:: 10/2006

Teilzeiterwerbstätigkeit zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Teilzeiterwerbstätigkeit ist für Frauen mit Kindern in Baden-Württemberg die häufigste praktizierte Form zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im europäischen Vergleich nehmen deutsche Frauen in punkto Teilzeit einen Spitzenplatz ein. Der zeitliche Umfang der Erwerbsarbeit wird maßgeblich durch die Anzahl und das Alter der Kinder bestimmt. Mütter mit einer qualifizierten Berufsausbildung beteiligen sich intensiver am Erwerbsleben und für die meisten Frauen besteht kein Anlass, ihren gewählten Arbeitszeitumfang zu ändern.

Nach heutigem Rollenverständnis können sich Frauen sowohl für Kinder als auch für einen erfüllenden Beruf entscheiden. Zumindest was die Frauenerwerbstätigkeit insgesamt angeht, hat in den letzten 20 Jahren eine deutliche Veränderung stattgefunden. Der Anteil erwerbstätiger Frauen im Alter von 20 bis unter 60 Jahren stieg in Baden-Württemberg von 59 % im Jahr 1985 auf 71 % im Jahr 2005. Damit liegt die Erwerbstätigenquote der Frauen zwar noch immer unter derjenigen der Männer (85 %), doch die einst traditionelle Rollenverteilung, wonach die Frau hauptsächlich für Betreuungs- und Versorgungsleistungen in der Familie und einzig der Mann für den Erwerb von Einkommen zuständig war, trifft immer weniger zu. Die berufliche Tätigkeit erhielt für Frauen einen deutlich höheren Stellenwert und ist heute eine Selbstverständlichkeit. Diese Tatsache gründet zum Teil darauf, dass Familien in existenzieller Hinsicht auf das Erwerbseinkommen mehrerer Familienmitglieder angewiesen sind, andererseits besitzen Frauen heute ebensolche beruflichen Qualifikationen wie Männer und wollen diese auch sinnvoll anwenden.

Frauen mit Kindern häufiger erwerbstätig

Die deutlich gestiegene Frauenerwerbstätigkeit ist weniger auf ein Anwachsen der schon relativ hohen Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne Kinder zurückzuführen, sondern wird vor allem von einer steigenden Erwerbstätigkeit der Mütter minderjähriger Kinder getragen. Diese Frauen stehen vor der Aufgabe, Familienarbeit und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen. Um dies zu bewerkstelligen, arbeiten die meisten von ihnen in Teilzeit, das heißt, ihre normalerweise geleistete wöchentliche Arbeitszeit beträgt weniger als 35 Stunden. Drei Viertel aller erwerbstätigen Frauen im Alter von 20 bis unter 60 Jahren mit im Haushalt lebenden minderjährigen Kindern haben sich für diese Form der Erwerbstätigkeit entschieden. Die Kombination aus bezahlter Arbeit aus einer Erwerbstätigkeit und unbezahlter Arbeit in den Familien scheint für die meisten von ihnen die am ehesten geeignete Form zu sein, um beiden Anforderungen gerecht zu werden. Bestätigt wird diese Annahme durch die Frage im Rahmen des Mikrozensus, welche Beweggründe für die ausgeübte Teilzeitarbeit zugrunde liegen. Die überwiegende Zahl (88 %) der vorgenannten Personengruppe gibt hier persönliche oder familiäre Verpflichtungen an. Im Vergleich dazu: Für Frauen ohne Kinder spielt dieser Grund eine deutlich geringere Rolle (46 %).

»Halbtagsstelle« sehr beliebt

Der Begriff »Teilzeit« umfasst ein breites Spektrum möglicher Arbeitszeitformen. Die so genannte Halbtagsstelle mit einer Wochenarbeitszeit von 20 bis 24 Stunden ist nur eine, wenn auch mit 28 % die am häufigsten gewählte Möglichkeit der Arbeitszeitreduzierung. Sie ist sowohl bei Müttern als auch bei Frauen ohne Kinder im Haushalt sehr beliebt. Von geringer Bedeutung sind Beschäftigungsformen mit stark begrenzter Wochenarbeitszeit (1 bis 4 Stunden, 4 %). Für Mütter sind Arbeitsverhältnisse mit einem Zeitaufwand bis zu 24 Wochenstunden bedeutsamer als für Frauen ohne Kinder. In diesem Bereich bewegen sich 82 % der Mütter, jedoch nur 67 % der Frauen ohne Kinder. Darüber liegende Arbeitszeiten sind eher für Frauen ohne Kinder bedeutsam, immerhin ein Drittel dieser Personengruppe arbeitet 25 bis 34 Wochenstunden.

Anzahl und Alter der Kinder stark ausschlaggebend

Die Existenz von Kindern in der Familie veranlasst offensichtlich ihre Mütter, die Erwerbsarbeit stärker einzuschränken. Aus den Ergebnissen des Mikrozensus wird deutlich, dass sowohl der Zahl der vorhandenen Kinder als auch deren Alter ein erheblicher Einfluss auf den zeitlichen Umfang erwerbstätiger Mütter zugeschrieben werden kann. Die Teilzeitquote liegt bei Frauen mit einem Kind (71 %) deutlich niedriger als bei Frauen mit zwei und mehr Kindern (84 % bzw. 83 %). Eine weitere Differenzierung zeigt, dass bei der Gruppe der Frauen mit einem Kind die Beschäftigungsverhältnisse mit einer Arbeitszeit zwischen 20 und 34 Wochenstunden dominieren, während sich dieser Anteil mit steigender Kinderzahl deutlich reduziert und zunehmend auf Beschäftigungsverhältnisse mit einer Wochenarbeitszeit unter 15 Stunden verlagert.

Bei detaillierter Betrachtung nach dem Alter des Kindes kann als Ergebnis festgehalten werden: Je jünger die Kinder in der Familie sind, desto stärker reduzieren ihre Mütter die berufliche Arbeitszeit. Insbesondere bei Kleinkindern unter 3 Jahren wird deutlich, dass für die meisten Mütter offensichtlich nur eine sehr eingeschränkte Berufstätigkeit realisierbar ist. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass der Anteil vollzeitbeschäftigter Frauen mit Kindern gerade in dieser Altersgruppe 23 % beträgt. Anders ausgedrückt: Fast jede vierte erwerbstätige Mutter eines Kleinkindes arbeitet 35 und mehr Stunden pro Woche. Diese Konstellation setzt voraus, dass für die Betreuung und Erziehung der Kinder gesorgt ist, sei es durch eine Kinderbetreuungseinrichtung, andere Familienmitglieder oder im Bekanntenkreis (i-Punkt). Mit zunehmendem Alter der Kinder sinken die Quoten im Bereich niedriger Arbeitszeiten (bis 14 Wochenstunden) zugunsten der Anteile im Bereich der höheren Arbeitszeiten, wobei die Präferenz zu einer Teilzeitarbeit durchgängig bestehen bleibt.

Höhere Erwerbstätigkeit bei höherer Qualifikation

Frauen mit einer qualifizierten Berufsausbildung versuchen häufiger sich am Erwerbsleben zu beteiligen und ihre Fähigkeiten an einem adäquaten Arbeitsplatz einzubringen. Je besser die Ausbildung und damit auch die Verdienstmöglichkeiten, desto schwerer dürfte ein Verzicht auf eine Erwerbsbeteiligung fallen. Zusätzlich zum Verzicht auf Einkommen während der Familienphase geht der Wiedereinstieg in den Beruf oder die Suche nach einem qualitativ gleichwertigen Arbeitsplatz oftmals nicht problemlos vonstatten. Dieser Umstand führt nicht selten zu einem völligen Verzicht auf Kinder oder veranlasst die Frauen, sich zumindest in der Realisierung ihrer Kinderwünsche zu beschränken.

In Baden-Württemberg steigt sowohl die Bereitschaft, überhaupt eine Erwerbstätigkeit auszuüben als auch das zeitliche Ausmaß der Erwerbstätigkeit mit dem Qualifikationsniveau der Mütter. Besonders deutlich ist der Abstand zwischen ungelernten Kräften und solchen mit höchstem Ausbildungsabschluss. Die Erwerbstätigenquote von Müttern ohne Berufsabschluss beträgt im Jahr 2005 lediglich 49 %, während sie bei Müttern mit Fachhochschulabschluss bzw. Hochschulabschluss 74 % beträgt. Trotz des beachtlichen Erwerbstätigkeitsgefälles ähneln sich diese beiden betrachteten Ausbildungsgruppen in ihrem Arbeitszeitverhalten. Sowohl Mütter ohne Berufsausbildung als auch Mütter mit Hochschulabschluss weisen fast identische Vollzeit-/Teilzeitquoten aus. Die Gründe für diese identischen Quoten dürften allerdings unterschiedlich sein. Während bei letztgenannter Personengruppe die Motivation, die berufliche Qualifikation sinnvoll anzuwenden sowie Opportunitätskosten1 als Erklärung herangezogen werden können, trifft dies bei den weniger qualifizierten Müttern so sicher nicht zu. Vielmehr spielen hier Überlegungen zur Existenzsicherung eine Rolle, denn eine Reduzierung der Arbeitszeit muss man sich auch finanziell leisten können.

In der Europäischen Union haben rund ein Drittel der Frauen im Jahr 2005 Teilzeit gearbeitet, aber nur 7,4 % der Männer.2 Deutsche Frauen nehmen dabei in punkto Teilzeitbeschäftigung fast eine Spitzenrolle ein; ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung beträgt 44,3 %. Lediglich in den Niederlanden gehen Frauen häufiger einer Teilzeitbeschäftigung nach, in allen anderen Ländern der Europäischen Union liegen die Quoten zum Teil deutlich darunter.3

Wunsch und Wirklichkeit

Die hier aufgezeigten Ergebnisse spiegeln die Situation erwerbstätiger Mütter in Baden-Württemberg zum Zeitpunkt der Befragung durch den Mikrozensus 2005 wider. Dabei wird außer Acht gelassen, inwiefern die Frauen mit dem Ausmaß ihrer Beschäftigung tatsächlich zufrieden sind oder ob sie sich nicht vielmehr an den vorhandenen Möglichkeiten des Arbeitsmarktes orientieren müssen. Erstmals für das Jahr 2005 wurde im Mikrozensus die Frage nach einem etwa vorhandenen Wunsch nach mehr Arbeitszeit gestellt. Die meisten (79 %) der erwerbstätigen Mütter mit minderjährigen Kindern verneinten diese Frage. Sie sind offenbar mit dem von ihnen gewählten Arbeitsumfang zufrieden oder wollen ihn zumindest nicht ausweiten. 15 % der betreffenden Frauen äußerten jedoch den Wunsch, in ihrer Erwerbstätigkeit mehr Arbeitsstunden ausüben zu wollen, sei es durch die Aufnahme einer zusätzlichen Tätigkeit oder durch eine Aufstockung der bisherigen Arbeitszeit. Der Wunsch nach mehr Arbeitszeit drückt sich bei fast allen Frauen dergestalt aus, dass sie zwar keine Vollzeittätigkeit wünschen, jedoch zum Teil bereit sind, die Stundenzahl pro Woche im Rahmen ihrer Teilzeittätigkeit auszuweiten. Als Fazit kann daraus geschlossen werden, dass Frauen mit minderjährigen Kindern in einer Teilzeiterwerbstätigkeit eine Möglichkeit für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf finden. Die Unternehmen und Wirtschaftsbetriebe sollten dies entsprechend berücksichtigen.

1 Unter Opportunitätskosten sind in diesem Fall diejenigen entgangenen Einnahmen zu verstehen, die Frauen mit beispielsweise hoher beruflicher Qualifikation dadurch entstehen, indem sie auf eine Erwerbstätigkeit verzichten.

2 Quelle: Eurostat.

3 Allerdings muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass in der EU Personen als erwerbstätig gelten, die während der Berichtswoche mindestens eine Stunde lang gegen Bezahlung oder zur Erzielung eines Gewinns gearbeitet haben. Die Unterscheidung zwischen Voll- und Teilzeittätigkeit wird anhand der spontanen Antworten der Befragten getroffen. Eine genauere Unterscheidung zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung ist nicht möglich, weil die Arbeitszeiten je nach Mitgliedstaat und Wirtschaftszweig unterschiedlich sind.