:: 3/2008

Berufspendler in Baden-Württemberg – keine (ganz) unbekannten Wesen

Die Zahl der Berufspendler über Gemeindegrenzen hat in den letzten 20 Jahren immer mehr zugenommen. So pendelten im Jahr 1987 laut Volkszählung 42 von 100 Erwerbstätigen in Baden-Württemberg zur Arbeit aus ihrer Wohngemeinde aus. Im Jahr 2005 waren es nach der aktuellen Berufspendlerrechnung bereits gut 55 von 100. Dies hat Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen auf den Straßen im Land, denn wer aus seiner Wohngemeinde auspendelt, legt seinen Arbeitsweg meist mit dem Auto zurück. Die mittlere Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort, die Erwerbstätige im Ländlichen Raum überwinden, unterscheidet sich kaum von der mittleren Entfernung, die Erwerbstätige im Ballungsraum täglich zurücklegen.

Wohnen und Arbeiten fallen immer öfter auseinander

In den vergangenen Jahrzehnten haben immer mehr baden-württembergische Erwerbstätige ihren Wohnsitz von der Stadt hinaus ins »Grüne« verlegt. Zahlreiche Arbeitsplätze wanderten ebenfalls aus den Ballungszentren ins Umland. Standortverlagerungen waren vor allem bei Betrieben des Produzierenden Gewerbes und des Einzelhandels zu beobachten. Insgesamt hat diese Entwicklung dazu geführt, dass Wohnen und Arbeiten immer weiter auseinanderfallen.1 So pendelten im Jahr 1987 laut Volkszählung 42 von 100 Erwerbstätigen zur Arbeit aus ihrer Wohngemeinde aus. Für das Jahr 2005 weist die aktuelle Berufspendlerrechnung (vgl. i-Punkt) dagegen bereits gut 55 von 100 Erwerbstätigen aus, die auf dem Weg zur Arbeit mindestens eine Gemeindegrenze überschreiten.

Die Arbeitsplätze im Land sind räumlich deutlich stärker konzentriert als die Einwohner. Die Tatsache, dass 942 der 1 110 Gemeinden Baden-Württembergs Auspendlergemeinden sind, das heißt, von dort pendeln mehr Erwerbstätige zur Arbeit in andere Gemeinden aus als Auswärtige einpendeln, ist ein deutliches Indiz hierfür. Möglich war die Entwicklung der letzten Jahrzehnte nur durch die hohe Mobilität der Erwerbstätigen, zu der der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ebenso beigetragen hat, wie der Anstieg des verfügbaren Einkommens der Haushalte und die zunehmende Motorisierung. In Baden-Württemberg kamen 1987 auf 1 000 Einwohner 478 Pkw, knapp 20 Jahre später sind es 574.

Mit dem Auto zur Arbeit

Der Berufsverkehr ist nach dem Freizeitverkehr der zweitwichtigste Verkehrszweck im Personenverkehr. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnete, dass fast ein Fünftel der rund 1 161 Mrd. Personenkilometer, die 2004 in Deutschland mit dem Auto, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt wurden, auf das Konto der täglichen Wege von und zur Arbeit gingen.2 Es ist anzunehmen, dass der Berufsverkehr in Baden-Württemberg einen vergleichbaren Anteil am Personenverkehr hat.

Berufsverkehr ist auch in Baden-Württemberg überwiegend motorisierter Individualverkehr. Laut Mikrozensus 20043 legen fast 70 % der Erwerbstätigen die Wegstrecke zur Arbeit überwiegend als Fahrer bzw. Mitfahrer im Auto oder mit dem motorisierten Zweirad zurück. Dabei bestehen deutliche Unterschiede zwischen Erwerbstätigen, die in ihrer Wohngemeinde arbeiten und Pendlern über Gemeindegrenzen. Knapp die Hälfte der Erwerbstätigen, die in derselben Gemeinde wohnen und arbeiten, aber 85 % der Pendler zwischen den Gemeinden des Landes fahren mit dem Auto (inkl. motorisierte Zweiräder) zur Arbeit.

Die hohe Bedeutung, die der Pkw für Pendler über Gemeindegrenzen als Transportmittel zum Arbeitsplatz hat, korrespondiert auffällig mit der Länge des Arbeitsweges. Es ist nicht unbedingt überraschend, dass Erwerbstätige, die in ihrer Wohngemeinde arbeiten, meist einen deutlich kürzeren Arbeitsweg haben. Rund 90 % dieser Personengruppe, aber nur 26 % der Pendler über Gemeindegrenzen gaben an, auf dem Weg zur Arbeit weniger als 10 km zurückzulegen. Insofern ist es erklärlich, dass Erwerbstätige, die in der Wohngemeinde arbeiten, sehr viel häufiger zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen.

Je kleiner die Gemeinde, desto höher die Pendelwahrscheinlichkeit

Neben der Qualität des Arbeitsplatzangebotes beeinflusst auch die Größe einer Stadt die Wahrscheinlichkeit, dort neben einer Wohnung einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Wegen der hohen Einwohner-Arbeitsplatz-Dichte liegt natürlich der Anteil der Erwerbstätigen, die in derselben Gemeinde wohnen und arbeiten in den Großstädten deutlich über dem Landesdurchschnitt von rund 45 %. Es gibt aber auch einige Städte im Ländlichen Raum in denen besonders viele Erwerbstätige ihren Arbeitsplatz am Wohnort selbst haben: wie Tuttlingen, Albstadt, Villingen-Schwenningen oder Furtwangen.

Den höchsten Anteil von Erwerbstätigen, die in der gleichen Gemeinde wohnen und arbeiten, weist mit 82 % Konstanz auf. Allerdings ist die Aussagekraft dieses Wertes eingeschränkt: Erwerbstätige, die in Konstanz wohnen und zur Arbeit in die Schweiz auspendeln, sind in der Pendlerrechnung mangels Datengrundlage nicht erfasst.

In den folgenden 15 Gemeinden arbeiten über 68 % der Erwerbstätigen in ihrer Wohngemeinde:

Konstanz82
Freiburg im Breisgau78
Karlsruhe75
Stuttgart74
Büsingen am Hochrhein74
Tuttlingen74
Mannheim73
Albstadt72
Villingen-Schwenningen71
Furtwangen71
Schwäbisch Hall70
Ulm70
Friedrichshafen69
Wertheim69
Isny im Allgäu68

Etwa 80 % aller Erwerbstätigen haben einen Arbeitsweg unter 20 Kilometern

In der Diskussion um die steuerliche Absetzbarkeit der Fahrtkosten für den Arbeitsweg spielt die 20-km-Marke eine besondere Rolle: Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit können, in Form einer Entfernungspauschale von 30 Cent je Kilometer, derzeit erst ab dem 21. Kilometer geltend gemacht werden. Damit kann die große Mehrheit der Erwerbstätigen ihre Fahrtkosten allerdings nicht von der Einkommens- oder Lohnsteuer absetzen. Die Daten der Berufspendlerrechnung zu Wohn- und Arbeitsortgemeinde der Erwerbstätigen in Kombination mit den Luftlinienentfernungen zwischen den Gemeinden4 erlauben eine grobe Schätzung der Länge der Arbeitswege, die die Erwerbstätigen in Baden-Württemberg täglich zurücklegen. Danach liegen für vier Fünftel aller Erwerbstätigen Wohn- und Arbeitsort weniger als 14 Kilometer (km) Luftlinie voneinander entfernt, was im Durchschnitt in etwa einer Weglänge von 20 km entspricht.

Kaum Unterschiede zwischen Ballungsräumen und ländlichen Räumen

In den Ballungsräumen und in den verstädterten Bereichen der ländlichen Räume Baden-Württembergs ist der Anteil der Erwerbstätigen mit einem Arbeitsweg unter 14 km Luftlinie mit rund 83 % gegenüber dem Landesdurchschnitt nur leicht erhöht. Im Umland der Ballungsräume und im übrigen Ländlichen Raum5 liegt dieser Anteil mit rund 77 bzw. 76 % etwas darunter. Auch die durchschnittliche Länge der Arbeitswege der Erwerbstätigen unterscheidet sich zwischen den Raumkategorien kaum. Wohn- und Arbeitsort eines Erwerbstätigen mit Wohnsitz in den Ballungsräumen liegen im Durchschnitt 10,1 km, in den Speckgürteln um die Verdichtungsräume 10,4 km, in den stärker verstädterten Zonen 10,0 km und im übrigen Ländlichen Raum 10,6 km entfernt.

Inwieweit sich bei feinerer Unterscheidung, beispielsweise nach Gemeindetypen, deutlichere Unterschiede in der Pendelentfernung zeigen, soll in einem späteren Beitrag untersucht werden. Hier könnten sich Unterschiede im Arbeitsplatzangebot vor Ort, in der Nähe zu großen Pendlermagneten oder der Qualität der Verkehrsanbindung durchaus bemerkbar machen.

Einen Hinweis darauf, welchen Einfluss beispielsweise die Qualität der Anbindung an das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn haben kann, gibt der Vergleich der Stadtkreise in der Tabelle. In den Stadtkreisen Heilbronn und Pforzheim liegt der Anteil der Erwerbstätigen, die über eine Luftlinienentfernung von 50 km und mehr pendeln, unter dem Landesdurchschnitt und deutlich unter den Werten der übrigen Stadtkreise. Den Erwerbstätigen mit Wohnsitz in Ulm, Mannheim, Heidelberg, Stuttgart, Baden-Baden, Freiburg im Breisgau und Karlsruhe ermöglicht die gute ICE-Anbindung, als Tagespendler weite Entfernungen zurückzulegen. Zwar ist der Anteil der Fernpendler in Relation zur Gesamtheit der Erwerbstätigen auch in den genannten Kreisen nicht groß, er liegt aber deutlich über dem Landesdurchschnitt.

1 Vgl. auch Siedentop, Stefan (2007): Auswirkungen der Beschäftigungssuburbanisierung auf den Berufsverkehr. Führt die Suburbanisierung der Arbeitsplätze zu weniger Verkehr?, in: Informationen zur Raumentwicklung Heft 2/3.2007, S. 105–124.

2 Kloas, Jutta/Kuhfeld, Hartmut (2006): Fußgänger- und Fahrradverkehr gewinnen an Bedeutung, in: DIW Wochenbericht Nr. 44/2006, Berlin.

3 Im Rahmen des Mikrozensus wird alle 4 Jahre, zuletzt im Jahr 2004, das Pendlerverhalten der Erwerbstätigen erhoben.

4 Als Schätzgröße für die Länge des Arbeitsweges dient bei Pendlern über Gemeindegrenzen die Luftlinienentfernung zwischen den Mittelpunkten der Wohn- und der Arbeitsgemeinde, bei Erwerbstätigen, die in der Wohngemeinde arbeiten, der Radius der als Kreis gedachten Gemeindefläche. Kleinräumig vergleichende Darstellungen von Luftlinienentfernungen verbieten sich allerdings wegen der topografischen Besonderheiten des Landes. So kann bei ungünstigen topografischen Verhältnissen, zum Beispiel im Schwarzwald, eine Entfernung von 14 km Luftlinie auch einmal einer Straßenentfernung von 30 km entsprechen, während andernorts nur 17 km zurückzulegen sind.

5 Hier handelt es sich um Umschreibungen der Raumkategorien gemäß Landesentwicklungsplan 2002: Verdichtungsräume, Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum, Randzonen der Verdichtungsräume und Ländliche Räume i.e.S.