:: 7/2006

Der Höhepunkt der Schülerzahlen in Baden-Württemberg ist erreicht

Voraussichtliche Entwicklung der Schülerzahlen bis 2020

Derzeit werden knapp 1,7 Mill. Schülerinnen und Schüler an den allgemein bildenden und beruflichen Schulen im Land unterrichtet – etwa eben so viele wie im vergangenen und wohl auch wie im kommenden Schuljahr. Die rückläufige Zahl an Geburten dürfte in den Jahren bis 2020 für einen Rückgang der Gesamtschülerzahl um knapp 18 % auf 1,4 Mill. sorgen.

An den allgemein bildenden Schulen wurde das Maximum mit mehr als 1,3 Mill. Schülerinnen und Schüler bereits im Schuljahr 2003/04 erreicht und hält sich bislang annähernd auf diesem Niveau. Hier ist bis 2020 ein Rückgang um 19 % auf knapp 1,1 Mill. zu erwarten. Dabei ist an den Gymnasien noch bis 2008/09 ein Zuwachs von 328 000 auf dann über 341 000 Schülerinnen und Schüler absehbar, während an den anderen Schularten mit Ausnahme der Freien Waldorfschulen durchgängig mit rück-läufigen Schülerzahlen zu rechnen ist.

Die beruflichen Schulen verzeichnen gegenwärtig steigende Schülerzahlen. Von ihrem jetzigen Stand von knapp 396 000 dürften diese bis 2008/09 noch um rund 4 % auf 411 000 steigen. Allerdings wird die Entwicklung der Schülerzahl an beruflichen Schulen nicht nur von der demografischen Entwicklung, sondern auch vom Angebot an Ausbildungsplätzen und damit von der konjunkturellen Entwicklung stark beeinflusst. Noch stärker als die Gesamtschülerzahl trifft dies auf die Verteilung zwischen Teilzeit-Berufsschulen und beruflichen Vollzeitschulen zu.

Verlegung des Einschulungsstichtags erhöht vorübergehend die Schülerzahl

Die Geburtenentwicklung und die Zu- und Abwanderung über die Landesgrenzen geben als demografische Faktoren die Grundtendenz für die Entwicklung der Schülerzahlen vor. Darüber hinaus beeinflussen auch Verhaltensänderungen von Schülern und Eltern die Entwicklung der Schülerzahlen wesentlich. Die erste Entscheidung betrifft bereits den Zeitpunkt der Einschulung. Schaubild 1 lässt den in den letzten Jahren fast durchgängigen – auch politisch gewollten und geförderten – Trend zur früheren Einschulung erkennen.1 Mittlerweile sind deutlich über die Hälfte der 6-Jährigen bereits in der Schule. Bis Mitte der 90er-Jahre lag dieser Anteil nur knapp über 40 %.

Bis zum Schuljahr 2004/05 galt, dass alle Kinder, die im laufenden Kalenderjahr bis zum 30. Juni das sechste Lebensjahr vollenden, schulpflichtig sind. Dieser Stichtag wird beginnend mit dem Schuljahr 2005/06 bis zum Schuljahr 2007/08 schrittweise auf den 30. September verschoben. Damit werden in den Schuljahren bis 2007/08 jeweils Kinder schulpflichtig, die in einem Zeitraum von 13 Monaten geboren sind. Die Erfahrungen aus dem ersten »verlängerten« Einschulungszeitraum im Schuljahr 2005/06 lassen einen geringeren Effekt vermuten, als bei der letzten Vorausrechnung angenommen wurde. Schaubild 2 verdeutlicht, dass in diesen drei Jahren voraussichtlich jeweils zwischen 2 500 und 4 000 Kinder mehr eingeschult werden als ohne die Stichtagsverlegung zu erwarten wäre.

Weniger Übergänge in die Hauptschule, mehr ins Gymnasium

Die nächste Schnittstelle ist der Übergang von der Grundschule in weiterführende Schulen.2 Seit der zweiten Hälfte der 90er-Jahre zeigt sich ein ausgeprägt fallender Trend bei den Übergängen auf die Hauptschule (Schaubild 3). Gegenüber dem Schuljahr 1994/95 haben sie gut 8 Prozentpunkte verloren. Im Schuljahr 2005/06 wechselten nur noch rund 29 % der Viertklässler auf eine Hauptschule. Fast spiegelbildlich dazu verlief die Entwicklung der Übergänge auf das Gymnasium. Dort stieg die Quote seit 1994/95 um mehr als 6 Prozentpunkte auf knapp 38 % im Schuljahr 2004/05 an. In den letzten drei Jahren haben sich diese Trends noch verstärkt. Auch die Diskussionen um die hohe Belastung der Schülerinnen und Schüler im 8-jährigen Gymnasium konnten den Anstieg der Übergangsquote zum Gymnasium nicht bremsen. Relativ gleichmäßig entwickelte sich in den vergangenen 15 Jahren die Quote der Übergänge auf die Realschule. Seit dem Schuljahr 1990/91 erhöhte sie sich um 4 Prozentpunkte auf jetzt annähernd 32 %.

Trotz der hier beschriebenen Tendenzen erfolgt bei der Vorausrechnung der Schülerzahlen keine Fortschreibung der Trends in die Zukunft hinein. Würde man auf Basis der letzten drei oder fünf Jahre eine Trendlinie bis 2020 berechnen, ergäben sich schon sehr bald Werte für die Übergangsquoten, die aus heutiger Sicht unrealistisch erscheinen. Daher wird bei dieser Rechnung – wie auch bei den vorangegangenen – für alle Vorausrechnungsjahre der gegenwärtige Wert konstant angesetzt.

Fast 1,7 Mill. Schülerinnen und Schüler im Land

Das Maximum der Schülerzahlen scheint an Baden-Württembergs Schulen erreicht zu sein. Im Schuljahr 2004/05 wurden an allen allgemein bildenden und beruflichen Schulen insgesamt fast 1,7 Mill. Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Im laufenden Schuljahr hat die Schülerzahl ungefähr wieder dieses Niveau erreicht, im kommenden dürfte die Gesamtzahl noch einmal geringfügig um rund 1 000 ansteigen. Anschließend werden die Schülerzahlen wieder absinken, wobei weitere fünf Jahre lang mehr als 1,6 Mill. Schülerinnen und Schüler zu erwarten sind. Um 2015 dürfte die Schülerzahl wieder den Wert von 1,5 Mill. unterschreiten. Am Ende des Vorausrechnungszeitraums im Jahr 2020 könnte die Schülerzahl auf unter 1,4 Mill. gefallen sein. Dies würde etwa der Zahl am Ende der 80er-Jahre entsprechen. Allerdings vollzieht sich diese Entwicklung in den einzelnen Schularten der allgemein bildenden und beruflichen Schulen in unterschiedlicher Weise. Bei manchen muss in den nächsten Jahren sogar noch mit einem Anstieg der Zahl gerechnet werden.

Sinkende Schülerzahlen an Grund-, Haupt- und Realschulen

Die öffentlichen und privaten allgemein bildenden Schulen erreichten ihren Höchstwert im Schuljahr 2003/04 mit knapp 1,308 Mill. Schülerinnen und Schülern. Im laufenden Schuljahr liegt diese Zahl mit 1,302 Mill. um knapp 6 000 darunter. Schaubild 4 zeigt, dass dieser Trend bis zum Ende des Vorausrechnungszeitraums im Jahr 2020 anhalten wird. In 15 Jahren werden dann 20 % Schülerinnen und Schüler weniger unterrichtet als heute. Damit läge die Schülerzahl aber immer noch auf dem Niveau zu Beginn der 90er-Jahre.

Tabelle 1 gibt die Entwicklung in den einzelnen Schularten des allgemein bildenden Bereichs wieder. An den Grundschulen bewirkt die Verschiebung des Einschulungsstichtags zunächst noch eine relative Konstanz der Schülerzahl bei 452 000. Ab 2007 führen die schwächer besetzten Geburtsjahrgänge zu einem Rückgang auf nur noch gut 376 000 um das Jahr 2017. Danach ist wieder mit einem leichten Anstieg der Schülerzahl zu rechnen, da dann die Kinder einer zahlenmäßig wieder etwas stärker besetzten Elterngeneration in das schulpflichtige Alter kommen. Im Jahr 2020 läge der Grundschulbesuch dann mit 379 000 um etwa 16 % unter dem heutigen Wert.

Der vergleichsweise größte Rückgang der Schülerzahl wird an den Hauptschulen auftreten. Bereits zum Schuljahr 2005/06 war gegenüber 2002/03 eine Abnahme von 10 % auf 194 400 Schülerinnen und Schüler zu verzeichnen. Nach den jetzt vorliegenden Berechnungen werden die Hauptschulen bis 2020 weitere 53 000 Schülerinnen und Schüler verlieren. Mit dann nur noch 141 000 würde die Schülerzahl den Stand des Schuljahres 2002/03 um gut ein Drittel unterschreiten.

An den Realschulen ging die Schülerzahl im laufenden Schuljahr seit langer Zeit erstmals wieder geringfügig auf 244 800 zurück. In den kommenden sechs Jahren ist weiter mit einem leichten Rückgang auf 235 000 Schülerinnen und Schüler zu rechnen, bevor ab 2012 die demografische Entwicklung zu deutlicher sinkenden Schülerzahlen führt. Im Schuljahr 2020/21 könnte die Schülerzahl wieder unter die Marke von 200 000 absinken. Damit läge sie um gut 17 % unter dem heutigen Stand, entspräche aber immer noch dem Niveau in der Mitte der 90er-Jahre.

Neuer Höchststand an Gymnasien in Sicht

Bei den Gymnasien ist im Gegensatz zu den anderen allgemein bildenden Schularten noch mit einer steigenden Schülerzahl zu rechnen. Gegenwärtig werden hier 328 400 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Höhepunkt der Entwicklung wird im Jahr 2008/09 mit 341 000 Schülerinnen und Schülern erwartet. Dies würde sogar den bisherigen Höchststand von 339 696 aus dem Schuljahr 1980/81 übertreffen. Bis zum Schuljahr 2011/12 wird die Zahl der Gymnasiasten in etwa diesen Stand halten können.

Mit dem Ausscheiden des doppelten Abiturientenjahrgangs des letzten 9-jährigen und des ersten flächendeckenden 8-jährigen Gymnasialzugs im Sommer 2012 wird sich die Schülerzahl schlagartig um einen Jahrgang auf knapp 310 000 verringern. Im Anschluss daran machen sich auch an den Gymnasien des Landes die geburtenschwachen Jahrgänge bemerkbar: Die Schülerzahl dürfte demzufolge bis 2020 auf 264 000 absinken – das wären rund 20 % weniger als heute, aber immerhin noch mehr als im Schuljahr 1996/97.

Differenzierte Entwicklung an Sonderschulen

Da die Entwicklung an den verschiedenen Sonderschultypen in den letzten Jahren recht unterschiedlich verlief und auch der Betreuungsaufwand für Geistig- oder Körperbehinderte wesentlich höher ist als zum Beispiel für die Schüler von Förderschulen, erfolgt die Vorausrechnung bei den Sonderschulen getrennt in drei Gruppen:

  • Förderschulen,
  • Schulen für Geistig- oder Körperbehinderte,
  • andere Sonderschultypen zusammen.

Öffentliche und private Sonderschulen besuchen im Schuljahr 2005/06 rund 54 800 Schülerinnen und Schüler, davon

Förderschulen24 900
Schulen für Geistig- oder Körperbehinderte13 500
andere Sonderschultypen16 400

Zu Letzteren zählen Schulen für Blinde und Sehbehinderte, für Hörgeschädigte, für Sprachbehinderte und für Erziehungshilfe sowie die Schulen für Kranke in längerer Krankenhausbehandlung.

Die Förderschulen haben in den letzten beiden Jahren leicht fallende Schülerzahlen. Diese Tendenz dürfte sich fortsetzen, sodass im Schuljahr 2020/21 noch rund 20 600 Schülerinnen und Schüler diese Einrichtungen besuchen werden. Im Gegensatz zu den Förderschulen stieg die Zahl der Kinder und Jugendlichen an Schulen für Geistig- oder Körperbehinderte in den letzten Jahren kontinuierlich an. Die demo-grafische Entwicklung wird diesen Trend bald stoppen. Bis in 15 Jahren wird die Zahl von 13 000 auf 11 200 sinken. Bei den übrigen Sonderschultypen wurden in der Vergangenheit ebenfalls steigende Schülerzahlen beobachtet. Demografisch bedingt sollte sich hier der Trend ebenfalls umkehren. Demnach würden am Ende des Vorausrechnungszeitraums nur noch knapp 13 800 Schülerinnen und Schüler diese Sonderschultypen besuchen. Für die Sonderschulen wird dann insgesamt mit einer Schülerzahl von 45 600 gerechnet.

Wirtschaftsentwicklung beeinflusst berufliche Schulen

Neben den allgemein bildenden Schulen bilden die beruflichen Schulen den zweiten großen Bereich des deutschen Schulwesens. Zu Letzteren zählen Berufsschulen, Berufsfachschulen, Berufskollegs, Berufsoberschulen, die Fachschulen und die beruflichen Gymnasien (i-Punkt).

Eine gewisse Unsicherheit haftet Vorausrechnungen für berufliche Schulen an, da deren Entwicklungen nicht nur demografisch, sondern auch konjunkturell bedingt sind und sich die Lage auf dem Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt direkt auf die Schülerzahlen auswirkt. Mit dem Abbau von Arbeitsplätzen gehen meist auch Ausbildungsplätze verloren. Jugendliche ohne Ausbildungsplatz müssen deshalb nach Alternativen suchen, da sie meist noch berufsschulpflichtig sind. Häufig fällt die Wahl dann auf Vollzeitangebote von Berufsfachschulen oder Berufskollegs. Finden nicht volljährige Abgänger von allgemein bildenden Schulen weder einen Ausbildungsplatz noch ein anderes Bildungsangebot, müssen sie ihre Berufsschulpflicht durch den Besuch des Berufsvorbereitungsjahres erfüllen.

Da die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt schon länger anhält, ist auch mittels mehrjähriger Durchschnitte bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen kein Ausgleich zwischen »guten« und »schlechten« Jahren möglich. Die ersten Ergebnisse der Schulstatistik 2005/06 weisen auf eine leichte »Beruhigung« auf dem Ausbildungsstellenmarkt hin. Zumindest scheint die Zahl der Ausbildungsanfänger nicht weiter gesunken zu sein. Daher werden bei dieser Vorausrechnung für die meisten beruflichen Schularten möglichst aktuelle Basiswerte verwendet.

Schülerzahl an beruflichen Schulen steigt bald auf über 400 000 an

In einer großen Wellenbewegung entwickeln sich die Schülerzahlen an den beruflichen Schulen in Baden-Württemberg.

1995/96340 621
2005/063395 791
2006/07400 000
2008/09411 000
2020/21340 000

Die Teilzeit-Berufsschulen dürften mittelfristig eine demografisch bedingt steigende Schülerzahl aufweisen. Wie bereits erläutert, haben aber die Wirtschaftsentwicklung und vor allem das Angebot an Ausbildungsplätzen auf diese Entwicklung einen entscheidenden Einfluss.

Im Bereich der beruflichen Vollzeitschulen ist ebenfalls mit steigenden Schülerzahlen zu rechnen. Gegenwärtig besuchen fast 197 000 Schülerinnen und Schüler solche Einrichtungen. Bis zum Schuljahr 2007/08 dürfte deren Zahl auf rund 203 000 anwachsen und danach zunächst nur langsam wieder absinken. Gegen Ende des Vorausrechnungszeitraums beschleunigt sich dieser Prozess, sodass 2020 nur noch knapp 167 000 Schülerinnen und Schüler an beruflichen Vollzeitschulen erwartet werden. Immerhin läge deren Zahl dann immer noch über dem Wert des Schuljahres 2001/02.

Berufsfachschulen und Berufskollegs haben in den vergangenen vier Jahren erheblich an Zulauf gewonnen – auch dies unter anderem eine Folge knapper Ausbildungsplätze. Die Schülerzahl der Berufsfachschulen erhöhte sich in diesem Zeitraum von 52 753 auf 64 000, die der Berufskollegs von 41 063 auf 54 300. Während an den Berufsfachschulen nur noch ein geringes Wachstum erwartet wird, könnten die meist auf einem mittleren Schulabschluss aufbauenden Berufskollegs in den kommenden vier Jahren noch einmal rund 4 000 Schülerinnen und Schüler dazugewinnen. Da überwiegend Jugendliche mit Hauptschulabschluss die Berufsfachschulen besuchen, bewirkt der Rückgang der Schülerzahl an Hauptschulen eine entsprechende Entwicklung an den Berufsfachschulen. So ist um das Jahr 2010 damit zu rechnen, dass mehr Jugendliche an Berufskollegs als an Berufsfachschulen unterrichtet werden.

Baden-Württemberg ist das Land mit dem am besten ausgebauten Netz an beruflichen Gymnasien in Deutschland. Im Schuljahr 2005/06 strebten an diesen meist 3-jährigen Aufbaugymnasien beinahe 44 500 Schülerinnen und Schüler das Abitur an. Dies bedeutet einen neuen Höchstwert in der Geschichte dieser Schulart. Bis zum Schuljahr 2009/10 dürfte ein weiterer Anstieg der Schülerzahl auf knapp 48 000 möglich sein. Am Ende des Vorausrechnungszeitraums könnte die Zahl dann wieder auf knapp unter 40 000 absinken.

1 Vgl. Schwarz-Jung, Silvia: Einschulungen an Grundschulen – Immer mehr Kinder werden früh eingeschult und immer weniger spät, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 9/2005, S. 9-13.

2 Vgl. Schwarz-Jung, Silvia: Übergänge auf weiterführende Schulen – Trotz G8 bleibt das Gymnasium »erste Wahl«, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2005, S. 13-17.

3 Die Schulen für Berufe des Gesundheitswesens bleiben in den folgenden Ausführungen – wie in allen vorangegangenen Schülervorausrechnungen – ausgeklammert. Im Schuljahr 2005/06 wurden dort 15 958 Schülerinnen und Schüler in nichtärztlichen Gesundheitsberufen ausgebildet.