:: 4/2005

Die Region Ostwürttemberg – Stärken und Schwächen aus dem Blickwinkel des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg

In seiner Reihe der Regionenhefte stellt das Statistische Landesamt nacheinander alle 12 Regionen des Landes Baden-Württemberg vor. Das aktuellste Heft über die Region Ostwürttemberg ist das zehnte in dieser Reihe, in der die Stärken und Schwächen der Regionen anhand von Daten und Analysen der amtlichen Statistik aufgezeigt werden. Auf 60 Seiten werden hierzu die fachlichen Themen von der Abfallwirtschaft über die Bevölkerungsentwicklung bis zum Verkehr behandelt. Die Präsidentin des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, Frau Dr. Meister-Scheufelen, hielt den – hier gekürzt wiedergegebenen – Vortrag anlässlich der Vorstellung des Regionenheftes vor der IHK Heidenheim am 7. Dezember 2004 zur Eröffnung einer Ausstellung mit statistischen Zahlen und Schaubildern über die Region Ostwürttemberg.1

Bevölkerungsentwicklung bis 2020

Die Bevölkerungszahl in der Region Ostwürttemberg wird bis ins Jahr 2020 nach den Berechnungen des Statistischen Landesamtes noch einmal um 3,4 %, das heißt um ca. 15 000 Menschen, auf knapp 468 000 zunehmen und damit leicht hinter den Zuwachsraten des Landes von 5,3 % liegen.

Die Bevölkerungsvorausberechnung zeigt dabei vier Phänomene:

  • Die Bevölkerung altert, das heißt, das Durchschnittsalter steigt (Schaubild).
  • Die Zahl der unter 20-Jährigen nimmt um 17 % ab.
  • Die Zahl der 20- bis unter 60-Jährigen, also das Erwerbspotenzial, nimmt noch einmal um 3,4 % zu. Das ist positiv! Aufgrund der Alterung der Belegschaften wird die berufliche Weiterbildung aber immer bedeutender und ein wichtiger Standortfaktor.
  • Die Zahl der 60-Jährigen und Älteren steigt überproportional an, die der »Hochbetagten« im Alter ab 85 Jahren sogar um mehr als 70 %. Damit verbunden ist eine höhere Nachfrage nach Gesundheitsgütern und Gesundheitsdienstleistungen, aber auch ein erhöhter Bedarf an Pflegeheimplätzen.

Wohnungsbedarf und Baulandpreise

Für die Region Ostwürttemberg stellt sich das Problem der Wohnungsversorgung weit gehend entspannt dar. Die Eigentümerquote liegt deutlich über dem Landesdurchschnitt, und – verglichen mit den übrigen elf Regionen des Landes – nimmt Ostwürttemberg beim Eigenheimanteil sogar den Spitzenplatz ein.

Für das Jahr 2002 wurde für die gesamte Region eine rechnerische Voll- bzw. Überversorgung mit Wohnungen ermittelt. Der bis zum Jahr 2020 zu erwartende Gesamtbedarf in Höhe von 23 700 Wohnungen wird zum einen von der steigenden Zahl der Haushalte – mit immer weniger Haushaltsmitgliedern – und durch höhere Ansprüche an die Größe der Wohnungen ausgelöst, aber auch durch den Ersatzbedarf (Abriss, Umwidmung).

Die Wirtschaftsstruktur der Region

Innovationen – wie die Erfindung und technische Weiterentwicklung von Maschinen oder optischen Geräten – prägten schon im 19. Jahrhundert die industrielle Entwicklung Ostwürttembergs. Heute ist die Region ein wichtiges Industriezentrum Baden-Württembergs, international bekannte Unternehmen haben hier ihren Sitz.

Ein wichtiger Maßstab für die Situation der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes ist zunächst einmal die Arbeitsplatzdichte, das heißt die Zahl der Arbeitsplätze je 1 000 Einwohner. Zuletzt lag sie in der Region Ostwürttemberg mit 332 je 1 000 Einwohner unter dem Landeswert von 362 je 1 000 Einwohner, wobei der Landkreis Heidenheim mit 354 Arbeitsplätzen fast an den Landesdurchschnitt, der stark durch die exzellenten Werte der Region Stuttgart geprägt ist, heranreicht.

Nimmt man allerdings die Arbeitsplatzdichte in der Industrie, sehen die Zahlen ganz anders aus: Während in Baden-Württemberg nur noch 115 Industriebeschäftigte auf 1 000 Einwohner kommen, sind dies in der Region Ostwürttemberg noch 137, also fast 20 % mehr.

Etwas über ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Verarbeitenden Gewerbes sind im Maschinenbau beschäftigt, dem nach wie vor wichtigsten Arbeitgeber in Ostwürttemberg. Die Zahl der Betriebe im Maschinenbau ist zwischen 1995 und 2003 um fast 11 % gestiegen (Tabelle). Der Pro-Kopf-Umsatz im Maschinenbau in der Region ist noch stärker gestiegen als im Landesdurchschnitt. Dies lässt zwar auf eine arbeitsplatzverringernde Rationalisierung schließen, andererseits spricht dies aber vor allem auch dafür, dass es den hiesigen Maschinenbaubetrieben besser gelingen könnte, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu behaupten.

Elektrotechnik sowie Metallerzeugung und Metallbearbeitung sind der Beschäftigtenzahl nach die nächstgrößten Wirtschaftsgruppen im Verarbeitenden Gewerbe der Region. Beide Bereiche haben sich seit 1995 günstig entwickelt. Knapp ein Fünftel der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe war mit der Herstellung von Bürohardware, Elektrotechnik sowie Feinmechanik und Optik beschäftigt. Weltbekannte Unternehmen dieser Branche tragen zur vergleichsweise guten Situation in der Region bei.

Ranking bei der Forschungs- und Entwicklungsintensität

In einem eigenen Forschungs- und Entwicklungsmonitor untersucht das Statistische Landesamt als Indikator für die Erneuerungsfähigkeit der Wirtschaft die industrielle Forschungsintensität der Regionen. Darunter verstehen wir den Anteil des FuE-Personals an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe. Die industrielle Forschungsintensität in der Region erhöhte sich seit Mitte der 80er-Jahre zwar kräftig, lag aber zuletzt mit einem Anteil von 2,3 % nur im unteren Mittelfeld der zwölf baden-württembergischen Regionen.

Die Arbeitslosenquote der Region ist im Bundesvergleich durchaus passabel, aber vergleichsweise hoch, wenn man die gute Arbeitsmarktlage Baden-Württembergs betrachtet. Eine der Antworten auf die Frage nach Gründen dürfte in der Dienstleistungsstruktur der Region begründet liegen.

Die unternehmensorientierten Dienstleistungen

Der Dienstleistungssektor hat sich in Baden-Württemberg mittlerweile zu einem bedeutenden Leistungsträger der Gesamtwirtschaft und zu einem bedeutsamen Arbeitsmarktfaktor entwickelt. Besondere Wachstums- und Beschäftigungsimpulse gingen dabei von den so genannten unternehmensorientierten Dienstleistungen aus.

Bezieht man den Anteil der Beschäftigten in der Region in diesen Dienstleistungsbereichen auf alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, dann rangiert Ostwürttemberg im Vergleich der 12 Regionen an letzter Stelle. Dies gilt auch für die Relation Beschäftigte in unternehmensorientierten Dienstleistungsbereichen je 1 000 Einwohner.

Die Gründe für diese Dienstleistungsschwäche zu analysieren, ist nicht einfach, da man leicht der Versuchung unterliegt, bestimmte strukturelle Besonderheiten verantwortlich zu machen, ohne den Ursache- und Wirkungszusammenhang tatsächlich genau zu kennen. So fällt zum Beispiel auf, dass Ostwürttemberg die einzige Region ohne ausgebildetes Oberzentrum ist und sich zum Teil zum Mittleren Neckarraum hin orientiert. Sicher ist, dass vor allem die Regionen mit starken Oberzentren wie Stuttgart überproportional von den Wachstumschancen der unternehmensorientierten Dienstleistungen profitieren konnten.

Dabei gibt es übrigens kaum Unterschiede zwischen dem Landkreis Heidenheim und dem Ostalbkreis. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass die unternehmensorientierten Dienstleistungsbranchen nach wie vor schwerpunktmäßig die Ansiedlung in der Nähe großer Produktions- und Verwaltungsstätten bevorzugen. Es wäre deshalb ein interessanter Ansatz, einmal für die Region Ostwürttemberg zu untersuchen, in welchem Umfang Großunternehmen das Potenzial, Dienstleistungsbereiche outzusourcen, genutzt haben und welche Spielräume es hier gibt, die für die Region genutzt werden können.

Entwicklung der Beschäftigtenzahl in den letzten 5 Jahren

Ein Blick auf die Zeit ab 1999 zeigt, dass Ostwürttemberg im Ranking der Regionen an drittletzter Stelle steht, vor der Region Neckar-Alb und der Region Nordschwarzwald mit einem – wenn auch geringen – Rückgang der Beschäftigung.

Ganz anders sieht es bei einem Vergleich der Landkreise aus. Der Ostalbkreis lag im Jahr 2003 mit 1,5 % mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als 1999 nur um 0,4 Prozentpunkte unter dem Landeswert. Im Landkreis Heidenheim jedoch ist ein deutlicher Rückgang um 3,2 % für diesen Zeitraum zu verzeichnen.

Viele Beschäftigte der Region pendeln zur Arbeit aus, unter anderem auch nach Stuttgart. Dies spiegelt sich in dem negativen Pendlersaldo bzw. im Einpendlerüberschuss der Region Stuttgart wider. Da Ostwürttemberg kein »Oberzentrum« in seinen Grenzen hat, ist ein negativer Pendlersaldo nicht überraschend. So pendelten im Jahre 2002 insgesamt 6 200 mehr Arbeitnehmer aus der Region zur Arbeit aus als ein. Interessanterweise haben wir hier einen großen Unterschied zwischen dem Landkreis Heidenheim mit einem Einpendlerüberschuss von ca. 500 Personen und dem Ostalbkreis mit einem Auspendlerüberschuss von etwa 6 600 Personen.

Arbeitslosigkeit und fehlende Berufsausbildung

Die Arbeitslosenquote lag im Oktober 2004 in der Region Ostwürttemberg bei 7,7 %, im Land hingegen bei 6,8 %. Damit verzeichnet Ostwürttemberg die zweithöchste Arbeitslosenquote der zwölf Regionen Baden-Württembergs. Das generell höhere Arbeitsplatzrisiko in der Region zeigt sich bei allen Beschäftigungsgruppen.

Der Anteil der Beschäftigten ohne abgeschlossene Berufsausbildung an den Beschäftigten insgesamt ist in den letzten Jahren zwar deutlich gesunken, liegt mit knapp 23 % aber immer noch über dem Landesdurchschnitt. Angesichts der Tatsache, dass Industriebetriebe aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit Arbeitsplätze auch in Zukunft entweder wegrationalisieren oder in Billiglohnländer verlegen müssen, ist dieser Indikator eher problematisch.

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und Bruttowertschöpfung

Hinsichtlich des international gebräuchlichsten Wohlstandsindikators zählt Baden-Württemberg, was die Wirtschaftskraft angeht, in Deutschland zur Spitzengruppe. Beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner lag das Land im Vergleich der Flächenländer hinter Hessen und Bayern an dritter Stelle. Im Vergleich zu den 74 den deutschen Bundesländern vergleichbaren Regionen der Europäischen Union steht Baden-Württemberg an 20. Stelle.

Die Bruttowertschöpfung stieg im Land von 1992 bis 2002 nominal um 29 %. In der Region lag die Zuwachsrate um knapp 5 Prozentpunkte niedriger. Nur die Region Nordschwarzwald schnitt bei diesem Vergleich noch schlechter ab. Besser sieht es allerdings aus, wenn man die Bruttowertschöpfung auf die Zahl der Erwerbstätigen bezieht, sich also die Produktivität ansieht: Im Jahr 2002 schuf ein Erwerbstätiger in der Region durchschnittlich Werte in Höhe von 50 034 Euro. Das waren 8 % weniger als im Landesdurchschnitt.

Der Strukturwandel in der Region Ostwürttemberg ist heute mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen. Die unterdurchschnittliche Produktivität der Region erstreckt sich ganz offensichtlich besonders auf die Dienstleistungsbereiche.

Das verfügbare Einkommen

Mit dem verfügbaren Einkommen je Einwohner, in dem alle Einkommensbestandteile sowie Abgaben wie Einkommensteuer und Sozialbeiträge zusammengefasst werden, lassen sich Angaben zur Wirtschaftskraft der Einwohner gewinnen. Danach stehen den Einwohnern des Landkreises Heidenheim durchschnittliche Jahreseinkommen von fast 17 000 Euro zur Verfügung. Geringfügig höher fallen die Einkommenswerte für den Ostalbkreis aus. In beiden Kreisen wird der Landeswert von 17 800 Euro nur knapp verfehlt. Dies zeigt, dass hier relativ hohe Löhne gezahlt werden.

Bestellmöglichkeit

Der Regionenband »Die Region Ostwürttemberg und ihre Landkreise« erscheint in der Reihe »Statistische Analysen« als Heft 11/2004 zum Preis von 10 Euro zuzüglich Versandkosten. Ihre Bestellung richten Sie bitte an:

Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

Böblinger Straße 68

70199 Stuttgart

Telefon: (0711) 641- 2866,

Fax: (0711) 60 18 74 51;

E-Mail: vertrieb@stala.bwl.de

1 Der Vortrag wurde in der IHK Ostwürttemberg am 7. Dezember 2004 gehalten und ist hier in überarbeiteter Form abgedruckt. Die Ausstellung des Statistischen Landesamtes über »Zahlen, Fakten und Informationen zur Region Ostwürttemberg« war vom 7. bis 17. Dezember 2004 in der IHK Ostwürttemberg, Ludwig-Erhard-Straße 1, in Heidenheim zu sehen.