:: 11/2011

Die Aufgaben der kommunalen Erhebungsstellen beim Zensus 2011

Verlässliche Angaben über die Bevölkerungs- und Wohnsituation in unserem Land sind unverzichtbar. Amtliche Einwohnerzahlen werden in vielen Gesetzen genutzt und bilden die Grundlage für zahlreiche Entscheidungen. Nach ihnen werden Wahlkreise eingeteilt, Bürgermeister und Landräte besoldet sowie im Länderfinanzausgleich und im kommunalen Finanzausgleich die Zahlungen vorgenommen. Bevölkerungsdaten bilden die Grundlage für den zukünftigen Bedarf an Kindergartenplätzen, Schulen, Krankenhäusern und Seniorenheimen. Informationen zum Bestand und zur Struktur von Wohnraum dienen als Planungsgrundlage für den Wohnungsbau. Alle diese Informationen erhält man durch einen Zensus, eine Erhebung, die ermittelt, wie viele Menschen in einem Land, in einer Stadt oder einer Gemeinde leben, wie sie dort wohnen und arbeiten.

Die primärstatistischen Erhebungen im Rahmen des Zensus 2011 werden von den jeweiligen Statistischen Landesämtern organisiert.1 Insbesondere bei der Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) werden die Auskunftspflichtigen postalisch unmittelbar vom Statistischen Landesamt angeschrieben. Die Durchführung der Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis (Haushaltsstichprobe) und der Erhebung an Sonderbereichen vor Ort wurde durch das Gesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 (AGZensG2011) den kommunalen Erhebungsstellen übertragen. Nach intensiven Verhandlungsrunden mit den kommunalen Spitzenverbänden hat der Landtag in diesem Gesetz neben Aufgabenschnitt und Finanzzuweisungen an die kommunalen Stellen auch das Erhebungsstellenkonzept geregelt. Erhebungsstellen wurden demnach in 53 Gemeinden2 mit mindestens 30 000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie in den 35 Landkreisen eingerichtet. Die Prüfung und Aufbereitung der von den kommunalen Erhebungsstellen – mit Unterstützung von rund 14 000 Erhebungsbeauftragten – gewonnenen Daten erfolgt im Anschluss im Statistischen Landesamt.

Insbesondere die didaktische Aufbereitung der anfallenden Aufgaben und die fachliche Vorbereitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erhebungsstellen stellten hierbei eine große Herausforderung dar. Mittlerweile sind nach dem 9. Mai 2011, dem Stichtag des Zensus 2011, 4 Monate vergangen. Vor dem Hintergrund der massiven Kritik aus der Bevölkerung während der letzten Volkszählung 1987 kann man beim Zensus 2011 von einem äußerst erfolgreichen und von der Bevölkerung akzeptiertem Erhebungsverlauf sprechen.

Die Haushaltsstichprobe

Bei der Haushaltsstichprobe werden in Baden-Württemberg ca. 10,6 % der Bevölkerung (etwa. 1 148 000 Personen) befragt. Für die Befragung wurde dabei stets die gesamte Anschrift ausgewählt, die auf Basis eines geschichteten mathematischen Zufallsverfahrens gezogen wurde. Alle dort mit Haupt- oder mit Nebenwohnsitz wohnhaften Personen sind zu befragen. Die Erhebungsbeauftragten kündigen sich hierbei im Zuge einer Vorbegehung bei den Auskunftspflichtigen mittels einer Terminankündigungskarte an und legen dieser Karte ein Anschreiben, einen Informationsflyer und Gesetzesinformationen bei. Der Auskunftspflichtige hat bei der Befragung die Möglichkeit, die maximal 46 Fragen des Fragebogens der Haushaltsstichprobe direkt mit Unterstützung des Erhebungsbeauftragten auszufüllen. Alternativ kann der Fragebogen selbst ausgefüllt und per Post an die zuständige Erhebungsstelle geschickt oder online ausgefüllt werden.

Die Haushaltsstichprobe verfolgt zwei Ziele. So werden zum einen auf Basis der in der Haushaltsstichprobe ermittelten Ergebnisse in Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern die Angaben aus den Melderegistern statistisch korrigiert,3 die wiederum die Basis für die Ermittlung der neuen amtlichen Einwohnerzahlen darstellen. Dies geschieht über das Hochrechnen von Karteileichen- und Fehlbestandsraten (siehe i-Punkt). Zum anderen werden über die Haushaltsstichprobe sogenannte Zusatzmerkmale wie zum Beispiel zur Erwerbstätigkeit oder Bildung ermittelt, die nicht in den Melderegistern vorliegen. Die Ergebnisse werden für Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie auf Kreisebene hochgerechnet.

Zu Vorbereitung der Erhebungsstellen auf ihre Aufgaben fanden drei umfangreiche Schulungsblöcke im Statistischen Landesamt statt, das für die Konzeption des ersten und des letzten Schulungsblocks bundesweit federführend tätig war. Die im Oktober/November 2010 organisierten Schulungen der Leiterinnen und Leiter der Erhebungsstellen beschäftigten sich hauptsächlich mit der Einrichtung der Erhebungsstellen, insbesondere unter Berücksichtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben und den anstehenden Aufgaben der Erhebungsstellenleiterinnen und -leiter. Anschließend wurden im Rahmen mehrerer Software-Schulungen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erhebungsstellen mit der für die Durchführung der Haushaltsstichprobe und der Erhebung an Sonderreichen programmierten Zensus-Software vertraut gemacht. Im Februar 2011 folgten abschließend die Schulungen der Schulungsleiter, das heißt derjenigen Multiplikatoren, die ihrerseits die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erhebungsstellen auf die Schulungen der rund 14 000 Erhebungsbeauftragten in Baden-Württemberg vorbereitet haben.

Die Erhebung in sensiblen und nicht-sensiblen Sonderbereichen

Der Begriff der sensiblen und nicht-sensiblen Sonderbereiche ist eigens für den Zensus geschaffen worden. Darunter sind Gemeinschafts-, Anstalts- und Notunterkünfte, Wohnheime sowie ähnliche Unterkünfte zu verstehen. An den entsprechenden Anschriften lässt sich das im Zensus angewandte Verfahren der Haushaltsstichprobe aus verschiedenen Gründen nicht durchführen.

Zum einen handelt es sich bei Sonderbereichen um Anschriften mit sensiblen Bereichen, an denen für die Bewohnerinnen und Bewohner die Gefahr einer sozialen Benachteiligung besteht, wie beispielsweise Justizvollzugsanstalten oder Behindertenwohnheime.

Zum anderen zählen Anschriften zu den nicht-sensiblen Sonderbereichen, an denen oft eine besonders hohe Fluktuation der dort wohnhaften Personen oder ein unzureichendes Meldeverhalten festgestellt werden kann. Diese Einrichtungen (zum Beispiel Studentenwohnheime, Klöster, Internate) können nicht im normalen Verfahren erhoben werden, da eine Hochrechnung der Karteileichen- und Fehlbestandsraten zu verzerrten Ergebnissen führen würde. Des Weiteren zählen Anschriften von Angehörigen ausländischer Streitkräfte und Diplomaten, für die keine Meldepflicht in Deutschland existiert und die auch nicht zu der im Zensus 2011 zu zählenden Bevölkerung gehören, ebenfalls zu den Sonderbereichen. An diesen Anschriften findet jedoch keine Erhebung statt.

Bei der Erhebung an nicht-sensiblen Sonderbereichen werden wie bei der Haushaltsstichprobe die Auskunftspflichtigen direkt von Erhebungsbeauftragten befragt. Bei sensiblen Sonderbereichen findet dagegen eine Befragung der Einrichtungsleitung statt, wobei auch hier die Angaben online gemacht werden können. Die Einrichtungsleitungen sind nur auskunftspflichtig für die ihnen bekannten Erhebungsmerkmale. Die Bewohnerinnen und Bewohner der sensiblen Sonderbereiche sind jedoch über die Erhebung zu unterrichten.

Ziel der Erhebung an Sonderbereichen ist ebenfalls die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahlen. Dieses Ziel wird über eine Vollerhebung der an den Sonderanschriften wohnhaften Personen erreicht. Im Abgleich mit den Daten der Melderegister wird anschließend ermittelt, ob Karteileichen oder Fehlbestände vorliegen. Die Angaben für die Sonderanschriften werden anschließend im statistischen Meldedatenbestand des Zensus entsprechend korrigiert. Über zusätzliche Angaben zum Wohnungsstatus sowie zur Zeitspanne des Aufenthalts an einer Sonderanschrift in Verbindung mit dem Meldedatenabgleich wird festgestellt, wo eine Person mit Hauptwohnsitz oder alleinigem Wohnsitz zu zählen ist.

Stand der Arbeiten in den Erhebungsstellen

Ende Mai 2011 und Mitte Juli 2011 wurden die Erhebungsstellen zum aktuellen Stand der Erhebungen befragt. Im Rahmen dieser Umfragen und auch durch weitere Rückmeldungen auf unterschiedlichsten Wegen (Informationsveranstaltungen für die Erhebungsstellen, Rückmeldungen über die eigens eingerichtete Hotline für Erhebungsstellen) zeigte sich, dass die Arbeiten in den Erhebungsstellen in Baden-Württemberg gut bis sehr gut laufen bzw. gelaufen sind. Die Erhebungsstellen berichten nur in sehr geringem Umfang von Widerständen gegen die Befragung aus der Bevölkerung. Die Anzahl der Verweigerer liegt landesweit schätzungsweise derzeit noch im dreistelligen Bereich. Auch Beschwerden über Erhebungsbeauftragte gab es wenige, was insbesondere auf die sorgfältige Auswahl und die umfassenden Schulungen zurückzuführen sein dürfte. Des Weiteren sind während der Erhebung nur sehr wenige Erhebungsbeauftragte ausgefallen.

Auch der Rücklauf ist besser als erwartet gelaufen, zwischenzeitlich dürften fast alle Erhebungen abgeschlossen sein. Dies zeigt sich darin, dass in allen Erhebungsstellen nur wenige Fälle ins Mahnverfahren gelangt sind, in einigen sogar keine. Bei der Verwertbarkeit der Fragebogen bereitet vor allem die – wenn auch geringe – Zahl an Fragebogen von Selbstausfüllern Probleme. Ansonsten ist, soweit das bisher beurteilt werden kann, die Verwertbarkeit der Fragebogen gut. Das Statistische Landesamt hat sich bereits mehrfach bei den Erhebungsstellen sowie den Interviewerinnen und Interviewern für das große Engagement und den hohen Einsatz bei der Bewältigung der Aufgaben beim Zensus 2011 bedankt.

Neben der Organisation und Begleitung der Erhebungen stehen umfangreiche weitere Maßnahmen an. Dazu zählen neben der Abrechnung der finanziellen Vergütung der Erhebungsbeauftragten die Eingangsregistrierung der Fragebogenrückläufe, die abschließende Feststellung von existenten Personen und die Betreuung des Erinnerungs- bzw. Mahnwesens. Selbstverständlich ist damit die Arbeit in den Erhebungsstellen noch nicht zu Ende. Die Planungen sehen vor, dass die Erhebungsstellen bis Ende April 2012 geöffnet bleiben.

Welche weiteren Aufgaben gibt es in den Erhebungsstellen?

Im Rahmen des Zensus 2011 beginnen die Erhebungsstellen ab November bzw. Dezember 2011 mit folgenden weiteren Erhebungen:

Unterstützung des Statistischen Landesamts bei der Befragung zur Klärung des Wohnsitzes, auch Mehrfachfallprüfung genannt. Diese Erhebung wird wie die GWZ postalisch durch das Statistische Landesamt durchgeführt. Es sind hierbei drei Befragungswellen (Ende September 2011, Anfang Dezember 2011, Anfang Januar 2012) vorgesehen. Der Großteil der Auskunftspflichtigen wurde Ende September 2011 angeschrieben. Die Erhebung endet am 31. Januar 2012, später eingehende Fragebogen können nicht mehr verarbeitet werden. Dadurch ist das Zeitfenster für die Durchführung dieser Erhebung das kleinste aller Erhebungen.

Die Mehrfachfallprüfung ist neben der Befragung zur Klärung von Unstimmigkeiten (siehe I Punkt) die primärstatistische Erhebung, mit deren Hilfe die Angaben aus den Melderegistern in Gemeinden unter 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern statistisch korrigiert werden. Befragt werden im Rahmen der Mehrfachfallprüfung die Personen, die mehrfach mit alleiniger Wohnung oder Hauptwohnsitz und mindestens einmal in einer Gemeinde mit weniger als 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern gemeldet sind.4 Außerdem werden Personen befragt, die ausschließlich mit Nebenwohnsitz in den Melderegistern geführt werden. Restfälle dieser Erhebung, die postalisch nicht geklärt werden konnten, werden von den Erhebungsstellen über Erhebungsbeauftragte voraussichtlich ab November 2011 bearbeitet.

Die Befragung zur Klärung von Unstimmigkeiten (BKU), auch Mini-Haushaltegenerierung genannt, startet voraussichtlich im November 2011. Das Vorgehen entspricht dem der Haushaltsstichprobe. Auch diese Erhebung wird von den Erhebungsstellen mit Hilfe von Erhebungsbeauftragten durchgeführt. Die Erhebung muss zwingend bis zum 30. April 2012 abgeschlossen sein, um die Daten 18 Monate nach Stichtag veröffentlichen zu können.

Die BKU ist neben der oben genannten Mehrfachfallprüfung die primärstatistische Erhebung, mit deren Hilfe die Angaben aus den Melderegistern in Gemeinden unter 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern statistisch korrigiert werden. Die Befragung erfolgt insbesondere, wenn Personen in Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern anhand ihrer Meldedaten keiner Wohnung zugeordnet werden können, oder wenn die Zahl der Personen nach Angaben aus der GWZ größer ist als die Zahl der Personen in den Meldedaten. Die Abgleiche können deshalb erst dann vorgenommen werden, wenn ein Fragebogen der GWZ eingegangen und verarbeitet worden ist. Dadurch erfolgt eine erste, große Lieferung von zu erhebenden Anschriften an die Erhebungsstellen nicht vor November 2011. In den folgenden Wochen werden aber weiter sukzessive zu erhebende Anschriften übermittelt. Zur Klärung der Unstimmigkeiten erfolgt eine Befragung aller an der jeweiligen Anschrift wohnenden Personen.

Liegen zu einem Gebäude im Rahmen der GWZ keine ausgefüllten Fragebogen vor bzw. können keine Imputationen vorgenommen werden, so stoßen die Erhebungsstellen mittels Erhebungsbeauftragter sogenannte GWZ-Ersatzvornahmen an. Eine erste Lieferung betroffener Anschriften erfolgt voraussichtlich im Dezember 2011. Es werden hierbei Merkmale zum Gebäude durch Inaugenscheinnahme und eventuell über eine Mieterbefragung erhoben. Eine Auskunftspflicht der Mieter besteht nicht, die Erhebungsstellen führen im Rahmen der GWZ-Ersatzvornahmen keine Mahnungen durch.

1 Informationen zur Erhebungsmethode des Zensus finden sich in: Statistik Aktuell: »Zensus 2011 – Wissen, was morgen zählt«, 2. aktualisierte Auflage 2011. Außerdem enthalten frühere Ausgaben des Statistischen Monatsheftes diverse Veröffentlichungen zum Zensus 2011.

2 Die Städte Ludwigsburg, Kornwestheim und Bietigheim-Bissingen haben sich hierbei zu einer Erhebungsstelle zusammengeschlossen.

3 In Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern erfolgt die Feststellung der neuen amtlichen Einwohnerzahlen auf der Basis der Angaben aus den Melderegistern nach Durchführung der Mehrfachfallprüfung und der Befragung zur Klärung von Unstimmigkeiten (siehe auch weitere Aufgaben in den Erhebungsstellen). Weiterführende Informationen zur Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen.

4 Alle anderen Fälle werden maschinell bereinigt.