:: 3/2010

Entwicklung von Kinderzahlen und Kinderlosigkeit in Baden-Württemberg

Der demografische Wandel, die Alterung der Gesellschaft und die daraus resultierenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft werden seit Jahren intensiv diskutiert. Eine wesentliche Ursache für die demografische Alterung ist in den rückläufigen Geburtenzahlen zu sehen. Für die in Baden-Württemberg lebenden Frauen insgesamt beträgt die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau 1,37. Diese Daten aus der Geburtenstatistik beinhalten jedoch keine Informationen zum sozioökonomischen Hintergrund, die weitergehende Analysen zu den Ursachen des Geburtenrückgangs ermöglichen würden. Auch Daten zur Kinderlosigkeit, die ein wichtiger Teilaspekt bei den rückläufigen Geburtenzahlen ist, wurden im Rahmen der amtlichen Statistik bislang nicht erhoben.

Anhand der Ergebnisse aus der Mikrozensuserhebung – der größten amtlichen Haushaltsbefragung bei 1 % der Bevölkerung in Deutschland – kann nun seit 2008 der Umfang und die Entwicklung der Kinderlosigkeit sowie die Kinderzahl je Mutter in Baden-Württemberg und in Deutschland im sozioökonomischen Kontext bereitgestellt werden. Wie die Ergebnisse zeigen, bekommen Frauen in Baden-Württemberg immer weniger Kinder und diese überwiegend nach dem 30. Lebensjahr. Ferner zeigt der Generationenvergleich, dass immer mehr Frauen dauerhaft kinderlos geblieben sind. In Baden-Württemberg waren im Jahr 2008 knapp 13 % der Frauen im Alter zwischen 50 und 75 Jahren dauerhaft kinderlos und gut 87 % sind Mütter von einem Kind oder von mehreren Kindern.

Der Bildungsstand der Frauen spielt offensichtlich eine große Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eigene Kinder. Ein Fünftel der Frauen mit einem hohen Bildungsstand im Alter von 50 bis 75 Jahren hat keine Kinder bekommen. Diese neuen Daten sind eine wichtige Grundlage für familienpolitische Diskussionen und Entscheidungen.

Einflüsse auf die Geburtenentwicklung

Verschiedene Aspekte beeinflussen die Geburtenentwicklung. So hängt die Gesamtzahl der geborenen Kinder zum einen von der Anzahl der Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 15 und 49 Jahren ab. Zum anderen kommt es auf das »generative Verhalten« an, das heißt auf die Entscheidung von Paaren, ob und wie viele Kinder sie sich wünschen und zu welchem Zeitpunkt der Kinderwunsch realisiert wird. Diese Entscheidungen wiederum werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst.

Mit dem Indikator »durchschnittliche Kinderzahl je Frau« kann die Geburtenentwicklung zusammenfassend beschrieben werden. Auf diesen Indikator wiederum wirken sich die Kinderzahl je Mutter und der Umfang der Kinderlosigkeit, das heißt der Anteil der Frauen ohne Kinder an allen Frauen, aus. Anhand der neuen Ergebnisse aus der Mikrozensuserhebung 2008 – der größten amtlichen Haushaltsbefragung bei 1 % der Bevölkerung in Deutschland – kann nun der Umfang und die Entwicklung der Kinderlosigkeit sowie die Kinderzahl je Mutter in Baden-Württemberg und in Deutschland näher beleuchtet werden. Im Mikrozensus wurden 2008 erstmals Frauen im Alter von 15 bis 75 Jahren auf freiwilliger Basis befragt, ob sie Kinder geboren haben und wenn ja, wie viele. Diese Fragen werden zukünftig im 4-jährlichen Rhythmus im Mikrozensus gestellt.

Vergleicht man einzelne Geburtsjahrgänge – sogenannte Kohorten – miteinander, lassen sich Unterschiede bezüglich der durchschnittlichen Kinderzahl je Frau, der durchschnittlichen Anzahl der Kinder je Mutter und zum Ausmaß der Kinderlosigkeit feststellen.

Generationenvergleich: Mütter bekommen immer weniger Kinder …

Für die in Baden-Württemberg lebenden Frauen im Alter von 15 bis 75 Jahren beträgt die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau 1,37. Allerdings haben die 75-jährigen Frauen durchschnittlich in ihrem Leben noch rund 2,4 Kinder zur Welt gebracht, während dieser Wert bei den heute 50-jährigen Frauen schon nur noch bei rund 1,8 Kinder pro Frau lag.

Bei der Betrachtung verschiedener Alterskohorten zeigen sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der Frage, wie viele Kinder eine Mutter zur Welt gebracht hat. Die heute 50- bis 54-jährigen Mütter haben insgesamt weniger Kinder pro Mutter bekommen als die Generation der heute 70- bis 75-Jährigen. In der Generation der 70- bis 75-Jährigen hatte noch fast ein Fünftel (18 %) der Mütter 4 oder mehr Kinder. Bei den 20 Jahre jüngeren Müttern lag dieser Anteil mit nur noch 7 % nicht einmal halb so hoch. Auch der Anteil der Mütter mit 3 Kindern hat im Vergleich dieser beiden Generationen von 24 auf 20 % abgenommen. Die Verschiebung fand zugunsten der heute klassischen 2-Kinder-Familie statt. Knapp die Hälfte (49 %) der 50- bis 54-jährigen Mütter hat 2 Kinder und knapp ein Viertel nur ein Kind bekommen. Bei den 70- bis 75-jährigen Müttern lagen diese Anteile dagegen bei 38 % bzw. 21 %.

… und der Umfang der Kinderlosigkeit wächst

Wie die Ergebnisse des Mikrozensus weiter zeigen, ist nicht nur die Zahl der Kinder, die eine Frau geboren hat, im Generationenvergleich gesunken, sondern es gibt auch immer mehr Frauen, die dauerhaft kinderlos bleiben. Von allen Frauen im Alter von 16 bis 75 Jahren hat heute jede 3. Frau (noch) keine Kinder. Da gerade die ganz jungen Frauen noch nicht in die »Familienphase« eingetreten sind und sich die Frauen im Alter bis zu 49 Jahren noch im gebärfähigen Alter befinden, ist auch hier nur die Betrachtung der über 50-jährigen Frauen sinnvoll.

In Baden-Württemberg waren im Jahr 2008 knapp 13 % der Frauen im Alter zwischen 50 und 75 Jahre dauerhaft kinderlos und gut 87 % sind Mütter von einem Kind oder von mehreren Kindern. Allerdings kann auch hier ein Unterschied bei der Betrachtung der beiden Frauen-Generationen ausgemacht werden. Während von den heute 70- bis 75-jährigen Frauen nur knapp 12 % keine Kinder bekommen haben, waren es bei den 50- bis 54-Jährigen schon gut 15 %.

Kinderlosigkeit im Osten Deutschlands niedriger als im Westen

Das Ausmaß der Kinderlosigkeit unterscheidet sich in den Bundesländern deutlich. In den neuen Bundesländern liegt der Anteil dauerhaft kinderloser Frauen an allen Frauen im Alter von 50 bis 75 Jahren bei 7 % (Ausnahme Sachsen 8 %). In den westlichen Flächenländern ist dieser Anteil dagegen ungefähr doppelt so hoch und bewegt sich zwischen 12 % in Rheinland-Pfalz und im Saarland, 13 % in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und liegt in Schleswig-Holstein und Bayern bei 14 % sowie in Nordrhein-Westfalen bei 15 %. In den Stadtstaaten hat rund ein Fünftel der Frauen dieser Altersgruppe keine Kinder bekommen. In Hamburg ist der Anteil kinderloser Frauen mit 21 % am höchsten, gefolgt von Berlin (19 %) und Bremen (17 %).

Auch in der Altersgruppe der 35- bis 49-jährigen Frauen ist der Anteil der Frauen, die noch keine Kinder bekommen haben, in den westlichen Bundesländern doppelt so hoch wie in östlichen Bundesländern. In dieser Altersgruppe sind gut ein Fünftel der Frauen in den alten Flächenländern (Baden-Württemberg 21 %), aber nur 10 bis 11 % der Frauen aus den neuen Bundesländern noch kinderlos. In Baden-Württemberg hat ein gutes Viertel der 35- bis 39-Jährigen und ein Fünftel der 40- bis 44-Jährigen noch keine Kinder bekommen. Von den 45- bis 49-jährigen Frauen in Baden-Württemberg sind 17 % kinderlos.

Bei den jüngeren Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren liegt das Niveau der Kinderlosigkeit erwartungsgemäß deutlich über dem höherer Altersgruppen. Diese Frauen haben aus verschiedenen Gründen häufig noch keine Kinder geboren, da zum Beispiel die Ausbildungsphase noch nicht abgeschlossen ist, man sich erst in seinem Beruf etablieren will oder möglicherweise noch nicht der richtige Partner für die Gründung einer Familie gefunden wurde. Aber auch in dieser Altersgruppe zeigen sich Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern und den Stadtstaaten. In den Stadtstaaten sind von den jungen Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren rund zwei Drittel und in den westlichen Flächenländern über die Hälfte noch kinderlos, während in den östlichen Flächenländern (Ausnahme Sachsen 48 %) mehr als die Hälfte der Frauen dieser Altersgruppe bereits Kinder bekommen hat1.

Die baden-württembergischen Frauen bekommen ihre Kinder überwiegend nach dem 30. Lebensjahr. Lediglich 4 % der jungen Frauen unter 25 Jahren sind bereits Mutter. Von den 25- bis 29-Jährigen sind noch 72 % kinderlos und von den 30- bis 34-jährigen Frauen 44 %.

Für alle Altersgruppen in Baden-Württemberg gilt, dass die urbanen Gemeinden (siehe i-Punkt) jeweils mit deutlichem Abstand den höchsten Anteil an kinderlosen Frauen aufweisen. In ländlichen Gemeinden mit einem niedrigen Urbanisierungsgrad ist der Anteil der Frauen ohne Kinder dagegen am niedrigsten. Bei den jüngeren Frauen fällt dieser Unterschied mit 9 Prozentpunkten am deutlichsten ins Auge. Diese Tendenzen sind in ähnlicher Weise sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern sichtbar.

Je höher der Bildungsstand, desto häufiger sind Frauen kinderlos

Der Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Kinderlosigkeit bzw. Kinderzahl wird in Politik und Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Die Ergebnisse des Mikrozensus zeigen, dass der Bildungsstand einen maßgeblichen Einfluss darauf hat, ob Frauen Mutter werden oder nicht. Dabei wird erkennbar, dass mit steigendem Bildungsniveau auch die Kinderlosigkeit ansteigt. Von den Frauen im Alter von 50 bis 75 Jahren, die über einen niedrigen Bildungsstand verfügten, blieben in Baden-Württemberg rund 9 % kinderlos. Dieser Anteil lag bei den Frauen mit mittlerer Bildung schon bei 14 % und bei Frauen mit hohem Bildungsniveau sogar bei 20 %. Von den Akademikerinnen im Alter von 50 bis 75 Jahren sind immerhin rund 22 % kinderlos geblieben.

Auch beim Zusammenhang zwischen Bildung und Kinderlosigkeit zeigen sich Unterschiede zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern (jeweils ohne Berlin): Für die westlichen Bundesländer gilt – ebenso wie für Baden-Württemberg: je höher der Bildungsabschluss, desto seltener hat eine Frau Kinder geboren. Betrachtet man Frauen ab 50 Jahren, die ihre Familienplanung größtenteils abgeschlossen haben, hatten 23 % der Frauen mit hoher Bildung keine Kinder. Dieser Anteil ist deutlich höher als bei Frauen mit mittlerer Bildung (14 %) und mehr als doppelt so hoch wie bei Frauen mit niedriger Bildung (9 %). Im Gegensatz dazu entscheiden sich ostdeutsche Frauen mit hoher Bildung häufiger für Nachwuchs. Nur 9 % der ostdeutschen Frauen mit hohem Bildungsstand hatten keine Kinder. Von den Frauen mit mittlerer Bildung waren 7 % kinderlos und von den Frauen mit niedriger Bildung 10 %. Der für den Westen Deutschlands gültige Zusammenhang, dass die Kinderlosigkeit mit dem Bildungsniveau zunimmt, trifft für Ostdeutschland somit nicht zu.2

Migrantinnen seltener kinderlos

Aufgrund seiner Migrationsgeschichte hat Baden-Württemberg heute den höchsten Bevölkerungsanteil an Migrantinnen und Migranten unter den Flächenländern Deutschlands. Daraus ergibt sich als wichtige Frage, inwieweit sich die Kinderzahlen von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Während von den Baden-Württembergerinnen im Alter von 55 bis 75 Jahren insgesamt 12 % keine Kinder bekommen haben, sind von den Frauen mit Migrationshintergrund3 lediglich knapp 9 % kinderlos. In dieser Altersgruppe haben die Migrantinnen, die Mütter sind, außerdem im Durchschnitt mehr Kinder als die Baden-Württembergerinnen insgesamt. So haben rund 12 % der Baden-Württembergerinnen, aber gut 16 % der Migrantinnen 4 und mehr Kinder.

1 Statistisches Bundesamt (Hg.): Mikrozensus 2008. Neue Daten zur Kinderlosigkeit in Deutschland. Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 29. Juli 2009 in Berlin.

2 Statistisches Bundesamt (Hg.): Mikrozensus 2008. Neue Daten zur Kinderlosigkeit in Deutschland. Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 29. Juli 2009 in Berlin.

3 Zu den Personen mit Migrationshintergrund zählen alle Ausländer sowie Deutsche mit Migrationshintergrund (unter anderem Eingebürgerte, Spätaussiedler sowie die Kinder dieser Gruppen). Siehe Statistik Aktuell »Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg«, Ausgabe 2009.