:: 5/2007

Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg: eine Erfolgsgeschichte

Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewinnt gerade vor dem Hintergrund der verstärkten Globalisierung an Bedeutung. Vorsprung im Wettbewerb wird nicht zuletzt mit innovativen und hochwertigen Produkten und Dienstleistungen sowie mit der Weiterentwicklung von Prozessinnovationen erzielt. Somit sind Wissen und technischer Fortschritt Schlüsselelemente für die Sicherung langfristigen Wachstums im Zeichen zunehmender internationaler Konkurrenz. Forschung und Entwicklung (FuE) der Wirtschaft, des Staates und der Hochschulen bilden hierfür eine entscheidende Basis. Baden-Württemberg verfügt dabei als besonders exportorientierter Standort im nationalen und internationalen Vergleich über hervorragende Voraussetzungen. Mit einem Anteil der FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 3,9 % ist das Land international sehr gut positioniert; diese sogenannte FuE-Intensität liegt beispielsweise noch höher als die der Hochtechnologieländer Japan und USA. Bei den drei Standbeinen von Forschung und Entwicklung – FuE-Aufwendungen des Wirtschaftssektors, außeruniversitären Einrichtungen und Hochschulen – nimmt Baden-Württemberg im Bundesländervergleich jeweils eine herausgehobene Position ein. Bemerkenswert ist hierbei, dass die FuE-Ausgaben in den letzten Jahren, ausgehend von dem bereits erreichten hohen Niveau, nochmals gesteigert wurden.

Baden-Württembergs FuE-Ressourcen erreichen neuen Höchststand

Die FuE-Ausgaben der baden-württembergischen Wirtschaft, der außeruniversitären und universitären Einrichtungen betrugen 2003 zusammen 12,3 Mrd. Euro, womit ein neuer Höchststand erreicht wurde. Allein seit 1995 stiegen die FuE-Ausgaben um ein Drittel, während das nominale Bruttoinlandsprodukt (das Maß für die gesamtwirtschaftliche Leistung) nur um ein Fünftel wuchs. Die FuE-Ausgabenintensität (FuE-Ausgaben bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt) erhöhte sich dadurch in diesem Zeitraum von 3,6 % auf nunmehr 3,9 %. Dieser Wert liegt bereits merklich über der Zielmarke von 3 % für das Jahr 2010, die sich die Europäische Union im Rahmen der Lissabon-Strategie zur Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung gesetzt hat. Im internationalen Vergleich erzielt Baden-Württemberg damit einen Spitzenplatz. Die FuE-Intensität des Landes liegt sogar deutlich über den Werten der Hochtechnologieländer Japan und USA. Auch die Durchschnittswerte von Deutschland (2,5 %) und der EU-25 (1,9 %) werden deutlich übertroffen. Ähnlich groß ist der Abstand zu EU-Ländern wie Frankreich und dem Vereinigten Königreich, die 2,2 % bzw. 1,8 % des BIP für Forschung und Entwicklung aufwendeten. Auf Werte von nur knapp über 1 % kamen beispielsweise Länder wie Italien, Spanien und China, wobei China seit Mitte der 90er-Jahre einen deutlichen Anstieg verzeichnete.1 Weltweit konnten nur Israel und Schweden mit FuE-Ausgaben bezogen auf das BIP von 4,5 % und 4 % höhere Anteile als Baden-Württemberg erzielen.

Ausweitung von Forschung und Entwicklung auf hohem Niveau

Bemerkenswert ist, dass Baden-Württemberg auf dem erreichten hohen Niveau die FuE-Ausgabenintensität in den Jahren seit 1991 weiter ausweiten konnte. Nach einem Anstieg bis 1993 und einem leichten Rückgang der FuE-Ausgabenintensität bis 1995 haben sich seitdem die FuE-Ausgaben bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich erhöht. Wie noch zu zeigen sein wird, sind es vor allem die FuE-Anstrengungen der Wirtschaft des Landes und hier der exportintensiven Hochtechnologiebranchen Fahrzeugbau, Maschinenbau und Elektrotechnik, die zu dieser beachtlichen Entwicklung beigetragen haben. Die FuE-Intensität Deutschlands, der EU-25, der USA, Frankreichs oder des Vereinigten Königreichs blieb demgegenüber in diesem Zeitraum unverändert. Auf der anderen Seite hatten vor allem kleinere Länder wie zum Beispiel Schweden, Finnland, Island und Israel seit Anfang der 90er-Jahre eine hohe Dynamik bei der Steigerung der FuE-Ausgaben und konnten somit weiter aufholen. Mit FuE-Ausgaben von 3,4 % bzw. 2,9 % näherten sich Finnland und Island den Werten von Baden-Württemberg. Schweden und Israel übertrafen sogar die hiesige FuE-Ausgabenintensität.

Baden-Württemberg hat die höchste Innovationskraft in der EU

Diese herausragend gute Position Baden-Württembergs im internationalen Vergleich bei Forschung und Entwicklung zeigt sich auch anhand des vom Statistischen Landesamt berechneten Innovationsindex für die europäischen Regionen. Neben den Faktoren Erwerbstätige in industriellen Hochtechnologiebranchen und in den wissensintensiven Dienstleistungen, dem Personal in wissenschaftlich-technischen Berufen sowie den Patentanmeldungen gehen die Forschungs- und Entwicklungsleistungen als maßgebliche Größen in die Indexberechnung mit ein. Gemessen am Innovationsindex 2006 ist Baden-Württemberg innerhalb der EU-25 die Region mit der höchsten Innovationskraft. Mit Baden-Württemberg verfügen Berlin und die französische Hauptstadtregion Île de France unter den untersuchten 68 Ländern und Regionen auf europäischer Ebene ebenfalls über eine außerordentlich hohe Innovationskraft. Bei der Entwicklung der Innovationskraft in den letzten Jahren schneidet Baden-Württemberg allerdings nur mäßig ab. So belegt das Land bei der Entwicklungsdynamik nur einen Rang im Mittelfeld. Hierbei muss jedoch das bereits erreichte hohe Ausgangsniveau berücksichtigt werden. Eine weitere nennenswerte Erhöhung der Innovationskraft setzt vergleichsweise höhere Anstrengungen voraus als in den »Aufholregionen«. Gleichwohl wird hierdurch deutlich, dass die Unternehmen die Aufwendungen in Forschung und Entwicklung weiter ausbauen müssen, um die erreichte Position zu sichern und sich im Standortwettbewerb mit kostengünstigen Anbietern behaupten zu können2.

Ein Viertel der deutschen FuE-Ausgaben in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg verzeichnet mit 12,3 Mrd. Euro im Jahr 2003 die höchsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung aller Bundesländer, gefolgt von Bayern mit 11,3 Mrd. Euro. Damit werden allein fast ein Viertel der FuE-Aufwendungen Deutschlands in Baden-Württemberg erbracht und deutlich über 40 % in den beiden südlichen Bundesländern. Die weit überdurchschnittliche FuE-Ausgabenintensität von 3,9 % wird nur von Berlin (4 %) übertroffen. Bei der hohen FuE-Intensität Berlins ist jedoch auch das vergleichsweise niedrige Bruttoinlandsprodukt Berlins und seine Hauptstadtfunktion zu beachten. An dritter und vierter Stelle im Länderranking folgen Bayern mit einer FuE-Intensität von 3,0 % und Bremen mit 2,7 %.

Welche Faktoren begünstigen nun im einzelnen die führende Position bei Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg? Vor allem der hohe Beitrag des Wirtschaftssektors und die starke technologische Basis bilden die wichtigen Bestimmungsfaktoren für die sehr gut ausgebaute Forschung und Entwicklung im Land. Der Wirtschaftssektor trägt zu fast 80 % der gesamten FuE-Leistungen im Land bei, im Bundesdurchschnitt sind es nur 70 %. Im Bundesländerranking belegt Baden-Württemberg bei den Aufwendungen und beim Personal der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung jeweils den 1. Platz. Ein Viertel der gesamten FuE-Ressourcen in Deutschland kommt aus der Wirtschaft des Landes.

Noch aussagekräftiger wird der Ländervergleich, wenn die Ergebnisse normiert werden: auf 10 000 Erwerbstätige in der Wirtschaft kamen im Jahr 2003 in

Baden-Württemberg 170 FuE-Personen
Bayern 137 FuE-Personen
Hessen 116 FuE-Personen

Am Ende der Rangfolge liegen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Im Bundesdurchschnitt kamen auf 10 000 Erwerbstätige 91 FuE-Beschäftigte.

Bemerkenswert ist die längerfristige Dynamik der Entwicklung des FuE-Personals im Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg und Deutschland. Seit Anfang der 90er-Jahre nimmt das FuE-Personal in Baden-Württemberg zwar stärker zu als in Deutschland, die Entwicklung verläuft aber weitgehend gleichförmig. Dann öffnet sich allerdings die Schere spürbar: während seit 1999 das FuE-Personal im Wirtschaftssektor des Landes weiter deutlich zunimmt, ist es in Deutschland rückläufig.

Die besondere Rolle der baden-württembergischen Wirtschaft zeigt sich auch beim Anteil der FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt:

Baden-Württemberg 3,1 %
Bayern 2,4 %
Hessen 2,1 %
Niedersachsen2,1 %

Dabei konnte die FuE-Intensität der baden-württembergischen Wirtschaft auf dem erreichten hohen Niveau seit 1995 noch um 0,4 Prozentpunkte erhöht werden. Hieran spiegeln sich die Anstrengungen wider, mit weiter steigenden FuE-Engagements in dem globalen Wettbewerb zu bestehen. Die höchsten Zunahmen der FuE-Intensität, allerdings ausgehend von einem merklich geringeren Ausgangsniveau, verzeichneten seit 1995 Niedersachsen (+ 1,1 Prozentpunkte) und Berlin (+ 0,8 Prozentpunkte).

Über 90 % des FuE-Personals des Wirtschaftssektors in Baden-Württemberg ist im Verarbeitenden Gewerbe tätig. Die forschungsstarken Branchen Fahrzeugbau, Elektrotechnik und Maschinenbau bilden dabei das technologische Rückgrat für den Forschungs- und Entwicklungsstandort Baden-Württemberg. Fast 80 % des FuE-Personals der baden-württembergischen Wirtschaft sind in diesen drei sehr exportorientierten Branchen tätig, während es deutschlandweit nur 67 % sind.3 Jeder Dritte des FuE-Personals dieser technologiestarken Branchen in Deutschland ist allein in Baden-Württemberg beschäftigt. Anteilig unterrepräsentiert im Land ist dagegen die Chemische Industrie, die knapp 7 % des FuE-Personals im Wirtschaftssektor stellt, bundesweit ist der Anteil mit 14 % doppelt so hoch.

Spitzenplätze bei den staatlichen und universitären FuE-Ausgaben

Auch bei den beiden anderen FuE-Standbeinen, den staatlichen und den universitären Einrichtungen, nimmt Baden-Württemberg im Bundesländervergleich Spitzenplätze ein. Unter den Flächenländern hatte Baden-Württemberg bei den FuE-Einrichtungen des Staatssektors4 mit 51 FuE-Personen je 1 000 öffentlich Bediensteten die höchste FuE-Personalintensität. Übertroffen wurde dieser Wert nur von den Stadtstaaten Berlin (56) und Bremen (52), die von der häufigen Ansiedlung öffentlicher Forschungsinstitute in Großstädten profitieren. Die Rolle der Hochschulen des Landes beim Technologietransfer in die Wirtschaft wurde in den letzten Jahren deutlich gestärkt. Die universitären Einrichtungen tragen nicht zuletzt mit ihrem Schwerpunkt in der Grundlagenforschung zu technologischen Innovationen der Unternehmen maßgeblich bei. Entsprechend schneiden die Hochschulen des Landes bei den Leistungen für Forschung und Entwicklung im Bundesländervergleich sehr gut ab. Beim aussagekräftigen Vergleich der FuE-Ausgaben bezogen auf die Zahl der Professorenstellen liegt Baden-Württemberg hinter Bremen auf Platz 2. Je Professorenstelle wurden im Land 445 000 Euro insgesamt ausgegeben, im Länderdurchschnitt waren es 390 000.

Forschung und Entwicklung vor allem in größeren Unternehmen

Die herausgehobene Stellung der baden-württembergischen Wirtschaft bei den Forschungs- und Entwicklungsleistungen resultiert nicht zuletzt aus den hohen FuE-Engagements der Großunternehmen. Rund 78 % des FuE-Personals ist in Unternehmen mit 1 000 und mehr Beschäftigten tätig (Deutschland: 75 %). Nach einer Sonderauswertung des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft lag der Anteil des FuE-Personals in mittelständischen Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten am gesamten FuE-Personalbestand der Unternehmen in Baden-Württemberg 2003 mit rund 15 % unter dem Bundesdurchschnitt (17,4 %). Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine gesamtdeutsche Betrachtung wenig aufschlussreich ist. So gibt es in Ostdeutschland in dem noch nicht abgeschlossenen Anpassungs- und Aufholprozess erst wenige forschende Großunternehmen. Dies hat zur Folge, dass dort bis zu 83 % des FuE-Personals ihre Tätigkeit in Klein- und Mittelunternehmen ausübte. Im Vergleich Baden-Württembergs mit den Flächenländern des früheren Bundesgebietes relativiert sich sein Abstand zum Bundesdurchschnitt. Die Konzentration des FuE-Personals auf Klein- und Mittelunternehmen war 2003 in Schleswig-Holstein, im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz höher, in Bayern, in Niedersachsen und in Hessen geringer als hierzulande. Diese Rangfolge zeigt, dass die FuE-Leistungen mittelständischer Unternehmen insbesondere in jenen Bundesländern hoch sind, in denen die Unternehmen insgesamt nur relativ wenig in Forschung und Entwicklung investieren, während andererseits der FuE-Vorsprung Baden-Württembergs, Bayerns und Hessens auf den höheren FuE-Investitionen seiner Großunternehmen beruht.

FuE als Beschäftigungsmotor in den Hochtechnologiebranchen und den wissensintensiven Dienstleistungen

Dass sich die enormen Forschungsanstrengungen der baden-württembergischen Wirtschaft in hohem Maße auszahlen, zeigt sich insbesondere an der positiven Beschäftigungsentwicklung in den industriellen Hochtechnologiebranchen und den wissensintensiven Dienstleistungen. Als Hochtechnologiebranchen werden jene Bereiche bezeichnet, die überdurchschnittliche FuE-Aufwendungen bezogen auf den Bruttoproduktionswert erbringen. In diesen Branchen hat sich die Zahl der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg seit 1995 um 3,1 % erhöht, während sie in den restlichen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes um stattliche 11 % zurückging.

Viele Dienstleistungsunternehmen setzen die innovativen Technologien aus der Industrie in ihren Aufgabenbereichen ein und tragen somit zur Verbreitung und Weiterentwicklung technischen Wissens bei. Es sind dabei vor allem die wissensintensiven Dienstleistungen, die die neuen Technologien und Verfahren benötigen und damit auch die weitere Richtung der industriellen Innovationen beeinflussen. In diesen wissensintensiven Dienstleistungen, die sich durch einen hohen Anteil an Hochschulabsolventen und Beschäftigten mit ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung auszeichnen, ist sogar ein rasantes Beschäftigungswachstum von 31 % verzeichnet worden. Demgegenüber stieg die Zahl der Erwerbstätigen in den übrigen Dienstleistungsbereichen nur um 6,4 %.

Die dargestellten Ergebnisse vermitteln deutlich, dass Baden-Württemberg in Forschung und Entwicklung gut aufgestellt ist und über eine sehr gute technologische Basis verfügt. Außerdem gehen von den innovativen Branchen beachtliche positive Beschäftigungseffekte aus. Unübersehbar sind auf der anderen Seite Aufholtendenzen anderer Länder. Um die gute Ausgangsposition zu halten, müssen die FuE-Engagements der Unternehmen auch in Anbetracht der starken Exportorientierung des Landes und der vergleichsweise geringen Rohstoffressourcen auf dem erreichten hohen Niveau weiter ausgebaut werden.

1 Die Daten für China sind bis einschließlich 1999 aus methodischen Gründen tendenziell unterschätzt.

2 Vgl. Statistik Aktuell, Innovationsindex 2006, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, April 2007.

3 Umgerechnet in Vollzeitäquivalente.

4 Zum Beispiel Fraunhofer-Institute, Helmholtz-Zentren, Institute der Max-Planck-Gesellschaft, Wissensgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, etc.