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Die wohnsitzorientierte ungebundene Kaufkraft in Baden-Württemberg 2009

Wie viel Geld haben die Baden-Württemberger zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung? In welchen Gemeinden wohnen besonders kaufkräftige Menschen? Wie stark sind die regionalen Unterschiede der monetären Lage im Land? Wie setzen sich die Einnahmen und Ausgaben zusammen? Diese Fragestellungen stehen hinter den Berechnungen zur wohnsitzorientierten ungebundenen Kaufkraft, die für Gemeinden ab 5 000 Einwohner vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg für 2009 errechnet wurde.

Der Begriff Kaufkraft wird für zwei unterschiedliche Konzepte verwendet. Die hier betrachtete Kaufkraft der Menschen ist nicht zu verwechseln mit der Kaufkraft des Geldes, die angibt, welche Menge an Gütern bzw. Dienstleistungen mit einer bestimmten Menge Geldes erworben werden kann. Die Kaufkraft des Geldes dient zum Vergleich von Währungen (Kaufkraftparität) bzw. zum Vergleich der Wertentwicklung einer Währung über die Zeit (Inflation bzw. Deflation). Die Kaufkraftparität wird mit Bezug auf eine definierte Gütermenge, dem sogenannten Warenkorb, ermittelt. Demgegenüber ist die hier behandelte Kaufkraft der Menschen ein Synonym für das frei verfügbare Einkommen, das für Konsumzwecke ausgegeben wird. Neben Steuern und Sozialbeiträgen sind Beiträge für Versicherungen und Kosten für das Wohnen und die Ersparnis als gebundene Ausgaben bereits abgezogen.

Kaufkraft ist ein Näherungswert des frei verfügbaren Einkommens

Die vom Statistischen Landesamt errechnete regionalisierte, wohnsitzorientierte und ungebundene Kaufkraft, im Folgenden nur noch als Kaufkraft bezeichnet, wird aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen errechnet. Die hier dargestellten Zahlen sind rechnerische Größen, sie entsprechen keinen realen Zahlungsflüssen, basieren aber auf den bestmöglichen und aktuellsten verfügbaren Gemeindestatistiken. Interpretiert mit dem Wissen um die methodischen Besonderheiten, geben sie ein informatives Bild über die finanzielle Lage der Einwohner in den Gemeinden Baden-Württembergs. Speziell die Zusammensetzung der Einkommen ist eine wichtige Zusatzinformation, die einen Eindruck über die Verteilung des Wohlstandes innerhalb der Bevölkerung vermittelt.

Die Kaufkraftwerte können erst dann ermittelt werden, wenn die zugrundeliegenden Statistiken, allen voran die Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), der Einkommensteuerstatistik und der Bevölkerungsfortschreibung vorliegen. Um diese notwendige statistische Fundierung zu erreichen, liegt zwangsläufig eine gewisse Zeitspanne zwischen dem Bezugsjahr der Berechnungen und dem Veröffentlichungszeitpunkt. Nicht für alle Rechengrößen sind jedoch statistische Gemeindewerte für das Berechnungsjahr der Kaufkraft verfügbar, darum sind in den Kaufkraftwerten auch Fortschreibungen bzw. regionale Verteilungen der Rechenpositionen auf Basis von Schlüsselgrößen enthalten.

Kaufkraft: regionalisiert, wohnsitzorientiert, ungebunden

Die drei Adjektive – regionalisiert, wohnsitzorientiert und ungebunden – beschreiben das zugrunde gelegte Kaufkraftkonzept näher. Regionalisiert bedeutet, dass die Kaufkraft für Gemeinden ab 5 000 Einwohnern errechnet wurde. Sie ist auch für die übergeordneten Regionaleinheiten Verwaltungsgemeinschaften, Kreise, Regionen, Regierungsbezirke und natürlich auch für das ganze Land verfügbar. Wohnsitzorientiert beinhaltet, dass die Einkünfte und Ausgaben der Menschen dem jeweiligen Wohnort zugerechnet werden. Berücksichtigt werden muss, dass die am Wohnort zugeordnete Kaufkraft vor allem in ländlichen Gemeinden größtenteils nicht am Wohnort in Konsum umgesetzt wird, sondern in benachbarte Gemeinden und vor allem in die Zentren abfließt1.

Ungebunden bedeutet, dass von den Einnahmen, die von der Wohnbevölkerung erzielt werden, die gebundenen Ausgaben abgezogen werden. Gebunden sind im hier verwendeten Sinn nicht nur Steuern und Sozialversicherungen. Auch Beiträge zu Schadensversicherungen und Transferzahlungen (zum Beispiel Unterstützungsleistungen von Eltern an ihre Kinder oder an Familienangehörige im Ausland) sowie alle Ausgaben, die für den Bereich Wohnen und zur Vermögensbildung benötigt bzw. genutzt werden, werden als gebundene Ausgaben abgezogen. Hier unterscheidet sich die Methodik maßgeblich von der anderer Institutionen. Deren berechnete Kaufkraft, die vereinfacht mit dem Nettoeinkommen gleichzusetzen ist, berücksichtigt keine Wohnkosten und Ersparnis. Sie ist dadurch wesentlich höher2.

Die Kaufkraftsumme einer Gemeinde gibt also an, wie viel Geld der Wohnbevölkerung zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur freien Verfügung steht. Dies ist sowohl für die Politik als auch für die Wirtschaft eine interessante Planungsgröße. Die Übersicht gibt einen groben Überblick über die wichtigsten Bestandteile der Einnahmen und Ausgaben die der Kaufkraftberechnung zugrunde liegen. Weitere Erläuterungen zur Methodik enthält der i-Punkt.

Jeder Baden-Württemberger hatte 2009 im Durchschnitt 1 280 Euro im Monat zur freien Verfügung

Die Kaufkraft im Land beträgt rund 15 370 Euro pro Einwohner und Jahr bzw. ca. 1 280 Euro pro Monat. Die Einnahmen belaufen sich insgesamt auf rund 27 080 Euro pro Person und Jahr. Ungefähr 11 710 Euro Ausgaben werden als gebunden betrachtet.

Der landesweit größte Anteil der Einnahmen wird aus unselbstständiger Arbeit generiert. Rund 13 280 Euro pro Jahr und Einwohner werden im Land von Angestellten und Beamten vor Steuer und Sozialabgaben erwirtschaftet. Das macht knapp die Hälfte der Einnahmen insgesamt aus. Aus Vermietung und Verpachtung, aus Vermögen sowie aus Selbstständigkeit und Gewerbebetrieb werden im Landesdurchschnitt zusammen ca. 8 290 Euro pro Person erlöst (31 %). Drittgrößter Posten sind die Renten und Pensionen mit etwas über 3 800 Euro (14 %). Hinzu kommen noch 15 weitere Einkommenspositionen, wie zum Beispiel die Arbeitslosenversicherung, Kindergeld und Wohngeld sowie weitere Sozialleistungen und Leistungen von Versicherungen.

Die größten Ausgabenblöcke sind die Steuern und Sozialbeiträge, die mit knapp 6 580 Euro pro Kopf und Jahr deutlich über 50 % der Ausgaben ausmachen. Wohnungsbezogene Ausgaben belaufen sich auf rund 2 000 Euro (17 %), die Ersparnis liegt mit annähernd 2 300 Euro (19 %) leicht darüber.

Die Kaufkraftwerte der aktuellen Berechnung sind nur eingeschränkt mit den vorangegangenen Kaufkraftberechnungen des Statistischen Landesamtes vergleichbar, da methodische Änderungen vorgenommen wurden. Die quantitativ bedeutsamsten Änderungen sind folgende: In der aktuellen Kaufkraftberechnung wurden Spitzeneinkommen über 1 Mill. Euro jährlich aus der Berechnung ausgeschlossen, um Verzerrungen durch einige wenige Personen mit sehr hohen Einkommen zu minimieren. Außerdem wurden die fiktiven Wohnwerte für selbstgenutztes Wohneigentum nicht mehr mit einbezogen (siehe i-Punkt).

Die Wirtschaftskrise beeinflusste die Kaufkraft 2009

Die Kaufkraftsumme 2009 ist mitgeprägt von der Wirtschaftskrise. Sowohl die Einkommen aus unselbstständiger Arbeit als auch die Vermögenseinkünfte lagen 2009 deutlich unter denen des Vorjahres. Die gebundenen Ausgaben für Miete sowie die Nebenkosten für Mieter und Eigentümer wuchsen dagegen weiter, lediglich die Energiekosten gingen krisenbedingt temporär zurück. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Ersparnis im Jahr 2009 rückläufig war.

Neben der Kaufkraft pro Kopf im Land ist auch die regionale Verteilung interessant. Daher wurde die Kaufkraft sowie die Einnahmen und gebundenen Ausgaben für alle Gemeinden des Landes mit 5 000 Einwohnern und mehr errechnet. Sie sind im Landesinformationssystem unter Regionaldaten zum Thema Volkswirtschaft abrufbar. Um auch für ländliche Regionen mit vorwiegend kleineren Gemeinden Daten anbieten zu können, wurde zudem die Kaufkraft der Gemeindeverwaltungsverbände (GVV) und Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaften (VVG) errechnet, sofern diese die Grenze von 5 000 Einwohnern überschreiten3. Die Ergebnisse auf Ebene der GVV bzw. VVG sind Grundlage der folgenden Analysen.

Niedrige Kaufkraftwerte pro Kopf zumeist in ländlichen Gemeinden und den Großstädten

Die durchschnittliche Kaufkraft4 der Gemeinden weicht zum Teil erheblich vom Kaufkraftdurchschnitt des Landes ab. Besonders niedrige Kaufkraftwerte finden sich im Norden des Landes. Im Neckar-Odenwald-Kreis und im Main-Tauber-Kreis haben alle Gemeindeverbände unterdurchschnittliche Kaufkraftwerte. In den Landkreisen Hohenlohe, Schwäbisch-Hall sowie im Ostalbkreis heben sich je zwei Gemeinden bzw. Gemeindeverbände aus ansonsten unterdurchschnittlichen Kaufkraftwerten hervor. Mit Ausnahme weniger Gemeinden, in denen Bezieher hoher Vermögenseinkommen wohnen, ist der ganze Nord-Osten des Landes unterdurchschnittlich kaufkräftig. Dies erklärt sich hauptsächlich durch die unterdurchschnittlichen Einkommen aus unselbstständiger Arbeit.

Die Grenzregionen zu Frankreich und zur Schweiz weisen ebenfalls deutlich unterdurchschnittliche Kaufkraftwerte auf. Hohe Anteile an Beschäftigten im relativ niedrig entlohnten Handel und Gastgewerbe spielen hier sicherlich eine Rolle. Besonders in Lörrach und Waldshut kommen die Auspendler, also Menschen, die in Deutschland wohnen und in der Schweiz arbeiten, als Ursache hinzu. Grundsätzlich sind in den Berechnungen die Einkommen der Pendler berücksichtigt. In der Schweiz oder in Frankreich arbeitende und in Deutschland lebende Personen sind in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. In Frankreich müssen sie jedoch in einem Korridor von 20 km wohnen und arbeiten und grundsätzlich täglich an den Wohnort zurückkehren. In der Schweiz sind 60 Tage der Nichtrückkehr erlaubt und es besteht kein festgelegter Korridor5. Auch wenn sich der Anteil der Pendler gegenüber den Arbeitnehmern mit Arbeitsplatz in Deutschland zwischen 2007 und 2009 überproportional entwickelt hat, kann es aus methodischen Gründen zu einer Unterschätzung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in grenznahen Gemeinden kommen.

Etwas unter dem Durchschnitt liegt die Kaufkraft in den meisten Gemeinden der Landkreise Rastatt, Calw und Tübingen. Eine weitere Ansammlung von Gemeinden mit unterdurchschnittlicher Kaufkraft befindet sich auf der Schwäbischen Alb und in Oberschwaben vom Südosten des Landkreises Reutlingen und Südwesten des Alb-Donau-Kreises über den Landkreis Sigmaringen bis in die westlichsten Gemeinden des Landkreises Ravensburg. Es sind also hauptsächlich (strukturschwache) ländliche Räume, in denen die Kaufkraft unterdurchschnittlich ist.

Dennoch gilt: Die durchschnittlichen Kaufkraftwerte der vier Raumkategorien des Landesentwicklungsplanes unterscheiden sich nur geringfügig. Sie reichen von 15 260 Euro in den ländlichen Gemeinden im engeren Sinne bis 15 470 Euro in den Randzonen um die Verdichtungsräume. Spezifische Bedingungen vor Ort sind vielfach prägender als die Zugehörigkeit zu einer Raumkategorie.

Hohe Kaufkraftwerte in den Ballungsräumen um die Großstädte und in landschaftlich reizvollen Gemeinden

Hohe Kaufkraftwerte finden sich vor allem in den Gemeinden rund um die Großstädte sowie in landschaftlich reizvollen Gebieten. So zieht sich ein Band von Gemeinden mit hoher Kaufkraft entlang des Kinzigtals quer über den Schwarzwald beginnend in Waldachtal im Landkreis Freudenstadt im Nordosten Richtung Süd-West. Mag es zunächst verwundern, dass sich in Baiersbronn gleich zwei Drei-Sterne-Köche niedergelassen haben, so scheint dieser Standort – quasi umgeben von kaufkraftstarken Gemeinden und gut erreichbar von Baden-Baden, einem der Kaufkraftspitzenreiter mit knapp 22 950 Euro je Einwohner6 – gut gewählt zu sein. Auch im Westen des Schwarzwald-Baar-Kreises sowie im Norden und Osten des Landkreises Tuttlingen ballen sich Verwaltungsgemeinschaften und Gemeindeverbände mit hohen Kaufkraftwerten. Ein starker Mittelstand und hohe Beschäftigung in gut bezahlten Branchen sowie ein verhältnismäßig niedriges Ausgabenniveau führen dort zu hohen Kaufkraftwerten.

Der Rhein-Neckar-Kreis im Nord-Westen ist relativ heterogen. Die Gemeinden im Umland der Städte Mannheim und Heidelberg profitieren von hohen Vermögenseinkommen sowie als Wohnort von gut bezahlten Menschen, die in den Städten arbeiten bzw. von gut bezahlten Arbeitsplätzen am Ort. Entsprechend – zum Teil sogar noch ausgeprägter – verhält es sich im Umland der Städte Stuttgart, Pforzheim, Esslingen, Heilbronn und in etwas abgeschwächter Form in Freiburg. Die »Speckgürtel« profitieren von den Arbeitsplätzen und der Attraktivität der Großstädte, wohingegen die Städte selbst zumeist niedrigere Kaufkraftwerte aufweisen.

Spitzenwerte erreichen Mittelstädte mit prosperierenden Unternehmen

Die Städte Walldorf (Rhein-Neckar-Kreis) und Gerlingen (Landkreis Ludwigsburg) bilden, mit über 23 000 Euro pro Person, die Kaufkraftspitzenreiter unter den Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern. In den Fällen Walldorf und Gerlingen generiert sich die Kaufkraft zu einem großen Teil aus Vermögenseinkommen. Zusammen mit den Einnahmen aus Selbstständigkeit und Gewerbebetrieb liegen sie etwas über den Einkommen aus unselbstständiger Arbeit. Aber auch deutlich überdurchschnittliche Einkommen aus unselbstständiger Arbeit tragen ihren Teil zur Spitzenstellung bei und lassen auf eine überdurchschnittliche Kaufkraft in weiten Teilen der Bevölkerung schließen. Oft sind es einzelne Firmen, die Städten und Gemeinden zu ihrem Spitzenplatz verhelfen. Anders in der Stadt Heilbronn. Diese verfügt mit rund 22 500 Euro über eine vergleichbar hohe Kaufkraft. Dieser Spitzenwert kommt in diesem Fall zustande, obwohl die Einkommen aus unselbstständiger Arbeit deutlich unterdurchschnittlich sind. Hier sind Einkünfte aus Selbstständigkeit, Gewerbe und Vermögen alleine für die Spitzenstellung bei der Kaufkraft prägend. Dies lässt darauf schließen, dass die monetä­ren Disparitäten in Heilbronn besonders ausgeprägt sind.

Die regionale Kaufkraft wird weitgehend von der Verteilung der Einnahmen bestimmt

Betrachtet man lediglich die Höhe der Einnahmen, zeigt sich in der regionalen Verteilung eine starke Übereinstimmung mit der Kaufkraft. Verschiebungen ergeben sich zum Beispiel in Stuttgart. Die Einnahmen sind dort deutlich überdurchschnittlich. Bei der Kaufkraft wird dies nicht so stark deutlich, da auch überdurchschnittliche Ausgaben abgezogen werden. In einigen ländlichen Gemeindeverbänden ist der Effekt umgekehrt, zum Beispiel im Landkreis Ravensburg. Trotz unterdurchschnittlicher Einnahmen ergibt sich dort eine überdurchschnittliche Kaufkraft, da die Ausgaben noch weiter unter dem Durchschnitt liegen. Vor allem die in Schaubild 3 dargestellten Ausgaben für den Bereich Wohnen werden hier wirksam.

Die Bedeutung der Einnahmen aus unselbstständiger Arbeit schwankt zwischen 40 und 75 %

Besonders interessant ist die Betrachtung der Zusammensetzung der Einnahmen. Dazu wurden zwei große Einnahmeblöcke gebildet. Die Kreise in Schaubild 2 zeigen die relative Bedeutung der Einkommen aus unselbstständiger Arbeit und der zusammengefassten Einkommen aus Selbstständigkeit, Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung sowie aus Vermögen auf. An der Größe der Kreise ist die absolute Höhe dieser Einkommensbestandteile erkennbar. Die Bedeutung der Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit, also der Löhne und Gehälter der Angestellten und Beamten, reicht von unter 40 % in Baden-Baden und Heilbronn bis rund 75 % in den Städten Gundelsheim und Wernau sowie in den GVV Rauenberg und Gärtringen/Ehningen.

Eigentum und daraus erzielte Vermögenseinkommen konzentrieren sich vielfach bei wenigen Personen. Um Verzerrungen der Kaufkraftwerte durch Spitzeneinkommen zu reduzieren, wurden landesweit rund 2,7 % der Einkommen, die von Einkommensmillionären erzielt wurden, aus der Berechnung ausgeschlossen (siehe i-Punkt). Regional schrumpft das berücksichtigte Einkommen dabei beispielsweise um 31 % in Bad Wimpfen, 22 % in Friesenheim, 19 % in der Stadt Heilbronn und 17 % in Gerlingen, in Baden-Baden um vergleichsweise niedrige 7 %.

Die Schwankungen bei den Bruttoeinkünften aus unselbstständiger Arbeit sind geringer als bei den Einkommen aus Vermögen. Hier liegt Gerlingen ebenfalls vorne mit knapp 18 900 Euro pro Einwohner, gefolgt von Weissach mit 18 800. Die Stadt Freiburg (10 200 Euro) und der GVV St. Blasien (9 500 Euro) liegen am unteren Ende der Einkommen aus unselbstständiger Arbeit pro Einwohner. Die Platzierung Freiburgs hängt nicht nur mit der hohen Zahl an Studierenden zusammen. Heidelberg mit seiner fast doppelt so hohen Studierendendichte kommt auf ein Einkommen aus unselbstständiger Arbeit von immerhin 12 200 Euro. In Freiburg wirken eine höhere Arbeitslosenquote, mehr Teilzeitarbeit und ein höherer Anteil von Beschäftigten im verhältnismäßig niedrig bezahlten Handel und Gastgewerbe zusätzlich reduzierend auf das Durchschnittseinkommen.

Hohe Einnahmen aus unselbstständiger Tätigkeit konzentrieren sich in den Ballungsräumen

Betrachtet man die Einnahmen aus unselbstständiger Tätigkeit isoliert, so wird eine sehr starke Zentrumsorientierung sichtbar. Der allergrößte Anteil der Gemeinden mit deutlich überdurchschnittlichen Werten konzentriert sich im »Speckgürtel« um Stuttgart. Überdurchschnittliche Einkommen aus unselbstständiger Arbeit werden auch im Umland der anderen Großstädte erzielt sowie an den die Zentren verbindenden Verkehrsachsen. Es zeigt sich hier ein sehr enger Zusammenhang mit dem Pendlergeschehen. Die im Umland versteuerten Einkommen werden zu einem guten Teil in den zugehörigen Zentren erwirtschaftet. Vergleiche dazu Schaubild 5, das beispielhaft die Pendler nach Stuttgart aus dem Umland aufzeigt7.

In den Städten senken hohe Ausgaben für den Bereich Wohnen die Kaufkraft

Die Ausgaben sind insgesamt zwischen den Gemeinden weniger stark schwankend als die Einnahmen. Die größten Ausgabenblöcke Steuern, Sozialabgaben und Ersparnis verhalten sich weitgehend analog zur Einnahmeseite (Korrelation: 0,74). Anders verhält es sich bei den Ausgaben für das Wohnen. Diese sind in Städten deutlich höher als in den ländlichen Gemeinden. Die Korrelation zwischen den Einnahmen und den Ausgaben für den Bereich Wohnen beträgt auf Gemeindeebene nur 0,11, das heißt dass sich die Mieten und Wohnnebenkosten pro Kopf auf Gemeindeebene weitgehend unabhängig von den Einnahmen pro Kopf gestalten8.

Hohe Ausgaben kommen also zustande, wenn hohe Einnahmen und hohe Wohnkosten zusammentreffen. Die Gemeinden und Gemeindeverbände mit den höchsten gebundenen Ausgaben befinden sich größtenteils in der Region Stuttgart, weitere im Rhein-Neckar-Kreis und im Landkreis Karlsruhe. Spitzenreiter bei den gebundenen Ausgaben ist die Stadt Gerlingen im Landkreis Ludwigsburg. Die gebundenen Ausgaben liegen dort mit 18 200 Euro pro Kopf um mehr als 50 % über dem Landesdurchschnitt. Dort schlägt besonders der Durchschnittsbetrag von knapp 5 000 Euro Ersparnis zu Buche. Die Mietausgaben sind aufgrund einer hohen Eigentumsquote in Gerlingen sogar unterdurchschnittlich.

Prägende Faktoren für die Unterschiede in der Kaufkraft

Damit sind auch bereits einige der wichtigsten Faktoren angesprochen, die für die Kaufkraft prägend sind. Für den Großteil der Gemeinden ist die Arbeitsmarktsituation von großer Bedeutung. Eine geringe Arbeitslosenquote und viele Beschäftigte in qualifizierten, gut bezahlten Berufen sowie eine niedrige Teilzeitquote der Wohnbevölkerung stärken den größten Einnahmeposten in den meisten Gemeinden, viele Studierende hingegen senken ihn. Es gibt etliche Gemeinden, in denen die Einkommen aus Vermögen die Einkommen aus Unselbstständigkeit überflügeln. Nahezu alle Gemeinden mit deutlich überdurchschnittlichen Kaufkraftwerten verdanken dies hohen Vermögenseinkommen. Auch Einkommen aus Selbstständigkeit und Gewerbebetrieb tragen teilweise erheblich zu guten Kaufkraftwerten bei. Hohe Mietausgaben bzw. hohe Finanzierungskosten für Wohnungsbaukredite wirken hingegen Kaufkraft senkend. Steuern und Sozialabgaben sowie die Ersparnis senken die Kaufkraft. Sie beeinflussen die relative Kaufkraftverteilung jedoch kaum, da ihre Höhe stark von der Höhe der Einnahmen bestimmt wird.

Je größer die Gebiete werden, für die die Kaufkraft aggregiert wird, desto geringer werden die Unterschiede, da sich kommunale Besonderheiten ausgleichen. Spitzenreiter der Kaufkraft auf Kreisebene ist der Stadtkreis Baden-Baden mit 22 950 Euro, für den Stadtkreis Freiburg wurde mit 12 120 Euro der niedrigste Wert ermittelt. In den Landkreisen schwankt die Kaufkraft lediglich zwischen 17 660 im Landkreis Tuttlingen und 13 210 Euro im Landkreis Waldshut.

1 Bei kurzfristigem Bedarf liegt die Kaufkraftbindung der Wohnortgemeinde eher hoch, in der Metropolregion Rhein-Main beispielsweise bei rund zwei Dritteln, in kleinen Gemeinden liegt dieser Wert aber häufig unter 25 %, bei mittel- und langfristigem Bedarf noch niedriger. Vgl. West, Christina 2010: Einzelhandels- und Kaufkraftstromanalyse für die Metropolregion Rhein-Neckar, S. 28 ff,

2 Vgl. zum Beispiel www.gfk-geomarketing.de

3 VVG und GVV in Baden-Württemberg sind Zusammenschlüsse von meist kleinen benachbarten Gemeinden eines Landkreises zur effizienteren Erbringung von Verwaltungsleistungen. Trotz der Darstellung der GVV und VVG in den Karten dieses Aufsatzes, wird im Text der Einfachheit halber hin und wieder von Gemeinden gesprochen. Inhaltlich stimmen die Aussagen auch bei Betrachtung der einzelnen Gemeinden.

4 Die Kaufkraft wird im Folgenden immer als durchschnittliche Kaufkraft je Einwohner in der Gemeinde angegeben. Die absolute Kaufkraft kann der Struktur- und Regionaldatenbank (SRDB) entnommen werden, ist aber für den Vergleich unterschiedlicher Gebietseinheiten ungeeignet.

5 Vgl. EURES-T Oberrhein 2007/10: Informationen für Grenzgänger Deutschland-Schweiz bzw. Deutschland-Frankreich, jeweils S. 107 ff.

6 Baden-Baden, mit seinem ganz spezifischen Entwicklungspfad, hebt sich nicht nur in der Kaufkraftanalyse durch ein umgedrehtes Stadt-Land-Verhältnis von den anderen Stadtkreisen im Land ab.

7 Daten und Karten zum Pendlergeschehen in Baden-Württemberg bietet die jüngst als CD erschienene Veröffentlichung»Berufspendler in Baden-Württemberg«, die bestellt werden kann.

8 Auf Basis des einzelnen Einwohners stellt sich dies sicherlich ganz anders dar. Aussagen über Zusammenhänge von individuellen Einnahmen und Ausgaben sind auf Basis der Kaufkraftberechnungen nicht möglich.