:: 10/2010

Wirtschaftsleistung und Wirtschaftsstruktur in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs 2008

Die Wirtschaftsstrukturen der Stadt- und Landkreise im Südwesten unterscheiden sich zum Teil sehr deutlich. Während beispielsweise in den Universitätsstädten Freiburg, Karlsruhe und Heidelberg über drei Viertel der Wertschöpfung im Jahr 2008 in den Dienstleistungsbranchen entstanden, dominierte im Landkreis Tuttlingen das Verarbeitende Gewerbe. Auch hinsichtlich der regionalen Verteilung der Wirtschaftsleistung bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Stadt- und Landkreisen. So entfielen allein auf die sechs Kreise der Region Stuttgart zusammen fast 28 % der gesamten Wirtschaftsleistung Baden-Württembergs.

Über 9 % der Wirtschaftsleistung Baden-Württembergs entstanden in der Landeshauptstadt

Die Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs erzielten im Jahr 20081, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) (siehe i-Punkt), eine Wirtschaftsleistung von gut 365 Mrd. Euro. Dabei entfielen gut 73 % auf die 35 Landkreise und knapp 27 % auf die neun Stadtkreise. Allein im Stadtkreis Stuttgart wurden mit gut 34 Mrd. Euro über 9 % der Wirtschaftsleistung Baden-Württembergs erwirtschaftet. In der Region Stuttgart, die neben der Landeshauptstadt die Landkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und den Rems-Murr-Kreis umfasst, entstanden knapp 28 % der Wirtschaftsleistung des Landes, soviel wie in keiner anderen Region Baden-Württembergs. Hier leben allerdings nicht nur knapp 25 % aller Baden-Württemberger, über 26 % der Erwerbstätigen im Südwesten haben ihren Arbeitsplatz in der Region Stuttgart und erbringen somit die Wertschöpfung unmittelbar in der Region.

Höchste Industriequote im Landkreis Tuttlingen

Während sich das Bruttoinlandsprodukt auf die Gesamtwirtschaft bezieht, lässt sich mittels der Bruttowertschöpfung (BWS) die Wirtschaftsleistung für die einzelnen Branchen darstellen. Insofern können auch Aussagen über die Wirtschaftsstruktur einer Region getroffen werden.

Die in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs erbrachte Bruttowertschöpfung erreichte im Jahr 2008 insgesamt knapp 328 Mrd. Euro. Im Durchschnitt entfielen dabei gut 60 % der gesamtwirtschaftlichen Leistung auf den Dienstleistungssektor und knapp 40 % auf das Produzierende Gewerbe und die Land- und Forstwirtschaft, Fischerei. Die Industriequote, das heißt der Wertschöpfungsanteil des Verarbeitenden Gewerbes, betrug landesweit knapp 33 %.

In den einzelnen Stadt- und Landkreisen ist die Wirtschaftsstruktur teilweise jedoch sehr unter-schiedlich ausgeprägt. So entstand im Landkreis Tuttlingen über die Hälfte der gesamten Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe, womit dieser Kreis die höchste Industriequote im Südwesten verzeichnen konnte. Auch in den Landkreisen Biberach, Rastatt, Böblingen und im Bodenseekreis entfielen mehr als 45 % der Wertschöpfung auf diesen Wirtschaftsbereich. Gleichzeitig sind diese Landkreise in besonderem Maße geprägt durch forschungs- und entwicklungsintensive Industriebranchen. Als sogenannte FuE-intensive Industriebranchen werden diejenigen Wirtschaftsbereiche des Verarbeitenden Gewerbes bezeichnet, deren Ausgaben für Forschung und Entwicklung 2,5 % des Umsatzes übersteigen (zum Beispiel Maschinenbau, Fahrzeugbau, Rundfunk- und Nachrichtentechnik). Im Jahr 2008 trugen die forschungs- und entwicklungsintensiven Industriebranchen im Durchschnitt rund 22 % zur gesamten Wirtschaftleistung Baden-Württembergs bei. Im Landkreis Böblingen und im Bodenseekreis ergab sich dagegen ein weit überdurchschnittlicher FuE-Anteil von mehr als 40 %.

Stadtkreis Freiburg am stärksten durch Dienstleistungsbranchen geprägt

In den Universitätsstädten Freiburg, Karlsruhe und Heidelberg sowie im Kurort Baden-Baden wurden 2008 maximal lediglich etwa ein Fünftel der Wertschöpfung durch die Industrie erwirtschaftet. Freiburg ist dabei der Stadtkreis mit der landesweit geringsten Industriequote. Lediglich gut 15 % der gesamten Wirtschaftsleistung 2008 entfielen dort auf das Verarbeitende Gewerbe und rund 78 % wurden im Dienstleistungssektor erbracht. Der Stadtkreis Freiburg ist damit landesweit der Kreis, der am stärksten durch die Dienstleistungsbranchen geprägt ist. Im Einzelnen zählen hierzu die Wirtschaftsbereiche »Handel, Gastgewerbe und Verkehr«, »Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister« sowie »öffentliche und private Dienstleister«. Diese bestehen vorwiegend aus der öffentlichen Verwaltung sowie Humandienstleistern. Freiburg zeichnet sich darüber hinaus – ebenso wie der Rhein-Neckar-Kreis – durch außerordentlich hohe Anteile der wissensintensiven Dienstleistungen aus. Über die Hälfte ihrer gesamten Wertschöpfung entstand in diesen Dienstleistungsbranchen. Im Stadtkreis Heidelberg waren es sogar knapp 56 %. Als wissensintensive Dienstleistungen werden jene Branchen bezeichnet, deren Anteil der Beschäftigten mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss überdurchschnittlich hoch ist, wie zum Beispiel das Kredit- und Versicherungsgewerbe, die Unternehmensdienstleistungen sowie der Bereich Erziehung und Unterricht.

Unter den Landkreisen wies Tübingen, geprägt von der ebenfalls dienstleistungsintensiven Struktur seiner gleichnamigen Universitätsstadt, mit gut 33 % den höchsten Anteil am Wirtschaftsbereich »Öffentliche und private Dienstleister« auf. Im Rhein-Neckar-Kreis dominiert der Bereich »Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister«. Mit rund 39 % der gesamten Wertschöpfung entfiel dort im Jahr 2008 der landesweit höchste Anteil auf diesen Wirtschaftsbereich. In den Stadtkreisen Stuttgart (34 %) und Karlsruhe (33 %) sowie im Landkreis Karlsruhe (30 %) wird die Wirtschaftstruktur ebenfalls stark durch die Unternehmensdienstleister (inklusive Finanzierung und Vermietung) bestimmt. Bei der Wertschöpfung des Bereichs »Handel, Gastgewerbe und Verkehr« ragte der Stadtkreis Heilbronn mit einem Anteil von über 27 % heraus.

Landkreis Biberach erzielte höchste Zuwachsrate

Das Bruttoinlandsprodukt ist der zentrale Indikator für Wachstum und Konjunktur. Die Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsproduktes drückt das Wirtschaftswachstum einer Region aus. Auf Stadt- und Landkreisebene kann das BIP jedoch nur nominal bzw. in jeweiligen Preisen und somit nicht frei von Preiseinflüssen angegeben werden, da in der hier betrachteten regionalen Tiefe keine gesicherten gesamtwirtschaftlichen Preisindizes zur Deflationierung vorliegen.

Die Wirtschaftsleistung aller Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs ist im Zeitraum 2003 bis 2008 nominal durchschnittlich um 15,8 % angestiegen. Die höchste Zuwachsrate des nominalen BIP seit 2003 erzielte der Landkreis Biberach mit 32,4 %, gefolgt vom Alb-Donau-Kreis (+ 28,9 %), dem Bodenseekreis (+ 28,2 %) und dem Landkreis Freudenstadt (+ 28,1 %). Das starke Wachstum dieser Kreise ist vor allem der dynamischen Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes vor der Weltwirtschaftskrise zuzuschreiben, insbesondere den Industriebranchen, die sich durch ausgeprägte Aktivitäten in Forschung und Entwicklung auszeichnen. Während die Wirtschaftsleistung der FuE-intensiven Industriebranchen in Baden-Württemberg 2008 gegenüber 2003 durchschnittlich um knapp 23 % zugelegt hat, wuchs sie im Landkreis Biberach in diesen Branchen mit gut 71 % über 3-mal so stark, im Alb-Donau-Kreis mit knapp 87 % sogar annähernd 4-mal so stark wie im Landesdurchschnitt. Der Bodenseekreis wies mit 46 % ebenfalls einen weit überdurchschnittlichen Zuwachs bei den FuE-intensiven Branchen auf. Im Landkreis Freudenstadt erhöhte sich die Wirtschaftsleistung im genannten Zeitraum in den FuE-intensiven Industriebranchen um rund 78 %.

Ein vollständiger Nachweis der Kreisergebnisse erfolgt in der Gemeinschaftsveröffentlichung »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 2, Band 1: Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den kreisfreien Städten und Landkreisen Deutschlands 1992 und 1994 bis 2008«, die als Excel-Datei kostenlos unter www.vgrdl.de abgerufen werden kann.

1 Während die Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder zum Bruttoinlandsprodukt bzw. zur Bruttowertschöpfung auf Bundesländerebene bereits 3 Monate nach Ablauf des Berichtsjahres veröffentlicht werden, liegen die Kreisergebnisse aufgrund der eingeschränkten Datenlage frühestens 18 Monate nach Ablauf des Berichtsjahres vor.