:: 6/2005

Erwerbsbeteiligung und Kinderbetreuung im regionalen Vergleich

Ab dem 1. Januar 2005 gilt bundesweit das neue Tagesbetreuungsausbaugesetz. Es verpflichtet die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, bis spätestens 2010 ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot für Kinder unter 3 Jahren zu verwirklichen, deren Eltern erwerbstätig, in Ausbildung oder in Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung sind oder deren Wohl ohne Tagesbetreuung nicht gewährleistet ist. Aus diesem Anlass lohnt die Zusammenschau von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung in den Regionen und Kreisen Baden-Württembergs. Die Erwerbsbeteiligung von Müttern liegt in Baden-Württemberg höher als in allen anderen westdeutschen Bundesländern und ist gerade auch in einigen eher ländlich geprägten Räumen sehr hoch. Während die Grundversorgung mit Kindergartenplätzen in allen Kreisen weit gehend gewährleistet ist, konzentrieren sich die vorhandenen Krippen-, Hort- und Ganztagesplätze jedoch überwiegend auf die Stadtkreise. Das Betreuungsangebot ist in den letzten 10 Jahren in allen Kreisen deutlich ausgebaut worden. Wie sich allerdings zeigt, hat die Zahl erwerbstätiger Mütter im Zeitraum 1994 bis 2002 noch stärker zugenommen als die Zahl der Betreuungsplätze. In den kommenden 10 Jahren bestehen in allen Kreisen gute Chancen, auf dem Weg zu einem bedarfsgerechten Betreuungsangebot deutlich voranzukommen. Der Rückgang der Kinderzahlen lässt viele Plätze in den Kindergärten frei werden, die für Angebotserweiterungen und Qualitätsverbesserungen genutzt werden können.

Hohe Erwerbsbeteiligung von Müttern in Baden-Württemberg

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Die Mehrheit der Frauen kombiniert heute Familien- und Erwerbstätigkeit, Frauen steigen nach der Geburt der Kinder schneller wieder in das Erwerbsleben ein. Laut Mikrozensus waren im März 2004 in Baden-Württemberg rund 68 % der Frauen mit minderjährigen Kindern erwerbstätig (einschließlich Beurlaubter in Elternzeit), davon arbeiteten rund zwei Drittel in Teilzeit. Zusammen mit einem Erwerbslosenanteil von 5 % ergibt sich eine Erwerbsquote von Müttern von rund 73 %. Vor 20 Jahren war die Quote noch rund 20 Prozentpunkte niedriger.

Baden-Württemberg hat damit im Vergleich der westdeutschen Bundesländer die höchste Erwerbsbeteiligung von Müttern – noch vor Bayern (72 %), Hessen (70 %) und rund 9 Prozentpunkte vor dem Schlusslicht Nordrhein-Westfalen (64 %).

Hohe Erwerbsbeteiligung auch in eher ländlich geprägten Räumen

In etlichen Regionen Baden-Württembergs ist die Erwerbsbeteiligung von Müttern noch deutlich höher als der Landesdurchschnitt (Schaubild 1). Spitzenwerte erreichen die Regionen Schwarzwald-Baar-Heuberg (80 %), Neckar-Alb (78 %), Südlicher Oberrhein (76 %) und Heilbronn-Franken (76 %). Die Erwerbsquoten in den Regionen Stuttgart, Hochrhein-Bodensee und Mittlerer Oberrhein (jeweils 70 %) liegen dagegen unter dem Landesdurchschnitt.

Die regionale Verteilung ist zunächst einmal überraschend: Eine hohe Frauenerwerbsbeteiligung wäre eher in stark verdichteten Räumen und Großstadtregionen mit überdurchschnittlich starkem Dienstleistungssektor zu erwarten, insbesondere weil hier viele Teilzeitarbeitsplätze verfügbar sind. Tatsächlich liegen jedoch die Erwerbstätigenanteile im Dienstleistungsbereich in den Regionen Schwarzwald-Baar-Heuberg, Neckar-Alb und Heilbronn-Franken unter dem Landesdurchschnitt. Insbesondere die Regionen Schwarzwald-Baar-Heuberg und Heilbronn-Franken sind vergleichsweise stark industriell geprägt. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist hier eher unterdurchschnittlich. Lediglich am Südlichen Oberrhein geht die hohe Erwerbsbeteiligung von Müttern mit einem hohen Dienstleistungsanteil und überdurchschnittlicher Teilzeitquote einher.

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen erklärt sich jedoch nicht allein aus der gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialstruktur, sondern ist auch durch die besondere historische Entwicklung der Lebens- und Wirtschaftsräume geprägt. Im Südschwarzwald und auf der Schwäbischen Alb beispielsweise waren bereits in einer frühen Phase der Industrialisierung viele Frauen in Heimarbeit tätig. Auf der Alb entwickelte sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Wirkerei und Strumpfstrickerei, später war das Maschinennähen für Wäsche- und Konfektionshäuser stark verbreitet.1 Im Südschwarzwald wurden auch Uhren und Holzwaren in Heimarbeit hergestellt. In diesem heute noch stark industriell, klein- und mittelständisch geprägten Wirtschaftsraum (Schwarzwald-Baar-Heuberg, Neckar-Alb) hat sich die hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen bis heute erhalten und zählt zu den höchsten in Westdeutschland.2

Die hohe Erwerbsbeteiligung von Müttern in Baden-Württemberg beschränkt sich somit nicht auf stark verdichtete Räume und Großstadtregionen, sondern ist gerade auch in weniger verdichteten und eher ländlichen Räumen (Südschwarzwald, Schwäbische Alb, Franken) besonders ausgeprägt.

Erwerbsbeteiligung steigt mit dem Alter der Kinder

Abgesehen von den regionalen Besonderheiten richtet sich die Erwerbsbeteiligung von Müttern natürlich stark nach dem Alter der Kinder. Ist das jüngste Kind noch unter 3 Jahren, liegt die Erwerbsquote der Mütter im Landesdurchschnitt bei 58 %, wovon derzeit etwa die Hälfte der Mütter aktiv erwerbstätig ist, die andere Hälfte ist in Elternzeit. Mit zunehmendem Alter der Kinder steigen die Frauen verstärkt wieder in das Erwerbsleben ein: Die Erwerbsquote klettert auf durchschnittlich 68 %, wenn das jüngste Kind im Kindergarten ist, und weiter auf 77 %, wenn das jüngste Kind in der Grundschule ist (Schaubild 2).

Weitere regionale Differenzierungen, wie sie für die kommunalen Bedarfsplanungen zur Kindertagesbetreuung hilfreich wären (zum Beispiel Angaben nach Alter der Kinder oder für die Kreis- oder Gemeindeebene), lässt der Mikrozensus nicht zu. Auch andere amtliche Quellen helfen dabei kaum weiter.3

Zusätzliche Daten könnten dagegen örtliche Bedarfserhebungen liefern, etwa durch Elternbefragungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder auch durch Auswertungen von Lohnsteuerkarten.

Verstärkter Ausbau der Kindertagesbetreuung im ganzen Land

Die Angebote zur Kindertagesbetreuung in Baden-Württemberg sind in den letzten 10 Jahren deutlich ausgebaut worden. Die Grundversorgung mit Kindergartenplätzen ist durch die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz weit gehend gewährleistet. Ende 2002 standen nach der Kinder- und Jugendhilfestatistik landesweit rund 104 Kindergartenplätze für 100 Kinder im Alter von 3 bis 6,5 Jahren zur Verfügung (1994: 92 Plätze).

Verstärkt ausgebaut werden gegenwärtig Kindergartenplätze mit verlängerten Öffnungszeiten wie zum Beispiel Ganztagesplätze mit Mittagessen sowie Betreuungsplätze für Kleinkinder unter 3 Jahren und Hortplätze für Schulkinder. Nach der Kinder- und Jugendhilfestatistik standen Ende 2002 für 100 Kinder im Kindergartenalter landesweit rund 7,4 Ganztagesplätze mit Mittagessen zur Verfügung (1994: 2,7 Plätze). Für 100 Kinder unter 3 Jahren gab es durchschnittlich 2,3 Betreuungsplätze in Kinderkrippen und altersgemischten Einrichtungen (1994: 1,2 Plätze). Für 100 Kinder im Alter von 6,5 bis unter 12 Jahren wurden rund 3,4 Hortplätze gezählt (1994: 2,1 Plätze).

Der Ausbau von Betreuungsangeboten, die über die Versorgung mit Regelkindergärten hinausgehen, setzt sich weiter fort. Anhand der Anmeldungen zur Krippenförderung beziffert das Sozialministerium Baden-Württemberg den Versorgungsgrad für unter 3-Jährige Ende 2004 auf rund 3,6 Betreuungsplätze je 100 Kinder. Aufgrund des Anmeldestandes für 2005 wird mit einem weiter wachsenden Angebot für unter 3-Jährige gerechnet.4

Die meisten Krippen-, Hort- und Ganztagesplätze sind in den Stadtkreisen

Bei der regionalen Verteilung der Betreuungsangebote (Kinder- und Jugendhilfestatistik 2002) ist zunächst auffällig, dass Kreise mit überdurchschnittlichem Versorgungsgrad an Krippenplätzen zumeist auch überdurchschnittlich viele Ganztagesplätze im Kindergarten sowie Hortplätze für Schulkinder haben. Für die regionale Übersicht (Schaubild 3) können somit die Krippen-, Hort- und Ganztagesplätze im Kindergarten zusammengefasst und auf 100 Kinder unter 12 Jahren bezogen werden, ohne dass wesentliche regionale Unterschiede außer Acht bleiben.

Das größte Angebot an Krippen-, Hort- und Ganztagesplätzen gibt es erwartungsgemäß in den Stadtkreisen. In Heidelberg, Stuttgart, Mannheim und Freiburg liegt die Versorgungsquote mit Ganztagesplätzen im Kindergarten bei 20 % und mehr, die Versorgungsquote für unter 3-Jährige bei 6 % und mehr, die Versorgungsquote mit Hortplätzen bei 11 % und mehr. Es folgen Karlsruhe, Pforzheim, Ulm, Baden-Baden und Heilbronn mit Versorgungsquoten im Kindergarten-Ganztagesbereich von bis zu 17 %, für unter 3-Jährige von bis zu 5 % und für Hortkinder von bis zu 8 %.

Unter den Landkreisen hat Tübingen die beste Versorgung und liegt in etwa gleich auf mit den Stadtkreisen Ulm und Baden-Baden. In den übrigen Landkreisen liegt die Versorgung mit Ganztagesplätzen im Kindergarten im Durchschnitt bei 4,4 %, die Versorgung von unter 3-Jährigen bei 1,3 % und von Hortkindern bei 2,0 %. Auch hier lassen sich Unterschiede erkennen: Landkreise mit unterdurchschnittlicher Krippen-, Hort- und Ganztagesversorgung liegen in Bereichen des Schwarzwalds, der Schwäbischen Alb und Oberschwabens, in Ostwürttemberg und Heilbronn-Franken (Schaubild 3).

Die Stadt-Land-Unterschiede bei der Krippen-, Hort- und Ganztagesbetreuung sind historisch gewachsen und in ganz Westdeutschland zu beobachten, sowohl im Vergleich zwischen Stadt- und Landkreisen als auch innerhalb der einzelnen Landkreise.5 Lange Zeit waren Krippen vorwiegend für Kinder erwerbstätiger allein Erziehender, Frauen aus Arbeiterfamilien und Familien in Notlagen gedacht. Infolge der Bildungsexpansion und der Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit hat sich das Verständnis der Kindertagesbetreuung in Westdeutschland grundlegend gewandelt und haben sich Bedarf und Angebote in Stadt- und Landkreisen kontinuierlich erhöht.6

Tagespflege mit Schwerpunkten in Stadt und Land

Für ein vollständiges Bild der Kindertagesbetreuung muss die Tagespflege mit betrachtet werden. Die Datenlage ist allerdings unzureichend: Die Kinder- und Jugendhilfestatistik enthält hierzu gegenwärtig keine Angaben. Auf Kreisebene verfügbar sind bislang die Daten der Tagesmütter-Vereine, die sich im Landesverband Baden-Württemberg zusammengeschlossen haben (Stand: 31. Dezember 2003). Dabei sind jedoch 8 Landkreise nicht erfasst, in denen der Landesverband nicht vertreten ist, sowie eine unbestimmte Zahl von Tagesmüttern, die nicht in den Tagesmütter-Vereinen organisiert sind. In den 36 Stadt- und Landkreisen, die der Landesverband abdeckt, sind Ende 2003 insgesamt rund 6 900 Kinder in Tagespflege betreut worden, davon gut 3 300 Kinder unter 3 Jahren. Dies würde landesweit einer durchschnittlichen Versorgung von rund 1,3 Tagespflegeplätzen für 100 Kinder unter 3 Jahren entsprechen.7 Dabei handelt es sich um eine Untergrenze: Verschiedene bundesweite Schätzungen und Hochrechnungen gehen von einer Bandbreite von 1,4 bis zu 4,1 Tagespflegeplätzen für 100 Kleinkinder aus.8 Die Daten des Tagesmütter-Verbands lassen regionale Unterschiede erkennen: Überdurchschnittlich viele Tagespflegekinder gibt es beispielsweise in der Region Stuttgart (insbesondere in den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg, Göppingen) und in den Nachbarkreisen Reutlingen und Tübingen, in der Region Ostwürttemberg (Ostalbkreis, Heidenheim) sowie im Enzkreis und Hohenlohekreis. Von den Stadtkreisen weisen Freiburg und Ulm eine überdurchschnittlich gute Versorgung mit Tagespflegeplätzen auf. Ein eindeutiges regionales Verteilungsmuster lässt sich anhand der bislang verfügbaren Daten jedoch noch nicht erkennen. Vielmehr gibt es örtliche Schwerpunkte in Stadt und Land. Die in Schaubild 3 dargestellte regionale Verteilung von Krippen-, Hort- und Ganztagesplätzen würde sich auch unter Berücksichtigung der verfügbaren Tagespflegezahlen nicht grundlegend ändern. Weiteren Aufschluss könnte eine kreisbezogene Auswertung der Verwendungsnachweise aus der Tagespflegeförderung durch das Sozialministerium geben, die bislang noch aussteht.

Versorgung mit Krippenplätzen orientiert sich bislang kaum am regionalen Erwerbsniveau

Wie die Zusammenschau von Kinderbetreuung und Erwerbsbeteiligung zeigt, sind die Versorgung mit Krippen-, Hort- und Ganztagesplätzen und die Erwerbsbeteiligung von Müttern gegenwärtig ungleich räumlich verteilt (Schaubilder 1 und 3). Die Erwerbsbeteiligung von Müttern ist auch in einigen ländlich geprägten Räumen sehr hoch, wohingegen sich die Versorgung mit Krippen-, Hort- und Ganztagesplätzen vorwiegend auf die Stadtkreise konzentriert.

Insbesondere in den Regionen mit überdurchschnittlich hoher Erwerbsbeteiligung (Schwarzwald-Baar-Heuberg, Neckar-Alb, Heilbronn-Franken) ist die Versorgung mit Krippen-, Hort- und Ganztagesplätzen eher unterdurchschnittlich. Hier greifen die Familien bislang anscheinend stärker als anderswo auf private Betreuungsarrangements zurück. Inwieweit sich daraus zukünftig auch tatsächlich ein erhöhter Bedarf an Kindertagesbetreuung ergibt, kann jedoch nur vor Ort im Rahmen der kommunalen Bedarfsplanungen festgestellt werden.

Zahl erwerbstätiger Mütter nimmt stärker zu als die Zahl der Betreuungsplätze

Wie rasant sich die Erwerbsbeteiligung von Müttern in den letzten 10 Jahren entwickelt hat, wird an dem folgenden Vergleich deutlich: Im Zeitraum 1994 bis 2002 wurden landesweit je 100 Kinder unter 12 Jahren immerhin rund 3,1 neue Betreuungsplätze in Krippen, Kindergärten und Horten geschaffen. Im gleichen Zeitraum hat die Erwerbstätigenquote von Müttern laut Mikrozensus jedoch um 10,8 Prozentpunkte zugenommen. Das heißt, im Jahr 2002 waren von je 100 Müttern rund 11 Mütter mehr erwerbstätig als im Jahr 1994.9

Diese Entwicklung ist in allen Regionen sichtbar. Überdurchschnittlich stark gestiegen ist die Erwerbsbeteilung von Müttern in den Regionen Südlicher und Mittlerer Oberrhein, Hochrhein-Bodensee und Heilbronn-Franken. In diesen Regionen hat die Erwerbstätigenquote von Müttern im Zeitraum 1994 bis 2002 um rund 11 % bis 15 % zugenommen. Dem gegenüber stehen durchschnittlich rund 3 % neu geschaffene Betreuungsplätze für Kinder unter 12 Jahren. Wie stark die Familien auf private Betreuungsarrangements zurückgreifen können und inwieweit sich zukünftig ein erhöhter Bedarf an Betreuungsplätzen und Tagespflegestellen ergibt, wäre im Rahmen der örtlichen Bedarfsplanungen zu klären.

In heute kinderreichen Landkreisen werden die Kinderzahlen am stärksten zurückgehen

Neben der Erwerbsbeteiligung der Eltern ist natürlich die Entwicklung der Kinderzahlen eine entscheidende Größe für die örtlichen Bedarfsplanungen zur Kindertagesbetreuung. Der Anteil von Kindern unter 15 Jahren an der Bevölkerung lag Ende 2003 im Landesdurchschnitt bei 16 %. Der regionale Vergleich (Schaubild 4) zeigt ein deutliches Land-Stadt-Gefälle: Die niedrigsten Kinderanteile weisen die Stadtkreise auf (weniger als 15 %), wobei in Pforzheim, Heilbronn und Ulm nicht ganz so wenige Kinder leben wie in den übrigen Stadtkreisen. Die höchsten Kinderanteile liegen in weniger verdichteten, stärker ländlich geprägten Räumen: insbesondere in Bereichen des Schwarzwalds, der Schwäbischen Alb und Oberschwabens, Ostwürttembergs sowie Heilbronn-Frankens (17 % und mehr). Hier sind zumeist auch die Räume, die unterdurchschnittlich mit Krippen-, Hort- und Ganztagesplätzen versorgt sind (Schaubild 3).

In den kommenden 10 Jahren ist in allen Landesteilen mit einem deutlichen Rückgang der Kinderzahlen zu rechnen. Nach der derzeitigen Bevölkerungsvorausrechnung wird der Anteil von Kindern unter 15 Jahren im Landesdurchschnitt von 16,0 % im Jahr 2003 auf 13,4 % im Jahr 2015 zurückgehen. Das wären landesweit über 220 000 Kinder weniger als heute.

In den heute kinderreichen Landkreisen werden die Kinderzahlen am stärksten zurückgehen. In einigen Landkreisen werden im Jahr 2015 voraussichtlich bis zu 20 % weniger Kinder leben (Schaubild 4). Zwar werden die Randzonen um die Verdichtungsräume und die ländlichen Räume im engeren Sinne nach wie vor als Umzugsziel für junge Familien attraktiv sein, doch wird in diesen Räumen die Generation potenzieller Eltern gegenüber früheren Zeiträumen überproportional abnehmen. In den Stadtkreisen wird der Rückgang der Kinderzahlen ebenfalls deutlich spürbar sein, fällt jedoch insgesamt moderater aus.10

Großes Potenzial für den Umbau der Kinderbetreuung im ganzen Land

Der Rückgang der Kinderzahlen wird in den Kindergärten freie Kapazitäten schaffen. Nach der Bevölkerungsvorausrechnung wird die Kinderzahl der 3- bis 6,5-Jährigen im Jahr 2015 im Landesdurchschnitt um voraussichtlich 16 % niedriger liegen als im Ausgangsjahr 2001; das wären landesweit 64 000 Kindergartenkinder weniger.

Die frei werdenden Kindergartenplätze können für eine Angebotsausdehnung (längere Öffnungszeiten, Aufnahme von Kleinkindern, Hortkindern) oder auch zur Steigerung der Betreuungsqualität genutzt werden (Umsetzung des vereinbarten Bildungsplans, Sprachförderung, kleinere Gruppen u.a.). So könnte beispielsweise durch eine Umwandlung von frei werdenden Kindergartenplätzen mit Regelöffnungszeiten der Versorgungsgrad mit Ganztagesplätzen im Kindergarten in 10 Jahren im Landesdurchschnitt auf rund 17 % bis 20 % zunehmen (2002: 7,4 %) oder alternativ die Versorgung mit Betreuungsplätzen für unter 3-Jährige auf rund 9 % bis 20 % ansteigen (2002: 2,3 %), ohne dass dadurch der Gesamtbetrieb teurer würde. Bei dieser Abschätzung sind die höheren Kosten betreuungsintensiverer Angebote sowie die längeren Betreuungszeiten bei Ganztagesplätzen berücksichtigt.11 Alternative Berechnungen zum Umbau der Tageseinrichtungen sowie zur Förderung der Tagespflege sind denkbar.

Das Potenzial für den Umbau der Kindergartenplätze ist in jenen Landkreisen am größten, in denen die Zahl der Kindergartenkinder am stärksten zurückgehen wird (Schaubild 3), wobei dies natürlich auch von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sein wird. Die Landkreise mit dem höchsten Umbaupotenzial (voraussichtlich 18 bis 22 % weniger Kindergartenkinder bis 2015) liegen in Bereichen des Schwarzwalds, der Schwäbischen Alb und Oberschwabens, Ostwürttembergs und Heilbronn-Frankens. Die meisten dieser Landkreise sind gegenwärtig noch unter-durchschnittlich mit Krippen-, Hort- und Ganztagesplätzen im Kindergarten versorgt.

Wie sich zeigt, besteht in allen Kreisen ein erhebliches Umbaupotenzial, auch in den Stadtkreisen, in denen die Kinderzahlen nicht ganz so stark zurückgehen (im Durchschnitt voraussichtlich 11 % weniger Kindergartenkinder bis 2015). In den kommenden Jahren bestehen somit vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung gute Chancen, auf dem Weg zu einem bedarfsgerechten Betreuungsangebot deutlich voranzukommen.

Ob es tatsächlich gelingt, das Betreuungsangebot in diesen Größenordnungen in den nächsten Jahren umzubauen, hängt stark von den Prioritäten und den finanziellen Handlungsspielräumen der Städte und Gemeinden ab. Das neue baden-württembergische Kindergartengesetz ermöglicht es den Kommunen vom Grundsatz her, die frei werdenden Mittel im Kindergartenbereich in vollem Umfang für die Verbesserung des Betreuungsangebots zu verwenden.

Der Rückgang der Kinderzahlen wird jedoch vielerorts auch mit einem Abbau von Betreuungskapazitäten einhergehen, zunächst mit der Schließung von Kindergartengruppen, dann zum Teil auch mit der Schließung ganzer Einrichtungen. Dabei ist die Bedeutung des Kindergartens insbesondere für kleine Orte und Ortsteile nicht zu unterschätzen: Nach der Schließung von Post, Bank, Einkaufsladen, Pfarramt u.a. würde mit dem Kindergarten möglicherweise eine der letzten öffentlichen Einrichtungen verloren gehen. Damit würde auch die Attraktivität als Wohnstandort für junge Familien schwinden. Hier wird die örtliche Bedarfsplanung also Antworten finden müssen, wie eine möglichst wohnortnahe Versorgung aufrecht erhalten werden kann. Ein wichtiger Ansatzpunkt wäre die Weiterentwicklung des Kindergartens zu einem örtlichen Bildungs- und Dienstleistungszentrum für Jung und Alt, das Betreuungs-, Bildungs-, Beratungs- und Begegnungsangebote mit wichtigen Dienstleistungen durch Nachbarschaftshilfe und bürgerschaftliches Engagement unter einem Dach vereint.

1 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Die Region Neckar-Alb und ihre Landkreise, Stuttgart 2002.

2 Sommerfeldt-Siry, Petra: Regionale Erwerbsbeteiligung von Frauen, hrsg. von der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung, Bonn 1990.

3 Für die Kreisebene und für differenziertere Bevölkerungsgruppen auf Regionsebene liefert der Mikrozensus keine verlässlichen Daten. Die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gibt die Erwerbsbeteiligung von Frauen nur unzureichend wieder, da sie keine Selbstständigen, Beamten und insbesondere keine geringfügig Beschäftigten erfasst. Die Erwerbstätigenrechung des Bundes und der Länder unterscheidet gar nicht nach Männern und Frauen.

4 Landtag von Baden-Württemberg: Drucksache 13/3770 vom 23. November 2004.

5 Deutsches Jugendinstitut: Zahlenspiegel 2002 – Daten zu Tageseinrichtungen für Kinder, München 2002.

6 Erning, Günter/Neumann, Karl/Reyer, Jürgen (Hrsg.): Geschichte des Kindergartens, Band 2, Freiburg 1991, S. 29 ff.

7 Ein ähnliches Versorgungsniveau für unter 3-Jährige hat auch das Sozialministerium anhand der Verwendungsnachweise aus der Tagespflegeförderung ermittelt. Vgl. Landtag von Baden-Württemberg: Drucksache 13/3770 vom 23. November 2004.

8 Jurczyk, Karin/Rauschenbach, Thomas/Tietze, Wolfgang: Von der Tagespflege zur Familientagesbetreuung, Weinheim und Basel 2004.

9 Gleichwohl hat das gesamte Arbeitsvolumen von Frauen, also die Summe der geleisteten Arbeitsstunden, in diesem Zeitraum nur leicht zugenommen, weil die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Frauen gesunken ist. Vgl. auch Schmidt, Sabine: Strukturwandel der Erwerbstätigkeit in Baden-Württemberg, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2004.

10 Stein, Ulrich: Voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs bis 2020, in: Statistisch-prognostischer Bericht 2003.

11 Ridderbusch, Jens: Ausbau der Kindertagesbetreuung hat Vorteile für die Volkswirtschaft, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2004.