:: 11/2005

Spürbare Bürokratieentlastung seit 1999

Eine Vielzahl von Unternehmen wurde in den vergangenen Jahren von der statistischen Meldepflicht befreit, was vor allem mittlere und kleinere Unternehmen entlastete. Weitere Vorschläge zur Entlastung der Wirtschaft werden derzeit geprüft. Zusätzliche statistische Erhebungen bescherte jüngst lediglich die Europäische Union.

Weit mehr als 500 000 statistische Berichtspflichten pro Jahr abgeschafft …

In der öffentlichen Diskussion wird viel darüber geklagt, wie groß doch die Belastung der Wirtschaft in Deutschland mit statistischen Berichtspflichten sei und dass diese Belastungen trotz gegenteiliger Bemühungen und Beteuerungen von politischer Seite zudem noch laufend zunähmen. Die Einführung neuer statistischer Erhebungen kann nicht geleugnet werden;

allerdings muss zur Klarstellung der Hinweis erlaubt sein, dass diese zusätzlichen Befragungen in den vergangenen Jahren nahezu ausschließlich auf gesetzlichen Anforderungen der Europäischen Union beruhen. Von deutscher Seite aus wurde immer wieder versucht, mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dem großen »Datenhunger« der europäischen Verwaltung Einhalt zu gebieten. Das gelang zugegebenermaßen nur sehr eingeschränkt.

Was aber großen Respekt verdient, sind die erfolgreichen Statistikentlastungen auf nationaler Ebene. In Deutschland hat der Gesetzgeber in enger Kooperation mit der amtlichen Statistik in den Jahren seit 1999 mehr als 60 000 Unternehmen von weit über 500 000 statistischen Meldepflichten pro Jahr befreit, ohne dass dadurch die zentrale Aussagekraft der Wirtschaftsstatistik verloren ging. Dieses Entlastungsvolumen ist vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen in unserem Land von herausragender Bedeutung. So wurde zum Beispiel ab dem Jahr 2003 die jährliche Erhebung für industrielle Kleinbetriebe komplett gestrichen; außerdem wurde die vierjährliche Kostenstrukturstatistik im Handwerk, im Groß- und Einzelhandel sowie im Gastgewerbe genauso ausgesetzt wie die gesamte Handels- und Gaststättenzählung. Beigefügte Übersicht zeigt alle wesentlichen Entlastungsmaßnahmen und deren Entlastungseffekte für die Unternehmen in Deutschland seit 1999.

Wäre die Politik in Deutschland in Kooperation mit der amtlichen Statistik nicht in der Lage gewesen, parallel zu den von der EU zu verantwortenden Statistikausweitungen die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für die genannten Entlastungsmaßnahmen zu schaffen, hätte die deutsche Wirtschaft ein entsprechend Mehrfaches an Statistikbelastung zu verkraften. Die amtliche Statistik ist sich durchaus bewusst, dass sie mit der Befriedigung der Informationsbedürfnisse von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft einzelne Berichtspflichtige stark belastet; auf der anderen Seite darf aber nicht übersehen werden, dass insgesamt überhaupt nur 11 % der Unternehmen in Deutschland von der amtlichen Statistik befragt werden.

… und es geht weiter

Am 27. April 2005 wurde im Rahmen von Gesprächen des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag vereinbart, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Fachebene einzurichten, die den Auftrag hat, einen Bericht zum Thema »Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen von Statistikpflichten« zu erarbeiten. Diese Arbeitsgruppe wurde aktiv von Fachleuten aus den Statistischen Ämtern der Länder und des Bundes unterstützt; ihr abgestimmter Abschlussbericht wurde mit Stand 24. Mai 2005 vorgelegt. Die Fachstatistiker in den statistischen Ämtern prüfen zurzeit die im Bericht noch offen gebliebenen Fragen und erarbeiten konkrete Lösungsvorschläge. Am 15. Dezember 2005 wird in Berlin ein Workshop für die Nutzer der amtlichen Statistik stattfinden, auf dem dann diese Lösungsvorschläge vorgestellt werden.

Der Verlauf der bisherigen Diskussion zeigt, dass durchaus Wege vorstellbar sind, wie zwischen angestrebter Entlastung der Auskunftspflichtigen und dem notwendigen Bedarf der Datennutzer ein sinnvoller Ausgleich möglich werden kann. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg setzt sich in diesem Zusammenhang nachdrücklich dafür ein, dass ein wesentlicher Baustein der vorgesehenen Reform der Unternehmensstatistik die Anhebung der so genannten Abschneidegrenze bei den zu befragenden Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes sein sollte; diese Abschneidegrenze definiert sich über die Zahl der im Betrieb Beschäftigten. Gegenwärtig sind zum Beispiel alle Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes mit 20 und mehr tätigen Personen verpflichtet, monatlich Angaben zu Auftragseingang, Produktion, Umsatz und Beschäftigung zu machen.

Der wichtigste Vorteil einer Reduzierung der statistischen Berichtspflichten durch die Anhebung der Abschneidegrenzen liegt insbesondere darin, dass die Entlastungseffekte ganz gezielt den kleinen und mittleren Unternehmen unterhalb der Abschneidegrenze zugute kommen. Speziell bei der monatlichen Konjunkturbeobachtung im Verarbeitenden Gewerbe sind zudem unter methodischen Gesichtspunkten Erhebungen mit Abschneidegrenze bei weitem geeigneter als Stichprobenerhebungen, da dort die Repräsentativität einer Stichprobe nur mit hohem Aufwand über einen längeren Beobachtungszeitraum garantiert werden kann (Ausscheiden von Betrieben aus der Stichprobe durch Insolvenz, Übernahme o. Ä.). Stichprobenerhebungen ihrerseits sind vor allem für längerfristige Strukturbeobachtungen sinnvoll einzusetzen. Darüber hinaus ist bei kleineren Stichproben die Aussagekraft von Daten auf Landes- und Regionalebene generell stark eingeschränkt; ihre Repräsentativität ist eher auf Bundesergebnisse hin ausgerichtet (bei kleineren Bundesländern müsste die Stichprobe auf eine Totalerhebung ausgeweitet werden). Die vorgeschlagene Anhebung der Abschneidegrenzen führt dagegen – wie Modellrechnungen zeigen – auf alle Fälle auch zu tragfähigen Ergebnissen auf Länderebene.

Es bleibt zu hoffen, dass die von fachstatistischer Seite letztendlich entwickelten und in ihren Wirkungen geprüften Entlastungsvorschläge von der Politik aufgegriffen und rasch umgesetzt werden. Diese Maßnahmen würden die Bürokratielasten für die Unternehmen in Deutschland weiter deutlich reduzieren, ohne dass die gewünschte Ausgewogenheit zwischen statistischen Berichtspflichten und dem Informationsbedürfnis der Datennutzer aus dem Lot geriete.