:: 9/2005

Eine kleine Geschichte der amtlichen Statistik in Deutschland

Für Sie recherchiert im Internet des Statistischen Bundesamtes1: Von den Wurzeln der institutionalisierten amtlichen Statistik bis in die Neuzeit; ein geschichtlicher Abriss über rund 250 Jahre. Wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung.

Ansätze zu einer amtlichen Statistik als kontinuierliche Aufgabe sind in Deutschland bereits im 18. Jahrhundert in Form von Materialsammlungen für »Beschreibungen des Staats- und Volkslebens« zu finden. Mit dem 19. Jahrhundert begann die fortschreitende Ausdehnung, methodische Verbesserung und vor allem die Institutionalisierung der statistischen Aktivitäten. Die territoriale Neuordnung Deutschlands und die zunehmende Industrialisierung zwangen die deutschen Länder zu Beginn des 19. Jahrhunderts in verstärktem Maße zu statistischen Feststellungen der »Topographie«, der »Seelenzahl«, der »Agrikultur«, des »Gewerbefleißes« und der »Staatsfinanzen«. Für die Durchführung dieser Aufgaben wurden, beginnend mit Preußen (1805), Bayern (1808) und Württemberg (1820), besondere »Statistische Bureaus« oder »Statistische Zentralstellen«, die späteren Statistischen Landesämter, gegründet. Andere Teilstaaten folgten bald.

Länderübergreifende statistische Aktivitäten entwickelte ab 1834 der Deutsche Zollverein, insbesondere auf den Gebieten des Außenhandels sowie den in drei-jährigem Abstand durchgeführten Volkszählungen. Diese waren notwendig, da die Einnahmen des Zollvereins gemäß der Einwohnerzahl verteilt wurden. Auch die Städte traten 1862 in Berlin mit einem ersten selbstständigen Statistischen Amt in Erscheinung, dem weitere folgten. Aufgrund der als unzulänglich empfundenen Arbeiten des Zollvereins im Bereich der Statistik entwickelte eine »Kommission zur weiteren Ausbildung der Statistik des Zollvereins« in den Jahren 1870 und 1871 ein Programm, das zur Grundlage der Planung für die amtliche Statistik des jungen Deutschen Reiches wurde. Mit der Gründung des Deutschen Reiches wurde 1872 schließlich ein zentrales Statistisches Amt, das dem Reichsamt des Innern nachgeordnete »Kaiserliche Statistische Amt«, errichtet, das unter anderem die statistischen Aufgaben des »Centralbureaus des Zollvereins« übernahm. Zusätzliche Aufgaben wuchsen dem Amt, zum Teil erst im Laufe der Jahre, auf dem Gebiet der Bevölkerungsstatistik, der Landwirtschaftsstatistik, der Verkehrsstatistik, der Bautätigkeitsstatistik, der industriellen Produktionsstatistik und in Zusammenhang mit der Sozialgesetzgebung zu. Eine wichtige Aufgabe war die Koordinierung und Vereinheitlichung vieler Länderstatistiken.

Nach dem Ersten Weltkrieg musste das nunmehr dem neugegründeten Reichswirtschaftsministerium unterstellte »Statistische Reichsamt« die Arbeitsstatistik an die »Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung« abgeben. In den Jahren der Hyperinflation (1920 - 1923) wurde die kurzfristige Preis- und Lohnstatistik stark ausgebaut. Nachdem eine einheitliche Reichsfinanzverwaltung geschaffen worden war, wurde eine umfangreiche Statistik der öffentlichen Finanzen aller Gebietskörperschaften aufgebaut und die Steuerstatistik erweitert. In Zusammenhang mit den Reparationsverhandlungen wurde die Volkseinkommensrechnung entwickelt. Großes Gewicht bekam auch die Auslandsstatistik.

Die Aufhebung der Länderhoheit im »Dritten Reich« und die Verschmelzung des Preußischen Statistischen Landesamtes mit dem Statistischen Reichsamt führten zu einer stärkeren Verlagerung aller statistischen Arbeiten von den Ländern auf das Reich. Hier allerdings wanderte im Zuge der zunehmenden Bewirtschaftung und der Kriegswirtschaft ein Teil der Aufgaben des Reichsamtes an andere Dienststellen und Organisationen ab. Mithilfe des Statistischen Zentralausschusses, der statistische Erhebungen genehmigen musste, wurde versucht, die wachsende Unübersichtlichkeit der Arbeiten zu beheben.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 entstand 1946 in Hamburg ein Statistisches Amt der britischen Besatzungszone. In der amerikanischen Zone wurden im Einklang mit den Prinzipien des staatlichen Aufbaus Statistische Landesämter errichtet, deren Arbeiten von einem Statistischen Ausschuss beim Länderrat der amerikanischen Besatzungszone in Stuttgart koordiniert wurden. Mit dem Zusammenschluss der britischen und amerikanischen Besatzungszonen wurde das Statistische Amt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes errichtet (1948), aus dem nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (1949) das Statistische Bundesamt hervorging.

Für das Gebiet der späteren DDR wurde 1945 die Deutsche Zentralverwaltung für Statistik in der Sowjetischen Besatzungszone (Statistisches Zentralamt) gegründet. Parallel dazu wurden Statistische Landesämter und Statistische Kreisämter aufgebaut. In den Jahren 1950 und 1952 erfolgte – unter anderem infolge der Gebietsreform (Auflösung der Länder und Bildung von 15 Bezirken) – die Zentralisierung der amtlichen Statistik der ehemaligen DDR. Die Unterstellung aller Statistischen Ämter unter die Leitung des Statistischen Zentralamtes führte zu einer Vereinheitlichung der Methoden und Verfahren. Diese zentralistische Organisation bestand aus dem Statistischen Zentralamt in Berlin-Ost sowie 15 Bezirks- und 223 Kreisämtern. Sie wurde bis zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 im Wesentlichen beibehalten. Der Umfang der veröffentlichten statistischen Ergebnisse entsprach bei weitem nicht dem im früheren Bundesgebiet.

Mit der deutschen Vereinigung am 3. Oktober 1990 galten auch in den neuen Ländern und in Berlin-Ost unmittelbar die Statistikgesetze der Bundesrepublik Deutschland. Bereits seit Januar 1991 werden alle Statistiken in den neuen Ländern und Berlin-Ost nach den Konzepten und Methoden der Bundesstatistik durchgeführt. Ein Teil der Beschäftigten des Statistischen Amtes der ehemaligen DDR wurde zur Wahrnehmung von Bundesaufgaben dem Statistischen Bundesamt zugeordnet. Alle anderen Beschäftigten wurden gemäß Einigungsvertrag in das Gemeinsame Statistische Amt der neuen Bundesländer (GeStAL) übernommen. Dieses Amt übernahm bis Ende 1991, das heißt bis zur Einrichtung funktionsfähiger Statistischer Ämter in den fünf neuen Bundesländern, die Aufgaben der Länder.

Heute bestehen in der Bundesrepublik Deutschland das Statistische Bundesamt, 16 Statistische Ämter der Länder und rund 100 selbstständige Statistische Ämter in Städten und kommunalen Dienststellen. Sie bearbeiten den größten Teil der Bundes-, Landes- und Städtestatistik.