anlieferungen – seien es Papier-, Disketten-, E-Mail- oder Internet-Daten – auf Plausibilität prüfen, denn beispielsweise die Vorplausibilisierung bei Online-Erhebungen kann letztlich nur Grundprüfungen umfassen.

Nichtsdestotrotz ergeben sich aufgrund der bisherigen Teilnahmequoten und -erfahrungen bei Internet-Erhebungen durchaus interessante und zukunftsweisende Perspektiven. So konnte bei der Internet-Erhebung der Schuldenstandstatistik eine erhebliche Fehlerreduktion (ca. 40 %) bei den online angelieferten Daten festgestellt werden. Der break-even-point, das heißt der Zeitpunkt, bei dem mehr als ein Viertel der Berichtspflichtigen die Meldung mit dieser modernen Technik abgeben werden, wird sich in vielen Fällen schon in 1 bis 2 Jahren erreichen lassen.

Im Privatbereich wird dieser Zeitraum sicher nicht so lange anzusetzen sein. So liegt die Teilnahmequote privater Haushalte, welche die so genannten allgemeinen Angaben in den »Laufenden Wirtschaftsrechnungen« im Rahmen einer Methodenstudie online beantwortet haben, zwar nur bei 19 %. Berücksichtigt man aber, dass die Hälfte der Haushalte über einen Internetanschluss verfügt, so liegt das Meldepotenzial bei dieser Internet-Erhebung doppelt so hoch. Deshalb sind ähnliche Überlegungen zur elektronischen Datenübernahme auch für die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2007 in der Prüfung.

Ausblick

Die Möglichkeit, dass grundsätzlich in allen Fachgebieten und bei allen Verfahrensarten der Verwaltung elektronische Kommunikationsformen angewendet werden können, wird die amtliche Statistik künftig verstärkt nutzen und – die aktive Mitwirkungspflicht und -bereitschaft der berichtenden Institutionen bzw. Personen vorausgesetzt – elektronische Dateneinzugs- und Plausibilisierungsverfahren im beiderseitigen Interesse und Nutzen zukünftig verstärkt einsetzen. Für das Statistische Landesamt besteht der Wirtschaftlichkeitsvorteil darin, dass bei elektronischer Datenlieferung und gleichzeitiger Vorplausibilisierung die Daten von vornherein über eine bessere Qualität verfügen. Dadurch wird sich die bisher aufwändige Plausibilisierungsarbeit merklich reduzieren lassen. Für die Berichtspflichtigen bzw. Auskunft gebenden Institutionen besteht das Wirtschaftlichkeitspotenzial darin, dass diese ggf. mittels einer einmaligen Sonderprogrammierung einer Schnittstelle plausibilisierte Daten aus den Registern bzw. dem Rechnungswesen automatisch elektronisch liefern können und somit personalintensive Zusatzarbeiten durch Rückfragen des Statistischen Landesamtes mit anschließenden internen Prüfungen eingespart werden können.

1 Fortschrittsbericht zur medienbruchfreien, plausibilisierten Datenlieferung an das Statistische Landesamt Baden-Württemberg, Dezember 2003, unveröffentlichtes Manuskript, hrsg. vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg; vgl. auch den Beitrag: Winfried Gruber: Zukunftsweisende Technik im Einsatz. Medienbruchfreie, plausibilisierte Datenlieferung an das Statistische Landesamt, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, 2/2004, S. 46 ff.

2 Fortschrittsbericht zur medienbruchfreien, plausibilisierten Datenlieferung an das Statistische Landesamt Baden-Württemberg, Dezember 2004, unveröffentlichtes Manuskript, hrsg. vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg.