:: 8/2008

Gebremste Dynamik – Im Jahresdurchschnitt 2008 preisbereinigtes Wirtschaftswachstum von 2 % zu erwarten

Nachdem die baden-württembergische Wirtschaft im 1. Quartal mit einem preisbereinigten Wirtschaftswachstum von 2½ % gegenüber dem Vorjahresquartal gut ins Jahr 2008 gestartet ist, deuten die Frühindikatoren für den Rest des Jahres auf eine schwächere wirtschaftliche Dynamik hin. Im 2. Quartal wuchs die Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahreszeitraum preisbereinigt nach jetzigem Kenntnisstand um 2%, für das 3. Quartal ist voraussichtlich mit einer weiteren Wachstumsabschwächung auf 1¾ % zu rechnen.

Die Frühjahrsmonate März bis Mai 2008 waren in Baden-Württemberg in konjunktureller Hinsicht geprägt von

  • einer Entwicklung im Außenhandel, in der die weltwirtschaftlichen Konjunkturrisiken nunmehr erste Spuren hinterlassen haben. Die Auslandsumsätze des Verarbeitenden Gewerbes übertrafen die der letztjährigen Frühjahrsmonate nur noch um 4 %, was gegenüber den Wintermonaten eine deutliche Abschwächung darstellt.
  • einer erfreulichen Dynamik der Inlandsnachfrage. Mit einem Umsatzplus von 3,6 % konnte das Verarbeitende Gewerbe einen höheren Wert erzielen als in den Wintermonaten. Gleiches gilt für den Großhandel mit einer Erlössteigerung um 2,1 %. Die Umsatzeinbußen im Bauhauptgewerbe sind eher auf statistische Effekte zurückzuführen, da einige Bauvorhaben aufgrund des milden Winters vorgezogen worden sein dürften.
  • einem weiteren Beschäftigungsaufbau, der seinen Zenit aber vorläufig erreicht haben dürfte. In der Industrie wurden im Frühjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum knapp 32 000, im Handel fast 9 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Arbeitslosigkeit im Land sank im Juni mit einer Quote von 3,9 % auf einen neuen Tiefstand.
  • einem Anstieg der Verbraucherpreise, der sich bis Juni fortgesetzt hat. Die Teuerungsrate für Baden-Württemberg lag im Vorjahresvergleich bei 3,3 % . Der auf die Lage der Energie- und Rohstoffmärkte zurückzuführende zunehmende Preisdruck auf den Vorstufen lässt für die nähere Zukunft keine Entspannung der Situation erwarten.

Globale Konjunkturrisiken werden virulent

Neben den steigenden Inflationsraten, die die Binnennachfrage über den Kaufkraftverlust der privaten Haushalte unmittelbar schwächen und den Kostendruck der Unternehmen erhöhen, stellen die Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar und die jüngste geldpolitische Reaktion der EZB auf die Preisentwicklung weitere Belastungen für die Konjunktur dar. Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt dürfte nicht ausreichen, um die restriktiven weltwirtschaftlichen Impulse zu kompensieren.

Die Phase der Hochkonjunktur wird im Jahr 2008 zu Ende gehen. Wie aus dem Verlauf des vom Statistischen Landesamt verwendeten Konjunkturindikators hervorgeht, kann sich auch Baden-Württemberg den verschlechterten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht entziehen. Nachdem die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg im Jahr 2006 noch um 4,4 % und 2007 immerhin um 2,8 % gestiegen ist, dürfte das preisbereinigte Wirtschaftswachstum 2008 nur noch bei 2 % liegen.

Die Ursachen für die konjunkturelle Abkühlung sind zunächst im internationalen Umfeld zu suchen, die jedoch vielfältige Rückwirkungen auf die Binnenwirtschaft nach sich ziehen. Die ausländische Nachfrage nach heimischen Gütern leidet zum einen unter der sinkenden preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie infolge der Eurostärke. Des Weiteren wird die ausländische Nachfrage durch die Folgen der US-Immobilienkrise, die noch nicht ausgestanden ist, belastet. Es wird deutlich, dass die USA nach wie vor einen wichtigen Wachstumsmotor für die Weltwirtschaft darstellen. Nicht zuletzt das oft kritisierte doppelte Defizit der USA (Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizit) trugen in der Vergangenheit mit dazu bei, diesen Motor mit Treibstoff zu versorgen. Das behauptete »Über-die-Verhältnisse-leben« der USA ermöglicht überhaupt erst die Exportüberschüsse, auf die die Wachstumsstrategien einiger Schwellenländer in nicht geringem Maße angewiesen sind. Der schwache Dollar und die Zurückhaltung der US-Konsumenten tragen dazu bei, das Leistungsbilanzdefizit abzubauen – der schwache Dollar über eine Verbilligung in Dollar abzurechnender Exporte, die Konsumzurückhaltung über eine gesunkene Nachfrage nach Importgütern. Bedenklich ist, dass die gedämpfte ausländische Nachfrage auch die baden-württembergischen Investitionsgüterproduzenten getroffen hat.

Inflationsrate belastet Binnennachfrage

In den vergangenen beiden Jahren profitierte in Baden-Württemberg auch die Binnennachfrage von der überaus lebhaften Weltkonjunktur: Steigende Ertragserwartungen der Unternehmen infolge der ausgezeichneten Auftragslage führten zu Investitionen, die ihrerseits unmittelbar nachfragewirksam sind. Mit einer gewissen Zeitverzögerung wurde Beschäftigung aufgebaut, die ebenfalls steigende Nachfrage nach sich zieht. Für sich genommen würden diese beiden expansiven Impulse zu einem sich selbst tragenden Aufschwung beitragen, wenn ihnen nicht die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise bremsend entgegengewirkt hätte. Dominierender Effekt der Energieverteuerung ist zunächst der Kostenschub für die Unternehmen, der, soweit es die Konkurrenzsituation auf dem jeweiligen Teilmarkt zulässt, an die Konsumenten weitergegeben wird. Dass sich diese Preisüberwälzungen zum Teil am Markt durchsetzen lassen, ist an der Entwicklung der Verbraucherpreise abzulesen, die seitens der Europäischen Zentralbank als »besorgniserregend« bezeichnet wurde und im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat in Euroland voraussichtlich um 4 % zulegten.

Die Kombination von sich abschwächendem Wirtschaftswachstum und Inflationsraten, die das tolerable Maß überschreiten, stellt alle Akteure, deren Handeln gesamtwirtschaftliche Auswirkungen hat, vor große (auch argumentative) Herausforderungen. Während ein klares Bekenntnis zur Preisstabilität in Zeiten, in denen das Ziel erreicht ist, üblich ist, waren im Vorfeld der Leitzinserhöhung von Anfang Juli kritische Stimmen aus dem Lager der europäischen Regierungen zu vernehmen, die durchaus zurecht auf den nachfragedämpfenden Effekt dieser Maßnahme hinwiesen. Ganz frei von solchen Bedenken schien auch die EZB nicht gewesen zu sein, da der Inflationszielwert von »nahe, aber unter 2 %« bereits seit Ende letzten Jahres regelmäßig überschritten wurde, der Leitzins aber seit einem Jahr nicht erhöht wurde. Die EZB begründete ihre Entscheidung mit der von ihr bereits seit einiger Zeit betonten Gefahr von Zweitrundeneffekten. Lapidar stellt sie an die Adresse von Haushalten und Unternehmen gerichtet fest, dass es sich bei den gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreisen um eine Veränderung der relativen Preise handle, die »hingenommen« werden müsse. Die Leitzinserhöhung setzt ein Signal gegen eventuelle (und letztlich vergebliche) Bestrebungen, über Lohn- und Preissetzungen ausgleichende Umverteilungen zu erreichen – ein wichtiges Signal, da ins Ausland abgeflossene Kaufkraft durch Lohnsteigerungen nicht zurückgeholt werden kann. Da Zinserhöhungen auch über die Gütermärkte wirken ist dies tatsächlich mit dem Preis einer restriktiven Wirkung auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage verbunden. Im Grunde stellt sich stabilisierungspolitisch die Frage nach dem geringeren Übel, die in Fachkreisen unterschiedlich beantwortet wird.