:: 9/2006

Demographischer Wandel in Heidelberg Einstellungen und Meinungen zur Integration und zur weiteren Zuwanderung von Ausländern

Anfang des Jahres 2006 hat die Forschungsgruppe Wahlen, Mannheim im Auftrag der Stadt Heidelberg eine repräsentative Telefonumfrage unter Heidelberger Bürgerinnen und Bürgern zum Themenschwerpunkt »Demographischer Wandel in Heidelberg« durchgeführt. Neben Fragen zur Lebenssituation in Heidelberg bildeten die Bereiche Familie, Kinder und Beruf, Älterwerden und Integration in Heidelberg die Schwerpunkte der Untersuchung. In der Stichprobe (n = 1 334) wurden Personen ab 16 Jahren mit Hauptwohnsitz in Heidelberg befragt. Sie wurden im Hinblick auf die erwarteten soziodemografischen Veränderungen nach ihren Lebensentwürfen, nach der Einstellung zu Partnerschaft und Kindern, zum Zusammenleben der Generationen und Kulturen (Nationalitäten) sowie nach dem (alters- und haushaltsspezifischen) Infrastruktur- und Wohnungsbedarf etc. um ihr Urteil gebeten. Ziel der Studie war es auch, neben der Gewinnung wichtiger Planungsinformationen, Klischees über gesellschaftliche Egoismen zu hinterfragen. Die Befragung ist für Heidelberg ein wichtiger Baustein zur Beteiligung der Öffentlichkeit an den kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen im Hinblick auf den demografischen Wandel.

Zurzeit leben rund 24 000 ausländische Bürgerinnen und Bürger in Heidelberg. Verfolgt man die Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahrzehnte, stellt man fest, dass sich der Ausländeranteil in den letzten 35 Jahren fast verdreifacht hat und mittlerweile bei 16,6 % liegt. Ausgehend von der Annahme, dass der Anteil ausländischer Bürgerinnen und Bürger in den nächsten Jahren weiter steigen wird, wurden die Heidelbergerinnen und Heidelberger nach ihrer Meinung zu einem höheren Ausländeranteil befragt: Die Hälfte (50 %) äußert sich weder positiv noch negativ, 19 % finden es gut, wenn demnächst mehr Ausländerinnen und Ausländer in Heidelberg leben, 29 % finden dies schlecht.

Weiterer Ausländerzuzug: ja oder nein?

Deutliche Unterschiede im Meinungsbild ergeben sich bei einem Blick auf das Bildungsniveau der Befragten. Unter den Hauptschulabgängern lehnt die Mehrheit (51 %) den Zuzug von Ausländerinnen und Ausländern ab, 11 % befürworten einen höheren Ausländeranteil und 36 % ist es egal. Auch unter den Befragten mit Mittlerer Reife ist der Anteil derer, die einem höheren Anteil an Ausländerinnen und Ausländern in der Stadt skeptisch gegenüberstehen, mit 35 % deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Allerdings sieht in dieser Gruppe die relative Mehrheit (48 %) weder Vor noch Nachteile, 15 % finden die zu erwartende Bevölkerungsentwicklung gut. Deutlich positiver äußern sich Befragte mit Hochschulreife und Hochschulabschluss: Jeweils 22 % finden es gut, wenn es demnächst mehr Ausländerinnen und Ausländer in Heidelberg gibt, jeweils mehr als die Hälfte ist diese Tatsache egal, 20 % der Hochschulabsolventen und 23 % der Befragten mit Hochschulreife beurteilen die zu erwartende Entwicklung als »nicht gut«.

In den Altersgruppen äußert sich, außer bei den über 60-Jährigen, mindestens die Hälfte der Befragten neutral. Bei den über 60-Jährigen sagen lediglich gut ein Drittel (36 %) zu einem höheren Ausländeranteil »egal«. Dagegen finden 44 % aus dieser Gruppe den Zuzug weiterer Ausländer nicht gut. Unterschiede gibt es zwischen den Stadtteilgruppen: 23 % der Bürgerinnen und Bürger in der Mitte und 22 % im Norden befürworten den Zuzug von Ausländerinnen und Ausländern, weniger als ein Viertel (Mitte: 18 %; Nord: 23 %) steht diesem ablehnend gegenüber. In den westlichen und südlichen Stadtteilen Heidelbergs lehnen hingegen jeweils 38 % mehr ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger ab, im Osten 30 %.

Mitsprachemöglichkeiten und Bekanntheitsgrad des Ausländerrates/Migrationsrates?

Die Mitsprachemöglichkeiten für ausländische Bürgerinnen und Bürger in Heidelberg sind im Großen und Ganzen ausreichend, so der Grundtenor in der Heidelberger Bevölkerung, 45 % vertreten diese Meinung. Knapp ein Fünftel (19 %) sagt, dass Ausländerinnen und Ausländer zu wenig Möglichkeiten der Mitbestimmung haben, nur eine Minderheit (6 %) ist gegenteiliger Meinung. 30 % können oder wollen auf diese Frage nicht antworten. Die über 60-Jährigen sind deutlich häufiger (10 %) als die Gesamtheit von zu viel Mitsprachemöglichkeiten für Ausländerinnen und Ausländer überzeugt.

Wesentliche Unterschiede gibt es auch hinsichtlich des formalen Bildungsniveaus der Befragten: 15 % der Hauptschulabsolventen vertreten die Ansicht, dass in Heidelberg mehr als genug Mitsprachemöglichkeiten für ausländische Bürgerinnen und Bürger existieren; 8 % der Befragten mit Mittlerer Reife, 4 % derer mit Hochschulreife und 2 % der Hochschulabsolventen teilen diese Meinung.

Ausländer und Migranten (jeweils 30 %) sagen deutlich häufiger als alle anderen, dass sie zu wenig Möglichkeiten der Beteiligung am politischen Leben in Heidelberg sehen. Allerdings ist die Mehrheit der Ausländerinnen und Ausländer (53 %) mit den bestehenden Möglichkeiten zufrieden. Dagegen sagt nur gut ein Drittel (34 %) der Migrantinnen und Migranten, dass die bestehenden Möglichkeiten ausreichen. 31 % der Migrantinnen und Migranten, ähnlich viele wie in der Gesamtbevölkerung Heidelbergs, beziehen zu diesem Thema keine Stellung, bei den Ausländerinnen und Ausländern sind dies mit 13 % deutlich weniger.

Eine Mitsprachemöglichkeit für Ausländerinnen und Ausländer in Heidelberg ist der Ausländer- und Migrationsrat. Dieser ist allerdings mehr als der Hälfte (52 %) der Heidelbergerinnen und Heidelberger unbekannt. Auch die Mehrheit der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger (53 %) und Migranten (59 %) kennt dieses Gremium, das von Seiten der Stadt als Bindeglied zwischen Ausländern und Deutschen gesehen wird, nicht. Während knapp die Hälfte der Deutschen (49 %) schon einmal davon gehört hat, sind es bei den Ausländerinnen und Ausländern 47 % und bei den Migrantinnen und Migranten lediglich 41 %, die den Ausländerrat kennen. Während bei den unter 25-Jährigen lediglich 29 % schon vom Ausländerrat gehört haben, kennt mindestens die Hälfte der Heidelbergerinnen und Heidelberger über 34 Jahre den Ausländer- und Migrationsrat. Besonders hoch ist der Bekanntheitsgrad bei den 45- bis 59-Jährigen, hier haben fast zwei Drittel (64 %) schon einmal etwas von diesem Gremium gehört. Und während 60 % der Hochschulabsolventen wissen, dass es den Ausländer- und Migrationsrat in Heidelberg gibt, ist es bei den Hauptschulabgängern nur gut ein Viertel (27 %).

Was dient der Integration?

Das Erlernen der deutschen Sprache ist einer der wichtigsten Aspekte bei der Eingliederung: 29 % der Ausländerinnen und Ausländer und Migrantinnen und Migranten sagen bei vorgabenfreier Abfrage, dass die Stadt ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Sprachkursen am besten bei der Integration helfen würde. 8 % sehen in einer Anlaufstelle für Jobvermittlung die wichtigste Hilfe bei der Eingliederung, 7 % wünschen sich in erster Linie generelle Unterstützung, ohne dies genauer zu benennen, und 6 % sind der Ansicht, dass die Stadt Ausländern am besten helfen würde, indem sie mit dazu beiträgt, eine Ghettobildung in Heidelberg zu vermeiden. Mehr als ein Drittel der Befragten (35 %) konnte allerdings nicht sagen, was sie als Integrationshilfe von der Stadt erwarten.

Eltern von Kindern bis 12 Jahren wurden gefragt, wie viel Rücksicht ihrer Meinung nach auf die Belange ausländischer Kinder in den Betreuungseinrichtungen genommen wird. Die Mehrheit (45 %) ist der Ansicht, dass so viel Rücksicht wie nötig genommen wird, knapp ein Viertel (24 %) findet, dass zu wenig auf die Belange ausländischer Kinder eingegangen wird, nur 7 % sprechen von zu viel Rücksichtnahme, ein Viertel (25 %) konnte oder wollte sich zu diesem Thema nicht äußern. Diese Ansichten sind weitestgehend unabhängig vom Alter. Allerdings ist knapp ein Fünftel (19 %) der Eltern mit Hauptschulabschluss der Meinung, dass zu viel Rücksicht auf ausländische Kinder genommen wird; bei den Befragten mit Mittlerer Reife sind es mit 12 % noch fast doppelt so viele wie insgesamt, dagegen teilen nur jeweils 3 % der Eltern mit Hochschulreife oder Hochschulabschluss diese Meinung.

Spracherziehung im Kindergarten ausreichend oder nicht

In letzter Zeit bundesweit thematisiert wurden auch die Sprachkompetenzen von Kindern im Vorschulalter. Dabei interessiert besonders, ob ausländische Kinder gut genug Deutsch sprechen, wenn sie in die Schule kommen, das heißt, schon im Kindergarten sollte darauf geachtet werden, dass die deutsche Sprache ausreichend gut gelernt wird. Ob in den Heidelberger Kindergärten genug darauf geachtet wird, dass Kinder ausländischer Herkunft ausreichende Deutschkenntnisse besitzen bzw. erlernen, können 60 % der Befragten nicht beurteilen. 28 % sind der Ansicht, dass nicht genügend darauf geachtet wird, den Kindern ausreichend gut Deutsch beizubringen, für 12 % wird in den Heidelberger Kindergärten genug auf die Sprachkompetenz geachtet.

Befragte mit Kindern unter 18 Jahren sind besonders häufig der Ansicht (40 %), dass in den Kindergärten nicht genug Wert darauf gelegt wird, dass ausländische Kinder die deutsche Sprache lernen. Deutliche Meinungsunterschiede gibt es in dieser Frage zwischen Ausländern und Deutschen. Nur 10 % der Deutschen sind der Ansicht, dass genug auf die Deutschkenntnisse bei ausländischen Kindern geachtet wird, aber 24 % der Ausländer und 27 % der Migranten sind dieser Meinung.