:: 7/2006

1949: Nur 40 Stunden Wochenarbeitszeit

Aus den unveröffentlichten Kurzberichten des Badischen Statistischen Landesamtes

Im März 1949 stellten die badischen amtlichen Statistiker für Nordbaden eine geringe Steigerung der wöchentlichen Arbeitszeit für Industriearbeiter gegenüber Dezember 1948 fest (siehe Faksimile auf S. 55). Mit einem leicht enttäuschten Unterton erfährt man, dass die »… geleisteten Wochenarbeitszeiten … in der Gesamtindustrie … nur knapp über 40 Stunden lagen …«. »… Die kleineren und etwas kapitalschwächeren Betriebe … mussten zu Arbeitseinschränkungen und Entlassungen übergehen …« und in einigen Branchen lag die Arbeitszeit mit um die 40 Stunden »… immer noch sehr niedrig …«. »… Dagegen konnte bei Großbetrieben … ein weiterer Anstieg der geleisteten Arbeitsstunden festgestellt werden.«»Flexibilität am Arbeitsmarkt« war eines der wichtigsten Instrumente zum Aufbau der vom Krieg und durch Demontagen geschwächten Industrie. Das knappe Kapital konnte nicht zur Bezahlung von Unterbeschäftigung verwandt werden, sondern musste für Investitionen eingesetzt werden. Arbeitsplatzverluste waren weniger einschneidend, da es insbesondere in den zerstörten Städten und Betrieben genügend Arbeit gab.

In den einzelnen Branchen wurde zwischen 35,3 Stunden – weibliche Hilfsarbeiter in der Lederindustrie – und 55,5 Stunden – männliche Angelernte im Buchdruckgewerbe – gearbeitet. Die Stundenlöhne streuten zwischen 62,9 Dpfg (Deutsche Pfennige) für Hilfsarbeiterinnen in der Papier verarbeitenden Industrie und 159,2 Dpfg für männliche Facharbeiter in der Eisen schaffenden Industrie.

Eine Hilfsarbeiterin der Lederindustrie konnte sich für ihren Stundenlohn 1 Kilogramm Graupen oder 100 Gramm Emmentaler oder 8 Zigaretten oder 200 Gramm Siedfleisch kaufen. Für 1 Pfund Kaffee oder ein Paar billige Schuhe oder ein einfaches »Kleid von der Stange« hätte sie etwa eine Woche arbeiten müssen. Der »Spitzenverdiener in der Eisen schaffenden Industrie« hätte sich für seinen Stundenlohn immerhin vier kleine Biere a »6∕20 Liter« zapfen lassen können; für einen Straßenanzug hätte er acht Tage und für ein Fahrrad zwei Wochen arbeiten müssen.