:: 10/2009

»Einer für alle, alle für einen« Bausparen gegen die Krise

Die deutsche Wirtschaft befindet sich 2009 in der tiefsten Rezession seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. In diesen Krisenzeiten sind die Anleger konservativer geworden. Sie scheuen riskante Investments und suchen Anlagen mit geringem Risiko. Davon profitiert derzeit offensichtlich vor allem das Bausparen. Die 25 deutschen Bausparkassen haben im vergangenen Jahr Verträge im Wert von knapp 100 Mrd. Euro verkauft, darunter gut 17 Mrd. Euro in Baden-Württemberg, und damit ihr zweitbestes Ergebnis überhaupt geschafft.

Die Geschichte des Bausparens in Deutschland

In Deutschland hat das Bausparen eine lange Tradition. Seine Geschichte begann schon im 19. Jahrhundert. 1885 wurde durch Pastor von Bodelschwingh in Bielefeld die erste deutsche Bausparkasse, die Bausparkasse für Jedermann, gegründet. Endgültig durchgesetzt hat sich das Bausparprogramm in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Für den Wiederaufbau der zerstörten Häuser wurden zinsgünstige finanzielle Mittel benötigt. 1924 wurde die erste deutsche Bausparkasse, die Bausparkasse Wüstenrot, ins Leben gerufen. Bereits 4 Jahre später folgte die Gründung der heutigen BHW Bausparkasse AG.

Wie das System funktioniert

Alexander Dumas könnte der »Erfinder« des Bausparens sein. Berühmt ist sein Motto: »Einer für alle, alle für einen«. Treffender kann der Gedanke des Bausparens nicht beschrieben werden. Viele Bausparer zahlen in einen Topf. Nach und nach darf sich jeder zu vergleichsweise günstigen Konditionen Kapital daraus borgen. Wer wann an der Reihe ist, hängt unter anderem davon ab, wie viel man bereits angespart hat und wie viel im Topf ist.

Ein Bausparvertrag besteht grundsätzlich aus 4 Phasen:

  • Der AbschlussIn der Abschlussphase entscheidet sich der Kunde für eine Bausparsumme und einen Bauspartarif. Entscheidend dafür ist, welche monatliche Sparrate der Sparer aufbringen kann, welche Flexibilität er benötigt und wann er das Geld voraussichtlich braucht. Von zentraler Bedeutung ist, dass beim Abschluss die Guthabenverzinsung für die gesamte Laufzeit festgelegt wird, und bei fast allen Kassen auch die Kreditverzinsung, die bei der Rückzahlung des Bauspardarlehens fällig wird. Das gibt Zinssicherheit auf Jahrzehnte im Voraus.
  • Das AnsparenIn der Ansparphase zahlen Bausparer regelmäßig in ihren Sparplan ein, dabei werden die Sparbeiträge verzinst. Je nach Tarif müssen in der Regel 40 bis 50 % der Bausparsumme angespart werden. Bei einem Vertrag beispielsweise über 50 000 Euro muss der Bausparer also 20 000 bis 25 000 Euro selber aufbringen.
  • Die ZuteilungIn der Zuteilungsphase warten Bausparer auf die Auszahlung des Bauspardarlehens, denn es dürfen nicht mehr Darlehen ausgezahlt werden, als Geld im Guthabentopf ist. Wenn Bausparer das Mindestguthaben erreicht und weitere tarifbezogene Kriterien wie die Bewertungszahl erfüllt haben, wird der Vertrag zugeteilt. Bei einem 40%-Vertrag und 20 000 Euro Ansparsumme erhält der Bausparer 50 000 Euro, davon 30 000 Euro als Darlehen.
  • Das DarlehenIn der Darlehensphase wird das Bauspardarlehen wie ein Hypothekendarlehen einer Bank getilgt. Die Rate setzt sich aus dem bei Vertragsabschluss festgelegten Zins und der Tilgung zusammen. Dabei ist die Belastung deutlich höher als bei einem Bankkredit, denn Bauspardarlehen müssen deutlich schneller als klassische Hypothekendarlehen getilgt werden.

Bausparkassen garantieren Sicherheit

Ein großer Vorteil des Bausparens gerade in der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise ist, dass Bausparer ruhig schlafen können. Sie müssen keine Angst um ihre Einlagen haben, denn das Bausparen kennt die Schwächen anderer Systeme nicht. Den Kassen ist es gesetzlich verboten mit riskanten Papieren zu spekulieren. Es gibt keine Kredite über 100 %, keine kurzfristigen Kredite, sondern nur die langfristige Finanzierung von Darlehen. Darüber hinaus gibt es so gut wie keine Ausfälle, denn im Gegensatz zu Banken in den USA, die teilweise Bauvorhaben ohne vorhandenes Eigenkapital finanziert haben, steht dieses bei den Bausparkassen im Mittelpunkt. Die Refinanzierungsstruktur des Finanzmarktes ist letztlich für die Bausparkassen ohne Bedeutung, weil ihr System geschlossen ist. Die Kredite werden zu 100 % aus den Einlagen gezahlt.

2008 gab es in Deutschland 25 Bausparkassen, 4 davon mit Sitz in Baden-Württemberg:

  • Bausparkasse Schwäbisch Hall AG
  • Wüstenrot Bausparkasse AG
  • Deutsche Bausparkasse Badenia AG, Karlsruhe
  • Landesbausparkasse Baden-Württemberg, Stuttgart/Karlsruhe

Die Bausparkasse Schwäbisch Hall ist dabei das größte Bausparunternehmen Deutschlands. Mit Bauspareinlagen von knapp 31 Mrd. Euro hatte die Schwäbisch Hall AG in 2008 einen Marktanteil in Deutschland von ca. 25 %.1

Das Neugeschäft

Die Bausparer im Lande haben 2008 das Neugeschäft kräftig angekurbelt. Es wurden knapp 540 000 neue Bausparverträge abgeschlossen, fast 20 % mehr als im Vorjahr. Dabei wurde eine Bausparsumme von gut 17 Mrd. Euro vereinbart. Dies ist nach 2003 das zweithöchste Ergebnis, das jemals erzielt wurde. Dieses gute Ergebnis kam vermutlich nicht nur wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise zustande, sondern auch Dank der Politik. Denn mit Ende des Jahres 2008 ist die Wohnungsbauförderung in alter Form ausgelaufen. Neue Bausparer bekommen die staatlichen Zulagen nur noch, wenn sie das Geld auch zum Bauen oder Modernisieren benützen. Lediglich für unter 25-Jährige bleibt alles beim Alten: Sie können Bausparguthaben plus staatliche Zuschüsse nach Belieben verwenden. Viele Bausparer haben deswegen noch 2008 einen Bausparvertrag abgeschlossen, um sich die Wohnungsbauprämie ohne Einschränkungen zu sichern. Darüber hinaus hat die neue Wohn-Riester-Förderung, die wie die Riesterrente eine Form der Altersvorsorge ist, das Neugeschäft belebt.

In allen 16 Bundesländern wurden 2008 mehr Bausparverträge abgeschlossen als im Vorjahr. Dabei kam es in den beiden südlichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg mit 51 bzw. 50 Verträgen je 1 000 Einwohner zu den meisten Neuabschlüssen. Dahinter folgten Niedersachsen mit 47 und Sachsen mit 46 Neuabschlüssen je 1 000 Einwohner. Die mit Abstand wenigsten Verträge (19 Neuverträge auf 1 000 Einwohner) kamen 2008 in Berlin zustande.

Auch bei der für einen neuen Vertrag im Durchschnitt vereinbarten Bausparsumme ist Baden-Württemberg im Bundesländerranking führend. So lag 2008 der Südwesten, wie in den Jahren zuvor, mit einer Bausparsumme von gut 32 500 Euro an der Spitze der Bundesländer, gefolgt von Hamburg (31 900) und Bayern (30 700). Demgegenüber war von Sparern in Sachsen mit knapp 20 000 Euro Bausparsumme je Vertrag die niedrigste Summe vereinbart worden.

Auszahlungen

Im Jahr 2008 haben die privaten und öffentlichen Bausparkassen Deutschlands Baugelder in Höhe von fast 41 Mrd. Euro ausgezahlt, die ganz überwiegend in den Bau, Kauf und die Modernisierung von Wohneigentum fließen. Dies bedeutet ein Plus von fast 17 % gegenüber dem Vorjahr. Während die öffentlichen Bausparkassen ihre Auszahlungen um 11 % steigern konnten, vermeldeten die privaten Bausparkassen ein Plus von knapp 19 %. Das entspricht einer Summe von fast 31 Mrd. Euro, womit eine neue Höchstmarke erzielt wurde. Dies ist nach Meinung des Verbands der Privaten Bausparkassen unter anderem auf die Attraktivität der neuen zinsgünstigen Finanzierungstarife zurückzuführen, mit der die privaten Bausparkassen auf die seit Jahren niedrigen Hypothekenzinsen der Banken reagiert haben.

In Baden-Württemberg haben die privaten und öffentlichen Bausparkassen 2008 knapp 7 Mrd. Euro an Baugeldern ausgezahlt. Das entspricht einem Plus von fast 19 % gegenüber dem Vorjahr und im Bundesländervergleich einen Platz im oberen Drittel.

Bestände

Knapp 45 % aller Baden-Württemberger besitzen einen Bausparvertrag mit einer Bauspar- bzw. Vertragssumme von insgesamt über 130 Mrd. Euro. Damit wurde im Südwesten 2008 die höchste Bauspardichte unter den Bundesländern vor Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz registriert. Dagegen scheint der Bausparvertrag in Berlin nicht so beliebt zu sein, denn hier besaß nur jeder Sechste einen Vertrag. Ende 2008 hatten baden-württembergische Bausparer Einlagen von über 21 Mrd. Euro auf ihren Konten angesammelt. Das sind im Durchschnitt knapp 2 000 Euro je Einwohner, über 500 Euro mehr als in Deutschland.

Das Bedürfnis der Bevölkerung nach sicheren Anlageformen stimmt die deutschen Bausparkassen auch für das Krisenjahr 2009 einigermaßen zuversichtlich. Die große Unsicherheit über die künftige Zinsentwicklung könnte dem Bausparen mit seiner kapitalmarktunabhängigen Zinsgarantie weiter zugute kommen. Die Vorsorgeform Bausparen ist deswegen für viele ein sicherer Hafen geworden, der weiterhin gerne angesteuert wird. Auch vom wachsenden Modernisierungsmarkt – wie zum Beispiel Gebäudesanierungen zur Energieeinsparung – erwartet sich die Branche wie schon in der Vergangenheit positive Effekte. Und auch der bundesweite Anstieg der Neuzusagen von Baugeldern bei den privaten Bausparkassen um ca. 15 % im Jahr 2008 – ein vorläufiger Indikator für die späteren tatsächlichen Baugeldauszahlungen – lassen für 2009 einen anhaltenden Anstieg der Finanzierungsleistungen erwarten.