:: 9/2008

Haben Ausländerinnen in Baden-Württemberg weniger Kinder als deutsche Frauen?

Die Frage: »Wie viele Kinder haben denn die Ausländer in Baden-Württemberg?« ist berechtigterweise leicht gestellt und statistisch fundiert auch zu beantworten. Aber im Hintergrund dieser Antwort spielen Regelungen zum Staatsangehörigkeitsrecht eine wichtige Rolle. Kinder mit deutsch/ausländischen Eltern besitzen rechtlich und statistisch die deutsche Staatsbürgerschaft, seit 2000 auch die in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern. Das hat seitdem zu einem starken Rückgang der Zahl geborener Kinder mit allein ausländischer Staatsangehörigkeit geführt. Aber ebenso zu dem Problem, wie nun die statistische Zuordnung von deutschen Kindern zu ausländischen Eltern gelingt, um die oben gestellte Frage zu beantworten. Die Lösung des statistischen Problems ergibt die inhaltliche Antwort: Ausländerinnen haben nach wie vor mehr Kinder als deutsche Frauen. Diese Erkenntnis hilft aber für Vorausrechnungen zur Entwicklung der ausländischen Bevölkerung nicht weiter.

Zum Ende der 90er-Jahre schien das Geburtenniveau der ausländischen Bevölkerung im Lande unter das der Deutschen abzusinken. Die durchschnittliche Kinderzahl der Ausländerinnen war 1999 mit etwa 1 350 Kindern je 1 000 Frauen leicht niedriger als die Kinderzahl deutscher Frauen (rund 1 420 Kinder).1 Als plausibler Grund dafür lag die gewachsene Integration der ausländischen Bevölkerung in die Lebensverhältnisse im Lande auf der Hand, zumal einzelne Merkmale des generativen Verhaltens der Ausländer wie beispielsweise die Verschiebung der Familiengründung auf ein höheres Alter für diese Erklärung sprachen. Mittlerweile ergeben die fortgeführten Berechnungen, dass die durchschnittliche Kinderzahl der ausländischen Bevölkerung mit 940 Kindern je 1 000 Frauen deutlich unter das Geburtenniveau der Deutschen (1 490 Kinder je 1 000 Frauen) gefallen ist.

Spätestens jetzt stellt sich die Frage, ob diese Berechnungen die Realität noch richtig widerspiegeln oder nicht. Welche Elemente der Berechnungsweise beeinflussen das Ergebnis? Lässt sich die statistische Zuordnung von Lebendgeborenen zur deutschen oder ausländischen Bevölkerung wie bisher fortführen, wenn immer mehr Geborene als Kinder deutsch/ausländischer Eltern zur Welt kommen? Welche Rolle spielt hier das seit Anfang 2000 neugeregelte Staatsangehörigkeitsrecht, das in der statistischen Zuordnung zu erheblichen Umschichtungen zwischen Geborenen deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit geführt hat?

Eine notwendige methodische Erläuterung

Die bisher durchgeführte Berechnungsweise der Geburtenhäufigkeiten für die deutsche und die ausländische Bevölkerung hat die Staatsangehörigkeit des Kindes im Blick, weil es um die Zuordnung der Geborenen zur deutschen und zur ausländischen Bevölkerung geht. Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit sind Lebendgeborene deutscher Eltern, deutsch/ausländischer Ehepaare und nicht verheirateter deutscher Mütter. Zur Berechnung der Geburtenhäufigkeiten wird dann die Zahl dieser deutschen Lebendgeborenen bezogen auf die Zahl der deutschen Frauen (im Altersbereich von 15 bis 44 oder 49 Jahren). Daraus ergibt sich die Ungenauigkeit, dass hier auch Geborene von ausländischen Müttern in die Rechnung eingehen – nämlich diejenigen mit einem deutschen Vater – und auf die Zahl deutscher Frauen bezogen werden.

Als ausländische Kinder zählen in der bisherigen Rechenweise Lebendgeborene ausländischer Eltern und nicht verheirateter ausländischer Mütter. Ihre Zahl wird rechnerisch bezogen auf die ausländischen Frauen (im Altersbereich von 15 bis 44 oder 49 Jahren). Hier entsteht die Unschärfe, dass nicht alle Lebendgeborenen ausländischer Mütter in die Rechnung eingehen – nämlich diejenigen mit einem deutschen Vater, weil sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Somit bleibt festzuhalten, dass die beiden Bezugsgruppen »Lebendgeborene« und »Frauen« nicht ganz zueinander passen, wenn man die Staatsangehörigkeit des Kindes als Auswahlkriterium anwendet.2 Diese Unschärfe lässt sich vertreten, solange die Zahl der Lebendgeborenen mit ausländischer Mutter und deutschem Vater nicht stark ins Gewicht fällt. Das trifft jedoch in jüngerer Zeit nicht mehr zu.

Immer mehr deutsche Lebendgeborene von ausländischen Müttern

Bis in die erste Hälfte der 90er-Jahre ist die Zahl der Geborenen mit ausländischer Mutter und deutschem Vater nur langsam angestiegen, ihr Anteil an allen Lebendgeborenen bewegte sich bis dahin in einer Größenordnung von 2 % bis 3 %. Erst während der zweiten Hälfte der 90er-Jahre begann ein sichtbarer Anstieg. Im Jahre 2007 waren es schon rund 7 600 Kinder, die nunmehr etwa 8% aller Geborenen ausmachten. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass die oben geschilderte Unschärfe in der Berechnung der Geburtenhäufigkeit für die deutsche und die ausländische Bevölkerung größere Bedeutung erlangt hat und heute »unplausible« Ergebnisse hervorbringt.

Des Weiteren kommt hinzu, dass mit dem im Jahre 2000 geänderten Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland neugeborene Kinder ausländischer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Dies gilt unter anderem unter der Bedingung, dass mindestens ein Elternteil seit acht Jahren seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Durch diese Regelung bekamen in Baden-Württemberg etwa 55 % der fast 113 000 Geborenen, die seit 2000 von ausländischen Ehepaaren und nicht verheirateten Ausländerinnen zur Welt gebracht wurden, die deutsche Staatsangehörigkeit. Deshalb ist der Ausländeranteil bezogen auf alle Lebendgeborenen eines Jahres heute auf rund 5 % gesunken. Vor Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts lag dieser Ausländeranteil während der 90er-Jahre zwischen 13 % und 17 %. Schaubild 1 gibt einen Überblick über die Verteilung der von 2000 bis 2007 geborenen Kinder nach der eigenen Staatsangehörigkeit und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern.

Im Jahre 2007 gab es etwa 8 000 Lebendgeborene mit deutschem Pass – knapp 9 % aller geborenen Kinder –, deren Eltern ausländische Staatsbürger waren. Da diese Kinder Deutsche sind, ergäbe sich eine durchschnittliche Kinderzahl der Deutschen von 1 580 Kindern je 1 000 Frauen, während die ausländische Bevölkerung eine durchschnittliche Kinderzahl von 380 Kindern je 1 000 Frauen hätte.

Diese Aspekte zusammen führen zu dem Schluss, dass die »herkömmliche« Berechnung der Geburtenhäufigkeiten für die deutsche und die ausländische Bevölkerung nicht mehr aussagefähig ist. Im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2007 würde jährlich bei rund 15 % der Geborenen die statistische Zuordnung nach der Staatsangehörigkeit von Müttern und Kindern nicht übereinstimmen. Aus dieser Erkenntnis heraus lässt sich auch nicht mehr mit der Einfachheit früherer Jahre eine Geburtenhäufigkeit für die »deutsche Bevölkerung« und die »ausländische Bevölkerung« bestimmen. Vielmehr können heute trennscharf nur die Geburtenhäufigkeiten und die durchschnittliche Kinderzahl für deutsche Frauen und ausländische Frauen ermittelt werden – ohne Berücksichtigung der Staatsangehörigkeit der Geborenen und der Väter.

Durchschnittliche Kinderzahlen deutscher und ausländischer Frauen

Die Antwort auf die Frage, ob ausländische Frauen weniger Kinder haben als deutsche, lautet »Nein«. Im Jahre 2007 lag die durchschnittliche Kinderzahl deutscher Frauen in Baden-Württemberg bei rund 1 330 Lebendgeborenen je 1 000 Frauen, Ausländerinnen brachten im Durchschnitt etwa 1 600 Kinder je 1 000 Frauen zur Welt. Daran gemessen ist das Geburtenniveau der Ausländerinnen im Lande heute um rund ein Viertel höher als das deutscher Frauen. Im Zeitverlauf ist zugleich eine allmähliche, seit Anfang der 90er-Jahren nahezu kontinuierliche Annäherung der Kinderzahl ausländischer Frauen an die der deutschen unverkennbar. Zu Beginn der 90er-Jahre bekamen Ausländerinnen mit rund 2 100 Kindern je 1 000 Frauen noch um die Hälfte mehr Kinder als Deutsche – der Abstand hat sich also bis heute in etwa halbiert.

Die langfristige Annäherungstendenz beruht statistisch gesehen im Wesentlichen darauf, dass die durchschnittliche Kinderzahl der Ausländerinnen seit 1980 um rund ein Drittel abgenommen hat, während die der deutschen Frauen mit einem Minus von 5 % seitdem nur wenig gesunken ist. Damit befindet sich die durchschnittliche Kinderzahl deutscher Frauen seit mindestens einem Vierteljahrhundert auf einem konstant niedrigen Niveau von etwa 1 300 bis 1 400 Kindern je 1 000 Frauen. Für die im Lande lebenden Ausländerinnen ergibt sich heute ihr bislang niedrigstes Geburtenniveau. Der zwischenzeitlich starke Rückgang der Geburtenhäufigkeit bei den ausländischen Frauen in der ersten Hälfte der 80er-Jahre – von fast 2 500 Kindern je 1 000 Ausländerinnen auf rund 1 700 – dürfte mit der seinerzeit besonders für Ausländer schwierigen Arbeitsmarktlage und den damit verbundenen Existenzunsicherheiten zusammenhängen. Der nachfolgende Anstieg könnte dadurch mit bedingt sein, dass nach der Einführung des Bundeserziehungsgeldes im Jahre 1986 in Baden-Württemberg lebende Ausländerinnen ihre Kinder nicht mehr im Heimatland, sondern hierzulande zur Welt gebracht haben, weil nur dann Anspruch auf Erziehungsgeld bestand.3 Insgesamt gesehen weist die seit Beginn der 90er-Jahre wieder rückläufige Entwicklungstendenz jedoch deutlich darauf hin, dass sich Anpassungsprozesse an das generative Verhalten der deutschen Bevölkerung vollziehen.

Frühe Mutterschaft bei Ausländerinnen immer weniger verbreitet

Die Abnahme der durchschnittlichen Kinderzahl ausländischer Frauen resultiert vor allem aus dem Rückgang der Geburtenhäufigkeit bei den unter 25-Jährigen. In diesem Altersbereich liegen die Geburtenziffern heute um gut zwei Drittel niedriger als 1980. Besonders stark gesunken sind dabei die Mutterschaften im Teenageralter. Demgegenüber haben sich die Geburtenhäufigkeiten bei den über 30-jährigen Ausländerinnen im Zeitablauf kaum verändert. Somit zeigt der heutige Altersverlauf der Geburtenhäufigkeiten, dass nunmehr auch ausländische Frauen im Durchschnitt deutlich später beginnen, eine Familie zu gründen. Dies konkretisiert sich zudem darin, dass das durchschnittliche Alter der Frauen bei der Geburt eines ersten Kindes spürbar angestiegen ist. Mitte der 80er-Jahre waren verheiratete Ausländerinnen durchschnittlich knapp 24 Jahre alt, als sie ihr erstes Kind zur Welt gebracht haben. Bis zum Jahr 2007 hat sich dieses Alter auf 28,8 Jahre erhöht.

Der damals frühe Beginn der Familienbildung hat dazu geführt, dass ein relativ großer Teil der Ausländerinnen im weiteren Alter nach einem zweiten auch ein drittes oder weiteres Kind zur Welt gebracht hat. Vor rund 20 Jahren war rund ein Drittel der von verheirateten Ausländerinnen geborenen Kinder ein drittes oder weiteres Kind. Heute liegt dieser Anteil bei rund einem Fünftel. Die insgesamt gesunkene Kinderzahl ausländischer Frauen und die nahezu gleich gebliebenen Geburtenhäufigkeiten der über 30-Jährigen lassen vermuten, dass die spätere Familiengründung zumindest gegenwärtig dazu führt, dass Ausländerinnen mehr als früher auf ein drittes oder weiteres Kind verzichten.

Bei deutschen Frauen spätere Mutterschaft immer stärker verbreitet

Im Unterschied zu den Ausländerinnen haben deutsche Frauen ihre gesamte Familienphase in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten nachhaltig auf ein höheres Alter verschoben: Im Vergleich zu 1980 finden sich heute deutlich niedrigere Geburtenhäufigkeiten bei den unter 30-Jährigen und sichtlich gestiegene Geburtenhäufigkeiten bei den über 30-Jährigen, sodass die Altersverteilung der Geburtenhäufigkeiten komplett nach rechts – auf ein höheres Alter – verschoben ist. Damit liegt die durchschnittliche Zahl der Kinder, die von 30-jährigen und älteren deutschen Frauen geboren werden, gegenwärtig um etwa drei Viertel höher als 1980, während diese Zahl bei den gleichaltrigen Ausländerinnen nahezu konstant geblieben ist.

Aufgrund dieser Verschiebungen sind die früher feststellbaren unterschiedlichen Präferenzen von Deutschen und Ausländerinnen bezüglich ihres Alters bei der Geburt eines Kindes nur noch zum Teil in gleicher Weise bestehen geblieben. So bringen ausländische Frauen bis zum 25. Lebensjahr nach wie vor etwa doppelt so viele Kinder zur Welt wie gleichaltrige Deutsche. Jedoch hat sich die Präferenz für eine frühe Mutterschaft auch bei ihnen deutlich verringert. Auf der anderen Seite war 2007 die Geburtenhäufigkeit bei den 30-jährigen und älteren deutschen Frauen um rund 10 % höher als bei den Ausländerinnen in diesem Alter, während sie 1980 noch um gut ein Drittel unterhalb der der ausländischen Frauen lag.

Neue Erkenntnisse und zugleich neue Informationslücken

Mit diesen Ergebnissen lassen sich Aussagen zum generativen Verhalten deutscher und ausländischer Frauen treffen – ohne zu wissen, welche Staatsangehörigkeit der jeweilige männliche Partner und das geborene Kind besitzen. Zwar liegen diese Differenzierungen in den Grunddaten der Geburtenstatistik als Absolutzahlen vor. Jedoch fehlen entsprechend gegliederte Angaben in den Bezugsdaten zur Bevölkerungsstruktur, um beispielsweise Geburtenhäufigkeiten für deutsch/ausländische (Ehe-)Paare zu berechnen oder für ausländische Ehepaare, deren Kinder durch Geburt im Inland einen deutschen Pass erhalten. Zugleich ist es aufgrund des Staatsangehörigkeitsrechts nicht möglich, trennscharfe Geburtenhäufigkeiten für die deutsche und die ausländische Bevölkerung in ihrer Gesamtheit zu erstellen.

Dies hat Folgen für Analysen zum demografischen Wandel auf der Basis von Bevölkerungsvorausrechnungen. Für manchen Nutzer der letzten beiden Landesvorausrechnungen stellte sich die Frage, warum keine nach Deutschen und Ausländern getrennten Ergebnisse vorgelegt wurden. Die Antwort liegt darin, dass – abgesehen von der schwierigen Einschätzung der Sterblichkeit von Ausländern – seit Mitte der 90er-Jahre, spätestens seit 2000 keine adäquaten Grunddaten zum Geburtenverhalten der ausländischen Bevölkerung zur Verfügung stehen. Das gilt in noch stärkerem Maße für die weiter gefasste und heute im Vordergrund stehende Frage, mit welchen Entwicklungen in Zukunft für die Bevölkerung mit Migrationshintergrund gerechnet werden kann. Hier müssen andere Vorausrechnungsansätze gefunden werden, als die der herkömmlichen Bevölkerungsvorausrechnungen.

1 Die durchschnittliche Kinderzahl errechnet sich mit Daten der Geburten- und Bevölkerungsstatistik als Summe der altersspezifischen Geburtenziffern. Diese geben an, wie viele Kinder von jeweils 1 000 Frauen in den einzelnen Altersjahren von 15 bis 44 Jahren in einem Berichtsjahr zur Welt gebracht wurden. Die Summe dieser Ziffern ergibt die Zahl der von 1 000 Frauen während der gesamten Geburtenphase von 15 bis 44 Jahren geborenen Kinder. Sie wird als Indikator für das aktuelle Geburtenverhalten verwendet.

2 Auf diese grundsätzliche Problematik wurde bereits 1983 aufmerksam gemacht, obwohl die Zahlenverhältnisse seinerzeit noch längst nicht zu so verzerrten Ergebnissen führten wie heute. Vergleiche Proebsting, Helmut: Eheschließungen, Ehescheidungen, Geburten und Sterbefälle von Ausländern 1981, in: Wirtschaft und Statistik, 2/1983, S. 79 – 85.

3 Vergleich Schwarz, Karl: Bevölkerungspolitische Wirkungen familienpolitischer Maßnahmen, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, Heft 2/1992, S. 192 – 208.