:: 10/2005

Familien, Kinder und das liebe Geld

Vor dem Hintergrund der geringen Geburtenrate und ihren Auswirkungen auf die gesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Entwicklung rückt die ökonomische Situation von Familien in das öffentliche Interesse. Familien sind trotz mehrfacher Reformen und Umgestaltungen staatlicher Transfers finanziell schlechter gestellt als Kinderlose. Familienhaushalte – insbesondere die der allein erziehenden Frauen – haben eine umso ungünstigere Einkommensposition, je jünger die Kinder sind. Hier wirkt sich der Zielkonflikt zwischen Kinderbetreuung und Einkommenssicherung aus. Die Förderung der Erwerbsbeteiligung durch den Ausbau institutioneller Kinderbetreuung und ein zielgerichteter Einsatz finanzieller Transferleistungen zugunsten von Familien, die vor besonderen Anforderungen stehen, könnten die bestehenden finanziellen Nachteile von Familien verringern.

Einkommenssituation von Familien

Der ökonomischen Situation von Familien wird in der öffentlichen Debatte eine hohe Bedeutung beigemessen. Familien sind gegenüber Kinderlosen nach wie vor strukturell benachteiligt. Neben Gerechtigkeitserwägungen treten vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zunehmend Überlegungen, ob in den finanziellen Rahmenbedingungen für Familien die Gründe für die in Deutschland sehr niedrige Geburtenrate zu suchen sind.

Am unteren Ende der Einkommensverteilung und oft mit großem Abstand zu allen anderen Lebensformen stehen allein erziehende Mütter. Es folgen kinderreiche Familien mit drei und mehr Kindern. Eheliche und nicht eheliche Paare mit einem Kind verfügen dagegen im Vergleich zum mittleren Pro-Kopf-Einkommen aller Lebensformen über durchschnittliche und sogar überdurchschnittliche Einkommenspositionen, ebenso wie allein erziehende Väter mit einem Kind. Doch schon bei einem zweiten Kind werden nur unterdurchschnittliche Einkommenspositionen erreicht. Überdurchschnittlich hoch sind sie bei kinderlosen Lebensformen, vorwiegend in jungen Jahren. Ausnahme bilden allein stehende und zumeist ältere Frauen. Im Jahr 2003 verfügten in Baden-Württemberg die verschiedenen Bevölkerungsgruppen über nachstehende monatliche Pro-Kopf-Einkommen:

Haushalte insgesamt1 248
Allein erziehende Frauen insgesamt954
Allein erziehende Frauen mit einem Kind1 069
Allein erziehende Frauen mit zwei Kindern933
Allein erziehende Frauen mit drei und mehr Kindern672
Allein erziehende Frauen mit Kindern unter 3 Jahren636
Allein erziehende Frauen mit Kindern unter 18 Jahren866
Allein stehende Frauen1 112
Nicht eheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern insgesamt1 223
Nicht eheliche Lebensgemeinschaften mit einem Kind 1 352
Nicht eheliche Lebensgemeinschaften mit zwei Kindern1 317
Nicht eheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern unter 3 Jahren1 013
Nicht eheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern unter 18 Jahren1 177
Ehepaare mit Kindern insgesamt1 341
Ehepaare mit einem Kind 1 389
Ehepaare mit zwei Kindern1 329
Ehepaare mit drei und mehr Kindern1 088
Ehepaare mit Kindern unter 3 Jahren1 154
Ehepaare mit Kindern unter 18 Jahren1 219
Allein erziehende Männer insgesamt1 354
Allein erziehende Männer mit einem Kind 1 414
Allein erziehende Männer mit Kindern unter 18 Jahren1 071
Allein stehende Männer1 335
Ehepaare ohne Kinder1 455
Nicht eheliche Lebensgemeinschaften ohne Kinder1 746

Entlang einzelner Lebens- und Familienphasen zeigt sich, dass sich die Einkommenspositionen zwischen kinderlosen Paaren und Paaren mit Kindern gerade in Lebensphasen, in denen Familien gegründet werden, besonders stark voneinander unterscheiden. Paare mit Kindern erreichen schon in der Phase der Familiengründung nur unterdurchschnittliche Wohlstandspositionen, die sich jedoch mit steigendem Alter des ältesten Kindes noch verschlechtern und erst bei dessen Volljährigkeit auf ein durchschnittliches Niveau ansteigen. Dagegen steigt bei allein erziehenden Müttern mit dem Alter des ältesten Kindes die Einkommensposition an, zum Teil sogar auf ein überdurchschnittliches Niveau.

Die finanziellen Auswirkungen des Kinderkriegens…

Ein wesentlicher Grund für die finanzielle Schlechterstellung von Familien mit Kindern gegenüber solchen ohne Kinder liegt in dem durch Kinder ausgelösten Einkommenseffekt. Hier spiegelt sich der hohe zeitliche Aufwand für die Betreuung und Erziehung der Kinder wider, der mit dem Wegfall des Einkommens desjenigen Elternteils verbunden ist, der seine Berufstätigkeit zugunsten der Kindererziehung einschränkt oder aufgibt.

Insgesamt sind zwei gegenläufige Effekte zu erkennen. Zum einen führt eine steigende Kinderzahl zu einer Verstärkung des Einkommensnachteils von Familien, zum anderen verringert sich dieser mit zunehmendem Alter der Kinder.

Die Geburt des ersten Kindes verursacht einen durchschnittlichen Einkommensrückgang von 25 %. Die finanziellen Belastungen wachsen mit jedem weiteren Kind um durchschnittlich 11 %. Zwar ist bei bestimmten Ausgaben eine Kostendegression zu erwarten. So benötigt eine vierköpfige Familie mit kleinen Kindern nicht vier Autos oder vier Fernseher, andere variable Ausgaben wie für Bekleidung oder Nahrungsmittel steigen eher linear mit der Zahl der Familienmitglieder, wieder andere steigen sprunghaft, wenn zum Beispiel eine größere Wohnung benötigt wird.

Mit steigendem Alter der Kinder nehmen die Ausgaben je Kind zwar zu, andererseits werden die Kinder selbstständiger, sodass der Betreuungs- und Erziehungsaufwand sinkt und entsprechende Kosten externer Betreuung entfallen. Auch erleichtert das Fortschreiten in der Erwerbskarriere des Alleinverdieners und die zunehmende (Wieder-)Erwerbsbeteiligung des Partners die finanzielle Situation. Kinder in Berufsausbildung erhalten Ausbildungsvergütungen, die in das Familieneinkommen einfließen. Andererseits stellen Kinder, die ein Studium absolvieren, über einen sehr langen Zeitraum einen erheblichen Kostenfaktor dar. Dennoch können Familien mit Kindern über 18 Jahren im Schnitt mit einer Einkommenssteigerung von durchschnittlich 5 % rechnen. Diese Steigerung hat allerdings weniger mit dem Vorhandensein von Kindern, sondern mehr mit der üblichen Einkommenssteigerung im Laufe einer beruflichen Karriere zu tun.

…sind für allein erziehende Frauen besonders gravierend…

Allein Erziehende müssen in der Regel zwei nicht gleichzeitig zu erfüllende Tätigkeiten bewältigen, die Betreuung des Kindes sowie die Einkommenserzielung. Insgesamt sind sie daher seltener in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbstständig zu finanzieren. Einkommensprobleme nehmen bei ihnen mit steigender Kinderzahl in stärkerem Ausmaß zu als bei Paarfamilien. Allerdings ist festzustellen, dass die Erwerbsneigung von Müttern mit einem Partner mit steigendem Alter der Kinder bei weitem nicht so stark zunimmt wie das allein erziehender Frauen. 1

Generell gilt, dass mit minderjährigen Kindern in der Regel erhebliche Einkommenseinbußen verbunden sind, die zu einer insgesamt ungünstigen Position in der Einkommenshierarchie führen. Das sozialstaatliche Sicherungssystem versucht daher Einkommensprobleme von Familien zu mildern. Staatliche Leistungen wie Kindergeld, Erziehungsgeld und Sozialhilfe können dabei offenbar nur eine geringe Kompensation schaffen.

…und führen zu einer Einkommensschere zwischen Familien mit Kindern und Kinderlosen

Ausgehend von den finanziellen Auswirkungen von Kindern zeigt Schaubild 1, wie sich Einkommensverläufe gestalten, wenn Familien gegründet werden und im Zeitablauf weitere Kinder geboren werden. Entscheidende Wendepunkte werden durch die Geburt von Kindern ausgelöst. Ausgangspunkt bilden Lebensformen ohne Kinder, die kurz vor einer Familiengründung stehen. Bis zur Geburt des ersten Kindes lässt sich ein etwa gleich bleibender Einkommensverlauf beobachten. Der erste markante Wendepunkt im Einkommensverlauf wird durch die Geburt des ersten Kindes ausgelöst. Zwar nimmt mit steigender Kinderzahl der Einkommensrückgang kontinuierlich ab, jedoch kann eine Einkommenssteigerung zu keinem Zeitpunkt festgestellt werden. Mit zunehmender Kinderzahl bleiben Familien bezüglich des Einkommensverlaufs zurück. Aus rein ökonomischen Gesichtspunkten ist es deshalb wenig attraktiv, Elternverantwortung zu übernehmen, da Kinder eine finanzielle Belastung darstellen und zu Wohlstandseinbußen führen. Gleichwohl kann nicht davon gesprochen werden, dass die Geburt eines Kindes automatisch zu einer schwierigen bis hin zu Armut reichenden Einkommenslage führt.

Die kindbedingten Mehraufwendungen lassen sich umso eher bewältigen, je höher das der Familie zufließende Einkommen ist. Eher nachrangig sind staatliche Transferleistungen. Entscheidend für die Einkommensposition sind die Erwerbseinkommen, deren Höhe und Stetigkeit nicht nur vom Erwerbseinkommen des Hauptverdieners abhängen, sondern auch von der Erwerbstätigkeit des Partners. Positiv auf die Einkommenshöhe wirkt sich eine durchgängige Erwerbsbeteiligung und eine fortgeschrittene Berufskarriere aus, die wiederum mit dem Lebensalter zusammenhängt. Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren bestimmt letztlich die ökonomische Situation von Familien. Verglichen mit den deutlichen Auswirkungen der Kinderzahl auf den Einkommensverlauf lassen sich entlang einzelner Familienphasen 2 ähnliche Veränderungen ausmachen. Schaubild 2 verdeutlicht den Einkommensverlauf entlang einzelner Familienphasen. Erkennbar ist, dass mit steigendem Alter des ältesten Kindes zwar ein steigender Verlauf des Pro-Kopf-Einkommens korrespondiert, sich ein deutlicher Anstieg aber erst für Familien mit erwachsenen Kindern abzeichnet.

In Familien mit Kleinkindern stehen die Eltern zumeist erst am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn mit noch vergleichsweise niedrigen Einkommen, aber auch geringer Kinderzahl. In späteren Phasen ist zwar die Zahl der Kinder höher und dementsprechend die finanziellen Aufwendungen, jedoch sind die Einkommenspositionen der Eltern gleichwohl besser. Auch kompensieren sich die einzelnen Effekte, sodass entlang der Familienphasen weder nennenswerte Einkommenseffekte nach oben noch nach unten spürbar werden und erst mit Volljährigkeit der Kinder eine spürbare Einkommensverbesserung auftritt.

Optionen für Familien zur Verbesserung ihrer Einkommenssituation

Schon lange, aber wenig erfolgreich wird versucht, den Einkommensrückstand zwischen Familienhaushalten und kinderlosen Haushalten ebenso wie zwischen einzelnen Familienformen zu reduzieren. Eltern sollten in jenen Phasen finanziell stärker entlastet werden, in denen der zeitliche Aufwand für die Kinderbetreuung groß ist und eine Erwerbstätigkeit besonders schwer fällt. Dies ist insbesondere mit Kleinkindern zu beobachten, aber auch in Phasen, in denen die Zahl der minderjährigen Kinder in einer Familie ihr Maximum erreicht. Unterstützungswürdig sind ebenso Familien mit Kindern in Ausbildung ohne eigenes Einkommen.

Eine monetäre Familienförderung sollte berücksichtigen, dass es nicht nur auf die Feststellung eines generellen Einkommensrückstands der Haushalte mit Kindern ankommt, sondern auch auf den unterschiedlich starken Effekt bestimmter Maßnahmen. Da gerade die Situation allein erziehender Frauen in besonderem Maße problematisch ist, sich andererseits eine Erhöhung des Erwerbseinkommens bei dieser Familienform besonders stark auswirkt, sollten familienpolitische Maßnahmen verstärkt dort ansetzen, wo eine Erwerbsbeteiligung erleichtert werden kann.

Insgesamt scheint die Förderung der Erwerbsbeteiligung das geeignete Mittel zu sein, um Einkommensnachteile von Familien zu begrenzen. Durch separate, voneinander isolierte Schritte wie höhere Transferleistungen sind Lebenslagen zwar zu verbessern, ihre Ursachen aber nicht zu beseitigen. Neben einem zielgerichteten Ausbau der monetären Familienförderung wäre eine Ausweitung des Angebotes der Kinderbetreuung überlegenswert, um die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit zu gewährleisten. Empirische Untersuchungen zeigen, dass der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen die Erwerbsbeteiligung der Mütter erhöht und damit tendenziell die Einkommenssituation der Familien verbessert.3

Die externe Betreuung von Kleinkindern wird oftmals aus persönlichen Gründen und der besonders intensiven Betreuung, die für Kinder unter drei Jahren notwendig ist, abgelehnt. In jener Familienphase müssen für Eltern andere Wege der Einkommenserzielung gefunden werden. Das jetzige Erziehungs- und Kindergeld reicht offensichtlich für viele nicht aus. Andererseits gilt es in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass eine längere Unterbrechung der Erwerbstätigkeit mit Arbeitsmarktrisiken verbunden ist. Angesichts dieses Zielkonflikts zwischen Kinderbetreuung, Einkommenssicherung und Bindung zum Arbeitsmarkt sollten Barleistungen gezielt erhöht bzw. umverteilt werden.

Neben den staatlichen Rahmenbedingungen sind die Flexibilität der Arbeitgeber, qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze anzubieten, und die gesellschaftlichen Vorstellungen über Kindererziehung und elterliche Arbeitsteilung mitentscheidend. Ferner stellen Einrichtungen der institutionellen Betreuung von Kindern mehr als ein Entlastungsangebot dar. Sie haben zugleich einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Eine integrale Beschäftigungs-, Bildungs-, Familien- und Sozialpolitik, die gezielt jene Familien anspricht, die in bestimmten Familienphasen oder aufgrund bestimmter Konstellationen vor besonderen Anforderungen stehen, könnte die bestehende Situation von Familien nachhaltig verbessern.

1 Vgl. Grabka, Markus M./ Kirner, Ellen: Einkommen von Haushalten mit Kindern: Finanzielle Förderung auf erste Lebensjahre konzentrieren. In: DIW-Wochenbericht 32/2002, S. 1-16.

2 Mit dem Familienphasenkonzept wird das Alter des Kindes erfasst und deren Auswirkungen auf den Einkommensverlauf.

3 Vgl. Büchel, Felix/ Spieß, C. Katharina: Kindertageseinrichtungen und Müttererwerbstätigkeit – Neue Ergebnisse zu einem bekannten Zusammenhang. In: Vierteljahresheft zur Wirtschaftsforschung des DIW Berlin, Heft 1/2002, S. 43 ff.