:: 11/2006

Konjunktur Südwest – Goldener Herbst

Notenbanken im Dilemma

Der US-Ökonom E. Phelps erhielt den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis nicht zuletzt für seine Arbeiten zur Rolle von Erwartungen im Wirtschaftsprozess. Die außerordentlich hohe Bedeutung von Erwartungen zeigt sich auch in der aktuellen Konjunkturentwicklung: Soll die Geldpolitik aufgrund der sich eintrübenden Konjunkturaussichten gelockert werden? Oder erfordern die unverändert hohen Inflationserwartungen einen restriktiven geldpolitischen Kurs? Die Antworten, die die Notenbanken in den einzelnen Weltregionen auf diese Fragen finden, fallen höchst unterschiedlich aus.

In den USA belastet die (von der Fed herbeigeführte) Korrektur des überhitzten Immobilienmarktes die konjunkturelle Entwicklung. Anders als die gleitende Jahresrate zeigt die Veränderungrate des Bruttoinlandsprodukts zum Vorquartal eine deutliche Abschwächung der Konjunkturdynamik an. Deshalb verzichtete die Notenbank seit Juli auf weitere Leitzinserhöhungen. Bestärkt wurde sie in dieser Politik durch die zuletzt nachgebenden Preise auf den Energie- und Rohstoffmärkten. Hohe Lohnsteigerungen haben aber auch den Inflationsdruck von der Arbeitsmarktseite wieder verstärkt. Deshalb dürfte die Fed Leitzinssenkungen nicht in Betracht ziehen. Zumal jede weitere Verringerung des Zinsabstandes zum Euro-raum eine Schwächung des Dollars zur Folge hätte.

Das erklärte Ziel der EZB …

… ist es, die Inflationserwartungen im Euroraum zu senken. Die zuletzt beobachtete Verlangsamung der Inflation führt sie hauptsächlich auf statistische Effekte, insbesondere die starke Zunahme der Energiepreise vor Jahresfrist, zurück und geht deshalb nicht von einer Verringerung des Inflationsrisikos aus. Zumal die Geldmenge im Euroraum nach wie vor stark steigt. Vor dem Hintergrund einer robusten Konjunkturentwicklung hat die EZB deshalb unlängst den Leitzins erhöht und es wird damit gerechnet, dass es bis zum Jahresende noch zu einer weiteren Erhöhung kommen wird.

Trotz einer robusten Binnennachfrage hat sich das BIP-Wachstum in Japan zuletzt abgekühlt. Die Ursache war die schwächere US-Konjunktur, die die japanische Exportentwicklung belastete. Die Bank of Japan reagierte darauf mit der Aussetzung des erst Mitte des Jahres eingeschlagenen geldpolitischen Straffungskurses. Die japanischen Leitzinsen verharren damit auf einem sehr niedrigen Niveau. Mit ganz anderen Problemen sieht sich die chinesische Notenbank konfrontiert: Die chinesische Führung strebt die Senkung des nach wie vor sehr hohen Wachstums an, um eine »Überhitzung«, die sich zuerst in hohen Preissteigerungen niederschlagen würde, zu vermeiden. Leitzinserhöhungen scheinen zu einer ersten Verlangsamung des Produktionswachstums, wenn auch noch nicht der BIP-Entwicklung, geführt zu haben.

Baden-Württemberg: Zusätzlicher Impuls im 4. Quartal – Wachstum dürfte 3,25 % erreichen

Die konjunkturelle Entwicklung in Baden-Württemberg verläuft ausgesprochen kraftvoll. Die sehr lebhafte Exportnachfrage und die starke Investitionsnachfrage aus dem Inland dürften dazu geführt haben, dass die Wirtschaftsleistung im 3. Quartal 2006 kräftig expandierte und es ist zu erwarten, dass sich diese Entwicklung im 4. Quartal fortsetzt. Unverkennbar bestehen jedoch weiterhin Risiken. Zwar sind die Energie- und Rohstoffpreise zuletzt überwiegend gesunken, allgemein wird dies jedoch nicht als Zeichen einer dauerhaften Entspannung gewertet. Gleichzeitig verliert die Weltkonjunktur spürbar an Schwung. Hinzu kommen hausgemachte Risikofaktoren, wie etwa die avisierte Erhöhung der Mehrwertsteuer. Noch streiten sich die Experten, in welchem Umfang dies die Konjunkturentwicklung belasten wird. Klar ist nur eins: Dem goldenen Konjunkturherbst dürfte ein rauer(er) Winter folgen.

Im 3. Quartal 2006 hat die Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahreszeitraum preisbereinigt vermutlich um 2,75 % zugelegt. Im 4. Quartal dürften vermehrt Vorzieheffekte, ausgelöst durch die Mehrwertsteuererhöhung, wirksam werden, sodass eine Wachstumsrate von 3,25 % erreicht werden könnte. Zwar spürt der Handel bislang nur wenig von diesem Sondereffekt, im Baugewerbe scheint er sich aber bereits deutlich bemerkbar zu machen.

In den Sommermonaten Juni bis August 2006 entwickelte sich die Südwestkonjunktur wie folgt:

  • Die realen Auslandsumsätze der Industrie legten erneut kräftig zu. In vielen Industriebranchen, wie etwa im Maschinenbau oder im Wirtschaftsbereich »Büro-, Elektrotechnik, Optik«, expandierte das Auslandsgeschäft sogar noch stärker als im Frühjahr. Lediglich im Metallgewerbe nahm die Dynamik der Umsatzentwicklung ab.
  • Die Binnenkonjunktur entwickelte sich im Sommer ebenfalls sehr positiv. Im Verarbeitenden Gewerbe und im Großhandel stiegen die realen Inlandsumsätze deutlich. Der Einzelhandel und das Gastgewerbe konnten ihr Geschäft ebenfalls ausweiten und erzielten spürbare Umsatzzuwächse. Im Bauhauptgewerbe legte die Bauleistung erneut zu. Lediglich der Kfz-Handel musste leichte Erlöseinbußen hinnehmen.
  • Bei der Beschäftigung kam es im Sommer zu einer deutlichen Entspannung. Der Jobabbau in der Industrie hat sich erheblich verlangsamt, obwohl im Fahrzeugbau erneut viele Arbeitsplätze verloren gingen. In mehreren Industriebranchen kam es aber auch zu einer Ausweitung der Beschäftigung. Vor allem im Maschinenbau wurden in ganz erheblichem Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Handel stieg die Zahl der Beschäftigten ebenfalls deutlich an.