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Wohnsituation älterer Menschen in Baden-Württemberg und Deutschland

In Deutschland wird 2020 fast jeder Dritte 60 Jahre und älter sein. Grund genug, sich mit dieser Bevölkerungsgruppe und ihrem wichtigsten Aufenthaltsort, der eigenen Wohnung, näher zu befassen. Senioren leben immer länger in ihrem eigenen Haushalt, meist mit einer Partnerin oder einem Partner, mit zunehmendem Alter aber auch häufig alleine. Die Wohnung, ihr Umfeld und dessen Infrastruktur sind entscheidend für ein selbständiges Leben im Alter. Der Überblick über die Wohnsituation älterer Menschen zeigt, wie unterschiedlich die älteren Menschen wohnen.

Relevanz der Wohnsituation älterer Menschen

Die Wohnsituation älterer Menschen ist unter biografischen, kohortenspezifischen sowie demografischen Gesichtspunkten bedeutsam (siehe i-Punkt Seite 13). Aus biografischer Perspektive wird die eigene Wohnung mit zunehmendem Alter verstärkt zum Lebensmittelpunkt, da mehr Zeit zu Hause verbracht wird. Ältere Menschen, hier Personen ab 60 Jahren, die nicht mehr erwerbstätig sind, halten sich täglich im Durchschnitt weniger als 3 Stunden außerhalb der Wohnung auf.1 Im Vergleich zu jüngeren Menschen verfügen Ältere über kleinere »Aktionsräume« und schrumpfende »Umweltbezüge«2, sodass sich zusammenfassen lässt: »Alltag im Alter heißt vor allem Wohnalltag«.3

Wird der Blick vom alternden Individuum auf eine bestimmte Gruppe von Geburtsjahrgängen (Kohorten) geweitet, so zeigen sich nicht nur individuelle, sondern auch kohortenspezifische Aspekte des Alters und Alterns. Beispielhaft verdeutlichen lassen sich die Unterschiede zwischen den heute älteren und alten Menschen an der Gegenüberstellung eines 61-jährigen noch erwerbstätigen Vertreters der geburtenstarken Nachkriegsgeneration, der in einer nichtehelichen, kinderlosen Partnerschaft lebt, und einer 95-jährigen Verwitweten, die zwei Weltkriege und ihre Folgen erlebt und drei Kinder großgezogen hat und heute alleine lebt. Beide trennt nicht nur mehr als ein Generationenabstand, sondern auch die Erfahrung von ökonomischer Not bzw. anhaltendem und wachsendem Wohlstand sowie die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Lebensentwürfen mehr oder weniger frei wählen zu können. Diese Unterschiede dürften sich als kohortenspezifische Effekte auf das Wohnverhalten und die Wohnansprüche auswirken.

Schließlich rückt die Gruppe der Älteren zunehmend unter demografischen Gesichtspunkten in den Vordergrund. Gegenwärtig und in Zukunft findet ein Strukturwandel der Bevölkerung statt, dessen Folge ein deutlich steigender Anteil älterer, vor allem aber hochbetagter Menschen ist. Derzeit ist jede 20. Person in Deutschland 80 Jahre und älter; 2060 dürfte es jede 7. Person sein. Durch den Zuwachs an älteren Menschen in Baden-Württemberg und Deutschland wird auch ihr spezifischer Wohnbedarf immer bedeutsamer.

Die Wohnsituation älterer Menschen kann anhand zahlreicher Aspekte beschrieben werden, zum Beispiel:

  • Zusammenleben und -wohnen mit anderen Personen
  • Eigenschaften einer Wohnung wie Ausstattung, Wohnfläche, Lage, Wohnumfeld
  • wirtschaftliche Gesichtspunkte wie der Mietbelastung
  • subjektive Kriterien wie der eigenen Bewertung der Wohnsituation

Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf zwei Fragen: Wo und mit wem wohnen die älteren Menschen? Betrachtet wird die Bevölkerung ab 60 Jahren in Baden-Württemberg und Deutschland. Das sind 2,6 Mill. Menschen in Baden-Württemberg und 21 Mill. in Deutschland im Jahr 2009.4

Wo wohnen ältere Menschen?

Drei Wohnformen älterer Menschen lassen sich grundsätzlich unterscheiden: Der Privathaushalt (eigene Wohnung bzw. Eigenheim), Gemeinschaftsunterkünfte und alternative Wohnformen (siehe i-Punkt). Das Spektrum an Gemeinschaftsunterkünften ist breit und reicht von Altenwohnheimen, Altenheimen und Pflegeheimen über Krankenhäuser und Sanatorien bis hin zu Gefängnissen und Klöstern. Neben den beiden traditionellen Wohnformen »Privathaushalt« und »Gemeinschaftsunterkunft« gibt es wohl eine zunehmende Nachfrage nach alternativen Wohnformen.5 Dabei handelt es sich um besondere Formen des Gemeinschaftswohnens wie selbst organisiertes, gemeinschaftliches Wohnen in Wohngemeinschaften (teilweise mit Betreuung), quartiersbezogene oder generationenübergreifende Wohnprojekte.

Wohnung, Heim oder alternative Wohnformen

Die Fülle an betreuten und gemeinschaftlichen Wohnformen sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass der Wunsch, in den »eigenen vier Wänden« alt zu werden, heute so stark ist wie schon vor 20 Jahren.6 Selbst bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Behinderung ziehen ältere Menschen die eigene Wohnung und das bekannte Wohnquartier vor.7 Es ist demnach zu erwarten, dass die Mehrheit auch der hochbetagten Senioren in Baden-Württemberg und Deutschland in Privathaushalten lebt. Tatsächlich leben mehr als 97 % der Senioren unter 80 Jahren in Privathaushalten. Bei den Hochbetagten (80 Jahre und älter) steigt dann sowohl in Baden-Württemberg als auch in Gesamtdeutschland der Anteil der Heimbewohner an. Darüber hinaus leben Frauen mit steigendem Alter deutlich häufiger in Gemeinschaftsunterkünften als Männer, sodass fast jede dritte Frau in Deutschland ab 90 Jahren in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt. Im Südwesten wohnten 2009 in der Altersgruppe der 80-Jährigen und Älteren 34 700 Frauen, jedoch nur 6 700 Männer in Gemeinschaftsunterkünften. Das sind 11 % bzw. 4 % dieser Altersgruppe (Schaubild 1).

Fern der Dichotomie »daheim oder Heim« wächst die Nachfrage sowie das Angebot an alternativen Wohnformen im Alter. Bundesweit gab es 2008 ca. 550 ambulant betreute Wohngemeinschaften, wobei 400 davon ausschließlich Demenzkranke betreuen.8 Im Falle Generationen verbindender Wohnprojekte gibt es keine systematische Datenerhebung. Selbst eine eindeutige Definition ist auf Grund der großen Bandbreite an Projekten kaum möglich. Einen Anhaltspunkt gibt das Bundesaktionsprogramm »Mehrgenerationenhäuser«, in dessen Rahmen seit 2006 bundesweit 500 Mehrgenerationenhäuser entstanden bzw. umgewidmet worden sind.9 Offensichtlich wirken sich quartiersbezogene, gemeinschaftliche und generationsübergreifende Wohnprojekte im Vergleich zu herkömmlicher Altersbetreuung positiv auf das Leben älterer Menschen aus. Ältere Menschen in diesen neuen Wohnformen sind nach einer ersten Evaluation zufolge gesünder, aktiver und zufriedener mit ihrem Leben – und das bei um 30 % geringeren Betreuungs- und Versorgungskosten.10

Das Wohnumfeld

Neben der Wohnform ist auch das Wohnumfeld wichtig für die selbständige und selbstbestimmte Lebensführung älterer Menschen.11 In diesem sozialen Nahraum finden Nachbarschaft und Begegnung statt. Für die Mehrheit der älteren Menschen sind Kontakte zu Nachbarn – nach Freunden und Familie – wichtig.12 Bedeutend ist auch die lokale Infrastruktur: Die gute Erreichbarkeit von Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf, von Arzt, Apotheke, Bank und Post. Dabei beklagt allerdings jeder vierte Seniorenhaushalt in Deutschland Versorgungsmängel in Bezug auf die fußläufige Erreichbarkeit dieser Einrichtungen und Angebote.13 Insgesamt jedoch wird das Wohnumfeld als gut bewertet – sowohl in Bezug auf die oben genannte Infrastruktur als auch in Hinblick auf Lärmbelästigung und Sicherheitsempfinden.14

Je nach räumlichem Wohnkontext zeigen sich dennoch spezifische Vor- und Nachteile. So weist der ländliche, teilweise aber auch der verstädterte Raum Defizite bei den Einkaufsmöglichkeiten, der medizinischen Versorgung und dem Personennahverkehr auf. In verdichteten Gebieten, das heißt in Großstädten und Ballungsräumen, bewerten die älteren Menschen die Infrastruktur deutlich besser. Hingegen fühlen sich Senioren in ländlichen Regionen erheblich seltener durch Lärm belästigt als in dichter besiedelten Räumen.

In der Stadt oder auf dem Land

Ob Urbanität oder Ländlichkeit des Wohnortes – beides beeinflusst sehr unterschiedlich die Lebenssituation älterer Menschen. Städtische Gebiete bieten in der Tendenz eine breitere Infrastruktur und ein besseres kulturelles Programm an, während ländliche Räume sich zumeist durch mehr Ruhe und eine bessere Naturanbindung auszeichnen. Da eine wohnortnahe Grundversorgung einen der wichtigsten Wohnstandortfaktoren für ältere Menschen darstellt15, wäre zu erwarten, dass Senioren städtische und verdichtete Gebiete auf Grund der besseren Infrastruktur bevorzugen. Tatsächlich leben ältere Menschen nicht seltener oder häufiger in urbanen, semiurbanen und ländlichen Gemeinden als die übrige Bevölkerung. So leben beispielsweise in Baden-Württemberg von den unter 60-Jährigen und von den 80-Jährigen und älteren gleichsam 46 % in einer urbanen und 7 % in einer ländlichen Gemeinde. Auch innerhalb der Gruppe älterer Menschen gibt es kaum Unterschiede (Schaubild 2). Im Bundesdurchschnitt wohnen mehr ältere Menschen sowohl in größeren Städten als auch in ländlichen Gemeinden als in Baden-Württemberg.

Zu prüfen bleibt, ob sich eine Bevorzugung urbaner Gebiete durch entsprechende Umzüge manifestiert. Motive, die mit Wanderungen in Verbindung gebracht werden, orientieren sich zumeist am Konzept des Lebenszyklus. Im Falle der »Altenwanderungen« gibt eine Untersuchung des Wanderungsverhaltens von Senioren in Brandenburg Anhaltspunkte. Danach nannten 77 % der Befragten mindestens eines der folgenden Motive: Eigentum, Ruhe/ländliches Leben, Arbeit, Natur.16 Grundsätzlich ist zu erwarten, dass Wanderungen nur dann stattfinden, wenn die Kosten für den Umzug geringer sind als der erwartete Nutzen, sei er wirtschaftlicher oder sozialer Natur. Bei den Altenwanderungen zeigt sich, zumindest im Zeitraum von 1990 bis 2002, eine Bevorzugung von ländlichen Regionen.17 Ob sich dieses Umzugsverhalten Älterer in den weiteren 2000er-Jahren fortgesetzt hat, bleibt fraglich. Denkbar ist eine zunehmende Wanderung der Älteren in urbane und semiurbane Gemeinden. Auf Grund einer besseren Service- und Pflegeinfrastruktur in Städten und zu erwartenden moderaten Mietpreisen durch einen Bevölkerungsrückgang auch in mittelgroßen Städten könnten Ältere einen Umzug erwägen.

Was Umzüge anbelangt, sind Senioren zwar generell weniger mobil als Jüngere und verharren eher, auch wenn sie alleine leben, in ihrer (möglicherweise großen) Wohnung. Da aber wohl jeder zweite der heute 55-Jährigen im »jungen Alter«, also bis zum 75. Lebensjahr, noch einmal umzuziehen wird, kann der Umzug im Alter als ein weit verbreitetes Ereignis bezeichnet werden.18 Ferner hat die Lebenserwartung auch in den letzten 10 Jahren weiter zugenommen, was dazu beiträgt, dass der Ruhestand weniger als »Restzeit« denn als ein eigener Lebensabschnitt angesehen wird, der noch mit sehr aktiven Phasen verbunden sein kann.19 Diese Faktoren könnten ältere Menschen in Zukunft vermehrt zu Umzügen in urbane Bereiche bewegen. Allgemein gilt jedoch, dass einfache, an Raumkategorien wie Stadt, Umland und Peripherie festgemachte Bewertungen der Lebenssituation älterer Menschen nur von eingeschränkter Gültigkeit sind. Spezifische lokale und individuelle Umstände, wie etwa die Nähe zu Ballungsräumen oder die Einbindung in soziale Netzwerke vor Ort, fallen erheblich ins Gewicht.20

Partnerschaften und Generationen: Mit wem leben ältere Menschen?

Das Zusammenleben Älterer mit anderen Menschen in einem Haushalt ist bedingt durch gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen, die von einigen Menschen zwischen 60 und 100 Jahren gar nicht und von anderen in ganz unterschiedlichen Lebensphasen erfahren worden sind. Hierzu gehören Individualisierung und veränderte Wertorientierungen mit ihren Auswirkungen auf Partnerschafts- und Eheverhalten genauso wie ein möglicher Wandel des intergenerationalen Zusammenlebens. Die größere individuelle Freiheit, zwischen verschiedenen Lebensentwürfen wählen zu können, sich für oder gegen einen Partner bzw. eine Familie zu entscheiden, die höhere Instabilität der Beziehungen und die größere Wahrscheinlichkeit von Trennungen und Scheidungen – all dies hat in der Tendenz in allen Generationen zu kleineren Haushalten geführt. Zudem sind durch den wohlfahrtsstaatlichen Generationenvertrag ältere Menschen finanziell besser abgesichert als zuvor, was ein Alleineleben der älteren Generation grundsätzlich eher ermöglicht. Berufliche Mobilitätsanforderungen schließlich lassen eine wachsende räumliche Distanz zwischen Eltern und erwachsenen Kindern vermuten.

Hinzu kommen weitere Unterschiede zwischen älteren Frauen und Männern. Frauen leben im Durchschnitt länger als Männer. In Deutschland wie in Baden-Württemberg übersteigt die Lebenserwartung beispielsweise der 65-jährigen Frauen die der gleichaltrigen Männer durchschnittlich um 3 Jahre. Frauen sind auch deshalb im Alter häufiger verwitwet als Männer. So waren 2009 rund 67 % der Baden-Württembergerinnen ab 80 Jahren verwitwet, aber nur ca. 26 % der Baden-Württemberger. Darüber hinaus sorgten und sorgen noch immer Kriegsverluste in den männlichen Kohorten unter jenen, die vor Ende der 20er-Jahre geboren wurden, für eine geringere Anzahl potenzieller Partner. Auch zeigen Männer ein anderes Partnerschafts- und Heiratsverhalten als Frauen. Zum Einen gehen sie im höheren Lebensalter eher eine Partnerschaft oder Ehe ein als Frauen und zum Anderen heiraten Frauen häufig Männer, die etwas älter sind als sie selbst. Die Folge der Übersterblichkeit und Kriegsausfälle bei den Männern sowie des unterschiedlichen Heirats- und Partnerverhaltens ist ein »Männerdefizit« im hohen und höchsten Lebensalter und die Tatsache, dass ältere Frauen häufiger alleine leben (Schaubild 3). Zudem wohnen sie häufiger in Heimen als Männer. Dies trifft auf 3,2 % der Seniorinnen zu gegenüber 1,5 % der Senioren ab 60 Jahren.

Kleinere Haushaltsgrößen mit zunehmendem Alter

Ältere Menschen wohnen überwiegend in 2-Personen-Haushalten (Schaubild 3). Erst mit zunehmendem Alter leben immer mehr Ältere alleine. Bei den über 90-Jährigen, die noch im eigenen Haushalt wohnen, sind dies 46 % der Männer und sogar 75 % der Frauen. Haushalte mit drei und mehr Personen sind zwar vergleichsweise selten bei älteren Menschen, aber es gibt hier bemerkenswerte Unterschiede. Größere Haushalte sind häufiger bei den jüngeren Älteren zwischen 60 und 64 Jahren und hier besonders bei Männern. Diese Haushalte verlieren im Laufe der weiteren Lebensjahre zunächst an Bedeutung. Erst im hohen Alter treten sie wieder häufiger auf, und zwar vor allem bei Frauen.

Häufiges Zusammenleben vor allem bei Männern mit Lebenspartnerin …

In Baden-Württemberg wie Deutschland leben acht von zehn älteren Männern, die noch im eigenen Zuhause wohnen, mit einer Frau ehelich oder nichtehelich zusammen (Schaubild 4). Ältere Frauen hingegen leben generell seltener mit einem Partner zusammen. Mit zunehmendem Alter verstärkt sich dieser Unterschied. Von den 80-Jährigen und älteren in Baden-Württemberg wohnen 23 % der Frauen mit einem Partner zusammen und 71 % der Männer mit einer Partnerin. Die nach Alter differenzierteren Daten für Deutschland bestätigen diesen Unterschied noch deutlicher. Nur ca. 4 % der Frauen ab 90 Jahren leben mit einem Partner, aber rund 47 % der Männer. Die Lebensformen der Älteren von heute mögen noch stabil sein und werden von einem eheverbundenen Zusammenleben dominiert. Immerhin sind von den 70- bis 85-Jährigen noch nie so viele verheiratet gewesen wie gegenwärtig.21 Aber vor dem Hintergrund einer geringeren Stabilität von Paarbeziehungen in den jüngeren Kohorten und einer häufigeren Scheidung auch langjähriger Ehen dürften in künftigen älteren Generationen seltener Partnerschaften und Ehen zu erwarten sein.

… und Mehrgenerationenhaushalte besonders bei Hochbetagten

Bis etwa zum 80. Lebensjahr lebt gut die Hälfte der älteren Menschen, die noch im eigenen Zuhause wohnen, mit dem Ehepartner zusammen ohne weitere Personen im Haushalt. Erst in höherem Alter wohnen die Frauen und Männer zunehmend allein oder, in selteneren Fällen, mit anderen nicht verwandten Personen zusammen. Hierzu können nicht verheiratete Lebenspartner gehören, aber auch Mitglieder von Wohngemeinschaften in diesen Haushalten. Vergleichsweise selten wohnen ältere Menschen in 2-, 3- oder sogar 4-Generationenhaushalten, also mit eigenen Kindern und Enkeln zusammen (Schaubild 5).

Die Häufigkeit, mit der ältere Menschen in Mehrgenerationenhaushalten leben, verteilt sich über die einzelnen Altersklassen in Deutschland fast u-förmig. Besonders häufig leben die sogenannten jungen Alten und die Hochbetagten mit einer oder zwei weiteren Generationen zusammen. Allerdings dürften jeweils ganz unterschiedliche Lebenslagen dahinter stehen. Die jüngeren Alten dürften mit ihren Partnern und mit ihren noch eher jungen und ledigen Kindern zusammenwohnen. Die Hochbetagten dürften zumeist verwitwet sein und mit ihren erwachsenen Kindern und deren Partner zusammen wohnen. Auch die Enkelkinder dürften bereits schon älter sein und den Haushalt verlassen haben.

In den letzen Jahrzehnten ist die Zahl der Mehrgenerationenhaushalte gesunken.22 Dieser Wandel der Generationenstrukturen ist auf vielerlei Ursachen zurückzuführen. So bleibt ein größerer Anteil jüngerer Kohorten kinderlos, so dass auch ein möglicher Übergang in die Großelternschaft seltener und später erfolgt. Außerdem wohnen die erwachsenen Kinder heute in der Regel weiter von ihren Eltern entfernt als früher. Dennoch hat sich die »gefühlte Beziehungsdichte« zu den Kindern und Enkeln in den letzten Jahren kaum gewandelt. Zur Beschreibung dieser Tendenzen hat sich der Begriff der »multilokalen Mehrgenerationenfamilie« etabliert, welcher eine räumlich gesehen gewachsene Distanz zwischen den Generationen, jedoch gleichzeitig die fortdauernd engen Kontakt- und Unterstützungsfunktionen zwischen den verschiedenen Generationen einer Familie beschreibt.

Die meisten empirischen Studien und Statistiken zur Lebenssituation älterer Menschen treffen ausschließlich Aussagen über die älteren Frauen und Männer, die noch im eigenen Zuhause leben. Ausgeblendet bleiben in der Gesamtheit all diejenigen, die in Alten- und Pflegeheimen wohnen. Fällt dieser Personenkreis bei den jungen Alten kaum ins Gewicht, so gilt dies für die Hochbetagten nicht mehr (Schaubild 6). Deshalb bleiben Aussagen etwa über die finanzielle Situation oder über die Wohnformen älterer Menschen unvollständig, ja vielleicht sogar unzutreffend, wenn sie sich auf die noch nicht in Heimen lebenden älteren Menschen beschränken. So wohnt in Deutschland jede dritte Frau und jeder sechste Mann ab 90 Jahren in einem Heim. Unter Berücksichtigung auch der Heimbewohner leben 12 bzw. 7 % der hochbetagten Frauen und Männer in einem Mehrgenerationenhaushalt. Auffallend ist: 37 % der Männer, aber nur 3 % der Frauen in diesem Alter leben mit ihrem Ehepartner allein noch daheim in der Wohnung.

Zusammenfassung und Ausblick

Ältere Menschen leben überwiegend und ihrem eigenen Wunsch entsprechend in ihrer Wohnung – Umzüge in Alten- und Pflegeheime finden vor allem erst bei Pflegebedürftigkeit statt. Den sich wandelnden Ansprüchen der Senioren werden in zunehmendem Maße auch alternative Wohnformen gerecht, die ein höheres Maß an Selbständigkeit und teilweise selbst gewählter Gemeinschaft zu kombinieren beabsichtigen. Ferner spielt das Wohnumfeld für die Selbständigkeit und das Wohlbefinden Älterer eine große Rolle. Es gibt erste Hinweise, dass deshalb in den letzten Jahren im Falle von Umzügen ältere Menschen verdichtete und städtische Gebiete gegenüber ländlichen Räumen zunehmend bevorzugen. Mehr als die Hälfte älterer Menschen lebt mit einem Partner und zumeist verheiratet zusammen. Entsprechend bestehen die meisten Altenhaushalte aus zwei Personen; Mehrgenerationenhaushalte sind eher selten. Mit zunehmendem Alter leben mehr Senioren, vor allem Frauen, alleine.

Die Wohnsituation älterer Menschen bleibt wegen ihres wachsenden Anteils an der Bevölkerung, der zunehmenden Nutzung der eigenen Wohnung auch im höheren Alter und der Notwendigkeit, die verschiedenen Altersgruppen differenziert zu betrachten, weiterhin ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Das Beispiel am Anfang dieses Beitrages: hier der 61-jährige »Baby Boomer«, dort die 95-jährige Witwe und Mutter dreier Kinder, vergegenwärtigt uns nicht nur, wie vielfältig das Leben älterer Menschen heute ist, sondern auch, dass die heutigen älteren Menschen keineswegs reprä­sentativ für zukünftige Generationen älterer Menschen sein dürften. Ein strukturell anderer Arbeitsmarkt, diskontinuierliche Erwerbsphasen, ein durchschnittlich höherer Bildungsstand, andere Lebensmodelle und Wertorientierungen, eine stärkere Erwerbsorientierung von Frauen sowie eine längere Lebensarbeitszeit und ein geringeres Rentenniveau könnten in Zukunft zu einer weiteren – heute vielleicht kaum überschaubaren – Ausdifferenzierung der Wohn- und Lebenslagen führen.

1 Saup, Winfried/Reichert, Monika: Die Kreise werden enger. Wohnen und Alltag im Alter, in: Naegele, Gerhard/Frahm, Eckhart/Niederfranke, Annette (Hrsg.): Funkkolleg Altern 2. Opladen/Wiesbaden 1999, S. 248. (Zitierweise: Saup, W./Reichert, M.: Wohnen und Alltag im Alter).

2 Backes, Gertrud M./Clemens, Wolfgang: Lebensphase Alter, 3. Auflage. Weinheim/München 2008, S. 233. (Zitierweise: Backes, G./Clemens, W.: Lebensphase Alter).

3 Saup, W./Reichert, M.: Wohnen und Alltag im Alter, S. 245.

4 Grundsätzlich ähnelt sich die Situation älterer Menschen in Baden-Württemberg der in Deutschland insgesamt. Allerdings erlaubt die gesamtdeutsche Betrachtung wegen der größeren Fallzahlen einen differenzierteren Blick auf die Altersjahrgänge über 80 Jahren.

5 Welzhofer, Lisa: Alternative Wohnformen im Alter, in: Stuttgarter Nachrichten 3. September 2010.

6 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation. Berlin 2005, S. 236 ff.

7 Maelicke, Bernd: Älter werden und schöner Wohnen, in: Seniorenwirtschaft 2/2009, S.?51f f.

8 Deutscher Bundestag: Seniorinnen und Senioren in Deutschland, Drucksache 16/10155, Berlin 2008, S. 67 ff.

9 Deutscher Bundestag: Umsetzungsstand des Fünften Altenberichts‚ Drucksache 17/2552, Berlin 2010, S. 9.

10 Westerheide, Peter: Geringere Kosten, höhere Wohnqualität und bessere Gesundheit, in: ProAlter 01/2010, S. 50–55.

11 Mahne, Katharina/Naumann, Dörte/Block, Jenny: Das Wohnumfeld Älterer, in: Motel-Klingebiel, Andreas/Wurm, Susanne/Tesch-Römer, Clemens (Hrsg.): Altern im Wandel. Stuttgart 2010, S. 142.

12 BAGSO: Verbraucherforum für Senioren. Ergebnisse einer Befragung zum Thema »Wohnen im Alter«. Bonn 2005.

13 Kremer-Preiss, Ursula/Mehnert, Thorsten/Stolarz, Holger: Die Zukunft liegt im Umbau, in: ProAlter 01/2010, S. 27.

14 Tesch-Römer, Clemens/Motel-Klingebiel, Andreas/Wurm, Susanne: Die zweite Lebenshäfte, in: Motel-Klingebiel, Andreas/Wurm, Susanne/Tesch-Römer, Clemens (Hrsg.): Altern im Wandel. Stuttgart 2010, S. 286 ff. (Zitierweise: Tesch-Römer/Motel-Klingebiel/Wurm: Die zweite Lebenshäfte).

15 Scheiner, Joachim: Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Verkehr. Hannover 2004.

16 Born, Karl Martin/Goltz, Elke/Saupe, Gabriele: Wanderungsmotive zugewanderter älterer Menschen, in: Raumforschung und Raumordnung, 02/2004, S. 116.

17 Schlömer, Claus: Räumliche Muster der demographischen Alterung und deren Ursachen in: Scholz, Rembrandt/Bucher, Hansjörg (Hrsg.): Alterung im Raum. Norderstedt 2007, S. 95.

18 Backes, G./Clemens, W.: Lebensphase Alter, S. 242.

19 Künemund, Harald: Gesellschaftliche Partizipation und Engagement in der zweiten Lebenshälfte. Berlin 2001.

20 Bertram, Hans: Regionale Vielfalt und Lebensformen, in: Bertram, Hans (Hrsg.): Das Individuum und seine Familie. Lebensformen, Familienbeziehungen und Lebensereignisse im Erwachsenenalter. Opladen 1995, S.  157 ff.

21 Tesch-Römer/Motel-Klingebiel/Wurm: Die zweite Lebenshäfte, S. 287 ff.

22 Hoff, Andreas: Intergenerationale Familienbeziehungen im Wandel, in: Tesch-Römer, Clemens/Engsteler, Heribert/Wurm, Susanne (Hrsg.): Altwerden in Deutschland. Wiesbaden, 2006 und Mahne, Katharina/Motel-Klingebiel, Andreas: Familiale Generationenbeziehungen, in: Motel-Klingebiel, Andreas/Wurm, Susanne/Tesch-Römer, Clemens (Hrsg.): Altern im Wandel. Stuttgart 2010.