:: 6/2005

Existenzgründungen nehmen zu

Ergebnisse der Gewerbeanzeigenstatistik

Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Gründungen von Klein- und Nebenerwerbsbetrieben im Jahr 2004 um 22 %. Zuwächse gab es auch bei den wirtschaftlich bedeutsamen Betriebsgründungen (+ 8 %). Die große Mehrheit der Existenzgründer und -gründerinnen beabsichtigt zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung kein Personal zu beschäftigen. In den Stadtkreisen liegen die Gründungsquoten in der Regel höher als in den Landkreisen.

Häufiger als 2003 wurden Gewerbebetriebe aufgegeben. Es handelt sich dabei überwiegend um Schließungen von Kleinbetrieben. Von Betriebsschließungen waren 2004 wesentlich mehr Beschäftigte betroffen als im Jahr zuvor. Ursache der Geschäftsaufgabe waren zumeist wirtschaftliche Schwierigkeiten oder persönliche Gründe. Bezogen auf die Einwohnerzahl kam es in den Stadtkreisen im Allgemeinen häufiger zu vollständigen Aufgaben als in den Landkreisen.

Mit der bundesweiten Einführung der Gewerbeanzeigenstatistik im Jahr 1996 versprach sich der Gesetzgeber eine detaillierte Darstellung von Strukturdaten zu Existenzgründungen und Unternehmensbewegungen. Erwartet wurde laut der gesetzlichen Begründung zur Statistik die Attraktivität von Standorten, die Funktionsfähigkeit von Märkten und das Innovationspotenzial der Volkswirtschaft aufzeigen zu können. Über die Jahre zeigt sich allerdings, wie schwer dieses Informationsbedürfnis von der Gewerbeanzeigenstatistik ausreichend zu erfüllen ist. Auch die Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere in neuen Branchenfeldern wie dem Dienstleistungsbereich, wurde als Argument für eine zunehmende Bedeutung von Existenzgründungen angeführt. Da die Gewerbeordnung früher bereits eine Anzeigepflicht für Gewerbebetriebe vorschrieb, konnten diese Angaben für die Statistik genutzt werden. Die benötigten Auskünfte erteilen nach wie vor die Gewerbetreibenden durch Ausfüllen einer Gewerbeanzeige. Die Gemeinden geben die zur statistischen Auswertung zugelassenen Merkmale monatlich an die Statistischen Landesämter weiter.

Obwohl sich die monatliche Erfassung der Gewerbeanzeigen grundsätzlich bewährte, wurden mit der Zeit inhaltliche Defizite deutlich. Zum 1. Januar 2003 wurde die Gewerbeordnung deshalb geändert und zusätzliche Fragen und Antwortmöglichkeiten in die Formulare aufgenommen. Dadurch wurde eine genauere Darstellung des Gründungs- und Stilllegungsgeschehens möglich. So werden unter anderem Gründungen im Nebenerwerb extra ausgewiesen und auch die Anzahl der Beschäftigten zum Zeitpunkt der An- oder Abmeldung muss differenzierter angegeben werden als bisher. Durch die Novellierung ist der Vergleich mit den Jahren vor 2003 allerdings nur noch eingeschränkt möglich.1

Nachdem die Zahl der Gewerbeanmeldungen bis 2002 kontinuierlich zurückgegangen war, registrierten die Gewerbeämter mit Beginn des Jahres 2003 deutliche Zuwächse. So stieg die Zahl der Gewerbeanmeldungen 2003 gegenüber 2002 um fast 12 %. Auch 2004 nahm die Zahl erneut um 14 % auf insgesamt 116 463 Gewerbeanmeldungen in Baden-Württemberg zu. Bei 83 % der Anmeldungen handelt es sich um Neugründungen, das heißt um Betriebe, die bisher nicht am Markt aufgetreten sind. Weitere Anmeldungen erfolgten aufgrund von Zuzügen (9 %) und Übernahmen (8 %), zum Beispiel wegen Erbfolge, Kauf oder Rechtsformwechsel.

Bei einer Neugründung kann es sich um ein großes oder mittleres Unternehmen wie um ein Kleingewerbe oder einen Nebenerwerbsbetrieb handeln. Bei 21 % der insgesamt 96 250 Gründungen kann ein größeres wirtschaftliches Potenzial vermutet werden, da diese Betriebsgründungen entweder als Kapital- oder Personengesellschaft firmierten, einen Eintrag in das Handelsregister oder in die Handwerksrolle vorweisen konnten oder bei Betriebsbeginn wenigstens eine Person beschäftigten.2 Die sonstigen 75 783 Neugründungen erfüllten diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht oder dienten dem Nebenerwerb.

Gründungen starten vorwiegend als 1-Personen-Betriebe

Die Zahl der wirtschaftlich bedeutsameren Betriebsgründungen im Jahr 2004 ist gegenüber dem Vorjahr um 8 % gestiegen.

Überdurchschnittliche Zunahmen zeigen sich hier vor allem in folgenden Bereichen:

Gastgewerbe 39 %
Öffentliche und persönliche Dienstleistungen 34 %
Verkehr und Nachrichtenübermittlung 18 %

Deutlich stärker als die wirtschaftlich bedeutsamen Betriebsgründungen sind die Nebenerwerbsgründungen (+ 30 %) und Neugründungen von Kleinunternehmen (+ 18 %) gestiegen.

Bei den Betriebsgründungen mit vermutlich größerer wirtschaftlicher Bedeutung wollten 56 % der Gründer und Gründerinnen vorerst ohne Beschäftigte auskommen. Nur etwas mehr als 4 % der Betriebe starteten mit einem Beschäftigungspotenziel von 10 und mehr Beschäftigten, darunter können mit 100 und mehr Beschäftigten nur 49 Betriebe (0,2 %) zu den Großbetrieben gezählt werden (Schaubild). Nebenerwerbsbetriebe beabsichtigten zum Zeitpunkt ihrer Gründung in der Regel kein Personal (96 %) zu beschäftigen. Bei diesen Angaben muss davon ausgegangen werden, dass es sich – zumindest teilweise – um Absichtserklärungen der Gewerbetreibenden handelt. Wie viele der Gründungen sich schließlich erfolgreich am Markt behaupten oder tatsächlich die angegebene Personenzahl beschäftigen, kann mithilfe der Gewerbeanzeigenstatistik leider nicht gesagt werden.

Gründungsquoten in den Stadtkreisen am höchsten

Um eine regionale Vergleichbarkeit des Gründungsverhaltens zu ermöglichen, wird die Zahl der Gründungen auf die Einwohnerzahl des Gebiets bezogen und somit die Gründungsquote berechnet. Für das Land ergibt sich eine Quote von 9 Neugründungen auf 1 000 Einwohner. Dabei zeigt sich ein hohes Übergewicht von Klein- und Nebenerwerbsgründungen: Auf 1 000 Einwohner kommen in Baden-Württemberg 7,1 Gründungen von Klein- und Nebenerwerbsbetrieben und 1,9 Betriebsgründungen mit Substanz.

Vor allem in den Stadtkreisen Baden-Baden (11,7), Karlsruhe (11,1), Heilbronn, Stuttgart und Mannheim (je 11,0) wurden 2004 überdurchschnittlich viele Betriebe gegründet (Tabelle). In den Landkreisen liegen die Gründungsquoten in der Regel etwas niedriger. Mit 10,0 Gründungen je 1 000 Einwohner führt Ravensburg vor den Landkreisen Konstanz, dem Bodenseekreis, Emmendingen und Heilbronn (je 9,8). Auch bei den Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz führt Baden-Baden mit 3,4 Gründungen je 1 000 Einwohner, gefolgt von den Stadtkreisen Stuttgart (3,2), Ulm (3,2) und Heilbronn (3,1). Bei den Landkreisen stehen Esslingen (2,4) und Konstanz (2,2) an erster Stelle. Die meisten Gründungen von Klein- und Nebenerwerbsbetrieben je 1000 Einwohner erfolgten in Karlsruhe (8,6), Mannheim (8,5), Baden-Baden (8,3) und Emmendingen (8,2).

Rund 30 000 Beschäftigte 2004 von Betriebsschließungen betroffen

Die Zahl der Gewerbeabmeldungen stieg von 2003 auf 2004 mit knapp 3 % deutlich geringer als die Zahl der Gewerbeanmeldungen. Drei Viertel der insgesamt 88 298 Gewerbeabmeldungen erfolgten wegen der vollständigen Aufgabe des Gewerbebetriebes. Dabei handelte es sich überwiegend um Schließungen von Kleinunternehmen (61 %). In 23 % der Fälle wurden Betriebe mit größerer wirtschaftlicher Substanz aufgegeben, in 16 % Nebenerwerbsbetriebe. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Stilllegungen von Nebenerwerbsbetrieben um 18 %. Bei wirtschaftlich bedeutenderen Betrieben waren es 4 % mehr.

Von der Aufgabe ihres Betriebes waren 2004 rund 20 250 Vollzeit- und 9 380 Teilzeitbeschäftigte betroffen und damit 37 % mehr als im Vorjahr. Die meisten Arbeitsplätze gingen davon im Verarbeitenden Gewerbe, im Handel und Baugewerbe verloren. Die Zahlen des Beschäftigungsabbaus beziehen sich auf den Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe. Da bei der Stilllegung von Betrieben mit größerer wirtschaftlicher Substanz in 61 % der Fälle keine Beschäftigten betroffen waren, ist von einem Personalabbau vor der vollständigen Aufgabe des Betriebes auszugehen.

Der Gewerbetreibende soll bei einer Gewerbeabmeldung auch den Grund für die Aufgabe des Gewerbes angeben. Dennoch fehlt in 22 % der Fälle eine solche Begründung. Wurde die Ursache der Geschäftsaufgabe angegeben, dominieren die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Sie führten bei 17 % der größeren Betriebe, 21 % der Kleinunternehmen und 34 % der Nebenerwerbsbetriebe zur Aufgabe. Bei größeren Betrieben spielen Insolvenzverfahren mit 11 % eine bedeutendere Rolle als bei kleinen Unternehmen (1 %). Persönliche oder familiäre Gründe führten bei Nebenerwerbsbetrieben häufiger zur Aufgabe (18 %) als bei größeren Unternehmen (9 %). Die Hälfte der Gewerbetreibenden gibt als Ursache »sonstige Gründe« an. Des Weiteren zählt als Abmeldung auch die Veräußerung oder Verpachtung des Betriebes, die Änderung der Rechtsform oder Gesellschafteraustritte. In 11 % der Fälle waren dies die Gründe für die Gewerbeabmeldung. Bei 12 % war ein Neuanfang in einem anderen Meldebezirk geplant, weitere 3 % der Abmeldungen hatten die Umwandlung des Unternehmens wegen Verschmelzung oder Aufspaltung zum Anlass.

Mit der Änderung der Gewerbeordnung zum 1. Januar 2003 können die Finanzbehörden den Gewerbeämtern mitteilen, wenn die Steuerpflicht eines Betriebes erloschen ist. Wenn die Abmeldung dann nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen. Im Jahr 2004 erfolgten jedoch nur 5 % der vollständigen Aufgaben von Amts wegen. Bei dieser Größenordnung ist zu vermuten, dass diese Vorgabe noch nicht allgemein umgesetzt wurde. Das Problem der Untererfassung bei Gewerbeabmeldungen besteht danach weiterhin. Ein Saldo aus Neugründungen und Aufgaben kann somit auch nicht die Zu- bzw. Abnahme des Unternehmensbestandes zuverlässig abbilden.

Regionalergebnisse: Auch bei den Gewerbeabmeldungen Stadtkreise vorn

Für einen regionalen Vergleich bietet es sich wie bei den Neugründungen auch hier an, einen Bezug zu den Einwohnerzahlen herzustellen. So kamen im Jahr 2004 etwa 6,2 vollständige Aufgaben auf 1 000 Einwohner in Baden-Württemberg. Dabei entfielen 1,4 Aufgaben auf die Schließung größerer Betriebe, bei denen eine wirtschaftliche Substanz vermutet werden kann.

Die Stadtkreise sind zwar wegen ihrer Standortvorteile bei Betriebsgründungen beliebt. Aber wo viel gegründet wird, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Betriebe wieder schließen müssen. Besonders häufig wurden Gewerbebetriebe in den Stadtkreisen Heilbronn, Mannheim, Ulm, Heidelberg, Baden-Baden und Stuttgart vollständig aufgegeben. Die Quote liegt hier zwischen 8,3 und 7,6 Schließungen je 1000 Einwohner. Bei den Landkreisen liegen Esslingen (7,1), Konstanz (6,9) sowie der Rems-Murr-Kreis und der Bodenseekreis (je 6,8) vorne (Tabelle).

Betriebe mit größerer wirtschaftlicher Substanz meldeten sich vor allem in Ulm (2,6), Baden-Baden (2,5), Pforzheim und Heidelberg (je 2,3) überdurchschnittlich häufig ab. Die meisten vollständigen Aufgaben von Klein- und Nebenerwerbsbetrieben je 1000 Einwohner erfolgten in den Stadtkreisen Mannheim (6,4), Heilbronn (6,2), Stuttgart (5,7), Heidelberg und Ulm (je 5,5).

Nach den vorgestellten Ergebnissen scheint sich das Gründungsklima in Baden-Württemberg verbessert zu haben. Die größte Dynamik hinsichtlich der Neugründungen und Schließungen von Gewerbebetrieben zeigt sich in den dichter besiedelten Stadtkreisen. Die Ursachen für das sprunghafte Ansteigen der Existenzgründungen in den letzten 2 Jahren sind sicher vielfältig. Die angespannte Lage auf dem Stellenmarkt oder die Lockerung des Meisterzwangs3 seit Januar 2004 kommen als mögliche Gründe in Betracht. Auch die Förderungsinitiativen auf Bundes- und Landesebene, wie die Vergabe eines Existenzgründungszuschusses der Arbeitsverwaltung als Starthilfe zur Gründung einer so genannten Ich-AG, dürften eine Rolle spielen. Es bleibt abzuwarten, ob der Aufwärtstrend bei den Existenzgründungen anhalten wird. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Überlebensdauer der vielen Neugründungen, die jedoch in der Gewerbeanzeigenstatistik nicht ermittelt wird.4

1 Weiterhin vergleichbar ist die Gesamtzahl der An-, Ab- und Ummeldungen.

2 Bei Gründungen von Zweigniederlassungen oder unselbstständigen Zweigstellen wird ebenfalls ein wirtschaftliches Potenzial angenommen.

3 Danach gilt der Meisterzwang künftig nur noch für 41 statt wie bisher 94 Handwerksberufe.

4 Allenfalls ein ungewöhnlich starkes Ansteigen der Schließungen könnte in Zukunft einen Hinweis hierauf geben.