:: 12/2007

»Wir sind Nobelpreisträger 2007«

Gleich zwei Nobelpreise für Naturwissenschaftler aus Deutschland gibt es 2007 zu feiern, besser geht es kaum. Erhalten haben den Nobelpreis der aus Nordrhein-Westfalen stammende Physiker Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und der gebürtige Stuttgarter Chemiker Gerhard Ertl vom Fritz-Haber-Institut in Berlin.

Jedes Jahr im Oktober steigt die Anspannung bei den Wissenschaftlern auf der ganzen Welt, wenn die Nobelpreise verkündet werden. Der Preis gilt als renommierteste und wichtigste Auszeichnung in Wissenschaft und Gesellschaft. Im Laufe der über 100-jährigen Geschichte des Nobelpreises wurden 102 Deutsche oder in ehemals deutschen Gebieten Geborene mit diesem hoch dotierten Preis ausgezeichnet. Allein 12 von ihnen stammen aus Baden-Württemberg.

Geschichte des Nobelpreises

Der durch den schwedischen Chemiker Alfred Nobel (1833–1896) gestiftete und nach ihm benannte Preis wird seit 1901 für herausragende Leistungen auf den Gebieten der Physik, Chemie, Medizin, Literatur und für Bemühungen um den Frieden verliehen. Seit 1969 werden auch herausragende Leistungen in den Wirtschaftswissenschaften mit einem Nobelpreis gewürdigt. Traditionsgemäß am 10. Dezember eines Jahres, dem Todestag Alfred Nobels, werden in Oslo der Friedensnobelpreis und in Stockholm die anderen fünf Preise verliehen. Von den 777 Einzelpersonen, die bis jetzt weltweit mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurden, waren nur 34 weiblichen Geschlechts.

Alfred Nobels Letzter Wille

Alfred Nobel wurde 1833 in Stockholm geboren. Im Alter von 33 Jahren erfand er das Dynamit und damit begann eine im wahrsten Sinne des Wortes explosionsartige Karriere, denn die Vermarktung des Sprengstoffes bescherte ihm ein großes Vermögen. Da er keine Kinder hatte, verfügte er in seinem Testament, dass sein Nachlass zur Gründung einer Stiftung dienen solle, die alljährlich die besten Wissenschaftler auszeichnet.

Auszug aus dem Testament von Alfred Nobel

»Das Kapital (…) soll einen Fonds bilden, dessen jährliche Zinsen als Preise denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben. Die Zinsen werden in fünf gleiche Teile geteilt, von denen zufällt: ein Teil dem, der auf dem Gebiet der Physik die wichtigste Entdeckung oder Erfindung gemacht hat; ein Teil dem, der die wichtigste chemische Entdeckung oder Verbesserung gemacht hat; ein Teil dem, der die wichtigste Entdeckung auf dem Gebiet der Physiologie oder der Medizin gemacht hat; ein Teil dem, der in der Literatur das Ausgezeichnetste in idealer Richtung hervorgebracht hat, ein Teil dem, der am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker und für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen gewirkt hat«.

12 Nobelpreisträger aus Baden-Württemberg

Insgesamt wurden 12 Nobelpreise an Wissenschaftler und Persönlichkeiten vergeben, die in Baden-Württemberg zur Welt kamen. Darüber hinaus gab es weitere deutsche Preisträger, die entscheidende Jahre ihrer wissenschaftlichen Karriere hier im Land verbracht haben. In 4 der insgesamt 6 Kategorien, in denen der Nobelpreis vergeben wird, ist Baden-Württemberg vertreten. Mit 8 von 12 Preisträgern überwiegen dabei eindeutig die Naturwissenschaftler, zu gleichen Teilen Physiker und Chemiker, gefolgt von den Medizinern. Nur die Nobelpreise für Frieden und Wirtschaft konnten bisher nie nach Baden-Württemberg geholt werden. Immerhin einen Literaturnobelpreisträger kann das Land vorweisen. Hermann Hesse, 1877 in Calw im Nordschwarzwald geboren, bekam die Auszeichnung 1946.

Bekanntester Preisträger aus Baden-Württemberg ist der in Ulm geborene Albert Einstein. Er bekam den Nobelpreis für Physik 1921, aber nicht für seine Relativitätstheorie, von der fast jeder schon etwas gehört hat, sondern für die Entdeckung des photoelektrischen Effekts. Und nun wieder ein »Einstein« aus Baden-Württemberg, nämlich der Chemiker und Physiker Gerhard Ertl. Ausgerechnet an seinem 71. Geburtstag bekam Ertl den Anruf aus Stockholm. Der gebürtige Bad Cannstatter, der dort auch das Johannes-Kepler-Gymnasium besuchte und 1955 sein Physikstudium an der TU Stuttgart begann, erhält die Ehrung für seine Untersuchung von chemischen Reaktionen auf mikroskopisch kleinen festen Oberflächenstrukturen. Ertl wurde mit seinen Arbeiten zum Wegbereiter für Erfindungen wie die Brennstoffzelle oder den Abgaskatalysator.

Nobelpreisträgerinnen haben Seltenheitswert

777 Wissenschaftler, Schriftsteller und andere Persönlichkeiten haben bisher weltweit den Nobelpreis verliehen bekommen. Mit nur 34 Preisträgerinnen sind die Frauen deutlich unterrepräsentiert. Hervorzuheben ist die Französin Marie Curie, die bis heute als einzige Frau zweimal mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Sie erhielt 1903 den Nobelpreis für Physik und 1911 den Nobelpreis für Chemie. Erst 94 Jahre nach der Einführung der Nobelpreisverleihung wurde eine deutsche Wissenschaftlerin ausgezeichnet. Die Magdeburgerin Christiane Nüsslein-Volhard erhielt 1995 den Nobelpreis für Medizin. Nüsslein-Volhard ist zwar nicht im »Ländle« geboren, leitet aber seit 1985 die Abteilung Genetik des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen. Aber schon vor Christiane Nüsslein-Volhard erhielten zwei in Deutschland geborene Frauen Nobelpreise, nämlich Nelly Sachs und Maria Goeppert-Mayer. Nelly Sachs, eine gebürtige Berlinerin, musste 1940 nach Schweden emigrieren und erhielt für dieses Land 1966 den Literaturnobelpreis. Maria Goeppert-Mayer, geboren 1906 in Schlesien, erhielt 1963 den Physiknobelpreis für die USA.

Der Blick auf die Ehrungen für Deutsche war in den vergangenen Jahren oft getrübt. Die Preisträger wurden zwar in Deutschland geboren, ihre wissenschaftlichen Erfolge feierten sie aber meistens im Ausland. Einzig Christiane Nüsslein-Volhard und der Heidelberger Physiker Theodor Hänsch hellten die Bilanz der letzten Jahre auf. Sie erhielten ihre Nobelpreise für Forschungsarbeiten in Deutschland. Und nun 2007 mit Gerhard Ertl und Peter Grünberg gleich zwei Wissenschaftler, die nicht nur in Deutschland geboren wurden, sondern auch hier ihre Wirkungsstätten haben.

Nobelpreise – Spiegel der Wissenschaftslandschaft

Nachdem deutsche Wissenschaftler 2006 bei der Vergabe der Nobelpreise leer ausgegangen sind, fanden 2007 gleich zwei deutsche Forscher Aufnahme in den Olymp der Wissenschaften. Die Gratulanten verbuchten die Nobelpreise als Gütesiegel für die deutsche Forschung insgesamt.

Bei allem Jubel um die Preise ist jedoch eines unübersehbar: Während die Nobelpreisträger anderer Nationen überwiegend an Hochschulen arbeiten, ist das bei den deutschen Laureaten kaum der Fall, meist kommen sie aus den Reihen der Max-Planck-, Helmholtz-, Leibniz- und Fraunhofer-Institute. Was nicht heißt, dass die Forschung an den unter Geldmangel leidenden deutschen Universitäten zweitrangig ist, aber zur Weltspitze reicht es oft eben doch nicht. Die Politik hat diese Schwachstelle erkannt. So stärkt die mit 1,9 Mrd. Euro ausgestattete Exzellenzinitiative die wissenschaftliche Arbeit an den Hochschulen. Von den 9 deutschen Universitäten, die sich als Spitzenuniversitäten durchsetzen konnten, liegen allein 4 in Baden-Württemberg. Die Nobelpreise für Physik und Chemie für deutsche Forscher in diesem Jahr dürften die spürbare Aufbruchstimmung in der deutschen Wissenschaft weiter verstärken.

Eine Auswahl weiterer deutscher Preisträger

Wilhelm Conrad Röntgen (1845–1923) war der erste Wissenschaftler der den Nobelpreis für Physik bekam. Ausgezeichnet wurde er 1901 für die Entdeckung jener Strahlen, die die Medizin revolutionierten und später nach ihm benannt wurden. Bis heute wurden an 32 Deutsche bzw. deutschstämmige Physiker Nobelpreise verliehen. Auch Max Planck (1858–1947) gehört zu den Physiknobelpreisträgern. Er erhielt die Auszeichnung 1918 für seine Entdeckung der Quantenenergie. Max Planck wurde 1930 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Ein Jahr nach seinem Tode 1948 wurde sie in Max-Planck-Gesellschaft umbenannt. Otto Hahn (1879–1968), der Entdecker der Kernspaltung, erhielt 1944 den Nobelpreis in Chemie, konnte ihn aber erst 1946 entgegennehmen. Robert Koch (1843–1910) bekam 1905 als zweiter Deutscher den Nobelpreis für Medizin. Er erhielt den Preis für Untersuchungen auf dem Gebiet der Tuberkulose. Thomas Mann (1875–1955) ist einer von neun in Deutschland geborenen Nobelpreisträgern für Literatur. Er erhielt 1929 den begehrten Preis für seinen Familienroman »Buddenbrooks«. Günter Grass hat bis jetzt als letzter deutscher Schriftsteller den Literaturnobelpreis 1999 für sein Lebenswerk erhalten. Für seine Politik der Verständigung mit den Staaten Osteuropas bekam 1971 Willy Brandt (1913–1992) den Nobelpreis für den Frieden. Der Kniefall von Warschau 1970 am Mahnmal des Gettoaufstandes 1943 ist noch heute unvergessen.