:: 2/2011

Binnennachfrage festigt sich

Baden-Württembergs Wirtschaft dürfte im ersten Quartal um ¾ % gegenüber dem Vorquartal wachsen

Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der ersten 3 Quartale des vergangenen Jahres nunmehr vorläufig berechnet ist, steht auch das für das Gesamtjahr prognostizierte Wirtschaftswachstum in Baden-Württemberg auf zunehmend sicherem Grund: Nach jetzigem Berechnungsstand dürfte die Wirtschaftsleistung 2010 im Land um rund 4¾ % gestiegen sein.

Einen Ausblick auf den Konjunkturverlauf 2011 erlaubt der Gesamtkonjunkturindikator des Statistischen Landesamts, der eine fortgesetzte Erholung bei gebremster Dynamik andeutet (Schaubild 1). Für das 1. Quartal 2011 rechnen wir mit einem realen Wirtschaftswachstum gegenüber dem Vorjahresquartal von rund 5½ %. Auch gegenüber dem Vorquartal bedeutet dies ein solides Wachstum – nämlich um preisliche, saisonale und kalenderbedingte Einflüsse bereinigt – um rund ¾ %. Der nachlassenden Dynamik des Auslandsgeschäfts steht dabei eine Festigung der Binnennachfrage gegenüber. Insgesamt schwächt sich die Boomphase leicht ab (Schaubild 2).

Die Anzahl der Erwerbstätigen lag 2010 im Jahresdurchschnitt um 21 000 über dem Vorjahreswert. Dabei zeigte sich die Beschäftigungslage im Jahresverlauf zunehmend freundlicher. Im 3. Quartal 2010 übertraf die Zahl der Erwerbstätigen das Vorjahresniveau bereits um 44 000. Die Dynamik wurde wesentlich von der Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten getragen. Deren Anzahl stieg zwischen August und Oktober vorläufigen Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit zufolge sogar um knapp 61 000 über den Vorjahreswert. Der Zuwachs geht maßgeblich auf das Konto der Dienstleistungsbereiche, insbesondere der Arbeitnehmerüberlassung. Die Zahl der Arbeitslosen lag im 4. Quartal mit rund 242 000 um fast 40 000 unter dem Vorjahreswert. Die Arbeitslosenquote betrug im Dezember 4,3 %.

Mit der wirtschaftlichen Erholung des vergangenen Jahres tendierten auch die Verbraucherpreise in Baden-Württemberg nach oben. Über das Gesamtjahr ist der Preisanstieg mit 1,1 % nach wie vor als moderat zu bezeichnen. Unverkennbar ist allerdings, dass die Teuerung sich im Jahresverlauf verstärkte. Besonders der Anstieg der Weltmarktpreise für Rohstoffe sorgte dafür, dass sich der Preisdruck auf den Vorstufen deutlich erhöhte.

Nach dem Sturm, vor dem Aufräumen

Auch zum Jahreswechsel zeigt sich die konjunkturelle Lage auf den bedeutendsten Auslandsmärkten sehr heterogen. Den zweifelhaften Titel des »kranken Manns« Europas hat Deutschland spätestens seit Überwindung der letzten Wirtschaftskrise abgelegt und weitergegeben. In der allgemeinen Wahrnehmung wie auch in den gesamtwirtschaftlichen Daten mutiert Deutschland vom Fußlahmen zur Wachstumslokomotive: Im Jahr 2010 ist die deutsche Wirtschaft um 3,6 % gewachsen, während das Wachstum im gesamten Euroraum nach jetzigem Kenntnisstand bei rund 1,8 % liegen dürfte (Schaubild 3). Dies ist umso bemerkenswerter, als der BIP-Rückgang des Jahres 2009 in Deutschland mit −4,7 % nicht wesentlich stärker war als der in der EU bzw. dem Euroraum (−4,2 % bzw. −4,1 %). Von einem eher »statistischen« Aufholprozess nach einem besonders starken Einbruch kann also nicht die Rede sein.

Bei aller verständlichen Erleichterung über die unerwartet schnelle wirtschaftliche Erholung – das Niveau der Wirtschaftsleistung, das vor der Krise erzielt wurde, dürfte in Gesamtdeutschland wie in Baden-Württemberg erst in der 2. Jahreshälfte wieder erwirtschaftet werden. Angesichts der Befürchtungen über den Verlauf der konjunkturellen Erholung, wie sie auch an dieser Stelle wiederholt beschrieben wurden, ist die Aussicht sicherlich erfreulich. Interessant ist jedoch, dass diese Schwelle vermutlich bereits jetzt von einem Wirtschaftsraum überschritten wurde, von dem man dies eher nicht erwartet hätte: Nachdem die Wirtschaftsleistung in den USA im Jahr 2009 um 2,6 % zurückgegangen ist, dürfte die US-Wirtschaft 2010 wieder um 2,9 % gewachsen sein. Kehrseite der Medaille ist, dass diese schnelle Erholung auf eine massiv expansive Ausgabenpolitik zurückzuführen ist, die zu seit Jahrzehnten nicht gekannten Belastungen der öffentlichen Haushalte geführt hat. Während die Geldpolitik expansiv bleiben dürfte, stehen die Zeichen für Regierung und Bevölkerung wohl eher auf Reduzierung von Ausgaben. Entsprechend ambivalent sind die Impulse, die 2011 von den USA auf die Nachfrage nach baden-württembergischen Exportgütern ausgehen werden.

Ein großes Fragezeichen steht auch hinter der konjunkturellen Entwicklung des Euroraums. Die nach wie vor alles andere als ausgestandene Staatsschuldenkrise in den Peripherieländern stellt die dortige Fiskalpolitik vor die besondere Herausforderung verstärkter Sparanstrengungen. Da Haushaltskonsolidierung zumindest unmittelbar mit einem Nachfragerückgang verbunden ist, andererseits eine konventionelle Lösung des Problems ohne Wirtschaftswachstum aber kaum denkbar ist, müssen expansive Effekte von außen kommen. Die Neigung, eigene Sparanstrengungen aufzuschieben, scheint im weniger betroffenen Teil Europas allerdings geringer ausgeprägt zu sein. Es dürfte damit weiter knirschen im Gebälk des gemeinsamen Hauses Europa.